Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 06.11.2009, Az.: 1 C 13/09

Darlegungslast; Glaubhaftmachung; Hochschulpakt 2020; Kapazität; Lehrauftrag; Psychologie; Schwundausgleich; Schwundfaktor; Studienplatz; Urlaubssemester; Zulassung

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
06.11.2009
Aktenzeichen
1 C 13/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 44496
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOSNAB:2009:1106.1C13.09.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Werden aus den Mitteln des Hochschulpakts 2020 Lehrstellen für wissenschaftliche Mitarbeiter geschaffen, müssen diese auch dann in das Lehrangebot eingestellt werden, wenn sie nicht besetzt oder nicht besetzbar sind.

  2. 2.

    Die Hochschule muss darlegen und glaubhaft machen, weshalb sie Lehraufträge aus den in § 10 KapVO genannten Gründen nicht kapazitätserhöhend berücksichtigt.

  3. 3.

    Beim Schwundausgleich dürfen Beurlaubungen von Studierenden nicht dazu führen, dass diese mehr Semester, als der Regelstudienzeit entsprechen, in die Berechnung eingestellt werden. Näher liegend als eine Verfahrensweise, bei der beurlaubte Studierende zwar während ihrer Beurlaubung mitgezählt werden, jedoch im weiteren Verlauf entsprechend der Anzahl ihrer Beurlaubungssemester vorzeitig aus der Berechnung herausgenommen werden, ist die Nichtberücksichtigung beurlaubter Studierender während des Zeitraums ihrer Beurlaubung.

  4. 4.

    In das erste Fachsemester der Schwundausgleichstabelle sind die tatsächlichen und nicht die festgesetzten oder errechneten Studienanfängerzahlen der vergangenen Jahre einzustellen. Aus dem Entscheidungstext

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens über die Zulassung zum Studium "Psychologie" (Bachelor) im ersten Fachsemester zum Wintersemester 2009/2010.

2

Die Antragsteller stellten - mit Ausnahme der Antragstellerin zu 1 C 13/09 - durch Schreiben vom 27.08.2009 bzw. 28.09.2009 (1 C 18/09), 31.08.2009 (1 C 19/09), 03.09.2009 (1 C 23/09), 10.09.2009 (1 C 29/09), 15.09.2009 (1 C 32/09), 28.09.2009 (1 C 33/09), 29.06.2009 (1 C 34/09), 02.10.2009 (1 C 36/09), 13.09.2009 (1 C 37/09), 13.09.2009 (1 C 40/09), 28.09.2009 (1 C 46/09), 30.09.2009 (1 C 47/09) und 30.09.2009 (1 C 48/09) bei der Antragsgegnerin jeweils einen Antrag auf außerkapazitäre Zulassung.

3

Die Antragsteller haben am 26.08.2009 (1 C 13/09), 31.08.2009 (1 C 18/09), 31.08.2009 (1 C 19/09), 03.09.2009 (1 C 23/09), 29.09.2009 (1 C 29/09), 05.10.2009 (1 C 32/09), 07.10.2009 (1 C 33/09), 07.10.2009 (1 C 34/09), 07.10.2009 (1 C 36/09), 09.10.2009 (1 C 37/09), 13.10.2009 (1 C 40/09), 22.10.2009 (1 C 46/09), 22.10.2009 (1 C 47/09) und 28.10.2009 (1 C 48/09) Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz mit der Begründung gestellt, dass die Antragsgegnerin ihre tatsächlich vorhandene Kapazität im Studiengang "Psychologie" (Bachelor) nicht ausgeschöpft habe.

4

Die Antragstellerin zu 1 C 29/09 trägt vor, dass Unklarheiten bei der Kapazitätsberechnung zu Lasten der Hochschule gingen. Die Ausschöpfung der Kapazität sei bis zur Grenze der Funktionsfähigkeit geboten. Soweit bei der Schwundberechnung die Anzahl der tatsächlich immatrikulierten Studenten in höheren Fachsemestern die Zulassungszahlen des ersten Fachsemesters überschreiten würden, löse dies rechtliche Bedenken aus. Außerdem sei der Vortrag der Antragsgegnerin hinsichtlich der einzelnen Curricularanteile unzureichend. Schließlich sei nicht erkennbar, inwieweit Lehrauftragsstunden in die Berechnung eingeflossen seien.

5

Die Antragstellerin zu 1 C 32/09 führt ergänzend aus, dass Titellehre kapazitätserhöhend zu berücksichtigen sei.

6

Die Antragsteller zu 1 C 33/09 und 1 C 34/09 tragen weiterhin vor, dass nach der Erhöhung der Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst keine entsprechende Anhebung der Lehrdeputate erfolgt sei. Das halbierte Lehrdeputat für C1-Stellen sei unvereinbar mit höherrangigem Recht und dasjenige der Juniorprofessuren zu niedrig angesetzt. Außerdem habe die Antragsgegnerin ihre Widmungskompetenz bei Stellen zur Nachwuchsförderung rechtswidrig ausgeübt. Ferner sei der Urlaubsschwund in unzutreffender Weise berücksichtigt worden. Schließlich dürften Überbuchungen nicht gezielt zum Nachteil der um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchenden Studienbewerber erfolgen.

7

Die Antragsteller zu 1 C 46/09, 1 C 47/09 und 1 C 48/09 führen ergänzend aus, dass ein Sicherheitszuschlag bei Nichtvorlage eines normativen Stellenplans durch die Hochschule festzusetzen sei. Auch seien unbezahlte Lehraufträge von Honorarprofessoren und außerplanmäßigen Professoren mitzuzählen. Curricularnormwerte müssten durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes festgelegt werden, ansonsten sei ein Sicherheitszuschlag in Ansatz zu bringen. Weiterhin seien befristete Arbeitsverträge auf einen Befristungsgrund zu überprüfen. Außerdem seien Fristen zur Stellung eines Antrags auf außerkapazitäre Zulassung bei der Hochschule unzulässig. Ferner seien Studienplätze im Rahmen des Hochschulpakts 2020 in die Berechnung einzustellen. Darüber hinaus dürfe keine Verrechnung von Lehraufträgen mit unbesetzten Stellen erfolgen, wenn sie aus dem Globalhaushalt oder Studienbeiträgen finanziert worden seien.

8

Die Antragsteller zu 1 C 13/09, 1 C 18/09, 1 C 19/09, 1 C 23/09, 1 C 29/09, 1 C 32/09, 1 C 46/09, 1 C 47/09 und 1 C 48/09 beantragen jeweils (sinngemäß),

  1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig zum Wintersemester 2009/2010 im ersten Fachsemester zum Studiengang "Psychologie" (Bachelor) zuzulassen.

9

Hilfsweise beantragt die Antragstellerin zu 1 C 32/09,

  1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie an einem vom Gericht anzuordnenden Vergabeverfahren zu beteiligen und, falls danach ein Studienplatz auf sie entfällt, vorläufig zum Wintersemester 2009/2010 im ersten Fachsemester zum Studiengang "Psychologie" (Bachelor) zuzulassen.

10

Hilfsweise beantragen die Antragsteller zu 1 C 46/09, 1 C 47/09 und 1 C 48/09 jeweils,

  1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie beschränkt auf eine Anzahl von Semestern zuzulassen.

11

Die Antragsteller zu 1 C 33/09, 1 C 34/09, 1 C 36/09, 1 C 37/09 und 1 C 40/09 beantragen jeweils,

  1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie an einem vom Gericht anzuordnenden Vergabeverfahren zu beteiligen und, falls danach Studienplätze auf sie entfallen, vorläufig zum Wintersemester 2009/2010 im ersten Fachsemester zum Studiengang "Psychologie" (Bachelor) zuzulassen.

12

Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. die Anträge abzulehnen.

13

Sie trägt auf der Grundlage einer aktualisierten Kapazitätsberechnung vor, dass nach der ZZ-VO 2009/2010 im Wintersemester 2009/2010 für den Studiengang "Psychologie" (Bachelor) 91 Studienplätze für Erstsemester zur Verfügung stünden. Aus der aktualisierten Kapazitätsberechnung ergäben sich zusätzliche 6 Studienplätze, die in Nachrückverfahren vergeben und angenommen worden seien, so dass nunmehr insgesamt 97 Immatrikulationen erfolgt seien und die Aufnahmekapazität damit erschöpft sei. Für die Lehreinheit Psychologie sei ein unbereinigtes Lehrangebot von 206,5 LVS (Lehrveranstaltungsstunden) zu Grunde zu legen. Der Abzug für Dienstleistungen, die an die der Lehreinheit nicht zugeordnete Studiengänge zu erbringen seien, sei insgesamt mit 47,4191 LVS anzusetzen. Daraus folge ein bereinigtes Lehrangebot von 159,0809 LVS. Der Curricularteil des Studiengangs "Psychologie" (Bachelor) betrage 3,2 und derjenige des Promotionsstudiengangs "Psychologie" 0,8444; letzterer solle 10 Studierende vor Schwund aufnehmen. Die Gesamtaufnahmekapazität der Lehreinheit Psychologie liege bei 107,2298 Studienplätzen, woraus bei einer Anteilsquote von 0,9012 eine Aufnahmekapazität des Studiengangs "Psychologie" (Bachelor) von 96,6355 (gerundet 97) Studienplätzen folge. Als Schwundfaktor sei derjenige des auslaufenden Diplomstudienganges in Höhe von 1,0000 anzusetzen, da für den Bachelorstudiengang noch keine empirischen Daten vorlägen.

14

Das Gericht hat am 22.09.2009, 07.10.2009, 19.10.2009 und 21.10.2009 Aufklärungsverfügung an die Antragsgegnerin gerichtet. Insofern und hinsichtlich des darauf bezogenen Vorbringens der Antragsgegnerin wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

15

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

16

II.

A. Der vorläufige Rechtsschutzantrag der Antragstellerin zu 1 C 13/09 ist unzulässig, da sie nicht glaubhaft gemacht hat, einen Antrag auf außerkapazitäre Zulassung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2b Hochschul-VergabeVO bis zum 15.10.2009 bei der Antragsgegnerin gestellt zu haben. Sie hat die in der gerichtlichen Eingangsverfügung vom 26.08.2009 gestellte Frage, ob ein solcher Antrag gestellt worden sei, nicht beantwortet. Zudem hat die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 02.11.2009 bestätigt, dass ein derartiger Antrag bei ihr nicht vorliege. Der als "Widerspruch" an das Verwaltungsgericht adressierte vorläufige Rechtsschutzantrag vom 25.08.2009 stellt keinen Antrag auf außerkapazitäre Zulassung bei der Hochschule dar. In Bezug auf die der Rechtssicherheit dienende Ausschlussfrist bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Nds. OVG, B. v. 22.12.2005, 2 NB 466/05, juris).

17

B. Die übrigen vorläufigen Rechtsschutzanträge sind als Regelungsanordnungen gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zulässig. Die Anträge der Antragsteller zu 1 C 33/09, 1 C 34/09, 1 C 36/09, 1 C 37/09 und 1 C 40/09 sind als Anträge auf unmittelbare Zulassung umzudeuten (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO), da ein Verteilungsverfahren bei einer unausgeschöpften Kapazität, die die Anzahl der vorläufigen Rechtsschutzanträge übersteigt, naturgemäß nicht stattzufinden braucht.

18

Die zulässigen Anträge sind auch begründet, da die Antragsteller - außer der Antragstellerin zu 1 C 13/09 - glaubhaft gemacht haben, einen Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Studiengang "Psychologie" (Bachelor) im ersten Fachsemester zum Wintersemester 2009/2010 zu haben (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

19

1. Der Anspruch folgt aus dem verfassungsrechtlichen Kapazitätserschöpfungsgebot. Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht, die Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Inanspruchnahme dieses Rechts hängt von tatsächlichen Voraussetzungen ab, deren Fehlen das Recht wertlos machen kann. Schafft der Staat mit öffentlichen Mitteln Ausbildungseinrichtungen, so muss er auch den freien und gleichen Zugang zu ihnen gewährleisten. Deshalb ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgrundsatz für jeden Bürger, der die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, ein Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium seiner Wahl. Zulassungsbeschränkungen sind nur unter strengen formellen und materiellen Voraussetzungen statthaft. Sie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage und sind nur dann verfassungsmäßig, wenn sie zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes - Funktionsfähigkeit der Universitäten in Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Forschung, Lehre und Studium - und nur in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen, mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden (BVerfG, B. v. 22.10.1991, 1 BvR 393/85, juris Rn. 65).

20

a. Maßgeblich für die Berechnung der Aufnahmekapazität eines Studienganges ist die auf der Grundlage des § 9 Satz 1 Nr. 3 NHZG ergangene KapVO. Das in allen Bundesländern weitgehend einheitlich geltende Regelungswerk der Kapazitätsverordnungen, nach denen sich die Zahl der zum Studium zuzulassenden Studierenden aus einer Gegenüberstellung von Lehrangebot und Lehrnachfrage ergibt, stellt ein geeignetes und daher verfassungsgemäßes Instrument zur Erfassung der Aufnahmekapazitäten der Hochschulen dar (BVerwG, U. v. 20.04.1990, 7 C 74/87, juris Rn. 5).

21

Die Ermittlung der jährlichen Aufnahmekapazität wird in zwei Verfahrensschritten vorgenommen (§ 3 Abs. 1 KapVO). Zunächst wird die für den Studiengang einsetzbare personelle Ausstattung nach Maßgabe der §§ 6-13 i.V.m. Anlage 1 KapVO unter Anwendung der Curricularnormwerte - im Wesentlichen durch Ermittlung des unbereinigten Lehrangebots und des anschließenden Abzugs des Dienstleistungsbedarfs - berechnet. Dieses Ergebnis wird sodann an Hand der weiteren kapazitätsbestimmenden Kriterien (§§ 14-19 KapVO) - insbesondere des Schwundausgleichs - überprüft.

22

b. Die Kapazitätsberechnung hat auf der Grundlage der Daten eines Stichtages zu erfolgen, der nicht mehr als neun Monate vor Beginn des Zeitraumes liegt, für den die zu ermittelnden Zulassungszahlen gelten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 KapVO). Dieser Berechnungszeitraum setzt sich hier aus dem Wintersemester 2009/2010 und dem Sommersemester 2010 zusammen (01.10.2009 bis zum 30.09.2010). Im Schriftsatz vom 23.10.2009 hat die Antragsgegnerin klargestellt, dass sie bei der Kapazitätsberechnung auf den - im Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vom 04.12.2008 vorgesehenen - Berechnungsstichtag "01.02.2009" abgestellt hat und sich der in den Berechnungsunterlagen angegebene Stichtag "30.04.2009" auf die - vom Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur veranlassten - Korrekturen bezieht. Die Antragsgegnerin hat die zum 30.04.2009 korrigierte Kapazitätsberechnung im Schriftsatz vom 10.09.2009 erneut überarbeitet und aktualisiert (§ 5 Abs. 2 KapVO), so dass diese der gerichtlichen Überprüfung zugrunde zu legen ist.

23

c. Die Antragsgegnerin verfügt im Studiengang Psychologie über eine tatsächlich vorhandene Aufnahmekapazität von 119,9758 (gerundet 120) Studienplätzen. Sie hat jedoch nur 97 Studienplätze vergeben, so dass ausreichend Kapazität für die 13 Antragsteller vorhanden ist, die einen zulässigen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt haben.

24

Darauf, dass die Kapazität nach § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anlage 1 ZZ-VO 2009/2010 für den Studiengang lediglich auf 91 im Wintersemester zu vergebende Studienplätze festgesetzt worden ist, kommt es für die Beurteilung, in welchem Umfang nicht ausgeschöpfte Kapazität für eine gerichtliche Vergabe noch zur Verfügung steht, nicht an. Die auf Grund der aktualisierten Kapazitätsberechnung erfolgte Vergabe der weiteren 6 Studienplätze durch die Antragsgegnerin ist wie die Inanspruchnahme einer festgesetzten Kapazität zu berücksichtigen, da im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich - auch bei Überbuchungen - nur die im universitären Vergabeverfahren tatsächlich noch nicht ausgeschöpfte Kapazität zur Verfügung steht (vgl. Nds. OVG, B. v. 29.06.2004, 2 NB 859/04, juris Rn. 13; Zimmerling / Brehm, Hochschulzulassungsrecht, Rn. 383-389).

25

2. Unbereinigtes Lehrangebot

26

Das von der Antragsgegnerin in Ansatz gebrachte unbereinigte Lehrangebot von 206,5 LVS ist unzutreffend und auf 227,5 LVS zu erhöhen.

27

a. Das unbereinigte Lehrangebot (S) stellt die Summe der Lehrdeputate der einzelnen Lehrpersonen zuzüglich der Lehrauftragsstunden dar und bestimmt sich dementsprechend nach der in Anlage 1 KapVO enthaltenen Berechnungsformel

28

S = Summej (lj × hj - rj) + L.

29

l j: Anzahl der in der Lehreinheit verfügbaren Stellen der Stellengruppe j

30

h j: Lehrdeputat je Stelle in der Stellengruppe j in Deputatstunden

31

r j: Gesamtsumme der Verminderungen für die Stellengruppe j in Deputatstunden

32

L: Anzahl der Lehrauftragsstunden der Lehreinheit in Deputatstunden je Semester

33

Für die Berechnung des unbereinigten Lehrangebots sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapVO alle Stellen des wissenschaftlichen Lehrpersonals und der sonstigen Lehrpersonen nach Stellengruppen den Lehreinheiten zuzuordnen.

34

Das Lehrdeputat ist die auf Grund der Lehrverpflichtungsverordnung (LVVO) festgesetzte und in Lehrveranstaltungsstunden (LVS) gemessene Lehrverpflichtung einer Lehrperson (§ 9 Abs. 1 KapVO). Die LVVO regelt für das hauptberufliche wissenschaftliche Personal im Beamtenverhältnis an den Hochschulen den durchschnittlichen Umfang der Lehrverpflichtung (§ 1 LVVO). Dem wissenschaftlichen Personal im Angestelltenverhältnis sind entsprechende Verpflichtungen durch Vertrag aufzuerlegen (§ 21 Abs. 2 Satz 2 NHG).

35

b. Der Antragsgegnerin stehen - nach ihrem Vorbringen und der Übersicht "Stellenausstattung und Stellenstruktur gemäß Haushaltsplan 2009" zufolge - in der Lehreinheit Psychologie für das Studienjahr 2009/2010 insgesamt 13 C4/W3-, C3/W2- und C2/Hochschuldozenten-Stellen zur Verfügung, die gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 LVVO eine Regellehrverpflichtung von 8 LVS haben (insgesamt 104 LVS).

36

c. Des Weiteren ist für die Lehreinheit Psychologie eine W1-Stelle (Juniorprofessur) ausgewiesen, für die nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 LVVO eine Regellehrverpflichtung von 4 LVS gilt. Die Kammer hält diese Lehrdeputatshöhe für rechtmäßig. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat zwar in seinem Beschluss vom 29.04.2004 (2 NB 859/04, juris Rn. 15-18) ausgeführt, dass es insoweit rechtliche Bedenken habe und, solange die Lehrdeputatshöhe noch nicht normativ festgelegt sei, zu 6 LVS neige; letztlich hat es diese Frage jedoch offen gelassen. Die Regellehrverpflichtung ist zwischenzeitlich durch Verordnung festgesetzt worden. Vor dem Hintergrund, dass Juniorprofessuren hauptsächlich dem eigenverantwortlichen Erwerb von Zusatzqualifikationen als Voraussetzung für eine Lebenszeitprofessur dienen, ist die Lehrdeputatshöhe nach Auffassung der Kammer von der Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers sachlich gedeckt.

37

d. Daneben verfügt die Lehreinheit über 2 A13-/A14-Stellen der Laufbahn der akademischen Räte sowie 5 Angestellte des wissenschaftlichen Dienstes mit einer Höchstehrverpflichtung nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 LVVO (i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 2 NHG und dem jeweiligen Arbeitsvertrag) von jeweils 10 LVS (insgesamt 70 LVS).

38

e. Weiterhin stehen der Lehreinheit 5 ? befristete "TV-L E13"-Stellen zur eigenen Weiterqualifikation mit einer Höchstlehrverpflichtung von 4 LVS (§ 21 Abs. 2 Satz 2 NHG i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 3 LVVO und dem jeweiligen Arbeitsvertrag) zur Verfügung (insgesamt 21 LVS). Die Antragsgegnerin hat durch die Vorlage der Arbeitsverträge und Tätigkeitsbeschreibungen glaubhaft gemacht, dass die Stellen der eigenen wissenschaftlichen Weiterqualifikation (insbesondere Promotion) dienen. Hinsichtlich des wissenschaftlichen Angestellten Manuel ... geht das Gericht - obwohl in dessen Tätigkeitsbeschreibung der entsprechende Zusatz fehlt - auf Grund der ansonsten vergleichbaren Art und Verteilung der Tätigkeiten davon aus, dass er zur eigenen Weiterqualifikation angestellt worden ist.

39

In Bezug auf eine ? Stelle ist die Glaubhaftmachung allerdings nicht gelungen, so dass die Kammer von der Höchstlehrverpflichtung (10 LVS bezogen auf eine volle Stelle) nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 LVVO ausgeht (5 LVS), die die Antragsgegnerin auch bei anderen wissenschaftlichen Mitarbeitern zugrunde gelegt hat, die nicht zur eigenen Weiterqualifikation angestellt sind. Aus dem vorgelegten Ernennungsschreiben des Akademischen Rates auf Zeit Dr. Markus ... vom 01.07.2008 ergibt sich nicht, dass der bereits promovierte wissenschaftliche Mitarbeiter zur eigenen Weiterqualifikation angestellt ist. Allein aus der Befristung des Beamtenverhältnisses lässt sich dies - dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 2 Nr. 3 LVVO nach - nicht ableiten. Daraus folgt ein zusätzliches Lehrangebot gegenüber der Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin von 3 LVS.

40

f. Darüber hinaus sind die in der Bemerkung 18 zur Übersicht "Stellenausstattung und Stellenstruktur gemäß Haushaltsplan 2009" genannten 1,5 "E13 Lehrkraft"-Stellen mit insgesamt 15 LVS (§ 21 Abs. 2 Satz 2 NHG, § 4 Abs. 2 Nr. 2 LVVO) in das unbereinigte Lehrangebot einzustellen. Dem steht nicht entgegen, dass es sich um Stellen handelt, die aus den Mitteln des Hochschulpaktes 2020 eingerichtet worden sind. Denn diese stellen öffentliche Mittel zur Aufnahme zusätzlicher Studienanfänger dar, deren erschöpfende Nutzung kapazitätsrechtlich geboten ist (OVG NRW, B. v. 16.03.2009, 13 C 1/09, juris Rn. 11-13). Wie die Antragsgegnerin die ihr global zugewiesenen Mittel einsetzt, steht grundsätzlich in ihrem Organisationsermessen; sie kann diese zur Vergabe von zusätzlichen Lehraufträgen - wie hier zunächst auch geschehen (vgl. Beschluss der Kammer vom 19.12.2007, 1 C 10/07, S. 9-10) - nutzen oder stattdessen - wie offenbar zwischenzeitlich erfolgt - weitere Lehrstellen schaffen. Für die Dauer der Zuweisung muss sie diese Mittel allerdings kapazitätssteigernd einsetzen. Entscheidet sich die Hochschule für die befristete Einrichtung zusätzlicher Lehrstellen gilt das abstrakte Stellenprinzip des § 8 Abs. 1 Satz 1 KapVO, so dass es auf die tatsächliche Besetzung bzw. die Besetzbarkeit nicht ankommt (vgl. BVerfG, B. v. 08.02.1984, 1 BvR 580/83, juris Rn. 73; Bahro / Berlin, Hochschulzulassungsrecht, 4. Aufl., § 8 KapVO Rn. 3). Sollte die Antragsgegnerin - entsprechend ihrem Vorbringen - eine Stelle geschaffen haben, die unter den Bedingungen des Arbeitsmarktes wegen der damit verbundenen überwiegenden Lehrtätigkeit nicht besetzbar ist, so ist sie gehalten, ihr Lehrangebot in geeigneter Form so umzugestalten, dass die Mittel aus dem Hochschulpakt 2020 tatsächlich kapazitätserhöhend zum Tragen kommen können. Aus diesem Grunde greift auch die in der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U. v. 20.04.1990, 7 C 74/87, juris Rn. 9) anerkannte Ausnahme vom abstrakten Stellenprinzip für wissenschaftliche Mitarbeiter nicht. Denn diese Stellen dienen nicht lediglich der Ergänzung der selbständigen Lehre durch unselbständige Lehre, sondern der unmittelbaren Erhöhung des Lehrangebots. Ohne die Anrechnung der 1,5 "E13 Lehrkraft"-Stellen würde die Antragsgegnerin Mittel aus dem Hochschulpakt 2020 erhalten, ohne diese kapazitätssteigernd einzusetzen.

41

g. Weiterhin sind in die Berechnung Lehraufträge in Höhe von 6 LVS einzubeziehen. Nach § 10 Satz 1 bis 3 KapVO "werden als Lehrauftragsstunden die Lehrveranstaltungsstunden, die nicht auf einer Regellehrverpflichtung beruhen, in die Berechnung einbezogen, soweit sie der Lehreinheit für den Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1 in den dem Berechnungsstichtag vorausgehenden zwei Semestern im Durchschnitt je Semester zur Verfügung gestanden haben. In die Berechnung nicht einbezogen werden Lehrauftragsstunden, die aus Haushaltsmitteln für unbesetzte Stellen vergütet worden sind, und Lehrleistungen, die von Personal von Forschungseinrichtungen außerhalb einer Hochschule freiwillig und unentgeltlich übernommen werden. Die Lehrauftragsstunden sind auf der Grundlage der Anrechnungsvorschriften der Lehrverpflichtungsverordnung in Deputatstunden umzurechnen." Eine Lehrveranstaltung dient dem Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1 KapVO, wenn sie nach der zugrunde liegenden Prüfungsordnung dem Pflicht- oder Wahlpflichtbereich eines Studiengangs zuzurechnen ist (Bahro / Berlin, Hochschulzulassungsrecht, 4. Aufl., § 10 KapVO Rn. 3; Zimmerling / Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Rn. 167).

42

Neben den von der Antragsgegnerin berücksichtigten vier Lehrveranstaltungen mit insgesamt 3 LVS (Bl. 92-93 VV) sind im Wintersemester 2007/2008 die (Block)seminare "Seminar zur systemischen und Familientherapie" (Dr. AQ.), "Präsentationstechnik, Moderation" (AR.), "Persönlichkeit nach Hirnschädigung I" (Dr. AS.) und "Rehabilitation in der Geriatrie - Grundseminar" (Honorarprof. AT.) sowie im Sommersemester 2008 die (Block)seminare "Persönlichkeit nach Hirnschädigung II" (Dr. AS.) und "Rehabilitation in der Geriatrie" (Honorarprof. AT.) mit je einer SWS (insgesamt 6 SWS) in das unbereinigte Lehrangebot einzustellen, so dass sich zusätzlich 3 LVS ergeben.

43

Die Antragsgegnerin ist der mit einer Ausschlussfrist nach § 87b Abs. 3 VwGO versehenen gerichtlichen Aufklärungsverfügung vom 21.10.2009 (Nr. 3b) nicht hinreichend nachgekommen und hat keine Gründe dafür glaubhaft gemacht, dass diese Lehraufträge nicht kapazitätserhöhend i.S.d. § 10 KapVO sind. Sie hat im Schriftsatz vom 23.10.2009 dazu lediglich vorgetragen, dass alle der Lehreinheit Psychologie zugeordneten, jedoch nicht berücksichtigten Lehrbeauftragten "ergänzende, vertiefende oder parallele Lehrveranstaltungen" durchführen oder "aus freien Stellenmitteln oder Studienbeiträgen" finanziert würden, was sich aus der "Prüfungsordnung in Verbindung mit dem Veranstaltungs- und Personalverzeichnis" ergebe. Die Kammer vermag nicht zweifelsfrei zu erkennen, dass die genannten Veranstaltungen nicht dem Wahlpflichtfachbereich des Studiengangs "Psychologie" (Bachelor) zuzuordnen sind. In Anlage 2 "Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang ‚Psychologie‘" werden als Inhalt des Studiums Seminare zu ausgewählten Themen der Persönlichkeits-, Organisations-, Arbeits-, Patho- und Gesundheitspsychologie sowie der klinisch-psychologischen Intervention genannt. Dem entsprechen die Rubriken des Veranstaltungsverzeichnisses, unter denen die genannten Lehrveranstaltungen aufgeführt sind ("Klinische Psychologie", "Arbeits- und Organisationspsychologie", "Persönlichkeitsentwicklung: Diagnose, Prävention, Intervention", "Gesundheitspsychologie und Rehabilitationsforschung"). Es lässt sich daher nicht ausschließen, dass die genannten Lehrveranstaltungen Wahlpflichtseminare darstellen, in denen Leistungspunkte i.S.d. Anlage 2 Prüfungsordnung erlangt werden können. Diese Zweifel gehen zu Lasten der Antragsgegnerin (vgl. OVG Bremen, B. v. 28.04.1992, 1 B 16/92, juris Rn. 2). Auch mit dem pauschalen und unspezifischen Verweis auf die Finanzierung aus Stellenmitteln oder Studienbeiträgen wird die Antragsgegnerin ihrer Darlegungslast (vgl. Zimmerling / Brehm, Hochschulzulassungsrecht, Rn. 398-399 m.w.N.) nicht gerecht. Sie hat weder erklärt, auf welche Honorarprofessoren bzw. Lehrbeauftragte sich diese Erklärung beziehen soll, noch die Finanzierung in den konkreten Einzelfällen durch die Vorlage geeigneter Unterlagen glaubhaft gemacht.

44

h. Die weiterhin in Ansatz gebrachten 2,5 LVS (3 SWS im Winter- und 2 SWS im Sommersemester) aus Mitteln für die Kompensation erhöhter Dienstleistungen im "Interdisziplinären Kerncurriculum für die Lehrerbildung" (IKC-L) sind - vor dem Hintergrund der entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin erfolgten zusätzlichen gerichtlichen Berücksichtigung der 15 LVS aus den 1,5 "E13 Lehrkraft"-Stellen - nicht zu beanstanden, auch wenn es sich um eine erhebliche Verringerung gegenüber dem Studienjahr 2007/2008 handelt (vgl. Beschluss der Kammer vom 19.12.2007, 1 C 10/07 u.a., S. 9-10).

45

i. Deputatsreduzierungen gemäß § 7 LVVO hat die Antragsgegnerin nicht in die Kapazitätsberechnung eingestellt.

46

j. Somit ergibt sich ein unbereinigtes Lehrangebot (S) von 227,5 LVS.

47

3. Bereinigtes Lehrangebot

48

Das bereinigte Lehrangebot (Sb) beträgt 186,2261 LVS.

49

a. Es berechnet sich, indem der gesamte Dienstleistungsbedarf (E), den die Lehreinheit Psychologie für die ihr nicht zugeordneten Studiengänge zu erbringen hat, vom unbereinigten Lehrangebot (S) subtrahiert wird:

50

Sb = S - E.

51

Der gesamte Dienstleistungsbedarf (E) bestimmt sich nach der in Anlage 1 KapVO enthaltenen Berechnungsformel

52

E = Summeq (CAq × Aq / 2).

53

CAq: Curricularanteil des nicht zugeordneten Studiengangs q, der von der Lehreinheit Psychologie als Dienstleistung zu erbringen ist

54

Aq: Anzahl der für den Dienstleistungsabzug anzusetzenden Studienanfänger des der Lehreinheit Psychologie nicht zugeordneten Studiengangs

55

Hiernach ergibt sich der gesamte Dienstleistungsbedarf aus der Summe der Dienstleistungsexporte für die Studiengänge, die Dienstleistungen von der Lehreinheit Psychologie in Anspruch nehmen. Der Dienstleistungsbedarf der einzelnen importierenden Studiengänge wird durch die Multiplikation des Curricularanteils (Caq), der für den jeweiligen Studiengang von der Lehreinheit Psychologie erbracht wird, mit der Studienanfängerzahl (Aq) und anschließende Division durch 2 bestimmt. Die Halbierung ist erforderlich, weil sich der Berechnungszeitraum auf zwei Semester erstreckt, während der Curricularnormwert in SWS bzw. LVS bemessen wird. Welcher Wert als Curricularanteil (CAq) für einen nicht zugeordneten Studiengang zugrunde zu legen ist, ergibt sich daraus, in welchem Umfang die Lehreinheit für diesen Studiengang notwendigerweise - nach dessen Studien- und Prüfungsordnungen oder Berechnungen, in denen deren Vorgaben berücksichtigt worden sind - Lehrveranstaltungen zu erbringen hat.

56

b. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, zur Berechnung des Dienstleistungsbedarfs die voraussichtlichen Studienanfängerzahlen unter Berücksichtigung der Immatrikulationszahlen des Studienjahrs 2007/2008 bzw. 2008/2009 zugrunde zu legen, ist nach den rechtlichen Vorgaben des § 11 Abs. 2 KapVO nicht zu beanstanden (vgl. Beschluss der Kammer vom 19.12.2007, 1 C 10/07 u.a., S. 11-12).

57

c. Die Antragsgegnerin hat bei der im Schriftsatz vom 10.09.2009 korrigierten Bedarfsberechnung auch den Schwund im jeweiligen Studiengang - sofern dafür hinreichende Erkenntnisse vorliegen und dieser sich kapazitätserhöhend auswirkt - berücksichtigt (mit ausführlicher Begründung: Beschluss der Kammer vom 19.12.2007, 1 C 10/07 u.a., S. 12; vgl. auch: Bahro / Berlin, Hochschulzulassungsrecht, 4. Aufl., § 11 KapVO Rn. 3 m.w.N.; Zimmerling / Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Rn. 193-194 m.w.N.). Vor dem Hintergrund, dass die gerichtliche Berechnung ohnehin ausreichend unausgeschöpfte Kapazität offenbart, ist die Kammer der Frage, ob die von der Antragsgegnerin dabei zugrunde gelegten Schwundausgleichstabellen in unzulässiger Weise Beurlaubungen berücksichtigen (siehe 5.), nicht weiter nachgegangen.

58

d. Soweit die Antragsgegnerin die Studienanfängerzahlen nach einer Art Günstigkeitsprinzip in die modifizierte Kapazitätsberechnung vom 10.09.2009 eingestellt hat, hat sie dies offensichtlich bewusst getan und damit teilweise auf eine Neuermittlung der Aufnahmekapazität nach § 5 Abs. 2 KapVO verzichtet. Da dies nicht in kapazitätsmindernder Weise erfolgt ist, sieht die Kammer keine Veranlassung, diesen (ausdrücklichen) Verzicht zu korrigieren. Abgesehen davon würden sich daraus ohnehin lediglich ein erhöhter Dienstleistungsbedarf von 3,9959 LVS und eine verringerte Aufnahmekapazität nach Schwund von 117,4015 Studienplätzen ergeben, so dass trotzdem noch genügend unausgeschöpfte Kapazität für die Antragsteller, die einen zulässigen vorläufigen Rechtsschutzantrag gestellt haben, verbleiben würde.

59

e. In Hinblick auf die Studiengänge "Cognitive Science" (Bachelor), "Cognitive Science" (Master), "Mathematik / Informatik" (Bachelor), "Informatik" (Master), "Internationale Migration und interkulturelle Beziehungen" (Master), "Angewandte Systemwissenschaften" (Bachelor), "Angewandte Systemwissenschaften" (Master), "Master of Arts in Education (Gymnasium)", "Lehramt an Grund- und Hauptschulen" (Master) und "Lehramt an Realschulen" (Master) sind die in der aktualisierten Kapazitätsberechnung in Ansatz gebrachten Dienstleistungsexporte unter Berücksichtigung der jeweiligen Dienstleistungsverflechtungsmatrixen, der vorgetragenen Studienanfängerzahlen und Schwundausgleichstabellen jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.

60

f. Im Falle des Studiengangs "Zwei-Fächer-Bachelor" ist die Lehreinheit Psychologie nur an dem im Rahmen des Professionalisierungsbereichs angebotenen "Interdisziplinären Kerncurriculum für die Lehrerbildung" (IKC-L) beteiligt. Für das IKC-L geht die Antragsgegnerin von einem Curricularanteil von 0,25 aus und begründet dies im Schriftsatz vom 06.10.2009 damit, dass im früheren Studiengang "Lehramt am Gymnasium" insgesamt ein bildungswissenschaftlicher Curricularanteil von 0,65 enthalten gewesen sei, der sich aus Anlage 3 KapVO (Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften, Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien; vgl. VG Göttingen, B. v. 15.11.2001, 4 C 43183/01 u.a.) ergebe. Dieser Curricularanteil von 0,65 sei auf die den früheren Lehramtstudiengang ersetzenden, konsekutiven Studiengänge "Zwei-Fächer-Bachelor" und "Master of Arts in Education (Gymnasium)" zu verteilen, indem auf Ersteren ein Curricularanteil von 0,25 und auf Letzteren von 0,4 entfalle. Die Übertragung des bildungswissenschaftlichen Curricularanteils auf die neu eingeführte Studienstruktur aus Bachelor- und Master-Studiengängen ist - jedenfalls für einen Übergangszeitraum - hinnehmbar (vgl. § 13 Abs. 3 KapVO). Auch die Aufteilung von 0,25 zu 0,4, für die die Antragsgegnerin keine Begründung gegeben hat, ist letztlich nicht zu beanstanden. Zwar lassen sich ohne Angaben über Gruppengrößen und Anrechnungsfaktoren an Hand der im IKC-L erforderlichen 16 SWS ("Zwei-Fächer-Bachelor", Bl. 276 VV) bzw. 10 SWS ("Master of Arts in Education (Gymnasium)", Bl. 308 VV) keine Curricularanteile bestimmen. Jedoch handelt es sich dabei allenfalls um eine Verteilung zu Lasten des - mit einem erheblich geringeren Dienstleistungsbedarf versehenen - Studiengangs "Master of Arts in Education (Gymnasium)", so dass dadurch - bei einer Gesamtbetrachtung - keine Kapazitätsminderung eintritt.

61

Gemäß der Dienstleistungsverflechtungsmatrix der Antragsgegnerin (Bl. 276 VV) entfallen von den für das IKC-L erforderlichen 16 SWS auf die Lehreinheit Psychologie insgesamt 5,12 SWS, so dass sie daran einem Anteil von 32 % hat, was bei dem bereits erläuterten Curricularanteil des gesamten IKC-L von 0,25 einen Curricularanteil (CAq) der Lehreinheit Psychologie von 0,08 ergibt.

62

Soweit die Antragsgegnerin für das Studienfach Latein - basierend auf dem von ihr angenommenen Curricularanteil des gesamten Professionalisierungsbereich von 0,5 - einem Curricularanteil der Lehreinheit Psychologie von 0,16 zugrunde gelegt hat, beruht das auf der unzutreffenden Annahme, der Umstand, dass in diesem Studienfach nur ein Lehramtsabschluss möglich ist, sei auf der Ebene der Curricularanteilsberechnung zu berücksichtigen. Zwar können diese Studenten keine Auswahl innerhalb des Professionalisierungsbereichs - zwischen dem IKC-L, den allgemeinen Schlüsselkompetenzen und den zusätzlichen fachwissenschaftlichen Modulen (vgl. § 26 Abs. 1 "Prüfungsordnung für den Zwei-Fächer-Bachelor-Studiengang") - treffen, sondern ausschließlich das IKC-L anwählen, weil nur dieser ihnen einen Zugang zum "Master of Arts in Education (Gymnasium)" ermöglicht (vgl. § 26 Abs. 2 und 3 Prüfungsordnung). Jedoch ändert das gerade nichts daran, dass Studierende mit dem Studienfach Latein ausschließlich im Rahmen des IKC-L Dienstleistungen der Lehreinheit Psychologie in Anspruch nehmen können und es daher allein auf den Curricularanteil der Lehreinheit Psychologie am IKC-L ankommt. Der Umstand, dass Studierende im Studienfach Latein - im Gegensatz zu den übrigen Studierenden des "Zwei-Fächer-Bachelors" - notwendigerweise, das IKC-L absolvieren müssen, ist vielmehr auf der Ebene der Studienanfängerzahlen zu berücksichtigen.

63

Zu den Studienanfängerzahlen hat die Antragsgegnerin vorgetragen, dass sich im Studienjahr 2008/2009 - umgerechnet in Vollzeitstudienplatzäquivalente - 389,8330 Studienanfänger (davon 25,5000 im Studienfach Latein) immatrikuliert hätten und im Studienjahr 2009/2010 mit ähnlichen Studienanfängerzahlen zu rechnen sei. Aus dieser Prognose ergibt sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Schwundfaktoren eine Studienanfängerzahl von 330,3374 (davon Latein: 18,1961). Die Antragsgegnerin hat ihre ursprünglich in Ansatz gebrachten Studienanfängerzahlen von 337,7047 (davon Latein: 19,2571) in der modifizierten Kapazitätsberechnung vom 10.09.2009 auf 289,0661 (davon Latein: 18,1961) korrigiert, indem sie nach einer Art Günstigkeitsprinzip für das jeweilige Studienfach den jeweils niedrigeren Wert - entweder aktuelle Studienanfängerzahl mit Schwund oder ursprünglich angesetzte Studienanfängerzahl ohne Schwund - zugrunde gelegt hat. Da sich die daraus ergebende modifizierte Gesamtstudienanfängerzahl nicht kapazitätsmindernd auswirkt, ist sie nicht zu beanstanden.

64

Auf dieser Ebene hat die Antragsgegnerin allerdings unberücksichtigt gelassen, dass nicht alle Studierenden des "Zwei-Fächer-Bachelors" das IKC-L belegen. Nach ihrem Vortrag im Schriftsatz vom 10.09.2009 geht sie - außer im Studienfach Latein - von einer hälftigen Verteilung der Studierenden auf das IKC-L auf der einen Seite und die anderen Module des Professionalisierungsbereichs auf der anderen Seite aus. Diese pauschale Einschätzung, die an sich durch eine auf einer validen Datenbasis beruhende Prognose zu ersetzen wäre, ist jedenfalls deshalb nicht zu beanstanden, weil sie sich im Ergebnis höchstwahrscheinlich zulassungsbegünstigend auswirkt (vgl. Beschluss der Kammer vom 19.12.2007, 1 C 10/07 u.a., S. 15-16). Die Antragsgegnerin hat trotz der Hinweise in den gerichtlichen Verfügungen vom 22.09.2009 und 07.10.2009 keine mit Zahlen untermauerte Prognose vorgelegt. Es ist weder Aufgabe des gerichtlichen Verfahrens, diese pauschale, nicht kapazitätsmindernde Prognose zu ersetzen, noch ist die Kammer ohne die Übermittlung entsprechender Datensätze dazu in der Lage.

65

Auf der Grundlage dieser Prognose der Antragsgegnerin ist ihre modifizierte Studienanfängerzahl daher - außer im Studienfach Latein - auf 135,4350 ([289,0661 - 18,1961] / 2) zu halbieren, weil danach lediglich die Hälfte der nicht Latein belegenden Studierenden des "Zwei-Fächer-Bachelors" tatsächlich am IKC-L teilnehmen. Die Berechnungsmethode der Antragsgegnerin - Verdoppelung des Curricularanteils im Studienfach Latein statt Halbierung der Studienanfängerzahlen in den übrigen Studienfächern - hat im Ergebnis eine ungerechtfertigte Verdoppelung des Dienstleistungsbedarfs zur Folge.

66

Daraus folgt ein - gegenüber der aktualisierten Berechnung der Antragsgegnerin halbierter - Gesamtdienstleistungsbedarf des Studiengangs "Zwei-Fächer-Bachelor" von 6,1452 LVS ([0, 08 × 135,4350 / 2] + [0,08 × 18,1961 / 2]).

67

g. Im Falle des Studiengangs "Bildung, Erziehung und Unterricht" (Bachelor) ist die Lehreinheit Psychologie nur am "Kerncurriculum Grundbildung" (KCG) beteiligt. Für das KCG geht die Antragsgegnerin von einem Curricularanteil von 1,0 aus und begründet dies damit, dass im früheren Studiengang "Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen" insgesamt ein bildungswissenschaftlicher Curricularanteil von 1,3 enthalten gewesen sei, der sich aus Anlage 3 KapVO (Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften, Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen) ergebe. Dieser Curricularanteil von 1,0 sei auf die den früheren Lehramtstudiengang ersetzenden, konsekutiven Studiengänge "Bildung, Erziehung und Unterricht" (Bachelor) und "Lehramt an Grund- und Hauptschulen" (Master) bzw. "Lehramt an Realschulen" (Master) zu verteilen, indem auf Ersteren ein Curricularanteil von 1,0 und auf Letztere von 0,3 entfalle. Die Übertragung des bildungswissenschaftlichen Curricularanteils auf die neu eingeführte Studienstruktur aus Bachelor- und Master-Studiengängen ist - jedenfalls für einen Übergangszeitraum - hinnehmbar (vgl. § 13 Abs. 3 KapVO). Auch die Aufteilung von 1,0 zu 0,3 für die die Antragsgegnerin keine Begründung gegeben hat, ist letztlich nicht zu beanstanden. Zwar lassen sich ohne Angaben über die für die Pflicht- und Wahlpflichtveranstaltungen erforderlichen Semesterwochenstunden, die Gruppengrößen und Anrechnungsfaktoren keine genauen Curricularanteile ermitteln. Jedoch ist an Hand des Verhältnisses der Leistungspunkte im KCG - 48 LP (§ 3 Abs. 4 Satz 1 Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang "Grundbildung") zu 18 LP (jeweils § 3 Abs. 4 Satz 2 Prüfungsordnungen für die Masterstudiengänge "Lehramt an Grund- und Hauptschulen" bzw. "Lehramt an Realschulen") - erkennbar, dass für die vorläufige Verteilung der Curricularanteile eine gewisse Plausibilität spricht. Sobald alle fachbezogenen Besonderen Teile der Prüfungsordnungen und die entsprechenden Modulpläne erstellt sind, wird die Antragsgegnerin allerdings eine genaue Kalkulation der Curricularanteile vornehmen müssen.

68

Das gleiche gilt für den Anteil der Lehreinheit Psychologie am KCG des Bachelor-Studiengangs. Die Bestimmung unter Rückgriff auf den Anteil der Leistungspunkte liefert nur einen Näherungswert; diese ist durch eine Berechnung auf der Grundlage einer Dienstleistungsverflechtungsmatrix zu ersetzen, sobald deren Erstellung an Hand von Prüfungsordnungen möglich ist. Aus dem Verhältnis der 48 Leistungspunkte des gesamten KCG (§ 3 Abs. 4 Satz 1 Prüfungsordnung) zu den 15 im Studienfach Psychologie zu erbringenden Leistungspunkten (§ 3 Abs. 4 Satz 2 Bst. b Prüfungsordnung) ergibt sich ein Anteil von 31,25 % und ein Curricularanteil von 0,3125.

69

Zu den Studienanfängerzahlen hat die Antragsgegnerin vorgetragen, dass sich im Studienjahr 2008/2009 - umgerechnet in Vollzeitstudienplatzäquivalente - 211,5 Studienanfänger immatrikuliert hätten und im Studienjahr 2009/2010 mit ähnlichen Studienanfängerzahlen zu rechnen sei. Aus dieser Prognose ergibt sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Schwundfaktoren eine Gesamtstudienanfängerzahl von 192,0510. Die Antragsgegnerin hat ihre ursprünglich in Ansatz gebrachten Studienanfängerzahlen von 185,3201 in der modifizierten Kapazitätsberechnung vom 10.09.2009 unter Anwendung des bereits beschriebenen Günstigkeitsprinzips auf 173,4262 korrigiert. Da sich dies nicht kapazitätsmindernd auswirkt, ist es nicht zu beanstanden.

70

Daraus folgt ein Gesamtdienstleistungsbedarf des Studiengangs "Bildung, Erziehung und Unterricht" (Bachelor) von 27,0978 LVS (0,3125 × 173,4262 / 2]).

71

h. Aus dem Dienstleistungsbedarf der einzelnen Studiengänge

72
vg_osnabrueck_2009-11-06_1-c-13-09_abb001.jpg
73
74

folgt ein Gesamtdienstleistungsbedarf von 41,2739 LVS.

75

Dementsprechend ergibt sich auf der Grundlage des unbereinigten Lehrangebots (S) von 227,5 LVS nach Abzug des Dienstleistungsbedarfs (E) von 41,2739 LVS ein bereinigtes Lehrangebot (Sb) von 186,2261 LVS.

76

4. Aufnahmekapazität vor Schwund

77

Die jährliche Aufnahmekapazität (Ap) des der Lehreinheit Psychologie zugeordneten Studiengangs "Psychologie" (Bachelor) ist - ohne Berücksichtigung des Schwundfaktors - nach der in Anlage 1 KapVO enthaltenen Berechnungsformel

78

Ap = 2 × Sb / CA × zp

79

zu berechnen.

80

Im vorliegenden Fall beträgt das bereinigte Lehrangebot (Sb)

81

186,2261 LVS,

82

der gewichtete Curricularanteil (CA) aller der Lehreinheit Psychologie zugeordneten Studiengänge

83

2,9671,

84

und der Anteil (zp) der jährlichen Aufnahmekapazität des zugeordneten Studiengangs "Psychologie" (Bachelor) an der Aufnahmekapazität der Lehreinheit Psychologie

85

0,9012.

86

Insgesamt ergibt sich daraus eine jährliche Aufnahmekapazität Ap von

87

113,1252 Studienplätzen.

88

Ob der dabei für den Studiengang Psychologie (Bachelor) nach Maßgabe der Anlage 1 des Erlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vom 04.12.2008 zugrunde gelegte Curricularnormwert von 3,2 (80 % des Curricularnormwertes des Diplomstudienganges Psychologie von 4,0 gemäß Anlage 3 KapVO) - trotz Berücksichtigung der Übergangsvorschrift des § 13 Abs. 3 KapVO - deshalb fehlerhaft ist, weil er nicht (vollständig) auf einer Rechtsverordnung beruht (vgl. § 9 Satz 1 Nr. 3 NHZG), kann offen gelassen werden (vgl. VGH BW, B. v. 12.05.2009, NC 9 S 240/09, juris Rn. 48 ff.; Zimmerling / Brehm, Hochschulzulassungsrecht, Rn. 252). Denn nach der gerichtlichen Kapazitätsberechnung ist auch bei Verwendung dieses Curricularnormwertes ausreichend Kapazität für die Antragsteller, die einen zulässigen vorläufigen Rechtsschutzantrag gestellt haben, vorhanden.

89

Aus dem gleichen Grunde kann auch dahin gestellt bleiben, ob der gewichtete Curricularanteil aller der Lehreinheit Psychologie zugeordneten Studiengänge (CA) von 2,9671, der sich aus der Summe der gewichteten Curricularanteile der einzelnen zugeordneten Studiengänge ergibt (CA = Summep (CAp × zp) = 3,2 × 0,9012 + 0,8444 × 0,0987; vgl. Anlage 1 KapVO), sowie die jährlichen Aufnahmekapazitätszahlen von 91,2945 bzw. 10, die die Antragsgegnerin der Berechnung der Anteilsquoten (zp) des Bachelor- bzw. des Promotionsstudiengangs nach § 12 KapVO zugrunde gelegt hat, zutreffend sind.

90

5. Schwundausgleich

91

a. Der von der Antragsgegnerin - wegen vermeintlich positiven Schwundes - auf 1,000 reduzierte Schwundfaktor hält einer rechtlichen Prüfung nicht Stand. Nach § 16 KapVO "ist die Aufnahmekapazität zu erhöhen, wenn zu erwarten ist, dass wegen Studienabbruchs, Fachwechsels oder Hochschulwechsels die Zahl der Abgänge an Studierenden in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge (Schwundquote)". Bei der Schwundausgleichsberechnung hat die Antragsgegnerin beurlaubte Studierende während ihrer Beurlaubung weiter mitgezählt und auch nicht nach Ablauf von neun - der Regelstudienzeit entsprechenden - Hochschulsemestern aus der Berechnung herausgenommen. Das hat zur Folge, dass beispielsweise ein Studierender, der zwei Urlaubssemester genommen hat, in der Schwundausgleichsberechnung statt mit den vorgesehenen neun Semestern Regelstudienzeit insgesamt mit elf Semestern berücksichtigt worden ist, weil er sich im 11. Hochschulsemester noch im 9. Fachsemester befunden hat. Diese Verlängerung der Berücksichtigungsdauer hat zur Folge, dass die Antragsgegnerin in den höheren Fachsemestern die Studierendenanzahlen höher angesetzt hat, als es dem tatsächlichen Verhältnis von Zu- und Abgängen entspricht.

92

Vor dem Hintergrund dieser Verfahrensweise der Antragsgegnerin kann offen gelassen werden, ob der Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vom 04.12.2008, der die Mitzählung beurlaubter Studierender für die Dauer der Regelstudienzeit in den jeweiligen Fachsemestern vorsieht, dahingehend (verordnungskonform) auszulegen ist, dass Studierende, die während ihres Studiums für ein oder mehrere Semester beurlaubt worden sind, entsprechend der Anzahl ihrer Beurlaubungssemester vor Erreichen des der Regelstudienzeit entsprechenden Fachsemesters aus der Schwundausgleichsberechnung herauszunehmen sind. Das hätte zur Folge, dass Studierende während ihrer Urlaubssemester zwar weiter in der Schwundausgleichsberechnung geführt würden, jedoch - als Ausgleich - nach den der Regelstudienzeit entsprechenden Hochschulsemestern herausfallen würden (vgl. Beschluss der Kammer vom 19.12.2007, 1 C 10/07 u.a., S. 23).

93

Näher liegend - und die tatsächliche Verteilung der Studierenden auf die Fachsemester auch genauer abbildend - ist die Herausnahme beurlaubter Studierender während des Zeitraums der Beurlaubung (vgl. Zimmerling / Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Rn. 271; OVG Sachsen, B. v. 03.07.2002, NC 2 C 2/02, juris Rn. 4-5). Denn beurlaubte Studierende fragen während ihrer Beurlaubung keine Lehrleistungen ab und nehmen daher auch keine Lehrkapazität der Hochschule in Anspruch.

94

b. Da die Antragsgegnerin nicht von sich aus eine Berechnung ohne Berücksichtigung der Beurlaubungen vorgelegt hat, ist der Schwundausgleich seitens des Gerichts neu zu ermitteln gewesen. Die Abweichungen der Studierendenzahlen ohne Beurlaubungen gegenüber den Schwundausgleichstabellen der Antragsgegnerin erklären sich dadurch, dass die Kammer ausschließlich die von der Antragsgegnerin vorgelegten Immatrikulationslisten zugrunde gelegt hat, um einen in sich stimmigen - auf denselben Zeitpunkt abstellenden - Datenbestand zu gewährleisten.

95

c. Soweit die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 16.10.2009 ausführt, dass hinsichtlich des ersten Fachsemesters die errechneten Aufnahmekapazitäten - und nicht die tatsächlichen Immatrikulationen - einzustellen seien, widerspricht dies dem Grundgedanken der Schwundausgleichsberechnung. Wenn - wie hier - die tatsächlich aufgenommenen Studierenden die errechneten Studienanfängerzahlen (auf Grund von Überbuchungen) übersteigen, führt dies zu einer unzulässigen Kapazitätsminderung. Die Schwundquote dient der Ermittlung der tatsächlichen Auslastung im Durchschnitt der der Regelstudienzeit entsprechenden Fachsemester; durch die Einstellung einer fiktiven Studienanfängerzahl würde die tatsächliche durchschnittliche Auslastung verfälscht. Auch stellt die Schwundquote einen von den festgesetzten bzw. errechneten Studienanfängerzahlen unabhängigen Ausgleichsfaktor dar, der auf jede beliebige festgesetzte bzw. errechnete Aufnahmekapazität angewendet werden kann.

96
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97
98

Unter Berücksichtigung dieses Schwundfaktors beträgt somit die Gesamtaufnahmekapazität der Antragsgegnerin im Studiengang "Psychologie" (Bachelor)

99

119,9758 Studienplätze (113,1252 / 0,9429).

100

Damit steht über die bisher erfolgten 97 Immatrikulationen hinaus genügend Kapazität für sämtliche Antragsteller, die einen zulässigen vorläufigen Rechtsschutzantrag gestellt haben, zur Verfügung.

101

C. Die Kostenentscheidung beruht jeweils auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss:

D. Die Streitwertfestsetzung in den einzelnen Verfahren erfolgt gemäß § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 5