Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 17.12.1997, Az.: 2 U 219/97
Übergang eines Mietvertrags auf den Rechtsnachfolger des Mieters bei Umwandlung oder Verschmelzung; Vereinbarung einer ausdrücklich Einwilligung des Vermieters bei Veräußerung des gesamten Betriebs oder eines Teilbetriebs des Mieters
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 17.12.1997
- Aktenzeichen
- 2 U 219/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 21766
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1997:1217.2U219.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 399 BGB
- § 412 BGB
- § 346 Abs. 3 AktG
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2000, 65-67
Amtlicher Leitsatz
Kein Übergang eines Mietvertrags bei Umwandlung oder Verschmelzung, wenn ausdrücklich Einwilligung des Vermieters bei "der Veräußerung des gesamten Betriebs oder eines Teilbetriebs des Mieters" vereinbart war.
Gründe
Der Kläger kann von der Beklagten zu 1) Herausgabe des in der Urteilsformel bezeichneten Grundstücks verlangen (§ 985 BGB). Die Beklagte zu 1) ist (mittelbare) Besitzerin des Grundstücks. Ein Recht zum Besitz steht ihr nicht zu (§ 986 Abs. 1 BGB).
Die Beklagte zu 1) ist nicht Vertragspartnerin des Klägers (geworden). Ein Mietvertrag mit dem Kläger über das in Rede stehende Grundstück besteht nicht (mehr). Der Mietvertrag vom 03.08.1979 bestand zwischen dem Kläger und der CE. Mit der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses vom 13.05.1982 in das Handelsregister war die CE aufgelöst (§§ 24 Abs. 1 S. 1, 15 Abs. 1 S. 1, 5 S. 2 UmwG aF). Der Begriff der Auflösung ist hier gleich bedeutend mit dem Ende der rechtlichen Existenz der Kapitalgesellschaft; die Gesellschaft ist erloschen (BayObLG DB 1974, 962, 963; Schilling in Hachenburg, 7. Auflage, 1984, § 77 Anh. § 5 UmwG Rdnr. 1).
Das Vermögen der CE ist auf deren alleinige Gesellschafterin, die FS, im Wege der übertragenden Umwandlung (Verschmelzung) übergegangen (§§ 24 Abs. 1 S. 1, 15 Abs. 1 S. 1, 5 S. 1 UmwG aF). Der Übergang des Vermögens und der daraus resultierenden Rechte und Pflichten vollzieht sich von der liquidationslos erlöschenden Gesellschaft in Form der Gesamtrechtsnachfolge auf die aufnehmende Gesellschaft, soweit es sich dabei nicht um höchstpersönliche Rechte handelt (vgl. RGZ 136, 313, 316; BGHZ 95, 88, 93) [BGH 20.06.1985 - IX ZR 173/84].
Zu den Dauerverträgen, deren Bestand durch eine Umwandlung bzw. Verschmelzung grundsätzlich nicht berührt wird und die ohne weiteres auf die Nachfolgegesellschaft übergehen, gehören die Rechte aus von der übergehenden Gesellschaft mit Dritten abgeschlossenen Miet- und Pachtverträgen (Staudinger/Emmerich § 549 BGB Rdnr. 32; Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, Rdnr. 286 aE ; Schilling in Großkomm. zum Aktiengesetz, 3. Auflage, 1975, § 346 Anm. 24). Es bedarf insoweit keiner Zustimmung des Vermieters bzw. Verpächters oder gar eines gesonderten Übernahmevertrages (OLG Düsseldorf DB 1992, 2338 [OLG Düsseldorf 28.09.1992 - 10 U 208/91]; dazu Straßberger in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Auflage, II Rdnr. 316).
Gleichwohl sind im vorliegenden Fall Rechte aus dem am 03.08.1979 geschlossenen Mietvertrag nicht auf die Beklagte zu 1) übergegangen.
Die beschriebenen und bei einer Umwandlung bzw. Verschmelzung ipso iure (durch Gesamtrechtsnachfolge) eintretenden Wirkungen können die Mietvertragsparteien dadurch abwenden, dass diese bereits bei Vertragsschluss durch Aufnahme einer entsprechenden Klausel in den Mietvertrag abgedungen werden (ebenso Straßberger in Bub/Treier a.a.O.; dazu auch Grunewald in Lutter (Hrsg.), UmwG, § 20 Rdnr. 11 i.V.m. Fn 20). Der Vermieter ist in diesem Fall bei einer Gesamtrechtsnachfolge nicht darauf angewiesen, im Nachhinein und im Einzelfall abzuwägen, ob die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung gegeben sein könnten.
Dies ist hier der Fall.
Im Mietvertrag ist in § 8 Ziffer 2 S. 2 vereinbart, dass es bei "der Veräußerung des gesamten Betriebes oder eines Teilbetriebes des Mieters ... wegen des Überganges dieses Mietvertrages auf den Rechtsnachfolger des Mieters einer vorherigen Vereinbarung mit dem Vermieter (bedarf)". Die Regelung ist zwar im Hinblick auf den Begriff "Veräußerung" nicht klar formuliert, bringt aber hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Rechtsstellung als Mieter nur nach vorheriger Vereinbarung übergehen soll. dass dies nicht nur bei einer Veräußerung des (gewerblichen) Betriebes der FS, sondern auch dann gelten soll, wenn diese sich gleichsam "selbst veräußert", kann deshalb keinen Zweifeln unterliegen. Aus dem Regelungszusammenhang mit § 8 Ziffer 2 S. 1 wird deutlich, dass es dem Kläger besonders darauf ankam, von jeder Änderung hinsichtlich der Rechtsform des Mieters zu erfahren, und er überdies nicht bereit war, einen Wechsel in der Person des (Haupt-)Mieters ohne seine Mitwirkung hinzunehmen. Im Hinblick auf die Solvenz des Mieters ist ein so zum Ausdruck gekommenes Anliegen sachgerecht und billigenswert. Dies gilt auch für den Fall, dass "nur" eine Kapitalgesellschaft gegen eine andere "ausgetauscht" wird, weil nämlich das in der untergegangenen Gesellschaft ehedem vorhandene Kapitel anschließend in der Nachfolgegesellschaft ein möglicherweise völlig geändertes Haftungsrisiko abzudecken hat.
Die hier getroffene Vereinbarung hatte entsprechend §§ 399, 412 BGB den Ausschluss der freien Abtretbarkeit der Rechte aus dem Mietvertrag zur Folge. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine derartige Abrede den Anspruch als von vornherein unveräußerliches Recht entstehen lässt, eine der Vereinbarung zuwiderlaufende Abtretung schlechthin gegenüber jedem Dritten unwirksam ist und keinerlei Gläubigerrechte übertragen werden können (BGHZ 108, 172, 176) [BGH 29.06.1989 - VII ZR 211/88]. Ein Gläubigerwechsel findet nicht statt. Daran ändert im vorliegenden Fall nichts, dass die Abtretbarkeit hier nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern nur von einer vorherigen Vereinbarung abhängig gemacht worden war. Denn Derartiges können die Vertragsparteien ebenso vereinbaren wie den Ausschluss der Abtretung schlechthin (BGH 40, 156, 161). Die Übertragung des Rechts wird dann erst mit der entsprechenden Vereinbarung wirksam.
§ 399 BGB findet nach § 412 BGB auf die bei einer übertragenden Umwandlung (Verschmelzung) gesetzlich angeordnete Gesamtrechtsnachfolge Anwendung. Der Senat sieht sich insoweit in Übereinstimmung mit der überwiegenden Kommentarliteratur zum BGB, die in diesem Zusammenhang auf den strukturgleichen, im Wege der Neuregelung des Umwandlungsrechts 1994 aber aufgehobenen und in das Umwandlungsgesetz einbezogenen § 346 Abs. 3 AktG verweist (vgl. Palandt/Heinrichs § 412 Rdnr. 1; MüKo/Roth § 412 Rdnr. 15; Erman/Westermann § 412 BGB Rdnr. 2; Staudinger/Kaduk § 412 BGB Rdnr. 8; Soergel/Zeiss § 412 BGB Rdnr. 1; Jauernig/Stürner § 412 BGB). Wenn teilweise die Ansicht vertreten wird (RGRK/Kreft § 412 BGB Rdnr. 35), es liege insoweit kein Anwendungsbereich vor, so ist dem entgegenzuhalten, dass schon aus dem vorliegenden Sachverhalt etwas anderes folgt. Auch der Hinweis (Grunewald a.a.O., § 20 UmwG Rdnr. 29), die Anwendung sei nicht im Interesse der Vertragspartner, weil der bisherige Vermögensträger und damit die (Einzel-) Forderung untergegangen sei, vermag dann nicht zu überzeugen, wenn in einem Dauerschuldverhältnis eine entsprechende Vereinbarung ausdrücklich getroffen worden ist. Denn in derartigen Fällen verbleibt es praktisch bei der neuerlichen Vermietbarkeit durch den Vermieter.
Sind damit keine Rechte aus dem Mietvertrag vom 03.08.1979 auf die FS übergegangen, können solche auch der Beklagten zu 1) nicht zustehen.
Die Beklagten sind zu Unrecht der Ansicht, der Kläger könne sich "nicht 14 Jahre nach erfolgter Umwandlung (Verschmelzung) auf einmal auf § 8 Ziffer 2 S. 2 des Mietvertrages berufen". Insoweit liegt weder ein Verstoß gegen § 242 BGB vor noch ist "ein dementsprechender Einwand verwirkt". Der Kläger erhebt hier schon keinen Einwand, der ein Recht der Beklagten zu 1) vernichtet oder berührt, sondern er verweist nur auf die mit der Umwandlung im Jahr 1982 eingetretene Rechtslage.
Nichts anderes folgt aus dem - unter Beweis gestellten - Vorbringen, dass die Umwandlung 1982 erfolgt sei und dem Kläger "dieser Sachverhalt in der Folgezeit bekannt wurde, ohne dass er dagegen Einwände erhoben" habe. Damit wird zum einen keine dem § 8 Ziffer 2 entsprechende "Vereinbarung" behauptet. Aber auch ein Einverständnis mit der Aufhebung des vertraglichen Abtretungsverbotes oder eines Verzichts auf die Einrede aus § 399 BGB (vgl. BGHZ 108, 172, 176) [BGH 29.06.1989 - VII ZR 211/88] ist damit nicht ausreichend vorgetragen. Bereits nach einem entsprechenden Hinweis des Landgerichts haben die Beklagten ihr Vorbringen nicht näher konkretisieren können, sondern erneut nur behauptet, "dass zeitnah mit dem Kläger darüber gesprochen worden sei". dass die entsprechende Behauptung für die hier in Rede stehende Frage ohne Belang ist, wird an den nachfolgenden Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 03.12.1996 deutlich. Auf das Vorbringen des Klägers, ihm seien Veränderungen erstmals 1994 bekannt geworden, haben die Beklagten nur wiederholt, "der Sachverhalt sei in der Folgezeit nach 1982 bekannt gewesen", und auf den Schriftverkehr zwischen dem Kläger und einer "C AG" in L aus dem Jahr 1984 und weiterem Schriftverkehr mit einer Firma "CH AG" in B verwiesen. Aus diesen und den weiteren zur Akte gelangten Schriftstücken folgt indessen gerade nicht, dass der Kläger vor 1994 Kenntnis von einem Übergang der Rechte aus dem Mietvertrag auf die FS bzw. (nach entsprechenden Firmenänderungen) "CB-GmbH", "CBP-GmbH" oder "F GmbH" (alt) hatte. Bei den in dem mitgeteilten Schriftverkehr genannten Firmen handelte es sich jeweils um die Beklagte zu 2), die den Markt in dem Mietobjekt ................ betrieb und mit der "sämtliche Korrespondenz" (Klageerwiderung) geführt wurde. Insoweit dem Kläger bekannt gewordene "Veränderungen" sind nicht relevant, wenn es um die Frage eines Eintritts der Beklagten zu 1) in den Mietvertrag geht.
Die Firma F GmbH (alt) ist gegenüber dem Kläger erstmals 1994 in Erscheinung getreten. Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann auch aus dem Verhalten des Klägers seit 1994 (noch) nicht der Schluss gezogen werden, es widerspreche Treu und Glauben, sich erst 1996 auf darauf zu berufen, die Beklagte zu 1) sei nicht Vertragspartnerin geworden.
Selbst wenn man einen Eintritt der FS - letztlich firmierend unter F GmbH (alt) - in die Rechtsstellung des Mieters des Vertrages vom 03.08. 1979 annehmen wollte, könnte die Beklagte zu 1) daraus nichts herleiten. Denn auf Grund der Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen der Firmen H GmbH und F GmbH (alt) vom 20.05.1996 bzw. 09.07. 1996, des Verschmelzungsvertrages vom 20.05.1996 und der entsprechenden Eintragungen ist die letztgenannte Gesellschaft wiederum erloschen und deren Vermögen im Wege der Verschmelzung, also durch Gesamtrechtsnachfolge unter Ausschluss der Liquidation, auf die Beklagte zu 1) übertragen worden (§§ 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 UmwG nF). Dieser Vorgang fällt ebenfalls unter § 8 Ziffer 2 S. 2 des Mietvertrages mit der Folge, dass die Rechte aus dem Mietvertrag nicht übergegangen sind (§§ 399, 412 BGB). Ein Einrücken der Beklagten zu 1) in die Rechtsstellung des Mieters wäre nur nach "vorheriger Vereinbarung mit dem Vermieter" möglich gewesen. Eine solche liegt nicht vor. Der Kläger verweigert jegliche Zustimmung.
Ein Herausgabeverlangen, um den Mieter zur Vereinbarung eines höheren Mietzinses zu bewegen, stellt keine unzulässige Rechtsausübung dar (vgl. Erman/Hefermehl § 985 BGB Rdnr. 7 mRsprn.). Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass zu Beginn des Vertrages eine zweckgebundene Mietvorauszahlung in Höhe von 850.000 DM geleistet worden ist. Die fest vereinbarte Mietzeit von 15 Jahren ist hier abgelaufen. In dieser Zeit sollte die Mieterin das zur Finanzierung der Vorauszahlung aufgenommene Darlehen auch zurückgezahlt haben (Ziffer 6 der Absichtserklärung zum Mietvertrag). Selbst wenn die Vorauszahlung noch gewissen Einfluss auf die vereinbarte Mietzinshöhe nach Ausübung der ersten Option und auf die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Beklagten zu 1) gehabt hat, ist dieser Zusammenhang nicht mehr derart ausgeprägt, dass das Herausgabeverlangen nach nunmehr 18 Jahren gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Sofern daraus überhaupt noch Ansprüche resultieren sollten (dazu Heile in Bub/Treier a.a.O., II Rdnr.732), wären diese als solche geltend zu machen.
Der Kläger kann (auch) von der (mittelbar) besitzenden Beklagten zu 1) Herausgabe des Grundstücks verlangen. Die Beklagte zu 2) hat das Grundstück darüber hinaus zu räumen. Sie ist als unmittelbare Besitzerin - sie betreibt auf dem Grundstück einen Supermarkt - und Untermieterin der Vertragspartnerin des Klägers und vormaligen Mieterin sowohl zur Räumung wie auch zur Herausgabe des Grundstücks verpflichtet (§ 556 Abs. 3 BGB). Denn der (Haupt-)Mietvertrag vom 03.08.1979 entfaltet keine Wirkung mehr und ist beendet. Einer besonderen Aufforderung zur Rückgabe der Mietsache (vgl. Palandt/Putzo § 556 Rdnr. 19) ist entbehrlich geworden, nachdem sich die Beklagte zu 2) auf den Rechtsstreit eingelassen hat. § 549a BGB findet bei der Miete von gewerblich zu nutzenden Räumen keine Anwendung (Palandt/Putzo § 549a BGB Rdnr. 2).