Landgericht Hildesheim
Urt. v. 11.11.2009, Az.: 6 O 41/09
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 11.11.2009
- Aktenzeichen
- 6 O 41/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 42940
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHILDE:2009:1111.6O41.09.0A
In dem Rechtsstreit
...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Benda als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 21.10.2009
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte aus eigenem und von seiner Ehefrau abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen angeblich falscher Anlageberatung in Anspruch.
Der Kläger und seine Ehefrau unterhielten bei der Beklagten seit dem Jahr 2000 ein als Oder-Depot geführtes Wertpapierdepot
Am 28.08.2006 ließ der Kläger für sich von der Beklagten ein Risikoprofil ermitteln. Darin stufte die Beklagte den Kläger unter der Variante "Ertrag" mit einem maximalen Risikoanteil von 70 % ein. Angekreuzt ist in dem Schriftstück die Variante "Wachstum" mit einem Risikoanteil von bis zu 100 %. Weiter heißt es in dem Profil, dass es sich um die Wahl des Klägers handele. Der Kläger unterzeichnete das Profil.
Am 21.05.2007 orderte der Kläger bei der Beklagten nach einem Beratungsgespräch über die Neuanlage freigewordenen Geldes Zertifikate, emittiert von der Lehmann Brothers Treasury für 57.000,00 € zzgl. Ausgabeaufschlages.
Der Wertpapierbestand des Kläger belief sich bei der Beklagten damals auf ca. 415.000,00 €.
Am 13.09.2007 ließ der Kläger erneut ein Risikoprofil ermitteln. Dabei ist abweichend von dem Profil vom 28.08.2006 angekreuzt, dass er gegenüber den Angaben vom 28.08.2006 eine Anlage mit einer höheren Rendite wählen würde. Auch in diesem Profil ist angegeben, dass er von der Bank unter der Variante "Ertrag" eingeordnet werde, seine Wahl aber die risikofreudigere Variante "Wachstum" sei. Der Kläger unterzeichnete auch dieses Profil.
Infolge des über das Vermögen der Lehman Brothers Treasury eröffneten Insolvenzverfahrens und des über das Vermögen der als Garantin fungierenden Lehman Brothers Holdings angeordneten Gläubigerschutzes sind die erworbenen Zertifikate wirtschaftlich wertlos geworden.
Mit der Klage verlangt der Kläger Rückzahlung der von ihm für die Anlage aufgewendeten Beträge Zug um Zug gegen Rückgabe der Papiere sowie Bezahlung der ihm entstandenen außergerichtlichen Anwaltskosten.
Er behauptet weder anleger- noch anlagegerecht beraten worden zu sein. Der Mitarbeiterin ... der Beklagten sei bekannt gewesen, dass alle seine Anlagen der Absicherung der Alterseinkünfte dienen sollten. Dies sei in dem Gespräch vom 21.05.2007 von ihm ausdrücklich betont worden. Zu der getätigten Anlage seien ihm keine Alternativvorschläge unterbreitet worden. Er habe bis dahin noch nie Zertifikate besessen.
Bei richtiger Aufklärung hätte er die Zertifikate nicht gekauft.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 58.148,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 13.12.2008 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung der vom Kläger am 21.05.2007 über die Beklagte erworbenen 57 Stück Wertpapiere, emittiert von der Lehman Brothers Treasury Co. B. V., WKN A0N6GH,
und die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 2.028,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet jedwede Pflichtverletzung,
Im Übrigen ist sie der Auffassung, dass ein Anspruch des Klägers selbst bei festgestellter Pflichtverletzung an der fehlenden Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Anlageentscheidung scheitern müsse.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet und deshalb abzuweisen.
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht zu.
Eine Beratungspflichtverletzung gegenüber der Ehefrau des Klägers ist nicht dargetan.
Ob die Beklagte Beratungspflichten gegenüber dem Kläger im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitgegenständlichen Zertifikate verletzt hat, bedarf keiner Aufklärung.
Selbst wenn dieses der Fall wäre, scheitert ein Schadensersatzanspruch an der fehlenden Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Anlageentscheidung des Klägers.
Wenn eine Pflichtverletzung aus einer Anlageberatung feststeht, streitet zwar für den Anleger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, d.h., dass der Aufklärungspflichtige beweisen muss, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte, er also den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte (vgl. BGH Urteil vom 12.05.2009 - XI ZR 586/07 -).
Jedenfalls ist dieser Beweis von der Beklagten geführt.
(1) Bereits die Behauptung des Klägers, er hätte bei richtiger Beratung die Zertifikate nicht geordert, ist angesichts der nachfolgend genannten Umstände ohne ausreichende Substanz, so dass es eines von der Beklagten zu führenden Beweises schon nicht bedarf.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung kann nämlich den Behauptungen des Klägers im Zusammenhang mit seinen Anlageentscheidungen nicht gefolgt werden.
Denn es hat sich erwiesen, dass die Behauptungen des Klägers in der Klageschrift im Zusammenhang mit der Anlageberatung zu mehreren Aspekten falsch sind:
(a) Der Vortrag des Klägers, ihm sei es bei allen Anlagen um die Sicherung seiner Alterseinkünfte gegangen, ist nicht tregfähig. Die von der Beklagten vorgelegten Auszüge zur Entwicklung des Wertpapierdepots zeigen, dass der Kläger keineswegs nur "sichere" Anlagen getätigt hat und keineswegs nur "sichere" Papiere im Depot hält bzw. hielt (Anlagen B 10, 11, 12, 13, 14).
(b) Ferner spricht gegen die zu (a) erörterte Behauptung des Klägers, dass er einen Tag nach Bekanntgabe des Insolvenzantrages der Emittentin der streitgegenständlichen Zertifikate mit sogenannten "Pennystocks" versucht hat, auf Gewinn zu spekulieren und 4 554 Aktien zum Stückpreis von 0,22 € erwarb.
Dass den Behauptungen des Klägers nicht gefolgt werden kann, belegt auch das Vortragsverhalten zu vorgenanntem Aspekt. Der Kläger hatte den entsprechenden Vortrag der Beklagten zu diesem Aktienerwerb zunächst in seiner Replik auf die Klageerwiderung wahrheitswidrig bestritten. Erst nach Vorlage der Anlage B17 durch die Beklagte hat er den Aktienerwerb eingeräumt.
(c) Die Behauptung, er habe vor dem 21.05.2007 keine Zertifikate besessen, hat sich im Verfahren als falsch herausgestellt. Bereits im Jahre 2003 orderte er ein Index abhängiges Zertifikat.
(d) Ebenso falsch ist die Behauptung, dass ihm am 21.05.2007 keine Alternativvorschläge zur Anlage unterbreitet worden wären. Das Gegenteil dieser Behauptung ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Anlage B 18. Danach hat nämlich der Kläger am 21.05.2007 weitere 17 000,00 € in einen Aktienfonds investiert. Die Order ist auch von der Mitarbeiterin ... der Beklagten entgegen genommen worden.
Auch zu diesem Aspekt zeigt das Vortragsverhalten, dass den Behauptungen des Klägers nicht gefolgt werden kann. Der Kläger hat in seiner Replik auf die Klageerwiderung sogar noch nach Vorlage des Depotauszugs (Anlage B13) das Vorbringen der Beklagten bestritten und den Vortrag der Beklagten als zu pauschaliert zurückgewiesen. Im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage hat er diese Geldanlage als nicht mehr erinnerte Nebensache bezeichnen lassen.
(2) Jedenfalls hat die Beklagte den Beweis geführt, dass der Kläger die etwa unterlassenen Hinweise unbeachtet gelassen hätte. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aus dem Inbegriff der Verhandlungen fest. Für diese Bewertung sind folgende Umstände maßgeblich:
(a) Der Kläger hat sich im Zusammenhang mit der Erstellung der Risikoprofile am 28.06.2006 und 13.09.2007 als beratungsresistent gezeigt.
Er hat sich über die Empfehlung der Bank hinweg gesetzt und sich einer höheren Risikokategorie zuordnen lassen. Dies ergibt sich aus den von ihm unterschriebenen Risikoprofilen (Anlagen B 8 und 9 der Klageerwiderung).
Die Behauptung des Klägers, die Einordnung "wachstumsorientiert" habe die Mitarbeiterin ... der Beklagten ohne sein Zutun vorgenommen, ist unbeachtlich.
Der Kläger hat die Profile unterzeichnet. Für diese spricht danach die Vollständigkeit und Richtigkeit Erhebliches, dass diese Vermutung erschüttert, ist nicht vorgetragen.
Die Risikoprofile sind zwar nicht am Tage der Anlageentscheidung erstellt worden, sie stehen aber mit diesem Tag noch in mittelbarem Zusammenhang. Es ist kein Anhalt dafür ersichtlich, dass sich der Kläger am 21.05.2007 anders verhalten hätte als am 28.08.2006 und 13.09.2007.
(b) Der Kläger hat weiter durch die Unterzeichnung der Order vom 21.05.2007 bestätigt, dass eine, mehrere oder sämtliche der nachfolgenden Varianten zutreffen: "Diese Order erfolgt auf Kundenwunsch und Würde nicht von der Citybank vorgeschlagen und/oder überschreitet die maximale Produktrisikoklasse des Kunden und/oder passt nicht zu der vorgeschlagenen/gewählten Anlagestrategie gem. Risikoprofil bzw. überschreitet den von der Citybank maximal empfohlenen Anteil an Papieren dieser Produktrisikoklasse." Auch hierdurch wird die Beratungsresistenz des Klägers belegt. Für diesen Aspekt streitet aufgrund der Unterschrift des Klägers ebenso die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit, die vom Kläger nicht erschüttert worden ist.
(c) Ein weiteres Indiz für die Beratungsresistenz des Klägers ergibt sich daraus, dass er auch noch 1 Jahr nach Kenntnis der Insolvenz von Lehman Brothers im September 2008 in seinem Depot ein anderes Index abhängiges Zertifikat im Wert von ca. 20 000,00 DM hält.
Das einzelne Indiz mag für sich allein die getroffene Feststellung nicht tragen. In ihrer Gesamtheit sind die Indizien aber nach der Überzeugung des Gerichts zwingend und Grundlage für die Überzeugung.
Nach alledem fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Kausalität zwischen etwaiger Pflichtverletzung der Beklagten und Kaufentscheidung des Klägers.
Dem Kläger stehen deshalb auch nicht die ihm vorgerichtlich entstandenen Anwaltsgebühren als Schadensersatz zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Schon aus formalem Grunde sind die nicht nachgelassenen Schriftsätze des Klägers persönlich vom 22.10.2009 und 4.11.2009 (§§ 78, 296a ZPO) und seines Prozessbevollmächtigten vom 23.10.2009 (§ 296a ZPO) unbeachtlich. Die Schriftsätze geben keinen Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung. Diese ist nicht zu früh geschlossen worden.