Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 10.09.2003, Az.: S 5 P 71/00

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
10.09.2003
Aktenzeichen
S 5 P 71/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 40137
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2003:0910.S5P71.00.0A

In dem Rechtsstreit

...

hat die 5. Kammer des Sozialgerichts Lüneburg

auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2003 durch

die Richterin am Sozialgericht Jansen-Krentz,

sowie die ehrenamtlichen Richter Herr Scheeper und Herr Blume

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

TATBESTAND

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Weitergewährung von Leistungen aus der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II über August 2000 hinaus.

2

Bei der 1993 geborenen Klägerin wurde im Januar 1997 ein Diabetes mellitus diagnostiziert. Im Jahr 1994 erlitt sie einen Verlust ihrer Fingernägel, in den Jahren 1995 und 1996 litt sie an einer Alopecie total. Aufgrund eines MDK-Gutachtens vom 7. Mai 1997 gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 7. Juni 1997 Leistungen aus der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II ab 1. Februar 1997.

3

Am 18. Januar 2000 ließ die Beklagte die Klägerin erneut durch den MDK begutachten. Die Gutachterin des MDK ermittelte einen Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege von 45 Minuten, im Bereich der Ernährung von 48 Minuten und im Bereich der Mobilität von 28 Minuten. Nach Abzug von 75 Minuten für den altersgemäßen Hilfebedarf kam sie im Ergebnis zu einem Bedarf im Bereich der Grundpflege von 56 Minuten und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 45 Minuten.

4

Mit Schreiben vom 4. April 2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie beabsichtigen würde, nur noch Leistungen auf der Grundlage der Pflegestufe I zu gewähren. In ihrem Antwortschreiben legte die Klägerin dar, dass bei ihr weiterhin ein erheblich höherer Pflegebedarf vorliegen würde und der Zeitaufwand täglich mindestens vier bis fünf Stunden betrage. Sie fügte Bescheinigungen des behandelnden Kinderarztes sowie des A.... Kinderkrankenhauses bei.

5

In einem Kurzgutachten nach Aktenlage bestätigte der MDK den von der Gutachterin im Januar 2000 ermittelten Hilfebedarf. Er verwies darauf, dass die häufigen Blutzuckerkontrollen und die Insulininjektionen in den Bereich der Behandlungspflege fielen und keine Berücksichtigung finden könnten.

6

Mit Bescheid vom 19. Juli 2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die Leistungen nach der Pflegestufe II einstellen und ab dem 1. August 2001 Pflegegeld nach der Pflegestufe I gewähren würde.

7

Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2000 zurück. In ihrer Begründung führte sie aus, der MDK sei aufgrund der durchgeführten Untersuchung in häuslicher Umgebung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin nicht mehr schwerpflegebedürftig im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sei. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II seien nicht mehr erfüllt. Es bestehe doch ein Anspruch auf Pflegeleistungen nach der Pflegestufe I, der von der Beklagten befriedigt werde. Aufgrund der durchgeführten Anhörung habe die Beklagte den MDK erneut um Beurteilung unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Klägerin sowie der eingereichten ärztlichen Unterlagen gebeten. In dem weiteren Gutachten hätten die Gutachter des MDK das Ergebnis der Erstbegutachtung bestätigt. Der deutlich gesunkene Pflegeaufwand sei auf die durch den Entwicklungsfortschritt begründete größere Selbständigkeit der Klägerin zurückzuführen. Dieser ermögliche es ihr, viele Verrichtungen der Hygiene und der Körperpflege nunmehr selbständig durchzuführen. Die zeitaufwendige Zubereitung der Diätnahrung, die Blutzuckermessung sowie das Injizieren des Insulins im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme könnten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei der Feststellung des Grundpflegebedarfs bzw. des Mehraufwands keine Berücksichtigung finden.

8

Am 27. Dezember 2000 hat die Klägerin Klage erhoben.

9

Sie trägt vor, das Gutachten des MDK komme zu einer nicht nachvollziehbaren Verringerung des Grundpflegebedarfs gegenüber der Vorbegutachtung von mehr als 50 %. Die Gründe für die angebliche Reduzierung des Pflegebedarfs würden nicht bzw. nicht schlüssig dargetan. Nicht in ausreichendem Maße würden die zusätzlich aufgetretenen Erkrankungen berücksichtigt. Aufgrund eines rezidivierenden Fluors vaginalis benötige sie Sitzbäder und müsse eingecremt werden. Wegen der ebenfalls eingetretenen Monoarthritis bedürfe sie Hilfe beim Treppensteigen und ebenfalls zusätzlicher Einreibungen bei Gelenkschmerzen. Weder im MDK-Gutachten aufgrund der Untersuchung im Februar 2002 noch in dem gerichtlich veranlassten Sachverständigengutachten werde der Hilfebedarf zutreffend ermittelt. Ihr Hilfebedarf habe sicherlich abgenommen, jedoch nicht bereits im April 1997, sondern allenfalls gegen Ende 2002. Es könne nicht zu ihren Lasten gehen, dass durch die gescheiterte gerichtliche Begutachtung des ursprünglichen Gutachters keine Begutachtung mehr für vergangene Zeiträume möglich sei.

10

Die Klägerin beantragt,

  1. den Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2000 aufzuheben.

11

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

12

Zur Begründung verweist sie auf das im Vorverfahren eingeholte MDK-Gutachten, das einen verringerten Hilfebedarf aufzeige. Auch das MDK-Gutachten von März 2002 sowie das gerichtliche Gutachten bestätigten ihre Auffassung, wonach ab 1. August 2000 die Voraussetzungen der Pflegestufe I erfüllt gewesen seien. Die Sachverständige habe schlüssig dargelegt, dass der anrechenbare Hilfebedarf bei der Grundpflege durchschnittlich 52 Minuten betrage. Im übrigen halte die Sachverständige das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 18. Januar 2000 für nachvollziehbar.

13

Eine Gutachterin des MDK hat die Klägerin am 18. Februar 2002 erneut begutachtet. Sie hat einen Zeitaufwand im Bereich der Grundpflege von 87 Minuten pro Tag ermittelt, wobei 20 Minuten Grundpflege für ein gesundes gleichaltriges Kind abzuziehen seien. Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung hat sie einen Bedarf von 45 Minuten pro Tag angenommen.

14

Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten über den Pflegebedarf der Klägerin eingeholt. In ihrem Gutachten vom 8. Mai 2003 führt die Pflegefachkraft Haase-Diering aus, derzeit sei die Klägerin aufgrund des Diabetes mellitus Typ 1 mit typischen Blutzuckerschwankungen noch in erheblichem Umfang auf Hilfen angewiesen. Dieser Hilfebedarf werde im Gutachten komplett zeitlich berücksichtigt, insbesondere das nächtliche Einnässen und die notwendige Nahrungszufuhr nachts. Der grundpflegerische Hilfebedarf liege daher in Verbindung mit dem Mehrbedarf bei der hauswirtschaftliche Versorgung im Rahmen der Pflegestufe I. Die mehrfach täglich erforderliche Feststellung des Blutzuckers, das Anlernen des Kindes zum selbständigen Spritzen von Insulin sowie das Führen des Diabetes-Tagebuches hätten nicht berücksichtigt werden können. Dies gehöre in den Bereich der Behandlungspflege, die nicht berücksichtigungsfähig sei, da ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Insulingabe und Nahrungsaufnahme nicht bestehe. Nach jetziger Inaugenscheinnahme des Kindes habe sich der Hilfebedarf im Vergleich zum Vorgutachten des MDK von Februar 2002 nicht wesentlich verändert. Insgesamt sei aber von einer deutlichen Zunahme der Selbständigkeit seit Ausbruch der Grunderkrankung in 1997 auszugehen. Die Klägerin lerne mit zunehmendem Alter immer selbständiger und fähiger mit der Grunderkrankung umzugehen. Im Ergebnis sei auch das Vorgutachten von Januar 2000 nach jetziger Ansicht bezüglich der Pflegestufe I nachvollziehbar. Auffallend sei jedoch, dass der komplette Bereich der nächtlichen Hilfeleistungen zwar teilweise erwähnt, nicht aber ausreichend zeitlich berücksichtigt worden sei. Nach jetzigem Ermessen seien hierfür insgesamt sicherlich pro Nacht 30 bis 40 Minuten anzusetzen. Insoweit sei davon auszugehen, dass bei der Vorbegutachtung von Januar 2000 der grundpflegerische Hilfebedarf im zeitlichen Rahmen von 86 bis 96 Minuten innerhalb der Pflegestufe I vorgelegen habe, nicht jedoch die Voraussetzungen der Pflegestufe II erfüllt worden seien. Wegen der weiteren Ausführungen der Sachverständigen wird auf Bl. 144 bis 171 der Gerichtsakten verwiesen.

15

Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand des Verfahrens gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des Sachvortrags der Beteiligten sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Prozess- und Beiakten ergänzend Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

16

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Klägerin stehen Leistungen aus der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II über August 2000 hinaus nicht zu.

17

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Diese Voraussetzungen liegen vor, weil nach den Feststellungen der vorliegenden Gutachten bei der Klägerin spätestens ab August 2000 kein Hilfebedarf mehr gegeben war, der den für die Pflegestufe II notwendigen Hilfebedarf erreicht.

18

Pflegebedürftig im Sinne des § 14 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen.

19

Für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XI sind pflegebedürftige Personen einer der in § 15 SGB XI festgelegten Pflegestufen zuzuordnen. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI sind Pflegebedürftige der Pflegestufe II Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen. Hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen. Bei Kindern ist gem. § 15 Abs. 2 SGB XI für die Zuordnung der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend.

20

Bei der Begutachtung im Januar 2000 stellte die Gutachterin bei der Klägerin einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 131 Minuten fest, wobei nach Abzug des altersgerechten Hilfebedarfs ein berücksichtigungsfähiger Bedarf von 56 Minuten verblieb. Hierbei hat die Gutachterin die Blutzuckerbestimmung sowie die Insulingabe dem Bereich der Behandlungspflege zugeordnet und bei der Bemessung des Pflegebedarfs unberücksichtigt gelassen. Die Zubereitung der Diätnahrung ordnete sie dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung zu.

21

Diese Bewertung entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).

22

Bei der Blutzuckerbestimmung handelt es sich nach der in mehreren Entscheidungen dargelegten Auffassung des BSG um eine krankheitsspezifische Pflegemaßnahme (Behandlungspflege), die nur dann zu berücksichtigen ist, wenn sie einer der in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen zugerechnet werden kann ( BSG Urteile vom 19. Februar 1998 - B 3 P 3/97 R und B 3 P 11/97 sowie BSG Urteil vom 28. Juni 2001 - B 3 P 12/00 R). Daran fehlt es. Die Blutzuckerbestimmung dient als Vorbereitungshandlungen dem Berechnen, Zusammenstellen, Abwiegen und Zuteilen der Mahlzeiten. Die Entnahme der Blutproben ist zeitlich zu weit vom Vorgang des Essens entfernt, um noch unter "Aufnahme der Nahrung" (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) subsumiert zu werden; es handelt sich somit um eine selbständige Maßnahme der Behandlungspflege ohne Bezug zu einer der Verrichtungen des Katalogs in § 14 Abs. 4 SGB XI (BSG SozR 3-3300 § 15 Nr. 7).

23

Das Spritzen von Insulin (einschließlich dem Vorbereiten der Spritze) und die entsprechende Dokumentation zählen ebenfalls nicht zur Grundpflege. Auch bei ihnen handelt es sich um krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen (Behandlungspflege), die nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie einer der in § 14 Abs. 4 SGB 11 genannten Verrichtungen zugerechnet werden können (vgl. BSG vom 19.2.1998 - B 3 P 3/97 R).

24

Die Zubereitung der speziellen Diätnahrung bzw. die genaue Abmessung und Zuteilung der Broteinheiten ist nach der Rechtsprechung des BSG dem Bereich Kochen und damit der hauswirtschaftliche Versorgung zuzuordnen. Hierzu hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 28. Juni 2001, B 3 P 12/00 R ausgeführt, dass im Bereich der Ernährung § 14 Abs. 4 SGB XI zwischen der mundgerechten Zubereitung und der Aufnahme der Nahrung einerseits unterscheide, wobei ein Hilfebedarf bei diesen Verrichtungen der Grundpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) zuzuordnen sei, und den Verrichtungen "Einkaufen" und "Kochen" andererseits, die dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) zugewiesen seien. Die Vorschrift differenziere allein nach dem äußeren Ablauf der Verrichtungen; sie knüpfe nicht an das mit der Verrichtung angestrebte Ziel an. Bezogen auf den Lebensbereich "Ernährung" bedeute dies, dass nicht umfassend alle Maßnahmen einzubeziehen seien, die im konkreten Einzelfall im weitesten Sinn dem Ernährungsvorgang zugeordnet werden könnten.

25

Zur Grundpflege gehöre nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI vielmehr nur die Hilfe bei der Nahrungsaufnahme selbst sowie die letzte Vorbereitungsmaßnahme, soweit eine solche nach der Fertigstellung der Mahlzeit krankheits- oder behinderungsbedingt noch erforderlich werde. Dies schließe, bei an Stoffwechselstörungen leidenden Personen die Einbeziehung solcher Hilfen in die Grundpflege aus, die nur dazu dienten, die Verträglichkeit der Nahrung sicherzustellen (z.B. durch besonderes Einkaufen, Berechnen, Zusammenstellen und Abwiegen), wenn derartige Maßnahmen nicht zwangsläufig im Zusammenhang mit den im Katalog aufgeführten Verrichtungen der Grundpflege vorgenommen werden müssten.

26

Das BSG folgt ausdrücklich nicht der Auffassung, wonach bei einem an einer diätpflichtigen Stoffwechselstörung leidenden Kind das Berechnen, Zusammenstellen und Abwiegen der Mahlzeiten zum "mundgerechten Zubereiten" der Nahrung gehöre, weil dem Kind eine Mahlzeit nur dann "munden" könne, wenn sie mit Hilfe aufwendiger Vorbereitungen genau berechnet sowie zubereitet sei, und es andernfalls durch die Nahrung in Lebensgefahr gebracht werde (vgl. Urteil vom 17. Juni 1999 - B 3 P 10/98 R). Diese Auslegung werde den Vorgaben des Gesetzes nicht gerecht, weil sie sich von dem äußeren Ablauf der Pflegemaßnahmen löse und statt dessen auf die individuelle Bedeutung einzelner Hilfeleistungen abstelle.

27

Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten nach gründlicher Untersuchung der Klägerin dargelegt, dass nunmehr ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege von 35 Minuten, bei der Ernährung von 19 Minuten und im Bereich der Mobilität von 13 Minuten besteht. Insgesamt ermittelte die Sachverständige einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 67 Minuten, der nach Abzug des altergerechten Hilfebedarfs von 15 Minuten mit 52 Minuten zu berücksichtigen ist. Den Mehrbedarf im Bereich der hauswirtschaftliche Versorgung beziffert die Sachverständige mit 100 Minuten und bezieht dabei den Mehrbedarf der Klägerin im Bereich des Kochens und des Waschens ein.

28

Das Gericht hat sich der mit den erhobenen Befunden schlüssig und ausführlich begründeten sozialmedizinischen Beurteilung der Sachverständigen H.... angeschlossen. Sie stimmt im wesentlichen mit dem Ergebnis des Gutachtens überein, das der MDK zu Beginn des Jahres 2002 erstellt hat. Der von der Klägerin geltend gemachte zusätzliche Hilfebedarf in Form von Sitzbädern und Eincremen aufgrund des Fluor vaginalis sowie des Cremens wegen einer Monoarthritis ist ein Bedarf, der, soweit er überhaupt berücksichtigungsfähig und nicht der Behandlungspflege zuzuordnen ist, nicht regelmäßig auftritt. Im Zeitpunkt der Begutachtung durch die Sachverständige litt die Klägerin weder an einem Fluor noch lagen monoarthritische Beschwerden vor. Dies schließt nicht aus, dass sich der Hilfebedarf bei Auftreten dieser Erkrankung erhöhen kann. Berücksichtigungsfähig ist jedoch nur der regelmäßig vorhandene Pflegebedarf.

29

Hinsichtlich der einzelnen Zeitansätze für den festgestellten Pflegebedarf hat die Sachverständige im einzelnen dargelegt, wie sie zu ihren Ergebnissen gefunden hat. Selbst wenn man im Bereich der Ernährung einen etwas höheren Bedarf annehmen wollte, so würde dieser nicht zu einem Gesamtpflegebedarf führen, der Leistungen aus der Pflegestufe II rechtfertigen könnte.

30

Die gerichtliche Sachverständige H.... hat bemängelt, dass in dem Gutachten des MDK aus dem Jahr 2000 der nächtliche Hilfebedarf bei der Klägerin unberücksichtigt. geblieben ist. Dieser nächtliche Hilfebedarf wird sowohl im Gutachten des MDK aus dem Jahr 2002 als auch in dem gerichtlichen Gutachten ausführlich geschildert und bewertet. Dieser Bedarf hat sicherlich in noch größerem Umfang auch im Jahre 2000 vorgelegen, so dass der Auffassung der Sachverständigen, dieser Bedarf sei zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, zuzustimmen ist. Zutreffend hat die Sachverständige jedoch darauf hingewiesen, dass sich auch bei Berücksichtigung eines solchen Hilfebedarfs mit einem Zeitrahmen von 30 bis 40 Minuten täglich kein Bedarf im Bereich der Grundpflege ergeben hätte, der Leistungen nach der Pflegestufe II gerechtfertigt hätte.

31

Die durch die fehlgeschlagene gerichtliche Begutachtung eingetretene zeitliche Verzögerung war sicherlich für alle Beteiligten ärgerlich. Sie hat die Sachverhaltsaufklärung jedoch deswegen nicht beeinträchtigt, weil der MDK zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Begutachtung durch den ersten gerichtlich bestellten Sachverständigen zu erwarten gewesen wäre, die Klägerin begutachtet und den aktuellen Pflegebedarf festgestellt hat. Die Sachverständige hat bei ihrer abschließenden Bewertung die vorliegenden Gutachten und damit den im Zeitraum 2000 bis 2003 dokumentierten Hilfebedarf der Klägerin umfassend gewürdigt. Festzustellen war dabei eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Klägerin, der die Entziehung der Pflegestufe II zu dem von der Beklagten angesetzten Zeitpunkt rechtfertigt.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Bei ihr war zu berücksichtigen, dass das Klagebegehren erfolglos blieb.

Jansen-Krentz
Herr Scheeper
Herr Blume