Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 30.04.2009, Az.: 7 T 158/06
Zuordnung eines Vermögensgegenstandes zur Insolvenzmasse; Nichtberücksichtigung von Unterhaltsberechtigten bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages des Arbeitseinkommens; Pfändbarkeit von Berufsunfähigkeitsrenten
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 30.04.2009
- Aktenzeichen
- 7 T 158/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 29295
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHILDE:2009:0430.7T158.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hildesheim - 04.07.2006 - AZ: 50 IN 109/05
Rechtsgrundlagen
- § 850c Abs. 4 ZPO
- § 35 InsO
- § 36 Abs. 1 S. 1 InsO
- § 11 Abs. 2 RPflG
Fundstelle
- ZInsO 2009, 1961-1964
Redaktioneller Leitsatz
Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrenten sind im Rahmen eines Insolvenzverfahrens als unpfändbare Versicherungsleistungen zu behandeln, die nicht zur Insolvenzmasse gehören.
In dem Insolvenzverfahren
...
hat die Zivilkammer 7 des Landgerichts Hildesheim
durch
...
am 30.04.2009
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 28.07.2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hildesheim - Insolvenzgericht - vom 04.07.2006 wird dieser zu Ziffer I. dahin abgeändert, dass die Erwerbsunfähigkeitsrenten nicht pfändbar und damit nicht Insolvenzmasse sind.
Ziffer II. dieses Beschlusses wird als gegenstandslos aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Auf den Antrag des Finanzamtes Hildesheim vom 15.03.2005 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners wegen Abgabenrückständen in Höhe von 58.599,51 EUR ordnete das Insolvenzgericht am 02.08.2005 die Einholung eines schriftlichen Gutachtens zu den Voraussetzungen eines Insolvenzgrundes und zu der die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ein. Dagegen erhob der Schuldner am 11.08.2005 Gegenvorstellung/Rechtsmittel, weil die Voraussetzungen eines Regelinsolvenzverfahrens nicht vorlägen und das Verfahren ohnehin kraft Gesetzes ruhe. Diese Gegenvorstellung wies das Insolvenzgericht in seinem Beschluss vom 15.08.2005 zurück.
Der Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 20.02.2006 zu dem Ergebnis, dass der Schuldner zahlungsunfähig, aber eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse aus anfechtbaren Rechtsgeschäften vorhanden sei. Eine Stellungnahme des Schuldners erfolgte nicht.
Das Insolvenzgericht eröffnete nunmehr am 24.03.2006 das Insolvenzverfahren, bestellte den Insolvenzverwalter und bestimmte den Berichts- und Prüfungstermin auf den 30.05.2006. Am 04./07.04.2006 beantragte der Schuldner die Erteilung der Restschuldbefreiung. Als Gläubigerin stützte die xxxxxxxxxxxxxxxx ihre Forderung auf den Rechtsgrund vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, wozu der Schuldner in der Verfügung vom 23.05.2006 die Hinweise nach § 302 InsO und auf die Möglichkeit des Widerspruchs im Prüfungstermin erhielt.
Zur Vorbereitung des Berichtstermins am 30.05.2006 erstattete der Insolvenzverwalter den Bericht vom 22.05.2006. Den Berichtstermin nahm der Schuldner zusammen mit seinem Verfahrensbevollmächtigten wahr und beantragte, Zahlungen aus den Berufsunfähigkeitsrenten pfändungsfrei zu stellen. Die Gläubigerversammlung gab ihm demgegenüber auf, von den monatlich mehr als 3.000,- EUR betragenden Renten zunächst 1.000,- EUR zur Masse zu zahlen.
Der Schuldner machte im Anschluss an diesen Termin geltend, er müsse zur Erfüllung seiner Unterhaltspflichten aus nicht abänderbarer Vereinbarung (notarieller Ehevertrag vom 11.06.2002) monatlich 1.300,- EUR an Kindes- und Ehegattenunterhalt zahlen, für die am 06.12.1990 und 27.03.1994 geborenen Kinder aber nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, dann auch nicht mehr an die Ehefrau. Die Berufsunfähigkeitsrenten der XXXXXXXXXXXXX-Versicherung und der XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX in Höhe von 3.485,56 EUR brutto/ 3.222,39 EUR netto seien unpfändbar. Monatliche Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 346,82 EUR und eine Selbstbeteiligung in Höhe von 500,- EUR/Jahr sowie Beiträge zur Haftpflicht- und Unfallversicherung seien in Abzug zu bringen. Aufgrund eines operativ nicht entfernbaren Gehirntumors sei er physisch und psychisch stark eingeschränkt und nicht belastbar. Er lege für Fahrten zu Ärzten monatlich 650 Kilometer zurück, was Kosten in Höhe von 250,- EUR verursache. 125,- EUR entfielen auf krankheitsbedingten zusätzlichen Ernährungsbedarf. Ihm verbliebe kein pfändbares Einkommen.
Dazu wurde der Schuldner in der gerichtlichen Verfügung vom 29.06.2006 zu näherer Darlegung unter Beifügen von Belegen aufgefordert.
Der Insolvenzverwalter beantragte am 03.07.2006, die genannten Berufsunfähigkeits-renten bei der Ermittlung des pfändbaren Teils der Einkünfte des Schuldners zusammen zu rechnen. Auf seine eingehende Stellungnahme vom 03.07.2006 wird Bezug genommen (Bl. 151 ff d.A.). Gleichzeitig erstattete der Insolvenzverwalter den Bericht vom 03.07.2006 zur Vorbereitung der Fortsetzung des Berichts- und Prüfungstermins am 04.07.2006. Nach seinen Feststellungen habe der Schuldner verschwiegen, dass er am 28.11.2002 Alleingesellschafter der XXXXXXXXXXXXXXXgewesen sei und am 29.11.2002 seine Geschäftsanteile auf seine Ehefrau unentgeltlich mit der Treuhandauflage (vgl. Treuhandvertrag des den Schuldner noch vertretenden Notars XXXXXXXXXvom 29.11.2002, Bl. 241ff d.A.) übertragen habe, dass diese vor jeder Rechtshandlung seine Weisungen einzuholen und unbedingt zu befolgen und die Geschäftsanteile auf sein erstes Anfordern an ihn selbst oder einen benannten Dritten zurück zu übertragen habe. Ihr diesbezügliches unbefristetes Angebot habe der Schuldner bisher nicht angenommen.
In der Gläubigerversammlung am 04.07.2006 überreichte der Schuldner eine Aufstellung seiner krankheitsbedingten Aufwendungen (Bl. 181 d.A.) und diverse Belege (Bl. 185-219 d.A.). Von ihm wird weiterer Vortrag und die Vorlage weiterer Nachweise angefordert. Das Gericht gab ihm ferner auf, zunächst 1.000,- EUR monatlich zur Masse zu zahlen. Die Gläubiger stimmten der Erhebung von Klagen gegen Versicherungen und Fonds zu, wenn der Schuldner entgegen seiner Ankündigung es nicht durchsetzen könne, dass die XXXXXX keine Drittrechte geltend mache, sodass Versicherungen und Fonds Zahlungen direkt zur Masse leisten könnten. Gegen die aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung angemeldete Forderung der XXXXX XXXXXXXXXX erhob der Schuldner Widerspruch, den er mit Erklärung vom 14.09.2006 zurück nahm.
In seinem Beschluss vom 04.07.2006 hat das Insolvenzgericht angeordnet, dass (1.) die Erwerbsunfähigkeitsrenten in die Masse fallen, (2.) diese Renten zur Ermittlung des pfändbaren Betrages zusammen zu rechnen sind und der zu pfändende Betrag in erster Linie aus der von der XXXX zu zahlenden Rente zu entnehmen sei, (3.) Unterhaltszahlungen des Schuldners an seine geschiedene Ehefrau und die beiden Kinder nur über die Tabelle zu § 850c ZPO berücksichtigt werden, (4.) von dem pfändbaren Betrag die vom Schuldner monatlich zu zahlenden Beiträge an die Krankenversicherung in Höhe von 346,82 EUR und der monatliche Selbstbehalt in Höhe von 41,67 EUR abzusetzen sind, (5.) der Schuldner bei Zahlung der Renten auf ein seiner Verfügung unterliegendem Konto auf jeden Fall die zu zahlende Einkommensteuer durch Zahlung auf das Insolvenzverwalterkonto sicher zu stellen habe.
Den weiteren Beschluss vom 06.07.2006 über die Anrechnung des Wohnvorteils und seine Zusammenrechnung mit den weiteren Einkünften des Schuldners hob das Insolvenzgericht in seinem Beschluss vom 20.12.2006 wieder auf.
Gegen diesen zum Zwecke der Zustellung am 14.07.2006 zur Post gegebenen Beschluss vom 04.07.2006 richtet sich die sofortige Beschwerde des noch von Rechtsanwalt XXXXXXXX vertretenen Schuldners vom 28.07.2006, bei dem Insolvenzgericht eingegangen am 31.07.2006.
Das Insolvenzgericht hat in seiner Verfügung vom 07.08.2006 dem Schuldner erneut aufgegeben, seine krankheitsbedingten Kosten und Fahrtkosten aufzuschlüsseln. Es suchte in seinen Verfügungen vom 11.09./ 05.10. 2006 um weitere Aufklärung nach.
Das XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX erteilte die Auskunft vom 17.10.2006, wonach der Schuldner in den Jahren 2004 und 2005 habe keine Einkommensteuer und für 2006 keine Vorauszahlungen entrichten müssen.
Nach weiterem sehr umfangreichen Beschwerdevorbringen hat das Insolvenzgericht am 20.12.2006 der Beschwerde nicht abgeholfen und zugleich den (evtl. ) Antrag nach § 850f Abs. 1 S. 1 ZPO zurückgewiesen und die Sache dem Landgericht am 21.12.2006 vorgelegt. Zu den auf dringende Anforderung an das Insolvenzgericht zurückgereichten Akten teilte der Insolvenzverwalter u.a. mit, dass der Schuldner seit August 2006 die Unterhaltszahlungen erheblich reduziert habe, so dass er von seinen Kindern gerichtlich in Anspruch genommen wurde. Nach dem gerichtlichen Vergleich vom 15.12.2006 - 38 F 38306/06 UK AG Hildesheim - verpflichtete sich der Schuldner, an die beiden Kinder ab August 2006 jeweils 350,- EUR monatlich, an die Kindesmutter aber bis auf Weiteres keinen Ehegattenunterhalt zu zahlen.
In den Gläubigerversammlungen am 27.02.und 23.03.2007 wurden erneut die krankheitsbedingten Mehraufwendungen des Schuldners erörtert. Es wird Einigkeit erzielt, dass der Schuldner an den Insolvenzverwalter monatlich nur noch 900,- EUR zahlt. Dem Schuldner soll der Selbstbehalt in Höhe von 500,- EUR für die Krankenversorgung in einer Summe belassen bleiben, dafür aber ab 01.01.2007 von dem pfändbaren Betrag auch nicht mehr abgesetzt werden. Einen entsprechenden Beschluss erließ das Insolvenzgericht am 23.03.2007.
Zu den am 27.03.2007 an das Landgericht zurückgereichten Akten erfolgte weiterer umfangreicher Sachvortrag zu dem behaupteten erhöhten Bedarf des Schuldners. Dieser beantragte die Zulassung der Rechtsbeschwerde.
II.
1.
Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 4, 6 InsO, §§ 767, 793 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthaft.
Eine Entscheidung im Zwangsvollstreckungsverfahren, gegen die die sofortige Beschwerde nach § 793 Abs. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthaft ist, liegt nicht vor, soweit es sich um eine Entscheidung im Insolvenzverfahren darüber handelt, inwieweit ein Vermögensgegenstand zur Insolvenzmasse gehört ( § 36 Abs. 1 InsO). Durch das InsOÄndG 2001 ist auf Grund der Ergänzung des § 36 Abs. 1 InsO um seinen Satz 2 aber der Streit entschieden, in welchem Umfang die §§ 850 ff ZPO auch im Insolvenzverfahren anwendbar sind (Braun-Kroth, InsO, 2. Aufl., Rz. 12 § 100).
Allerdings hatte das Insolvenzgericht nach § 11 Abs. 2 RPflG etwa in dem Fall eines Antrages auf Nichtberücksichtigung von Unterhaltsberechtigten bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages des Arbeitseinkommens nach § 850 c Abs. 4 ZPO abschließend zu entscheiden (vgl. die Übersicht zur bisherigen Rechtsprechung in OLG Celle Nds. Rpfl. 2001, 353; OLG Stuttgart NZI 2002, 52; LG Bückeburg ZInsO 2001, 1166). Auch der Bundesgerichtshof hat dazu noch ausgeführt, dass gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts als besonderes Vollstreckungsgericht nach § 36 Abs. 4 InsO die Insolvenzordnung keine Beschwerde vorsieht (BGH ZInsO 2004, 391 und 441).
Dem folgt im Grundsatz auch der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 06.05.2004 (ZIP 2004, 1379), wonach sich der Rechtsmittelzug allerdings nach den allgemein vollstreckungsrechtlichen Vorschriften richtet, wenn das Insolvenzgericht kraft der besonderen Zuweisung funktional als Vollstreckungsgericht entscheidet. Der Gesetzgeber habe gerade dann wegen des Sachzusammenhangs zwischen Einzelzwangsvollstreckung und Insolvenzverfahren die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts angeordnet und damit allgemein die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO eröffnet.
Das Insolvenzgericht hat in dem angefochtenen Beschluss Entscheidungen nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 850, 850 e Nr. 2, 850f Abs. 1 ZPO getroffen, funktional also als Vollstreckungsgericht.
2.
Das Rechtsmittel ist auch nach § 569 ZPO form- und fristgerecht erhoben worden.
3.
Die sofortige Beschwerde des Schuldners hat im Umfang der Beschwerdebegründung auch Erfolg.
a)
Der Schuldner hatte in dem Berichtstermin am 30.05.2006 beantragt, den gesamten Betrag der Berufsunfähigkeitsrente pfändungsfrei zu stellen. Diesen Antrag hat das Insolvenzgericht in seinem Beschluss vom 04.07.2006 zu Ziffer I. dahin beschieden, dass die näher bezeichneten Erwerbsunfähigkeitsrenten in die Masse fallen. Dem war nicht zu folgen und die Entscheidung insoweit abzuändern.
aa)
Für die Entscheidung, ob ein Gegenstand nach den in § 36 Abs. 1 S. 2 InsO genannten Vorschriften der Zwangsvollstreckung unterliegt, war das Insolvenzgericht nach § 36 Abs. 4 S. 1 InsO zuständig. Wenn auch nach S. 2 dieser Regelung anstelle eines Gläubigers (nur) der Insolvenzverwalter antragsberechtigt ist, der aus seiner besonderen Sachkenntnis heraus die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger bündeln soll, schließt dies aber nicht einen Antrag des Schuldners aus (Kübler/Prütting/Bork, InsO, Rz. 40 § 36).
bb)
Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse, §§ 35, 36 Abs. 1 S. 1 InsO. Dabei bezeichnet "Gegenstand" nicht nur körperliche Gegenstände, sondern erfasst wie § 35 InsO sämtliche Vermögensbestandteile des Schuldners. Die in Satz 2 durch das InsOÄndG vom 26.10.2001 eingefügten Vorschriften sind entsprechend anwendbar und um §§ 851 c und 851 d InsO durch das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge vom 26.03.2007 ergänzt worden.
Eine Forderung ist in Ermangelung besonderer Vorschriften aber nur insoweit der Pfändung unterworfen, als sie übertragbar ist,§ 851 Abs. 1 ZPO.
§ 36 Abs. 1 S. 2 InsO erwähnt § 850 b ZPO nicht. Danach sind aber Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind, unpfändbar, es sei denn, das Vollstreckungsgericht hat eine Entscheidung nach Abs. 2 getroffen. Bei den hier betroffenen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrenten handelt es sich um bedingt pfändbare Bezüge im Sinne des § 850 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, und zwar auch dann, wenn sie nicht auf gesetzlicher, sondern auf vertraglicher Grundlage beruhen (Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., Rz. 7 § 850 b m.w.N.).
cc)
Entgegen der Auffassung des Insolvenzgerichts ist wegen der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers eine analoge Anwendung des in§ 36 Abs. 1 S. 2 InsO nicht erwähnten § 850 b InsO ausgeschlossen, so dass es bei der Unpfändbarkeit der Versicherungsleistungen an den Schuldner verbleibt.
Eine bedingte Pfändbarkeit ist nämlich mit den Grundsätzen des Insolvenzverfahrens nicht vereinbar. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen Befriedigung aller beteiligten Gläubiger. Dagegen setzt § 850 Abs. 2 ZPO eine Billigkeitsentscheidung nach den Umständen des Einzelfalles voraus. Gerade deshalb hat das InsOÄndG 2001 in § 36 Abs. 1 S. 2 InsO die Regelungen in § 850 b ZPO nicht für entsprechend anwendbar erklärt. Integriert aber § 36 Abs. 1 S. 1 InsO alle Pfändungsverbote der ZPO und hat daran Abs. 1 S. 2 nichts geändert, gehören die in § 850 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO genannten Renten nicht zur Insolvenzmasse im Sinne des § 35 InsO (so auch LG Köln NJW-RR 2004, 552, 553; Kübler/Prütting/Bork, a.a. O., Rz. 28f § 36; Wimmer, Frankfurter Kommentar zur InsO, 4. Aufl., Rz. 20 § 36). Besteht eben eine Pfändbarkeit nur zu Gunsten bestimmter Gläubiger, ist eine Massezugehörigkeit nicht gegeben und folgerichtig § 850 b ZPO in § 36 Abs. 1 S. 2 InsO nicht genannt (Eickmann u.a., InsO, 4. Aufl., Rz. 7 § 36; Braun-Bäuerle, a.a.O., Rz. 3 § 36). Nach § 850 b Abs. 2 ZPO sollen die an sich unpfändbaren Renten nur zu Gunsten einzelner Gläubiger pfändbar sein. Die Unpfändbarkeit im Übrigen nach § 850 Abs. 1 Nr. 1 ZPO dient dem Schuldnerschutz (Münchener Kommentar - Peters, InsO, Rz. 43 § 36). Der Versuch, die Abwägung der Interessen von Gläubigern und Schuldner nach § 850 b Abs. 2 ZPO in das Insolvenzverfahren zu verlagern und dort eine Billigkeit der Pfändung für alle Gläubiger herbeizuführen, ist gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht statthaft. Ansonsten würde auch verkannt, dass es sich bei § 850 b Abs. 2 ZPO um eine Ausnahmeregelung handelt, die bei größeren Bezügen des Schuldners und besonderer Notlage des einzelnen Gläubigers einen Ausgleich nach Billigkeit ermöglichen soll (Stöber, Forderungspfändung, 4. Aufl., Rz. 1031g).
b)
Zu Ziffer II. seines Beschlusses hat das Insolvenzgericht die Zusammenrechnung der pfandfreien Beträge aus den Erwerbunfähigkeitsrenten angeordnet.
Diese nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO, § 850 e Abs. Nr. 2 ZPO mögliche Regelung ist hier gegenstandslos, weil die Erwerbunfähigkeitsrenten - wie dargelegt - nicht pfändbar sind.
c)
Das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner nach § 850f Abs. 1 ZPO auf Antrag von dem pfändbaren Teil seines Einkommens einen Teil belassen, wenn der Schuldner nachweist, dass sein notwendiger Lebensunterhalt nicht gedeckt ist (lit. a) oder besondere Bedürfnisse aus persönlichen oder beruflichen Gründen (lit. b) oder der besondere Umfang von Unterhaltspflichten dies erfordern (lit. c) und überwiegende Belange der Gläubiger nicht entgegenstehen.
Durch diese Härtefallregelung soll vermieden werden, dass sein unpfändbares Einkommen seinen individuellen Sozialhilfebedarf unterschreitet. Der Gesetzgeber ist dabei zu § 850f Abs. 1 lit. a ZPO davon ausgegangen, dass der Schuldner regelmäßig den Nachweis durch Vorlage einer Bescheinigung der örtlich zuständigen Sozialbehörde erbringen kann (BT-Drucks. 12/1754 vom 05.12.1991).
Es hätte aber dann auch einer eigenen Beurteilung im Insolvenzverfahren bedurft, ob dem Schuldner ein über das unpfändbare Arbeitseinkommen hinaus gehender Betrag zu belassen gewesen wäre.
Ein besonderes Einzelfallbedürfnis kann der Mehraufwand bei Erkrankung des Schuldners darstellen (§ 850f Abs. 1 lit. b ZPO). Dies gilt insbesondere für die von dem Schuldner geltend gemachten Aufwendungen für u.a. besondere Ernährung und Arztbesuche.
Die Darlegung für die Voraussetzungen zur Erhöhung des unpfändbaren Teils trifft den Schuldner. Er hat entsprechende Nachweise zu beschaffen.
Im Ergebnis kam es darauf aber nicht mehr an, weil schon die Pfändbarkeit seines Renteneinkommens verneint worden ist.
4.
Im Weiteren ist eine Beschwerde gegen den Beschuss vom 04.07.2006 nicht geführt worden.
III.
Von der Erhebung der Gerichtskosten war entsprechend § 21 GKG abzusehen, auch wenn von einer falschen Sachbehandlung nicht ausgegangen werden kann; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
IV.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kam nicht in Betracht, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Eine grundsätzliche Bedeutung liegt nicht vor, weil nach dem geltenden Recht die Entscheidung des Gesetzgebers wie dargelegt eindeutig ist und soweit ersichtlich auch keine divergierende Rechtsprechung besteht.