Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 21.11.1997, Az.: 6 U 175/97
Rückforderungsanspruch eines Leistenden von Sozialhilfe wegen Schenkungen aus übergeleitetem Recht; Folgen einer Erheblichkeit der Schenkungen ; Auswirkungen einer Überschreitung der Grenze des üblichen und angemessenen Beitrags zur allgemeinen Lebensführung durch die Schenkung; Möglichkeit einer Überleitung des Anspruchs auf Rückzahlung der Valuta nach Beendigung eines Darlehensvertrags auf den Sozialhilfeträger; Rechtmäßigkeit der Einordnung von Forderungen gegen Dritte als verwertbares Vermögen; Inanspruchnahme des Empfängers einer Schenkung durch den Schenkenden bei einer Rückforderung wegen Notbedarfs ; Folgen eines tatsächlichen " nicht Wollens" eines Darlehens und eines Abschluss der Vereinbarung nur aus steuerlichen Gründen ; Schenkung im Zusammenhang mit der Übereignung eines Hausgrundstücks; Bedeutung der Unentgeltlichkeit für das Vorliegen einer Schenkung; Auswirkungen einer fehlenden Gegenleistung für die Übereignung eines Hausanteils
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 21.11.1997
- Aktenzeichen
- 6 U 175/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 21790
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1997:1121.6U175.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 534 BGB
- § 90 Abs. 1 BSHG
- § 88 Abs. 1 BSHG
- § 528 Abs. 1 S. 1 BGB
- § 117 BGB
Fundstellen
- FamRZ 1999, 123-125 (Volltext mit amtl. LS)
- ZEV 1999, 31-33
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage, ob ein Anspruch auf Rückzahlung einer Darlehensvaluta gemäß § 90 Abs. 1 BSHG übergeleitet werden kann.
Tatbestand
Der Kläger hat für die Mutter des Beklagten Sozialhilfe geleistet. Er macht Rückforderungsansprüche gegen den Beklagten aus verschiedenen Zuwendungen aus übergeleitetem Recht geltend.
Am 10.05.1991 verstarb der Vater des Beklagten. Erben waren die Mutter des Beklagten zu 1/2 und der Beklagte und sein Bruder R. zu je 1/4. Zum Nachlass gehörte u. a. ein Hausgrundstück. Am 25.03.1993 schlossen die Erben einen Auseinandersetzungsvertrag ( UR 332/93 des Notars Börgen ). Das Hausgrundstück wurde dem Beklagten übertragen. Die Mutter erhielt ein lebenslanges Wohnrecht an zwei Räumen nebst Badezimmer. Für die Nutzung der Räume sollte sie 350,00 DM monatlich an Mietzins zahlen. Der Beklagte übernahm 81.364,28 DM an dinglichen Belastungen. Ferner hatte er 60.000,00 DM an seinen Bruder zu zahlen. Am 23.09.1993 wurde der Auseinandersetzungsvertrag ergänzt ( UR 1014/93 des Notars B.). Ausweislich der Urkunde sollte der Beklagte zusätzlich eine Ausgleichszahlung an seine Mutter in Höhe von 80.000,00 DM leisten. Gleichzeitig wurde ihm dieser Betrag als Darlehen gewährt. Das Darlehen sollte mit 5 % verzinst und mit 2 % jährlich getilgt werden. Zu den Einzelheiten wird auf die Urkunden Bezug genommen ( Bl. 13 ff, 18 ff ).
Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen war die Übereinkunft, dass die Mutter des Beklagten von seiner Familie aufgenommen und versorgt werden sollte. Diese Pflege wurde allerdings nur bis Ende 1994 erbracht.
Anfang 1995 zog die Mutter des Beklagten in ein Altenwohnheim. Da ihre Rente zur Deckung der laufenden Kosten nicht ausreichte, nahm sie Sozialhilfe in Anspruch. Der Kläger erbrachte für die Zeit vom 09.01.1995 bis 31.08.1996 Sozialhilfe in Höhe von 48.129,12 DM. Diesen Betrag fordert er mit seiner Klage.
Der Kläger stützt seinen Anspruch auf verschiedene Zuwendungen. Zum einen macht er Rückforderungsansprüche aus drei Schenkungen aus dem Jahre 1994 in Höhe 1.200,00 DM, 4.000,00 DM und 600,00 DM geltend. Der Beklagte hat für diese Beträge Heizöl gekauft, einen Wintergarten an sein Haus angebaut und Pflasterarbeiten bezahlt.
Weiterhin hat der Kläger das dem Beklagten ausweislich der Ergänzungsvereinbarung vom 23.09.1993 gewährte Darlehen gekündigt. Er führt hierzu aus, das Kündigungsrecht ergebe sich aus wichtigem Grund, weil die Mutter des Beklagten durch den Umzug ins Altenheim bedürftig geworden sei. Diese Entwicklung habe man bei Abschluss des Darlehensvertrags nicht vorausgesehen.
Der Beklagte meint, bei den Barbeträgen habe es sich um Anstandsschenkungen bzw. angemessene Beiträge zur allgemeinen Lebensführung gehandelt. Die Kündigung des Darlehensvertrags hält er nicht für gerechtfertigt, weil es an einem wichtigen Grund fehle. Hilfsweise rechnet der Beklagte mit einer Gegenforderung in Höhe von 56.000,00 DM auf. Er trägt vor, seine Mutter habe von seiner Ehefrau in der Zeit von September 1992 bis Dezember 1994 Pflegeleistungen im Wert von 2.000,00 DM monatlich erhalten. Um diesen Betrag sei sie ungerechtfertigt bereichert.
Das Landgericht hat mit seinem am 16.05.1997 verkündeten Urteil der Klage stattgegeben. Es führt aus, der Beklagte habe das Hausgrundstück im Wege einer Schenkung erhalten, daher bestehe ein Rückforderungsanspruch aus § 528 BGB. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
Der Beklagte macht geltend, er habe das Hausgrundstück nicht unentgeltlich erhalten, daher komme ein Rückforderungsanspruch gemäß § 528 BGB nicht in Betracht. Als Gegenleistung für die Eigentumsübertragung habe er seiner Mutter das Wohnrecht eingeräumt.
Im Übrigen sei ihm die Zahlung des streitigen Betrags auch nicht zuzumuten.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger tritt der Berufung nach Maßgabe seiner Erwiderung entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
Der Kläger hat einen Zahlungsanspruch in Höhe von 48.129,12 DM aus übergeleitetem Recht gegen den Beklagten.
Der Kläger legt seiner Klage in erster Linie einen Rückforderungsanspruch aus drei Schenkungen in Höhe von 1.200,00 DM, 4.000,00 DM und 600,00 DM zugrunde. Insoweit besteht nur ein Anspruch hinsichtlich der Zuwendungen über 4.000,00 DM und 600,00 DM. Diese Beträge sind dem Vermögen des Beklagten dauerhaft zugeflossen. Der Beklagte hat sie für Investitionen in das Hausgrundstück verwendet. Sie sind auch so erheblich, dass nicht mehr von einer belohnenden Schenkung oder einem üblichen und angemessenen Beitrag zur allgemeinen Lebensführung gesprochen werden kann. Die Rückforderung des weiteren Betrags scheitert dagegen an § 534 BGB.
Bei der Zuwendung für das Heizöl handelt es sich um einen Beitrag zu den laufenden Lebenshaltungskosten und damit um Pflicht- bzw. Anstandsschenkung. Im Übrigen ist der Betrag teilweise der Mutter wieder zugute gekommen, weil sie selbst im Haus gelebt hat.
Der Umstand, dass in Höhe von 1.200,00 DM eine Rückforderung ausscheidet, bleibt jedoch im Ergebnis ohne Einfluss auf den Erfolg der Klage. Denn der weitere Anspruch, den der Kläger auf sich übergeleitet hat, übersteigt die nach Verrechnung der 4.600,00 DM verbleibende Klagesumme.
Zum Restbetrag stellt sich die Sache rechtlich allerdings etwas anders dar, als dies in erster Instanz erörtert worden ist.
Der Kläger stützt seine Klage insoweit auf Darlehen.
Hiermit kann er sie nicht begründen.
Es ist bereits zweifelhaft, ob der Anspruch auf Rückzahlung der Valuta nach Beendigung eines Darlehensvertrags überhaupt gemäß § 90 Abs. 1 BSHG auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden kann. Das Gesetz spricht von einem Anspruch "für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird", also von einem Anspruch, der sich auf eine bestimmte Zeit oder einen bestimmten Zeitraum bezieht, wie es bei wiederkehrenden Leistungen bzw. Unterhaltsansprüchen der Fall ist. Demgemäß wird die Auffassung vertreten, dass § 90 BSHG auf solche Ansprüche nicht anzuwenden ist, bei denen der zeitliche Bezug fehlt. Bei diesen Ansprüchen ist vielmehr zu prüfen, ob sie als Vermögen anzusehen sind. Ist dies der Fall, ist der Hilfsbedürftige darauf zu verweisen, diese geltend zu machen, bevor er Sozialhilfe in Anspruch nehmen kann ( Knopp, BSHG, 7. Aufl. § 90 Rdn. 12 ). Zu dem verwertbaren Vermögen im Sinne von § 88 Abs. 1 BSHG gehören grundsätzlich auch Forderungen gegen Dritte ( Oestreicher/Schleter/Kunz, BSHG, § 88 Rdn. 2 ). Die Tatsache, dass nach gängiger Praxis auch ein Rückforderungsanspruch aus einer - als Kapitalbetrag zugewandten - Schenkung übergeleitet werden kann, führt insoweit nicht zu einem Widerspruch.
Da es sich beim Unterhaltsanspruch um einen Rentenanspruch handelt, kann der Schenker den Empfänger bei einer Rückforderung wegen Notbedarfs gemäß § 528 Abs. 1 S. 1 BGB von vornherein nur auf einen jeweils dem Unterhalt entsprechenden Betrag in Anspruch nehmen, bis der Wert des Schenkungsgegenstands erreicht ist ( BGH FamRZ 1996, 483 ). Demgemäß besteht insoweit der angesprochene zeitliche Bezug, auch wenn im Ergebnis die Rückforderung eines einheitlichen Gegenstands geltend gemacht wird.
Diese Frage kann aber dahinstehen. Denn nach dem zweitinstanzlichen Parteivorbringen trifft bereits der Ausgangspunkt des Klägers nicht zu. Ein Darlehen ist in Wahrheit gar nicht gewährt worden. Der Beklagte hat eingeräumt, dass ein Darlehen über 80.000,00 DM entgegen der Vertragsurkunde tatsächlich nicht gewollt war. Die Vereinbarung ist vielmehr allein aus steuerlichen Gründen getroffen worden, um Verluste aus Vermietung und Verpachtung zu schaffen. Intern waren sich die Beteiligten einig, dass in Wahrheit keine Zahlungen zu leisten waren. Diese Einigkeit bestand auch mit dem Bruder des Beklagten, wie der Beklagte im Verhandlungstermin vor dem Senat angegeben hat. Der Beklagte muss daher nicht befürchten, dass beim Tod der Mutter der Darlehensanspruch in den Nachlass fällt und er von seinem Bruder insoweit noch in Anspruch genommen wird.
Gegen die Richtigkeit dieses Vorbringens hat der Kläger keine Einwendungen vorgebracht. Demgemäß kann es auf sich beruhen, ob die der Klage zugrunde gelegte rechtliche Konstruktion der Kündigung eines Darlehensvertrags aus wichtigem Grund schlüssig war. Da es sich bei der Vereinbarung zum Darlehen um ein Scheingeschäft gehandelt hat, ist eine Verbindlichkeit hierdurch nicht begründet worden ( § 117 BGB ).
Dies führt aber nicht zur Abweisung der Klage. Denn bei diesem - nunmehr maßgeblichen - Hergang kann der Kläger seinen Anspruch auf § 528 Abs. 1 BGB stützen.
Dabei ist von folgendem auszugehen: Die Übereignung des Hausgrundstücks auf den Beklagten ist im Wege einer Erbauseinandersetzung über den Nachlass des Vaters vorgenommen worden. Eine Schenkung kommt daher nur insoweit in Betracht, als die Mutter über ihren Anteil von 1/2 am Nachlass zugunsten des Beklagten verfügt hat und nicht - wie es dem Landgericht offenbar vorgeschwebt hat - hinsichtlich des gesamten Grundstücks. Bei Übertragung dieses Anteils von 1/2 handelt es sich zwar in erster Linie um eine Regelung im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge. Dies schließt aber die Annahme einer Schenkung nicht aus ( Palandt/Edenhofer Einl. v. § 1922 Rdn. 8 ). Maßgeblich für die rechtliche Einordnung ist insoweit nur die Unentgeltlichkeit. Diese ist gegeben.
Denn eine Gegenleistung für die Übereignung des Hausanteils hat der Beklagte seiner Mutter weder gewährt noch versprochen. Sein Argument, er habe seiner Mutter im Gegenzug das Wohnrecht eingeräumt, ist dabei verfehlt. Dieses Recht hat der Beklagte nicht aus seinem Vermögen entnommen. Er hat vielmehr von seiner Mutter den um das Wohnrecht geschmälerten Miteigentumsanteil am Haus erhalten. Weiterhin kann auch nicht die Pflege und Versorgung der Mutter als Gegenleistung angesehen werden. Die Vertragsschließenden haben diesen Gesichtspunkt nicht in die Urkunde aufgenommen und damit bewusst die Entscheidung getroffen, die Übereignung des Miteigentumsanteils einerseits und die Pflege und Versorgung andererseits nicht in ein Gegenseitigkeitsverhältnis zu stellen. Die Abrede zur Pflege beruhte vielmehr ersichtlich auf einer familienrechtlichen Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung und sollte keinen schuldrechtlichen Charakter annehmen.
Der Höhe nach ist die Zuwendung an den Beklagten mit dem Betrag zu bewerten, den die Beteilgten in der Zusatzvereinbarung vom 23.09.1993 selbst genannt haben. Die Tatsache, dass sie hierin - wenn auch nur zum Schein - eine Zahlungspflicht des Beklagten in Höhe 80.000,00 DM begründet haben, ist ein Beleg dafür, dass sie die unentgeltliche Zuwendung in etwa mit diesem Betrag bewertet haben. Im Übrigen entsprach dies auch annähernd den tatsächlichen Wertverhältnissen. Denn der Beklagte hat selbst einen Betrag von 71.818,00 DM errechnet.
Der übergeleitete Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB richtet sich auf wiederkehrende Leistungen in Höhe des angemessenen Unterhalts. Da die Klägerin mit der Gewährung von Sozialhilfe diese Leistungen an Stelle des Beklagten erbracht hat, kann sie Erstattung verlangen.
Gegenüber diesem Anspruch kann der Beklagte nicht mit eigenen Ansprüchen aufrechnen.
Der Beklagte hat keinen Anspruch in Höhe von 56.000,00 DM aus abgetretenem Recht für die Versorgung und Pflege während des Zusammenlebens. Der Anspruch könnte nur auf § 812 Abs. 1 S. 2 BGB gestützt werden, und zwar aus folgendem Grund: Die der Mutter mit der Versorgung zugewandte Leistung stand absprachegemäß in unmittelbarem Zusammenhang mit den Regelungen im Rahmen der Erbauseinandersetzung. Hinter den Leistungen der Ehefrau des Beklagten stand die Erwartung, dass die von der Mutter erbrachte Zuwendung auf Dauer im Vermögen des Beklagten verbleiben würde, und zwar ohne finanziellen Ausgleich. In dieser Erwartung ist sie durch den jetzt geltend gemachten Rückforderunganspruch enttäuscht worden, sodass an eine Zweckverfehlung zu denken ist.
Dieser Gesichtspunkt führt aber nicht zu einem Bereicherungsanpruch.
Zum einen ist festzustellen, dass durch die jetzt eingetretene Entwicklung nur eine unbedeutende Zweckstörung eingetreten ist. Die Mutter des Beklagten war bei Abschluss des Erbauseinandersetzungsvertrags erst 61 Jahre alt und hatte daher noch eine hohe Lebenserwartung. Dementsprechend müssen die Beteiligten von einer länger andauernden Versorgung in der Familie des Beklagten ausgegangen sein. Hierzu sollten die 80.000,00 DM ein angemessenes Gegengewicht sein. Da aber die Pflege entgegen den ursprünglichen Vorstellungen nur für eine erheblich kürzere Zeit erbracht wurde, kann hieran kaum die Erwartung geknüpft werden, den zugewandten Wert von 80.000,00 DM gleichwohl als Gegenleistung endgültig behalten zu dürfen. Hinzu kommt, dass man während des Zusammenlebens offenbar in eine Kasse gewirtschaftet hat. Hierdurch hat bereits ganz oder teilweise ein Ausgleich für die Pflegeleistungen stattgefunden. Der Umfang lässt sich heute kaum noch aufklären. Jedenfalls fehlen nähre Darlegungen hierzu. Zum anderen ist der Vortrag des Beklagten zum Pflegeaufwand auch unsubstantiiert.
Nähere Angaben zum konkreten zeitlichen Aufwand fehlen, sodass auch für eine Schätzung gemäß § 287 BGB keine hinreichende Tatsachengrundlage besteht.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 und 546 Abs. 2 S. 1 ZPO.