Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 26.11.1997, Az.: 2 U 225/97
Voraussetzungen für einen Ausschluss des Deckungsschutzes; Anforderungen an die Gewährung von Versicherungsschutz
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 26.11.1997
- Aktenzeichen
- 2 U 225/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 21685
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1997:1126.2U225.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 25 Abs. 1 S. 2 ARB 75
- § 1 Abs. 1 ARB 75
Fundstellen
- OLGReport Gerichtsort 1998, 82-83
- VersR 1998, 1412-1413 (Volltext mit amtl. LS)
- zfs 1998, 310-311
Amtlicher Leitsatz
ARB 75: Familien-Rechtsschutz/Vertragsrechtsschutz bei Kreditaufnahme im Zusammenhang mit Baufinanzierung; Baurisikoklausel, fehlender unmittelbarer Zusammenhang zwischen Interesse und Maßnahme.
Tatbestand
1.)
Der Kläger beabsichtigt die Durchsetzung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit den zwischen ihm und der X-Bank (im Folgenden: Bank) geschlossenen Verträgen (Vertragsrechtsschutz; § 25 Abs. 3 ARB 75). Die Wahrnehmung dieser Belange fällt in den Deckungsbereich der abgeschlossenen Familien-Rechtsschutzversicherung, weil der Risikoausschluss des § 4 Abs. 1 Buchst. k) ARB 75 nicht eingreift.
Nach § 4 Abs. 1 Buchst. k) ARB 75 besteht kein Deckungsschutz für die Wahrnehmung von rechtlichen Interessen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung oder Errichtung eines im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindlichen oder von diesem zu erwerbenden Grundstücks oder Gebäudes stehen.
Es kann dahinstehen, ob eine "Baufinanzierung" unter das Merkmal der "Planung" iSv. § 4 Abs. 1 Buchst. k) ARB 75 zu fassen ist (so OLG Köln RuS 1990, 418, 419; OLG Köln ZfS 1983, 241; OLG Nürnberg ZfS 1993, 172, 173; OLG Karlsruhe ZfS 1985, 209, 210; LG München RuS 1997, 290; vgl. auch Harbauer, Rechtsschutzversicherung, § 4 Rdnr. 109 m.w.N.., Prölss/Martin, VVG, § 4 ARB Anm. 10; Maier VersR 1997, 394, 396). Der BGH (VersR 1986, 132; VersR 1989, 470; VersR 1990, 485; NJW-RR 1994, 217) hat diese Frage bisher offen gelassen, sich in ständiger Rechtsprechung aber zu dem nach der so genannten "Baurisikoklausel" erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Interesse und Maßnahme geäußert. Ein unmittelbarer Zusammenhang im Sinn der Bestimmung ist danach nur dann gegeben, wenn neben einem gewissen zeitlichen Zusammenhang ein innerer sachlicher Bezug zu der Baumaßnahme vorhanden ist. Dabei kommt es nicht auf die Art der Beteiligung der anderen Seite an dem Bau an. Maßgebend ist vielmehr die Rechtsnatur der Ansprüche oder der Rechtsverteidigung, die der Versicherungsnehmer geltend machen will. Bei der Auslegung ist der Zweck der Ausschlussklausel besonders zu beachten. Dieser geht dahin, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen, im Risiko schwer überschaubaren und kaum kalkulierbaren rechtlichen Auseinandersetzungen um Baumaßnahmen aller Art und die sie unmittelbar begleitenden Vorgänge von der Versicherung auszunehmen, weil nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der Versicherten ein solches Risiko entstehen kann. Das wahrzunehmende Interesse muss deshalb in einem qualifizierten Zusammenhang mit Planung und Errichtung eines Gebäudes und dem damit einhergehenden "Baurisiko" stehen.
Hier liegt ein zeitlicher Zusammenhang vor; es fehlt aber an dem notwendigen inneren sachlichen Bezug zu einer "Baumaßnahme".
Der Kläger trägt vor, die Bank habe ihn im Zusammenhang mit der Baufinanzierung in steuerlicher Hinsicht falsch beraten und die Überweisung des Darlehensbetrages von 1,0 Mio. in steuerschädlicher Form vorgenommen. Dass er damit keine Einwendungen bzw. Vorwürfe aus dem unmittelbaren Baubereich erhebt, ist offensichtlich (dazu Maier, a.a.O.).
Ein qualifizierter Bezug zu dem Bauvorhaben wird im vorliegenden Fall nicht durch bzw. über die Baufinanzierung hergestellt. Denn eine Finanzierung durch Kreditmittel war hier unstreitig nicht Voraussetzung dafür, Dass die Häuser überhaupt errichtet werden konnten.
Dem Kläger standen ausreichend Geldmittel in Form von Eigenkapital und aus Darlehen seiner Ehefrau zur Verfügung. Die Baumaßnahme war (nur) der Anlass für den Kläger, bei der Bank wegen der "Finanzierung" im Sinn einer Optimierung der Vermögensanlage vorzusprechen. Der Sachverhalt unterscheidet sich damit grundlegend von anderen in der Rechtsprechung (vgl. OLG Köln, a.a.O.; OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O.) entschiedenen Fällen. Hier ist der Streit mit der Bank nicht entstanden, weil der Kläger bauen wollte und deshalb eine Finanzierung benötigte, sondern weil er - das Bauvorhaben war schon in der Ausführung begriffen - die sich in diesem Zusammenhang bietenden steuerlichen Möglichkeiten nutzen wollte. In der Folge hat sich kein "typische Baurisiko", sondern ein "Steuerrisiko" verwirklicht. Von einem inneren sachlichen Bezug zu der Baumaßnahme kann deshalb keine Rede sein. Dass die Maßnahme nicht hinweggedacht werden kann und letztlich eine Ursache für den beabsichtigten Rechtsstreit darstellt, ist für das Eingreifen des § 4 Abs. 1 Buchst. k) ARB 75 noch nicht ausreichend.
Diesem Ergebnis steht insbesondere der Zweck der Klausel, im Interesse günstiger Versicherungsbeiträge kostenintensive Risiken auszuschließen, nicht entgegen. In dem zu führenden Prozess wird nicht langwierig und kostenträchtig um Baumängel gestritten werden. Die in der Solidargemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherungsnehmer werden durch den Deckungsschutz nicht unbillig belastet. Denn der hier in Rede stehende Streit hätte dem Grunde nach beim Erwerb einer Gebrauchtimmobilie ebenfalls eintreten können. Weder sonstige Kreditgeschäfte noch der Kauf gebrauchter Immobilien unterfallen dem Risikoausschluss.
Entscheidungsgründe
2.)
Der Deckungsschutz ist nicht gemäß § 25 Abs. 1 S. 2 ARB 75 ausgeschlossen. Zweck der Vorschrift ist, diejenigen selbstständigen Tätigkeiten vom Versicherungsschutz auszunehmen, die nach § 24 ARB 75 versichert werden können (BGH VersR 1992, 1510) oder selbst im Rahmen des § 24 ARB 75 nicht versicherbar sind (Prölss/Martin, a.a.O., § 25 ARB Anm. 2). In der Sache muss ein berufsmäßiger Geschäftsbetrieb oder eine Tätigkeit vorliegen, die als Ausübung eines Berufs anzusehen ist (BGH a.a.O.). Demgegenüber gehört die Verwaltung eigenen Vermögens, auch wenn es beträchtlich ist, grundsätzlich zum privaten Bereich (BGH a.a.O.; Harbauer, a.a.O., § 25 Rdnr. 21). Der Kläger behauptet, er habe die beiden Mehrfamilienhäuser im Rahmen seiner Altersvorsorge errichtet, es handele sich um private Vermögensverwaltung. Die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (Senat VersR 1996, 1233, 1234) [OLG Oldenburg 30.08.1995 - 2 U 154/95] bringt dagegen nichts Erhebliches vor. Die Verwaltung von zwei Mehrfamilienhäusern zu Gestehungskosten von etwa 1,2 Mio. erfordert jedenfalls keine Einrichtungen, die die dabei zu entfaltende Tätigkeit schon als Ausübung eines Berufs erscheinen lässt. § 344 HGB ist ebenfalls nicht einschlägig, weil der Kläger als Geschäftsführer einer (Komplementär-) GmbH nicht Kaufmann ist (Baumbach/Hopt § 1 HGB Rdnr. 12 m.w.N..). Der Umstand, Dass das "Modell letztendlich bei einer Betriebsprüfung des Finanzamts beanstandet wurde", besagt für sich nichts, zumal sich die Beklagte weiterer Ausführungen enthält und selbst auf die Möglichkeit hingewiesen hat, Dass anlässlich der Betriebsprüfung die privaten Verhältnisse der Gesellschafter geprüft werden.
3.)
Versicherungsschutz ist gemäß § 1 Abs. 1 ARB 75 unter den gleichen Voraussetzungen zu gewähren, unter denen eine Partei die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO beanspruchen kann (BGH NJW 1988, 266, 267 [BGH 16.09.1987 - IVa ZR 76/86]) [BGH 16.09.1987 - IVa ZR 76/86]. In diesem Sinn besteht für die beabsichtigte Klage gegen die Bank dem Grunde nach hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die Bank haftet zwar, was hier indessen keiner Entscheidung bedarf, möglicherweise nicht wegen falscher (steuerlicher) Beratung; sie hat aber nach dem insoweit hinreichend schlüssigen Vorbringen des Klägers schuldhaft eine Nebenpflicht verletzt, weil sie das auszuzahlende Darlehen von 1,0 Mio. DM unmittelbar für den Wertpapierankauf verwendet hat mit der Folge, Dass die darauf zu zahlenden Zinsen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht steuermindernd anerkannt worden sind.
Die Bank hatte den Kläger allerdings aufgefordert, die Angelegenheit kurzfristig mit seinem Steuerberater zu besprechen. Dies entband sie aber nicht davon, tatsächliche Umstände, die zur Verwirklichung des von ihr angeregten Steuerkonzepts notwendig und die der individuellen Steuersphäre des Klägers noch "vorgelagert" waren, bei der weiteren Abwicklung unbedingt zu beachten, damit das mit dem Geschäft beabsichtigte und von ihr besonders herausgestellte Ziel der Steuerersparnis erreichbar blieb. Wegen dieses "technischen Aspektes" kann sie sich nicht darauf berufen, Dass der Kläger in steuerlicher Hinsicht von anderen Seite beraten war. In Kenntnis aller Umständen hat sie eines der Darlehen nicht auf das Baukonto überwiesen, um das dort bereit gestellte Eigenkapital von 1,0 Mio. DM abzulösen, sondern damit unmittelbar Wertpapiere erworben. Die auf das Darlehen zu zahlenden Zinsen waren damit im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht mehr abzugsfähig.
Der Bank war klar bzw. musste klar sein, Dass Kreditkosten nur bei zweckentsprechender Verwendung der aufgenommenen Mittel Werbungskosten sind und es insoweit nicht auf das Gewollte oder Geplante, sondern auf das Vereinbarte und tatsächlich Durchgeführte ankommt (FG München EFG 1990, 422).
Entgegen der Ansicht der Beklagten entfällt die hier zu prüfende hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klage nicht wegen eines Missbrauchs steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO). Denn jeder darf seine Verhältnisse so einrichten, wie dies für ihn steuerlich am günstigsten ist, solange er dies auf angemessene Weise erreicht. Für den (steuerlichen) Verwendungszweck eines Kredits ist es regelmäßig unbeachtlich, ob die kreditfinanzierten Aufwendungen auch durch Barmittel hätten finanziert werden können (dazu Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 9 EStG Rdnr. 81).