Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.03.1994, Az.: 5 L 506/92

Niedersachsen; Gemeinde; Wohngeldempfänger; Haftung eines Gemeindebeamten; Wohngeldempfänger; Schadensliquidation

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.03.1994
Aktenzeichen
5 L 506/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 14005
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1994:0322.5L506.92.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover 28.11.1991 - 2 A 72/88
nachfolgend
BVerwG - 08.12.1994 - AZ: BVerwG 2 B 101/94

Fundstellen

  • DVBl 1994, 1083 (amtl. Leitsatz)
  • DVBl 1994, 1084
  • DVBl 1994, 1084
  • ND MBl 1995, 871
  • OVGE MüLü 44, 488

Amtlicher Leitsatz

Eine niedersächsische Gemeinde ist befugt, von ihrem Gemeindebeamten, der Wohngeldempfängern vorsätzlich oder grob fahrlässig zuviel Wohngeld bewilligt, den Ersatz des entstandenen Schadens zu verlangen, obwohl das Wohngeld aus Landesmitteln (teilweise Bundesmitteln) gezahlt wird. Die im Zivilrecht entwickelten Grundsätze über die Schadensliquidation im Drittinteresse sind anwendbar.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 2. Kammer Hannover - vom 28. November 1991 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der 1944 geborene Kläger ist als Gemeindeoberinspektor bei der Beklagten tätig. In der Zeit vom 1. Januar 1979 bis zum 14. November 1982 war er als Sachbearbeiter für das Sachgebiet "Wohngeld" verantwortlich zuständig.

2

Aufgrund von Beanstandungen des Rechnungsprüfungsamtes des Landkreises ... (Prüfbericht vom 14. Dezember 1982) überprüfte die Beklagte Anfang 1983 alle in der Zeit vom 1. Januar 1980 bis Oktober 1982 eingegangenen Wohngeldvorgänge und stellte fest, in den Jahren 1980 bis 1982 sei in 182 Einzelfällen Wohngeld in Höhe von insgesamt 106.424,-- DM überzahlt worden, das von den Empfängern nicht habe zurückgefordert werden können. 172 dieser Überzahlungen in Höhe von insgesamt 102.970,-- DM seien auf eine fehlerhafte, grob fahrlässige Sachbearbeitung des Klägers zurückzuführen. Darunter befindet sich der Fall des Wohngeldempfängers ...: Dem Antragsteller ... war mit Bescheid vom 28. August 1980 für den Zeitraum vom 1. Juli 1980 bis 30. Juni 1981 ein monatliches Wohngeld in Höhe von 31,-- DM gewährt worden. Mit Bescheid vom 28. November 1980 war das Wohngeld des Herrn ... für die Zeit vom 1. Juli 1980 bis 30. Juni 1981 auf monatlich 91,-- DM erhöht worden, weil dem Kläger bekannt geworden war, daß das Arbeitslosengeld des Herrn ... gekürzt worden war.

3

Nachdem am 1. Januar 1981 das Fünfte Gesetz zur Änderung des Wohngeldgesetzes vom 4. August 1980 (BGBl I S. 1159) in Kraft getreten war, das eine Erhöhung des Wohngeldes unter bestimmten Voraussetzungen zuließ, füllte der Kläger unter dem 4. März 1981 einen Erfassungsbeleg Nr. 15031008 aus, als hätte der Wohngeldempfänger ... einen Wiederholungsantrag gestellt, und trug als Antragsmonat 1/1981 ein. Ein Wiederholungs- oder Änderungsantrag des Herrn ... befindet sich nicht bei den Akten, auch kein Aktenvermerk über einen mündlich gestellten Antrag. Die Kennzeichnung durch den Kläger auf dem Erfassungsbeleg als "Wiederholungsantrag" führte dazu, daß der Computer "überlistet" wurde. Hätte der Kläger die für Fälle der Erhöhung des Wohngeldes nach dem Fünften Änderungsgesetz und nach § 29 Wohngeldgesetz zutreffende Bezeichnung "Erhöhungsantrag" gewählt, so hätte der Computer wegen Fehlens der Erhöhungsvoraussetzungen den Bescheid vom 10. April 1981 nicht ausgedruckt, mit dem der Kläger dem Wohngeldbezieher ... für die Zeit vom 1. Januar 1981 bis 30. Juni 1981 ein monatliches Wohngeld in Höhe von 184,-- DM gewährte. Entsprechend diesem Bescheid wurden im Fall ... 93,-- DM monatlich zuviel an Wohngeld gezahlt, was zu einem Gesamt-Überzahlungsbetrag von 558,-- DM führte.

4

Nach vorheriger Anhörung (Schreiben v. 12. 1. 1984) forderte die Beklagte den Kläger mit Leistungsbescheid vom 19. Februar 1985 auf, bis zum 31. März 1985 den Schaden in Höhe von 102.970,-- DM gemäß § 86 NBG zu ersetzen. In dem Bescheid ist u.a. ausgeführt: In 49 Fällen, darunter im Fall ... (der allerdings erst im Widerspruchsbescheid namentlich erwähnt wurde), habe der Kläger während des laufenden Bewilligungszeitraums Wohngelderhöhungen ohne Grund, insbesondere ohne Antrag, vorgenommen. Der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt, weil er die Bestimmungen des Wohngeldgesetzes und bereits vorliegende frühere Prüfungsbeanstandungen einfach nicht zur Kenntnis genommen habe. Sie - die Beklagte - könne als Dienstherr des Klägers den dem Land Niedersachsen und der Bundesrepublik Deutschland entstandenen Schaden nach den Grundsätzen der Schadensliquidation im Drittinteresse gegen den Kläger geltend machen.

5

Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch und trug vor: Es fehle an einer Rechtsgrundlage für seine Inanspruchnahme. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, im Wege der Drittschadensliquidation von ihren Bediensteten Schadensersatz zu fordern. Im übrigen bestreite er, grob fahrlässig gehandelt und einen Schaden in der angegebenen Höhe verursacht zu haben. Er habe über Jahre hinweg ohne jede Beanstandung gearbeitet, sei allerdings mit insgesamt nur drei Mitarbeitern völlig überlastet gewesen.

6

Mit Bescheid vom 25. Februar 1988 (Zustellung nicht nachgewiesen) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.

7

Der Kläger hat am 28. März 1988 (einem Montag) Klage erhoben und vorgetragen: Er hafte schon dem Grunde nach nicht. Weder § 86 NBG noch der Gesichtspunkt der Drittschadensliquidation stellten eine hinreichende Rechtsgrundlage für das Begehren der Beklagten dar. Die Haftung eines Beamten gegenüber einem geschädigten Dritten im Außenverhältnis bestimme sich nach § 839 BGB iVm Art. 34 GG. Die im Rahmen der Auftragsverwaltung beteiligte fremde Körperschaft sei allerdings nicht Dritter im Sinne dieser Bestimmungen. Im übrigen habe er nicht grob fahrlässig gehandelt. Das Wohngeldgesetz schreibe nicht vor, daß eine Erhöhung nur auf schriftlichen Antrag erfolge; ein mündlicher Antrag reiche aus. Im Falle ... habe ein solcher mündlich gestellter Erhöhungsantrag vorgelegen. Die Zahlung sei erfolgt, weil das ab 1. Januar 1981 geltende Wohngeldgesetz eine Erhöhung zugelassen habe. In Fällen, in denen er - der Kläger - ohne Antrag von Amts wegen das Wohngeld erhöht habe, habe er "bürgerfreundliches Verhalten" gezeigt und nur das gezahlt, was den Empfängern aufgrund der gesetzlichen Neuregelung zugestanden habe. Im übrigen sei der Anspruch der Beklagten verjährt.

8

Der Kläger hat beantragt,

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den Leistungsbescheid der Beklagten vom 19. Februar 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 1988 aufzuheben.

10

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat erwidert: Das Institut der Drittschadensliquidation sei durch die Rechtsprechung auch im Bereich öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse anerkannt. Es sei eine "Dreistigkeit" des Klägers, sein rechtswidriges und grob fahrlässiges Verhalten als "bürgerfreundliches Verhalten" zu bewerten.

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Die Beigeladene hat die Klage für unbegründet gehalten, aber keinen Antrag gestellt.

14

Das Verwaltungsgericht hat durch Teilurteil vom 28. November 1991 die Klage abgewiesen, soweit der angefochtene Leistungsbescheid einen Betrag von 558,-- DM (Überzahlung im Fall ...) betrifft. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Der mit den Beteiligten abgestimmte Erlaß des Teilurteils sei prozeßökonomisch sinnvoll, weil es dem Kläger bzw. seiner Haftpflichtversicherung in erster Linie um die Prüfung der Rechtsfrage gehe, ob bei der hier vorliegenden Fallkonstellation die Grundsätze der Drittschadensliquidation anwendbar seien oder nicht. Der Streitgegenstand sei teilbar und daher der Entscheidung durch Teilurteil zugänglich. Die Klage sei, soweit sie Gegenstand des Teilurteils sei, zulässig, aber nicht begründet. Der Anspruch finde, abgesehen von der Schadenszurechnung, seine Rechtsgrundlage in § 86 Abs. 1 NBG. Der Kläger habe im Falle des Wohngeldempfängers ... seine Dienstpflichten grob fahrlässig verletzt. Er habe mit der erneuten Bewilligung von Wohngeld durch Bescheid vom 10. April 1981 innerhalb des laufenden Bewilligungszeitraumes gegen elementare Bestimmungen des Wohngeldrechts grob fahrlässig verstoßen. Nach § 1 des Wohngeldgesetzes und den dazu erlassenen Verwaltungsvorschriften werde Wohngeld grundsätzlich nur auf Antrag gewährt. Eine Erhöhung von Amts wegen komme nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 29 Abs. 1 Wohngeldgesetz nicht in Betracht, auch dann nicht, wenn - wie hier im laufenden Bewilligungszeitraum - die Wohngeldleistungen verbessert worden seien. Daß es auch nach Inkrafttreten des Fünften Änderungsgesetzes am 1. Januar 1981 beim festgesetzten Wohngeldbetrag habe verbleiben müssen, wenn nicht ein Erhöhungsantrag und die Erhöhungsvoraussetzungen des § 29 Wohngeldgesetz vorgelegen hätten, ergebe sich auch aus der Überleitungsvorschrift des § 40 Wohngeldgesetz. Da im Fall ... mit Bescheid vom 28. November 1980 für die Zeit bis zum 30. Juni 1981 ein monatliches Wohngeld von 91,-- DM bewilligt worden sei, hätte für die Zeit ab 1. Januar 1981 eine Neuberechnung nur erfolgen dürfen, wenn der Wohngeldbezieher ... einen Erhöhungsantrag gestellt hätte und die Voraussetzungen des § 29 Wohngeldgesetz (Erhöhung der Anzahl der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder im laufenden Bewilligungszeitraum oder Erhöhung der zu berücksichtigenden Miete bzw. Belastung um mehr als 15 % oder Verminderung des Familieneinkommens um mehr als 15 %) vorgelegen hätten. Weder die eine noch die andere Voraussetzung sei hier erfüllt gewesen.

15

Falls ein mündlicher Antrag ausreichend wäre - was dahingestellt bleiben könne -, so hätte er wenigstens vom Kläger aktenkundig gemacht werden müssen, was nicht geschehen sei. Auch in diesem Fall hätte eine neue Wohngeldberechnung wegen Fehlens der Erhöhungsvoraussetzungen nicht erfolgen dürfen. Daß der Kläger sich über diese eindeutigen und elementaren Grundsätze der §§ 1 und 29 Wohngeldgesetz, die in allen Fassungen des Gesetzes unverändert geblieben seien, nicht nur in diesem Einzelfall, sondern in einer großen Anzahl von Fällen einfach hinweggesetzt habe, könne nur als ein grob fahrlässiges Verhalten im Sinne von § 86 Abs. 1 NBG angesehen werden. Der durch das pflichtwidrige und grob fahrlässige Verhalten des Klägers im Falle ... verursachte Schaden in Höhe von 558,-- DM treffe allerdings nicht die Beklagte als den Dienstherrn des Klägers, sondern den Bund und das Land Niedersachsen. Der Kläger habe zwar Aufgaben der Beklagten, die auf dem Gebiet des Wohngeldrechts im Rahmen der Auftragsverwaltung tätig sei, wahrgenommen. Unmittelbar Geschädigter sei aber das Land, das seinen Schaden indessen weder gegenüber dem Kläger noch gegenüber der Beklagten geltend machen könne. Anwendbar sei aber das Prinzip der Drittschadensliquidation, das einen allgemeinen Rechtsgedanken darstelle. Für die Fälle der Auftragsverwaltung gehe die fast einhellige Meinung in der Literatur und Rechtsprechung dahin, daß die Gemeinde aus dem zum Land bestehenden Treueverhältnis verpflichtet und berechtigt sei, den Schaden des Landes im eigenen Namen geltend zu machen. Der Schadensersatzanspruch sei auch nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 86 Abs. 3 NBG habe frühestens mit dem Tage begonnen, auf den der Prüfbericht vom 14. Dezember 1982 datiert sei. Die Verfahrensvorschriften seien ebenfalls beachtet worden, insbesondere sei der Kläger vor Erlaß des Leistungsbescheides angehört worden. Einer Beteiligung der Personalvertretung habe es nicht bedurft, da der Kläger einen entsprechenden Antrag nicht gestellt habe, obgleich er von der Beklagten auf die Möglichkeit dazu hingewiesen worden sei.

16

Gegen dieses ihm am 16. Dezember 1991 zugestellte Teilurteil wendet sich der Kläger mit seiner am 15. Januar 1992 eingelegten Berufung, die in dem Urteil des Verwaltungsgerichts ausdrücklich zugelassen worden ist. Er vertritt weiterhin die Auffassung, daß das Rechtsinstitut der Drittschadensliquidation im öffentlichen Recht keine Berechtigung habe. Das folge aus dem Ausschließlichkeitscharakter des § 86 NBG, neben dem die Anwendung anderer Rechtsgrundlagen für die Inanspruchnahme eines Beamten ausgeschlossen sei. Außerdem meint er unter Wiederholung seines bisherigen Vortrags, es fehle an einem grob fahrlässigen Verhalten, weil ein mündlicher Antrag des Herrn ... auf Erhöhung des Wohngeldes vorgelegen habe.

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Der Kläger beantragt,

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das angefochtene Teilurteil zu ändern und den Leistungsbescheid der Beklagten vom 19. Februar 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 1988 aufzuheben, soweit von dem Kläger 558,-- DM (Bewilligungsfall ...) gefordert werden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

21

Unter Bezugnahme auf ihren bisherigen Vortrag erwidert sie: Der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt. Es werde bestritten, daß der Wohngeldempfänger ... einem mündlichen Antrag auf Erhöhung des Wohngeldes gestellt habe. Im übrigen wäre ein schriftlicher Antrag unter Verwendung eines Vordruckes erforderlich gewesen. Die Anwendbarkeit des Instituts der Drittschadensliquidation im öffentlichen Recht stehe außerhalb jeglicher Diskussion.

22

Die Beigeladene unterstützt den Standpunkt der Beklagten mit Rechtsausführungen, stellt aber keinen Antrag.

23

Wegen weiterer Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im übrigen auf die Gerichtsakten und die dem Senat vorliegenden Verwaltungsvorgänge (Beiakten A bis C) Bezug genommen.

24

II.

Die Berufung ist nach ausdrücklicher Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft. Das Teilurteil ist ein Endurteil und deshalb selbständig mit der Berufung anfechtbar (Redeker-von Oertzen, 11. Aufl. 1994, RdNr. 4 zu § 110 VwGO). Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, daß die angefochtenen Bescheide rechtlich nicht zu beanstanden sind, soweit durch sie der Kläger wegen seines im Frühjahr 1981 im Wohngeldfall ... gezeigten Verhaltens zum Schadensersatz in Höhe von 558,-- DM herangezogen wird.

25

Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 NBG hat ein Beamter, der die ihm obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen.

26

Der Kläger hat seine Dienstpflichten dadurch verletzt, daß er dem Wohngeldempfänger ... für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1981 entgegen den Vorschriften des Wohngeldgesetzes eine Wohngelderhöhung um 93,-- DM monatlich gewährte.

27

Das gesetzeswidrige Handeln bestand, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat und wie der erkennende Senat im Zusammenhang mit der Prüfung des Verschuldens noch darlegen wird, nicht nur darin, daß der Kläger tätig wurde, ohne daß sich ein Antrag des Herrn ... bei den Akten befand (Verstoß gegen § 1 Wohngeldgesetz), sondern darüber hinaus auch darin, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Erhöhung des Wohngeldes nicht vorlagen (Verstoß gegen §§ 29 und 40 Wohngeldgesetz).

28

Gegen seine Dienstpflichten hat der Kläger auch mit einem seine Haftung begründenden Maß an Verschulden verstoßen. Da die Bearbeitung von Wohngeldangelegenheiten zum öffentlich-rechtlichen Verwaltungshandeln gehört, haftet der Kläger für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß der Kläger bei der Rechtsanwendung die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Sein Handeln läßt sich, schließt man Vorsatz, also die Absicht einer bewußt gesetzeswidrigen Begünstigung des Wohngeldempfängers aus, nur damit erklären, daß der Kläger § 40 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes vom 4. August 1980 (BGBl I S. 1159) - WoGG - entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder diese Bestimmung nur oberflächlich gelesen und naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat. Schon aus der Überschrift dieser Bestimmung ("Überleitungsvorschrift") wird deutlich, daß es sich um eine Regelung für die bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vorhandenen Fälle handelt. Aus dem Wortlaut ergibt sich sodann eindeutig, daß das neue Recht der Wohngeldbewilligung für die Zeit nach dem 1. Januar 1981 nur dann zugrundezulegen ist, wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Fünften Änderungsgesetzes (1. 1. 1981) über einen Antrag auf Wohngeld noch nicht entschieden war (vgl. Stadler/Gutekunst/Forster, Wohngeldgesetz, Komm., Anm. 1 und 2 zu § 40). Einen derartigen noch nicht beschiedenen Antrag auf Wohngeld des Wohngeldbeziehers ... gab es am 1. Januar 1981 nicht. Der Kläger behauptet zwar, ... habe mündlich einen Antrag gestellt. Abgesehen davon, daß der Akteninhalt für diese Behauptung nichts hergibt - auch bei mündlicher Antragstellung hätte der Kläger einen Aktenvermerk aufnehmen und den Antragsteller anschließend zur Ausfüllung des Vordrucks veranlassen müssen (vgl. Nr. 23.12 der Verwaltungsvorschriften; Buchsbaum/Driehaus u.a., Wohngeld, Kommentar, RdNr. 26 bis 28 zu § 23) -, fehlt auch jede Angabe über den - rechtserheblichen - Zeitpunkt der Antragstellung und über den Gegenstand des Antrages. Über den Antrag des Herrn ... auf Wohngeld war längst entschieden, zuletzt mit Bescheiden vom 28. August und 28. November 1980. Für einen Erhöhungsantrag gemäß § 29 WoGG ist nichts ersichtlich; es fehlt an jeglicher Darlegung des Klägers und auch sonst an Anhaltspunkten dafür, daß die Voraussetzungen dieser Vorschrift (Erhöhung der Anzahl der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder im laufenden Bewilligungszeitraum oder Erhöhung der zu berücksichtigenden Miete bzw. Belastung um mehr als 15 % oder Verminderung des Familieneinkommens um mehr als 15 %) erfüllt wären.

29

Die Haftung des Beamten besteht gemäß § 86 Abs. 1 NBG gegenüber dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat. Der in der Auftragsverwaltung tätige Kommunalbeamte nimmt nicht etwa Aufgaben des Bundes oder des Landes wahr, sondern solche seines eigenen Dienstherrn, der Gemeinde (Plog-Wiedow-Lemhöfer, Bundesbeamtengesetz, RdNr. 38 zu § 78; a.A. Achterberg, Die interkörperschaftliche Haftung im Bundesstaat, DVBl. 1970, 125, 132: Haftung des Kommunalbeamten gegenüber dem Land).

30

Der durch das pflichtwidrige und grob fahrlässige Verhalten des Klägers entstandene Schaden in Höhe von 558,-- DM (dieser überzahlte Betrag konnte vom Wohngeldempfänger ... gemäß § 50 iVm § 45 SGB-X nicht zurückgefordert werden) ist allerdings nicht, wie von § 86 NBG vorausgesetzt, der Beklagten als dem Dienstherrn des Klägers entstanden. Das Wohngeld wird nicht aus Mitteln der Gemeinden, sondern aus Landesmitteln gezahlt; der Bund erstattet dem Land die Hälfte des gezahlten Wohngeldes (§ 34 WoGG).

31

Einen eigenen Schaden hätte die beklagte Gemeinde nur dann erlitten, wenn sie ihrerseits dem Land oder dem Bund gegenüber zum Schadensersatz wegen der gesetzeswidrigen Überzahlung von Wohngeld durch ihre Bediensteten verpflichtet wäre. Bestünde eine derartige Haftung, so könnte die Gemeinde vom Kläger als Schadensersatz die Befreiung von der Verbindlichkeit oder nach deren Erfüllung Geldersatz verlangen. Der Konstruktion einer Drittschadensliquidation bedürfte es dann nicht (vgl. Vogel/Kirchhof, Bonner Kommentar, RdNr. 159 zu Art. 104 a GG).

32

Indessen fehlt es an einer Rechtsgrundlage für eine Haftung der Gemeinde gegenüber dem Land oder dem Bund. Die Durchführung des Wohngeldgesetzes erfolgt, wie sich aus Art. 104 a Abs. 3 GG iVm § 34 WoGG ergibt, im Auftrage des Bundes (sogen. Bundesauftragsverwaltung, Art. 85 GG). Hinsichtlich der Haftung bestimmt Art. 104 a Abs. 5 GG für den Bereich der Bundesauftragsverwaltung, daß der Bund und die Länder im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung haften. Auch wenn es an dem in Art. 104 a Abs. 5 Satz 2 GG vorgesehenen Ausführungsgesetz fehlt, bildet diese Bestimmung eine unmittelbare Anspruchsgrundlage, allerdings nur für Ansprüche des Bundes gegen das Land oder des Landes gegen den Bund. Dagegen ist die Haftung der Gemeinde wegen fehlerhafter Bewirtschaftung von Bundesmitteln durch ihre Bediensteten in Art. 104 a Abs. 5 GG nicht geregelt (Vogel/Kirchhof, aaO, RdNr. 165; Pappermann, Ansprüche des Staates bei fehlerhafter Erledigung übertragener Aufgaben durch Kommunalkörperschaften?, 1971, S. 11 f.; ders., Folgeprobleme der Mitwirkungsverwaltung, DVBl 1975, 637, 641; Schulze, Haftung für eine ordnungsgemäße Verwaltung, DÖV 1972, 409, 414; Plog-Wiedow-Lemhöfer, Bundesbeamtengesetz, RdNr. 46 zu § 78; auch Maunz-Dürig, GG, RdNr. 72 zu Art. 104 a GG sehen in dieser Vorschrift keine Rechtsgrundlage für eine Haftung der Gemeinde gegenüber dem Land oder dem Bund). Die niedersächsische Verfassung enthält weder in der bis zum 31. Mai 1993 geltenden Fassung (Art. 44) noch heute eine Rechtsgrundlage für eine Haftung der Gemeinde gegenüber dem Land wegen Mängeln bei der Erledigung der Bundesauftragsverwaltung (vgl. Art. 57 Abs. 4, NdsGVBl. 1993, 107).

33

Auch im übrigen gibt es keine Rechtsgrundlage für eine Haftung der Gemeinde gegenüber dem Land oder dem Bund. Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGBüber das Auftragsverhältnis scheidet ebenso aus wie eine Haftung nach § 839 BGB iVm Art. 34 GG (BGHZ 16, 95;  27, 210[BGH 30.04.1958 - V ZR 215/56]; BVerwG, Urt. v. 25. 5. 1961 - 1 A 10.59 -, BVerwGE 12, 253 = MDR 1961, 790; LVG Schleswig, Urt. v. 14. 1. 1960 - 6 K 30/59 -, DÖV 1960, 464; vgl. Achterberg, Die interkörperschaftliche Haftung im Bundesstaat, DVBl 1970, 125, 132; Sturm, Die Haftung der Länder (Gemeinden, Gemeindeverbände) bei fehlerhafter Verwendung von Haushaltsmitteln des Bundes im Gesetzesvollzug, DÖV 1966, 256, 260). Sonstige Rechtsgrundlagen, aus denen sich eine Haftung der Gemeinde herleiten ließe, sind nicht ersichtlich (vgl. Pappermann, aaO; Sturm, aaO).

34

Für Fälle dieser Art von Schadensverlagerung (der Ersatzberechtigte hat keinen Schaden, der Dritte zwar einen Schaden, aber keinen Anspruch) ist im Zivilrecht das Institut der Schadensliquidation im Drittinteresse entwickelt worden, weil es nicht gerechtfertigt wäre, den Schädiger aus dieser Situation Nutzen ziehen zu lassen (BGHZ 40, 91;  49, 356) [BGH 22.01.1968 - VIII ZR 195/65]. Für das öffentliche Recht kann nichts anderes gelten, weil die Interessenlage vergleichbar ist. Der Gesichtspunkt der dem Bediensteten gegenüber bestehenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn muß demgegenüber zurücktreten. Deshalb findet nach ganz herrschender Meinung das Institut der Schadensliquidation im Drittinteresse auch in Fällen der vorliegenden Art Anwendung (Asam, Haftung der Länder gegenüber dem Bund im Rahmen der Auftragsverwaltung?, Bay. VBl 1966, 228, 230; Pappermann, aaO, S. 40 ff; GKÖD, Komm. zum BBG, RdNr. 44 zu § 78; Kümmel, Nds. Beamtengesetz, Kommentar, RdNr. 10.1 zu § 86; Weiss-Niedermaier-Summer, Bay. BeamtG, Komm., Anm. 13 b zu Art. 85; Plog-Wiedow-Lemhöfer, RdNr. 38, 46, 46 a zu § 78 BBG; Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, RdNr. 25 a zu § 84 NWLBG; Thiele, Nds. Gemeindeordnung, 3. Aufl. 1992, Anm. 4 zu § 5 NGO; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 53. Aufl. 1994, Vorbem. 112 bis 114 vor § 249; a.A. Kretschmer. Zur Schadenshaftung von Landesbediensteten für die fehlerhafte Ausführung von Bundesgesetzen, ZBR 1970, 350, 352; Jeddeloh, Die Frage der Haftung bei fehlerhafter Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder, 1970 S. 78 f). Auch in der Rechtsprechung ist das Institut der Drittschadensliquidation im Bereich des öffentlichen Rechtes bereits anerkannt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 4. 4. 1973 - IV 180/71 -, ZBR 1974, 337; Hess. VGH, Urt. v. 2. 11. 1988 - 1 OE 31/83 -, Schütz ES/B II 2, Nr. 18; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 13. 6. 1985 - 2 C 42.84 -, ZBR 1985, 337, 338). Der Umstand, daß der Bundesgerichtshof es ablehnt, die Grundsätze der Drittschadensliquidation im Amtshaftungsrecht anzuwenden (BGH, Urt. v. 6. 6. 1991 - III ZR 221/90 -, NJW 1991, 2696), rechtfertigt keine andere Beurteilung; denn der Bundesgerichtshof stellt maßgeblich darauf ab, daß im Amtshaftungsrecht durch die Bestimmung des Kreises der geschützten "Dritten" ein taugliches Instrument für einen interessengerechten Schadensausgleich bereitsteht, während es daran in Fällen der vorliegenden Art gerade fehlt.

35

Daß der Anspruch nicht verjährt ist, hat das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt. Darauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

36

Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil auch festgestellt, daß der Kläger auf die Möglichkeit, einen Antrag auf Beteiligung der Personalvertretung zu stellen, hingewiesen worden ist.

37

Nach alledem muß der Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts der Erfolg versagt bleiben.

38

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 10 ZPO.

39

Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der §§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG gegeben ist.

40

Beschluß

41

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 558,-- DM festgesetzt.

42

Stelling

43

Nelle

44

Reisner