Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 11.11.1997, Az.: 5 U 56/97

Berücksichtigung von anzurechnenden Vorausempfängen bei der Pflichtteilsergänzung bei fehlender Auswirkung der Vorausempfänge bei der Pflichtteilsberechnung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
11.11.1997
Aktenzeichen
5 U 56/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 21724
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:1111.5U56.97.0A

Fundstellen

  • FamRZ 1998, 646 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 1998, 11

Amtlicher Leitsatz

Soweit sich anzurechnende Vorausempfänge bei der Pflichtteilsberechnung nicht ausgewirkt haben, sind sie noch bei der Pflichtteilsergänzung zu berücksichtigen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem am 30.01.1995 verstorbenen ..., Schwiegervater bzw. Großvater der Kläger und Vater der Beklagten, die ihn auf Grund testamentarischer Verfügung allein beerbt hat. Der Erblasser hatte fünf Kinder. Die - gesetzliche - Erbquote der Kläger beträgt daher 1/5.

2

Das Landgericht hat nach einem tatsächlichen Nachlasswert von 1.868.423,00 DM und gem. § 2316 BGB anzurechnenden Vorausempfänger aller Abkömmlinge von 672.505,03 DM (fiktiver Nachlasswert: 2.540.928,03 DM) den 1/5-Erbteil mit 508.185,61 DM errechnet, davon den Vorausempfang des Rechtsvorgängers der Kläger von 294.746,35 DM in Abzug gebracht und danach den Pflichtteil mit der Hälfte des Restwertes in Höhe von 106.719,03 DM angesetzt. Nach weiterem Abzug eines bereits ausgekehrten Vorausvermächtnisses in Höhe von 103.380,66 DM hat es den Klägern eine Restpflichtteilszahlung von 3.338,97 DM zugesprochen. Des Weiteren hat es ihnen einen Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen eines der Beklagten vom Erblasser geschenkten Grundstückes in Höhe von 1/10 nach einem Wert von 307.453,00 DM mithin 30.745,30 DM zuerkannt.

3

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte die Anerkennung von weiteren Nachlassabzügen bzw. Nachlassverbindlichkeiten (1.100,00 DM Vermögenssteuer, 450,00 DM für Gartenarbeiten, 3.840,07 DM für Malerarbeiten und 30,00 DM für eine Gewerbeabmeldung) und die Abweisung der Pflichtteilsergänzungsansprüche insgesamt. Bei letzterem habe das Landgericht übersehen, dass gem. § 2327 BGB noch die Hälfte der schenkweise vom Erblasser überlassenen Vorausempfänge in Anrechnung zu bringen sei, da sich diese bei der Pflichtteilsberechnung auch nur zur Hälfte ausgewirkt hätten.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Berufung hat in ganz wesentlichem Umfang Erfolg.

5

Zu Recht hat das Landgericht allerdings in seinem ausführlich begründeten Urteil die Positionen Garten- und Malerarbeiten sowie Gewerbeabmeldung von den Nachlassverbindlichkeiten ausgenommen. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe (LGU 6 letzter Absatz bis LGU 7 zweiter Absatz) verwiesen werden. Der Erblasser hatte die Arbeiten noch in Auftrag gegeben und der Beklagten ist als seine Rechtsnachfolgerin der mit der Ausführung verbundene Gegenwert zur Werklohnforderung zugeflossen. Die Frage nach einer Werterhaltung des Grundstücks stellt sich insoweit nicht. Die Gewerbeabmeldungskosten sind keine Nachlassverbindlichkeiten, sondern es sind Kosten, die die Beklagte selbst aufzubringen hat, wenn sie den Zustand des Nachlasses entsprechend verändern will.

6

Durch die Vorlage des Kontoauszuges vom 31.01.1995 - Konto Nr. 072-405 103 LzO - hat die Beklagte dagegen nachgewiesen - was erstinstanzlich noch bestritten worden ist (Schriftsatz vom 22.1.97 (GA 76) - , dass die Vermögensteuer in Höhe von 1.100,00 DM bereits mit Wertstellung vom 29.01.1995 vom Erblasser bezahlt worden war, sodass sich der tatsächliche Nachlasswert auf 1.867.323,00 DM vermindert, denn in dem vom Landgericht als unstreitig zu Grunde gelegten Barvermögen i.H.v. 620.725,00 DM ist noch ein Kontostand von 2.322,06 DM eingeflossen, wie die Klageschrift 3.4. (GA 4) belegt, die Wertstellung vom 29.01.1995 i.H.v. 1.100,00 DM mithin noch nicht berücksichtigt, woraus sich ein Restpflichtteil von 3.228,99 DM errechnet.

7

Zu Recht rügt die Berufung im Rahmen der Pflichtteilsergänzungsberechnung das Übersehen der in § 2327 BGB gesetzlich festgelegten Anrechnung von so genannten Eigengeschenken an den anspruchstellenden Pflichtteilsberechtigten. Der Ehemann bzw. Vater der Kläger hat anrechnungspflichtige Vorausempfänge in Höhe von unstreitig 294.746,35 DM erhalten. Diese Vorausempfänge haben zur Hälfte - wie die Pflichtteilsberechnung belegt - den gesetzlichen Pflichtteil in Höhe von 253.982,80 DM (1/10 des fiktiven Nachlasswertes) um 147.373,17 DM auf 106.609,63 DM herabgesetzt. Die verbliebene Hälfte muss bei der Pflichtteilsergänzungsberechnung als Eigengeschenk in Ansatz gebracht werden, sodass von der errechneten Pflichtteilsergänzung nichts verbleibt (vgl. dazu insgesamt die ausführlichen Erläuterungen bei Staudinger/Ferid/Cieslar, BGB, 12. Aufl., § 2327 Rn. 12 und 13). Die Berufungserwiderung lässt bei ihrer Kontrollrechnung unberücksichtigt, dass die Zuwendung an die Beklagte nicht auf das Erbe angerechnet werden sollte, also lediglich bei der Pflichtteilsergänzung zu beachten ist, und vergisst im Übrigen bei der Berechnung der Ergänzung den ordentlichen Pflichtteil von dem Betrag aus Pflichtteil und Ergänzung in Abzug zu bringen. Die noch "unverbrauchte" Hälfte des Eigengeschenkes übersteigt den sich daraus ergebenden Betrag, sodass Ergänzungsansprüche insgesamt ausscheiden.