Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.03.1994, Az.: 11 L 3081/93
Aufenthaltserlaubnis; Betäubungsmittel; Ausweisung; Doppelbestrafung; Straftat
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.03.1994
- Aktenzeichen
- 11 L 3081/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 13969
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1994:0315.11L3081.93.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover 21.05.1993 - 9 A 4406/91
- nachfolgend
- BVerwG - 10.01.1995 - AZ: BVerwG 1 B 153/94
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 9. Kammer - vom 21. Mai 1993 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; - insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1955 geborene Kläger ist malaysischer Staatsangehöriger. Er reiste 1977 erstmals in die Bundesrepublik ein. Seit dem 27. Februar 1981 ist der Kläger mit der deutschen Staatsangehörigen ..., verheiratet. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Der Kläger ist seit dem 15. März 1984 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.
Mit Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 20. Dezember 1988 wurde der Kläger wegen des Besitzes von ca. 4 kg Haschisch zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Auf die Berufung des Klägers ermäßigte das Landgericht Hannover mit Urteil vom 27. Februar 1989 die Freiheitsstrafe auf ein Jahr und neun Monate und setzte die Vollstreckung zur Bewährung aus. Es beurteilte die Straftat des Klägers als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, da dieser eingeräumt hatte, im September 1987 als "Unterurlaubsvertretung" eines Bekannten dreimal insgesamt 2,5 kg Haschisch zu einem Preis von 8,50 bzw. 9,-- DM pro Gramm verkauft und als Provision 500,-- DM pro Kilogramm erhalten zu haben. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt.
Mit Verfügung vom 22. Februar 1990 hörte die Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Ausweisung an. Gleichzeitig holte die Beklagte über das Niedersächsische Ministerium des Inneren eine Auskunft des Auswärtigen Amtes dazu ein, ob der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit einer erneuten Bestrafung wegen des in der Bundesrepublik Deutschland abgeurteilten Delikts zu rechnen habe. Mit Schreiben vom 2. Mai 1990 teilte der Niedersächsische Minister des Inneren mit, die Anfrage beim Auswärtigen Amt habe ergeben, daß nach Auskunft des Obersten Gerichtshofes in Kuala Lumpur ein malaysischer Staatsangehöriger, der wegen eines im Ausland begangenen Drogendeliktes rechtskräftig verurteilt wurde, in Malaysia nicht mit erneuter Anklageerhebung und daraus resultierender nochmaliger Bestrafung zu rechnen habe. Eine Doppelbestrafung für dasselbe Delikt sei unzulässig. Sollten malaysische Behörden von der Verurteilung des Betreffenden in der Bundesrepublik erfahren, würde dies allerdings polizeiliche Ermittlungen mit dem Ziel zur Folge haben, evtl. in Malaysia begangene Drogendelikte des Betreffenden oder etwaige Verbindungen zur malaysischen Drogenszene aufzudecken.
Mit Bescheid vom 18. Juni 1990 wies die Beklagte den Kläger daraufhin gemäß § 10 Abs. 1 AuslG (a.F.) aus der Bundesrepublik aus und befristete die Wirkung der Ausweisung zugleich auf zwei Jahre.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Hannover mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 1991 zurück. Sie führte zur Begründung aus: Die Ausweisung des Klägers sei auch nach §§ 47 und 48 des nunmehr am 1. 1. 1991 in Kraft getretenen neugefaßten Ausländergesetzes rechtmäßig. Gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG (n.F.) werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er mit Betäubungsmitteln ohne Erlaubnis gehandelt habe. Da der Kläger mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet sei, genieße er gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 4 AuslG (n.F.) besonderen Ausweisungsschutz, so daß gemäß § 47 Abs. AuslG (n.F.) über seine Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden sei. Insoweit seien gemäß § 45 Abs. 2 AuslG (n.F.) die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts, die Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet, die Folgen der Ausweisung für seine Familienangehörigen sowie die in § 55 Abs. 2 (n.F.) genannten Duldungsgründe zu berücksichtigen. Die Abwägung mit dem öffentlichen Interesse im Hinblick auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Bundesgebiet durch den illegalen Rauschgifthandel könne angesichts der Schwere des von dem Kläger begangenen Delikts nicht zu einem Überwiegen der privaten Interessen führen. Der Handel mit Rauschgift gehöre schlechthin zu den gefährlichen und schwer zu bekämpfenden Delikten. Dies gelte auch für den Handel mit der Droge Haschisch. Die Ausweisung sei überwiegend aus generalpräventiven Gründen erfolgt. Dies sei gerechtfertigt, weil eine Ausweisung nach der Lebenserfahrung dazu beitragen könne, andere Ausländer abzuschrecken. Die Tatsache, daß der Kläger bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheids nicht erneut straffällig geworden sei, führe deshalb nicht zu einer anderen Entscheidung. Es sei auch nicht erkennbar, daß durch die Ausweisung des Klägers seine Ehefrau zwingend von Sozialhilfe abhängig werde. Gegebenenfalls müsse diese eine Vermietung oder Verpachtung des gemeinsam betriebenen Ladenlokals in Erwägung ziehen oder einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Im Hinblick auf die Duldungsgründe des § 55 Abs. 2 AuslG (n.F.) sei zu berücksichtigen, daß nach Auskunft des Obersten Gerichtshofes in Kuala Lumpur eine Doppelbestrafung für ein und dasselbe Delikt unzulässig sei. Die vom Kläger befürchteten Repressionen in seinem Heimatland seien einerseits nicht nachgewiesen; abgesehen davon sei dazu auch erforderlich, daß die malaysischen Behörden Kenntnis von der Verurteilung erhielten. Die Befristung der Ausweisung auf die Dauer von zwei Jahren werde angesichts der persönlichen Situation sowie der begangenen Straftat für sowohl ausreichend als auch angemessen erachtet. Die Folgen für die persönliche Lebensführung würden dadurch gemildert, daß der Kläger nach Ablauf von zwei Jahren in die Bundesrepublik zurückkehren könne.
Am 11. September 1991 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat: Seit der Tat, die zu der Verurteilung geführt habe, sei er nicht erneut straffällig geworden. Auch habe er lediglich in drei Fällen als "Urlaubsvertreter" für einen Bekannten Haschisch veräußert, wobei auch der Empfänger bereits vorher entsprechende Geschäfte getätigt habe. Es handele sich deshalb um keine schweren Fälle, zumal von einem Teil der Wissenschaft die Auffassung vertreten werde, die Gefahr der Abhängigkeit von Haschisch sei nicht größer als etwa beim Zigarettenrauchen oder beim Alkohol. Diese Besonderheiten habe die Beklagte nicht hinreichend berücksichtigt. Zudem sei auch seine Ausweisung zu Zwecken der Abschreckung anderer potentieller Straftäter nicht gerechtfertigt, weil dies eine "Wunschvorstellung" sei. Ferner seien die Auswirkungen der Ausweisung auf seine Ehe nicht genügend berücksichtigt worden. So drohten seiner Ehefrau durch seine Abwesenheit starke finanzielle Belastungen. Insbesondere sei eine Untervermietung des gemeinsam gemieteten Ladenlokals für eine kurze Zeit nicht möglich. Auch müsse bei einer zweijährigen Abwesenheit des Klägers mit dem Scheitern der Ehe gerechnet werden. Da der Kläger den malaysischen Behörden angeben müsse, aus welchen Gründen er ausgewiesen sei, würden diese auch Kenntnis von der Verurteilung erhalten und damit Maßnahmen ergreifen, die nicht mehr als menschenwürdig bezeichnet werden könnten.
Der Kläger hat beantragt,
den Ausweisungsbescheid der Beklagten vom 18. Juni 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Hannover vom 19. August 1991 aufzuheben.
Die Beklagte hat unter Hinweis auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 21. Mai 1993 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Über die Ausweisung des Klägers sei zu Recht gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 47 Abs. 2 Nr. 2 u. Abs. 3 AuslG nach Ermessen entschieden worden. Die gemäß § 114 VwGO nur auf Rechtsfehler zu überprüfende Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entspreche die Ausweisung eines strafgerichtlich verurteilten Ausländers auch dann dem Gesetzeszweck, wenn sie nach der Lebenserfahrung dazu beitragen könne, andere Ausländer zur Vermeidung der ihnen sonst drohenden Ausweisung zu einem ordnungsgemäßen Verhalten im Bundesgebiet zu veranlassen. Die Widerspruchbehörde habe den vom Kläger dargelegten privaten Interessen rechtsfehlerfrei wegen der Gefährlichkeit des illegalen Rauschgiftshandels den Nachrang gegenüber dem Interesse an seiner Ausweisung eingeräumt. Daß es sich bei Haschisch um eine weniger gefährliche Droge als etwa Heroin handele, sei berücksichtigt worden. Er müsse sich aber entgegenhalten lasssen, daß er mit einer erheblichen Menge, nämlich 2,5 kg Haschisch, gehandelt habe. Die Widerspruchsbehörde habe den Sachverhalt umfassend ermittelt und auch alle zugunsten des Klägers sprechenden Umstände rechtsfehlerfrei in ihre Ermessenserwägungen eingestellt. Soweit er sich gegen die Gewichtung dieser Umstände im Rahmen der Abwägung wende, sei es dem Verwaltungsgericht verwehrt, in den Abwägungsvorgang einzugreifen.
Gegen das ihm am 17. Juni 1993 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Juli 1993 Berufung eingelegt. Er wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag und macht geltend, daß eine fehlerfreie Ermessensausübung in den angefochtenen Bescheiden nicht erkennbar sei. Insbesondere sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt. Die höhere Bedeutung des Art. 6 GG im Vergleich zu den Vorschriften des Ausländergesetzes sei nicht berücksichtigt worden. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, daß es sich um eine Straftat handele, die nicht sehr schwer wiege. Letzteres ergebe sich schon daraus, daß die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Sowohl die Beklagte als auch das Verwaltungsgericht hätten übersehen, daß es sich bei Haschisch um eine leichte Droge handele, so daß weder von schwerer noch von mittlerer Kriminalität gesprochen werden könne. Es bestünden Zweifel, ob die Strafbarkeit des Besitzes von Haschisch verfassungsgemäß sei. Demnächst werde das Bundesverfassungsgericht über diese Frage entscheiden. Eine Abschreckungswirkung der Abschiebung eines Ausländers werde allein vom Bundesverwaltungsgericht theoretisch für möglich gehalten. Im Hinblick auf diese rein theoretische Betrachtungsweise sei eine Einengung des Grundrechts aus Art. 6 GG aber nicht gerechtfertigt. Des weiteren bestünde die Gefahr, daß er wegen derselben Tat in Malaysia erneut strafrechtlich verfolgt werde. Dies ergebe sich aus einem Schreiben von amnesty international vom 19. November 1993 einschließlich der diesem beigefügten Informationsschrift von amnesty international "Malaysia: Drogen und die Todesstrafe", August 1986. Danach müsse er sogar mit der Todesstrafe rechnen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 21. Mai 1993 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Hannover vom 19. August 1991 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils und der angefochtenen Bescheide. Zusätzlich trägt sie vor, daß es in der Informationsschrift von amnesty international von August 1986, die nicht mehr aktuell sei, um in Malaysia begangene und abgeurteilte Drogendelikte gehe. Eine Aussage für den vorliegenden Fall lasse sich daraus nicht herleiten. Sie beruft sich für ihre Auffassung ergänzend auf eine im Februar 1994 eingeholte Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kuala Lumpur zur Frage der möglichen Doppelbestrafung von Rauschgifttätern in Malaysia sowie auf eine Ergänzung dieser Auskunft vom 10. März 1994.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Widerspruchsbehörde sowie auf die Strafakten der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hannover (LS 311 Js 52026/88) Bezug genommmen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtene Ausweisungsverfügung der Beklagten sowie der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Da bei der gerichtlichen Nachprüfung einer Ausweisungsverfügung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids abzustellen ist und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover vom 19. August 1991 nach dem Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes am 1. Januar 1991 ergangen ist, ist die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ausweisungsverfügung der Beklagten nach dem Ausländergesetz 1990 zu beurteilen.
Der Kläger, der vom Landgericht Hannover am 27. Februar 1989 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Haschisch zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden ist, hat den Ausweisungstatbestand des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG erfüllt. Für ihn kommt jedoch gemäß § 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG eine Regelausweisung nicht in Betracht, da er nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 AuslG erhöhten Abschiebungsschutz genießt. Er lebt mit seiner deutschen Ehefrau in familiärer Lebensgemeinschaft, so daß er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden kann. Derartige Gründe liegen hier vor, so daß über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden ist. Entgegen der Auffassung des Klägers vermag der Senat keine fehlerhafte Ausübung des Ausweisungsermessens durch die Beklagte und die Bezirksregierung Hannover festzustellen.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, daß schwerwiegende Gründe i.S. des § 48 Abs. 1 AuslG dann vorliegen, wenn das öffentliche Interesse an der Erhaltung von Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers ein deutliches Übergewicht hat (vgl. etwa Urt. v. 19. 8. 1993, Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 2). In der Regel stellen Fälle mittlerer und schwerer Kriminalität schwerwiegende Ausweisungsgründe dar (vgl. Kanein/Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 6. Aufl., § 48 AuslG RdNr. 7). Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz i.S. des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG führen jedoch nicht zwingend in jedem Fall zur Annahme eines schwerwiegenden Ausweisungsgrundes gemäß § 48 Abs. 1 AuslG (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 18. 8. 1992, InfAuslR 1993, 21; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 24. 2. 1993, InfAuslR 1994, 13). Das ergibt sich daraus, daß § 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG die Ermessensentscheidung bei Vorliegen erhöhten Ausweisungsschutzes "in den Fällen des Absatzes 2", also nicht nur bei Verurteilung zu Freiheitsstrafe wegen begangener Straftaten (§ 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG), sondern auch bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (§ 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG) vorsieht. Führen aber bei Vorliegen eines besonderen Ausweisungsschutzes nur schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu der Möglichkeit einer Ermessensentscheidung, muß es nach der gesetzlichen Systematik auch bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz minderschwere, den Weg zu einer Ermessensentscheidung nicht eröffnende Fälle geben. Andernfalls würde bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz die tatbestandliche Voraussetzung des "schwerwiegenden Grundes" für die Eröffnung der Ermessensentscheidung über die Ausweisung gegenstandslos. Allerdings wird in den Fällen des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG eine schwerwiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wegen der Gefährlichkeit des illegalen Rauschgifthandels in der Regel gegeben sein (vgl. GK - Ausländerrecht, II - § 48 RdNr. 31). Hieran gemessen muß das vom Kläger begangene Rauschgiftdelikt als schwerwiegend i.S. des § 48 Abs. 1 AuslG angesehen werden. Nach den strafrechtlichen Feststellungen hat er im Laufe des Monats September 1987 eine beträchtliche Haschischmenge, nämlich dreimal insgesamt mindestens 2,5 kg, verkauft und dafür eine Provision erhalten. Damit hat er aus Gewinnsucht zur Verbreitung dieses Rauschgiftes beigetragen und dadurch in gravierender Weise gegen Belange der Bundesrepublik Deutschland verstoßen. Die Straftat wiegt auch nicht deshalb weniger schwer, weil es sich lediglich um die sog. leichte Droge Haschisch gehandelt hat. Die Abgabe von Haschisch unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz und ist deshalb nicht erlaubt. Das Bundesverfassungsgericht hat auch vor kurzem festgestellt (Beschl. v. 22. 12. 1993, EuGRZ 1994, 77), daß die Strafvorschriften gegen das Handeltreiben mit Cannabis-Produkten in nicht geringen Mengen mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Daß die gegen den Kläger verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten zur Bewährung ausgesetzt worden ist, hindert ebenfalls nicht die Annahme eines schwerwiegenden Grundes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Zwar wird die Schwere eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz auch durch Art und Höhe der stafrichterlichen Sanktion gekennzeichnet. Das Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist aber nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, sondern aus der Sicht des Polizei- und Ordnungsrechtes.
Über die Ausweisung des Klägers war deshalb gemäß § 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG eine Ermessensentscheidung zu treffen. Die Ausländerbehörde muß aufgrund einer Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen prüfen, ob die Ausweisung geboten ist. Die Verwaltungsgerichte dürfen die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nur auf Rechtsfehler nachprüfen, namentlich darauf, ob die Behörde dem Zweck der Ermächtigung entsprechend und unter Beachtung der Grundrechte und der in ihnen verkörperten Wertordnung sowie des Rechtsstaatsprinzips, insbesondere des sich aus ihm herleitenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, gehandelt hat (BVerwG, Urt. v. 1. 12. 1987, BVerwGE 78, 275 [BVerwG 11.11.1987 - 8 C 49/86] = InfAuslR 1988, 34). Danach bestehen gegen die Ausweisung des Klägers keine rechtlichen Bedenken.
Die Beklagte und die Bezirksregierung Hannover haben die Ausweisung in erster Linie auf generalpräventive Erwägungen gestützt. Dies ist bei schwerwiegenden Straftaten, zu denen Rauschgiftdelikte grundsätzlich rechnen, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zulässig, um andere Ausländer zur Vermeidung der ihnen sonst drohenden Ausweisung zu einem ordnungsgemäßen Verhalten im Bundesgebiet zu veranlassen und davon abzuschrecken, vergleichbare Straftaten zu begehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25. 9. 1986, NVwZ 1987, 403; BVerfGE 51, 386, 396 ff [BVerfG 18.07.1979 - 1 BvR 650/77]; BVerwG, Beschl. v. 31. 10. 1991, Buchholz 402.24§ 10 AuslG Nr. 129). Auch erfordert die Wirksamkeit eines generalpräventiven Vorgehens eine kontinuierliche Anwendung der Ausweisungsermächtigung. Allerdings darf ein Ausländer, der - wie hier der Kläger - mit einer deutschen Staatsangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, mit Rücksicht auf Art. 6 Abs. 1 GG nur dann ausgewiesen werden, wenn die von ihm begangene Straftat besonders schwer wiegt und deshalb ein dringendes Bedürfnis dafür besteht, über die strafrechtliche Sanktion hinaus durch die Ausweisung andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten (vgl. BVerfGE 51, 386, 397 [BVerfG 18.07.1979 - 1 BvR 650/77]; BVerwG, Beschl. v. 2. 3. 1987, Buchholz 402.24§ 10 AuslG Nr. 113). Daß es sich bei dem vom Kläger begangenen Rauschgiftdelikt um eine schwerwiegende Straftat handelt, hat der Senat bereits im einzelnen dargelegt. Insbesondere sind die Umstände der Tat nicht derart außergewöhnlich, daß das Bedürfnis, auf die Tat zum Zwecke der Generalprävention mit dem Mittel der Ausweisung zu reagieren, nicht besteht. Daß die gegen den Kläger verhängte Freiheitsstrafe auf Bewährung ausgesetzt worden ist, brauchte bei den generalpräventiven Erwägungen in der Ausweisungsverfügung nicht berücksichtigt werden. Denn die Strafaussetzung zur Bewährung dient nicht der Abschreckung anderer Ausländer (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10. 5. 1993, InfAuslR 1993, 295). Ebensowenig weisen die persönlichen Lebensverhältnisse des Klägers Besonderheiten auf, die einen Verzicht auf die Ausweisung geboten erscheinen lassen könnten. Zwar verkennt der Senat nicht, daß die Folgen der Ausweisung nicht nur den Kläger, der seit 1977 im Bundesgebiet lebt, sondern auch seine deutsche Ehefrau hart treffen werden. Es ist jedoch höchstrichterlich geklärt, daß Rauschgiftdelikte generell einen besonders schweren Ausweisungsgrund bilden, der auch private Belange von ganz erheblichem Gewicht zurücktreten läßt (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1988, VBlBW 1989, 130). Der Kläger hat im Wissen um das Unrecht seines Handelns die Verbreitung von Rauschgift gefördert. Damit ist er das Risiko einer zwangsweisen Beendigung seines Aufenthalts im Inland eingegangen. Dem heute 38jährigen Kläger ist es auch zuzumuten, sich in die Lebensverhältnisse von Malaysia wieder einzugewöhnen. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Ausweisung des Klägers für dessen Ehefrau eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Daß sie möglicherweise das von beiden Ehepartnern gemeinsam betriebene Tabakgeschäft aufgeben müßte, ist gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Ausreise des Klägers als nachrangig anzusehen. Die mit der Trennung des Klägers von seiner Ehefrau verbundenen Folgen hat die Beklagte zudem dadurch abgemildert, daß sie die Ausweisung auf zwei Jahre befristet hat. Damit hat sie dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinreichend Rechnung getragen.
Ob die in den angefochtenen Bescheiden zusätzlich angeführten spezialpräventiven Gründe die Ausweisung des Klägers rechtfertegen, kann offenbleiben, weil jedenfalls der Ausweisungszweck der Generalprävention erfüllt ist. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob der Kläger sich seit Begehung der Straftat im September 1987 beanstandungsfrei geführt hat.
Bei der Ausübung des Ausweisungsermessens haben die Beklagte und die Bezirksregierung Hannover auch die vom Kläger behauptete Gefahr einer erneuten Bestrafung bis hin zur Verhängung der Todesstrafe in Malaysia in Erwägung gezogen, jedoch zu Recht verneint. Bei der Abwägung ist eine zusätzliche Bestrafung im Heimatland zu berücksichtigen, wenn dafür konkrete und ernsthafte Anhaltspunkte bestehen (BVerwG, Urt. v. 1. 12. 1987, a.a.O.). Nach der im Verwaltungsverfahren eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes hat der Oberste Gerichtshof in Kuala Lumpur erklärt, daß ein malaysischer Staatsangehöriger, der wegen eines im Ausland begangenen Drogendelikts dort rechtskräftig verurteilt worden sei, nicht mit einer erneuten Anklageerhebung und daraus resultierender nochmaliger Bestrafung zu rechnen habe; eine Doppelbestrafung für dasselbe Delikt sei unzulässig. Diese Rechtslage hat das Auswärtige Amt in der Auskunft vom 1. Juni 1993 an das Bayerische Verwaltungsgegericht Ansbach bestätigt. Die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen von amnesty international sind nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskünfte zu begründen. Amnesty international führt zwar in seiner Stellungnahme vom 19. November 1993 aus, es sei nicht auszuschließen, daß der Kläger wegen eines Drogendeliktes in Deutschland auch in Malaysia strafrechtlich verfolgt werde. Zur Begründung bezieht sich amnesty international dabei auf eine von ihr herausgegebene Informationsschrift vom August 1986 mit den Titel "Malaysia: Drogen und die Todesstrafe" die aber keinerlei Aussagen zu der hier interessierenden Frage einer Doppelbestrafung enthält. Vielmehr geht es dort um in Malaysia begangene und abgeurteilte Dogendelikte. Daß in Malaysia für inländischen Drogenhandel unter bestimmten Voraussetzungen die Todesstrafe droht, ist unstreitig. Für die von amnesty international in der Stellungnahme vom 19. November 1993 aufgestellte Behauptung, daß eine erneute strafrechtliche Verfolgung des Klägers in Malaysia nicht auszuschließen sei, fehlen auch sonst tragfähige Anhaltspunkte. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kuala Lumpur hat mit Schreiben vom 25. Februar und vom 10. März 1994 an die Beklagte die von amnesty international abweichende Auffassung des Auswärtigen Amtes untermauert und darauf hingewiesen, daß eine erneute strafrechtliche Verfolgung wegen in Deutschland begangener und abgeurteilter Drogendelikte unter der Geltung des Rechtsgrundsatzes "ne bis in idem" ausgeschlossen sein dürfte. Der Senat sieht keinen Anlaß, an diesen Angaben zu zweifeln.
Sollten allerdings malaysische Behörden von der Verurteilung des Klägers in Deutschland erfahren, könnte dies - so die im Verwaltungsverfahren eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes - polizeiliche Ermittlungen mit dem Ziel zur Folge haben, evtl. in Malaysia begangene Drogendelikte oder etwaige Verbindungen zur malaysischen Drogenszene aufzudecken. Auch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kuala Lumpur hat in ihrem Schreiben vom 10. März 1994 bestätigt, daß die vorbeugende Inhaftierung von Personen möglich sei, die mit Drogenhandel in Verbindung gebracht würden. Dabei handelt es sich aber um ordnungsbehördliche Maßnahmen, die auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit keinen Grund darstellen, von der Ausweisung eines in Deutschland wegen eines Rauschgiftdelikts verurteilten Ausländers abzusehen. Ob der Kläger derartigen Maßnahmen bei Rückkehr nach Malaysia ausgesetzt sein würde, erscheint überdies zweifelhaft. Dies würde zunächst voraussetzen, daß den malaysischen Behörden die Bestrafung des Klägers bekannt sein müßte. Dafür fehlt es an konkreten Anhaltspunkten. Außerdem liegt die Straftat des Klägers mehr als sechs Jahre zurück. Aber selbst wenn der Kläger entsprechende polizeiliche Ermittlungen in Malaysia über sich ergehen lassen müßte, könnte darin keine unmenschliche Behandlung gesehen werden. Dem Senat liegen keine Erkenntnisse dafür vor, daß in solchen Fällen die konkrete Gefahr von Menschenrechtsverletzungen droht.
Nach alledem ist die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Beschluß
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren gemäß §§ 14, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG auf 6.000,-- DM festgesetzt.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
Heidelmann
Ballhausen
Berner-Peschau