Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 05.03.2003, Az.: S 16 KR 22/03 ER
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 05.03.2003
- Aktenzeichen
- S 16 KR 22/03 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 40135
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2003:0305.S16KR22.03ER.0A
In dem Rechtsstreit
...
hat das Sozialgericht Lüneburg - 16. Kammer -
am 5. März 2003
durch die Vorsitzende, Richterin am Sozialgericht Maiworm,
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Auf den Antrag der Antragstellerin vom 29.01.2003 wird die Antragsgegenerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dieser über den 14.02.2003 hinaus Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
- 2.
Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
Die Antragstellerin ist seit dem 24.06.2002 wegen Schmerzen im linken und rechten Schultergelenk krank geschrieben. Eine entsprechende Krankschreibung erfolgte durch den Allgemeinmediziner ... B..... Zuletzt bestätigte dieser am 01.11.2002, daß noch nicht absehbar sei, wann die Arbeitsfähigkeit wieder eintrete. Nachdem ein Bericht des Dr. S.... vom 30.11.2002 eingeholt wurde, untersuchte Dr. J.... vom MDKN die Antragstellerin am 15.01.2003. Er kam zu dem Ergebnis, daß hinsichtlich einer CTS-Operation eine Diagnostik und Therapie voraussichtlich noch 4 Wochen in Anspruch nehme und daß bei einem Leistungsbild für leichte Tätigkeiten im Innendienst in bedarfsgesteuerter Körperhaltung, im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten über 5 kg sowie ohne Tätigkeiten in Rumpf-, Zwangs- oder Beugehaltung, ohne häufige Überkopfarbeiten sowie ohne Tätigkeiten im Knien und Kniebeugehaltung sowie mit häufigem Besteigen von Leitern und Gerüsten am 15.02.2003 Arbeitsfähigkeit wieder eintreten würde. Mit Bescheid vom 20.01.2003 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, daß ab 15.02.2003 von Arbeitsfähigkeit auszugehen sei.
Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrer einstweiligen Anordnung vom 29.01.2003. Darin führte sie aus, die Voraussetzungen der einstweiligen Anordnung seien erfüllt. Zum einen habe sie sich aus einem laufenden Arbeitsverhältnis heraus krank gemeldet. Der Verwaltungsakt der Antragsgegnerin sei zudem ohne Anhörung erfolgt. Einen Anspruch auf Sozialhilfe habe sie nicht, da ihr Ehemann über ein zu hohes Einkommen verfüge. Schließlich sei auch die Hauptsache nicht vorweggenommen. Sie habe sich zum 15.03.2003 dem Arbeitsamt lediglich mit ihrem Restleistungsvermögen zur Verfügung gestellt und habe sich am 27.02.2003 nach Krankschreibung durch Dr. H.... einer Operation unterzogen.
Die Antragstellerin beantragt deshalb,
ihr über den 14.02.2003 hinaus Krankengeld weiter zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Ihrer Meinung nach liege ein Anordnungsgrund nicht vor, da keine schweren und unzumutbaren Nachteile entstehen, wenn die Antragstellerin auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werde. Es trete keine Hilfebedürftigkeit ein, da ihr Ehemann über ein ausreichendes Einkommen verfüge. Deshalb scheitere es auch an einer Eilbedürftigkeit, da die Sicherung des Lebensunterhaltes gewährleistet sei. Die Antragsgegnerin verwies zudem darauf, daß die Antragstellerin sich dem Arbeitsamt zur Verfügung gestellt habe und durch Herrn B.... ab dem 15.02.2003 gesund geschrieben wurde.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der monatlichen Belastungen der Antragstellerin.
Der Antragstellerin war im Wege der einstweiligen Anordnung über den 14.02.2003 hinaus Krankengeld nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Nach § 86b Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann eine einstweilige Anordnung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei handelt es sich um ein summarisches Verfahren, das grundsätzlich eine endgültige Entscheidung nicht vorwegnehmen darf.
Ein Anspruch ergibt sich hier bereits daraus, daß die Antragsgegnerin es versäumt hat, vor Erlaß des im einstweiligen Anordnungsverfahren angefochtenen Bescheides eine Anhörung gem. § 24 SGB X durchzuführen. Diese ist grundsätzlich dann erforderlich, wenn ein Verwaltungsakt in die Rechte eines Beteiligten eingreift. Das ist hier der Fall. Der Antragstellerin wurde aufgrund einer Verordnung ihres behandelnden Arztes zunächst seit dem 24.06.2002 Krankengeld gewährt. Ein Ende der Arbeitsunfähigkeit konnte zunächst durch den behandelnden Hausarzt nicht festgestellt werden. Die Antragsgegnerin ließ daraufhin die Antragstellerin durch den MDKN untersuchen, der das Ende der Arbeitsunfähigkeit auf den 14.02.2003 datierte. Mit dem durch die Antragsgegnerin erlassenen Bescheid vom 20.01.2003 wurde der Antragstellerin eine laufende Leistung, auf die sie zumindest bei gleicher Erkrankung 78 Wochen Anspruch hat, entzogen, ohne daß ihr Gelegenheit gegeben wurde, vorab zu diesem Eingriff in ihre Rechte selbst bzw. über den behandelnden Hausarzt Stellung zu nehmen. Damit ist zur Überzeugung des Gerichts eine Anhörung gem. § 24 SGB X erforderlich, da das gewährte Krankengeld nicht nur für einen bestimmten Zeitraum gewährt wurde (LSG Schleswig-Holstein, Az. L 1 KR 56/96). Daß die Antragstellerin durch Herrn B.... am 17.02.2003 rückwirkend zum 15.02.2003 arbeitsfähig geschrieben wurde, ändert hieran nichts, da die Antragstellerin zwischenzeitlich erneut durch Dr. H.... arbeitsunfähig geschrieben und auch operiert wurde.
Darüber hinaus hat das Gericht auch Zweifel daran, ob die Antragstellerin auf den allgem. Arbeitsmarkt mit dem vom MDKN erstellten Restleistungsvermögen verwiesen werden kann. Sie war als Krankenschwester tätig bis zum 30.06.1998, wobei ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wurde. Danach hat sie bis Ende 2001 Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen und war bis zur Anspruchsausschöpfung am 26.07.2002 arbeitslos gemeldet, bis sie in den Leistungsbezug der Antragsgegnerin trat. Da sie sich somit aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis in den Krankengeldbezug begeben hat, andererseits aber auch davor arbeitslos gemeldet war, hat das Gericht hier Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung.
Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Ausweislich der vorliegenden Vermögenseinkünfte der Antragstellerin ist diese auf Gewährung von Lohnersatzleistungen angewiesen, da ihr Einkommen zur Finanzierung der Familienausgaben unbedingt erforderlich ist. Ein Verweis auf Sozialhilfeleistungen ist nicht möglich, da der Ehemann der Antragstellerin dieser unterhaltspflichtig ist und aufgrund seines Einkommens auch Unterhalt leisten müßte. Unter Abwägung der Belange der Öffentlichkeit und der Antragstellerin war deshalb die einstweilige Anordnung zu erlassen.