Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 26.05.2009, Az.: 7 T 54/08

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
26.05.2009
Aktenzeichen
7 T 54/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 50606
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Holzminden - 08.05.2008 - AZ: 10 IN 43/07
nachfolgend
BGH - 25.10.2010 - AZ: IX ZB 156/09

Tenor:

Die als sofortige Beschwerde des Schuldners anzusehende Beschwerde vom 16.05.2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Holzminden - Insolvenzgericht - vom 08.05.2008 wird zurückgewiesen.

Der Schuldner hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Auf den Eigenantrag des Schuldners vom 14.05.2007 eröffnete das Insolvenzgericht nach Einholung des Massegutachtens vom 28.06.2007 am 04.07.2007 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, bestellte den Insolvenzverwalter und behielt sich eine Entscheidung über den vorgelegten Insolvenzplan vor, zu dessen Erörterung in der Fassung vom 10.08.2007 Termin am 11.10.2007 bestimmt war, der dem Berichts- und Prüfungstermin vom selben Tag folgte. Dem Schuldner wurde aufgegeben, den Insolvenzplan zu überarbeiten und neu vorzulegen. Dies geschah am 14.02.2008.

Nach der Prüfung nachträglich angemeldeter Forderungen am 17.04.2008 wurde der Insolvenzplan vom 14.02.2008 am 08.05.2008 erörtert. Nach Abstimmung der Gläubiger hat das Insolvenzgericht die Bestätigung des Insolvenzplans versagt. Gegen den am 02.06.2008 zugestellten Beschluss richtet sich die "Beschwerde" vom 16.05.2008 mit der Begründung vom 11.06.2008, der das Insolvenzgericht in seinem Beschluss vom 13.06.2008 nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

1. Der Insolvenzplan bedarf nach der Annahme durch die Gläubiger und der Zustimmung des Schuldners der Bestätigung durch das Insolvenzgericht, § 248 Abs. 1 InsO. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist auch eine Versagung der Bestätigung auszusprechen (Andres/Leithaus, InsO, Rz 4 § 248), die nach § 253 InsO durch den Schuldner mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist.

Dabei ist es unerheblich, dass das Rechtsmittel hier falsch als "Beschwerde" bezeichnet worden ist (Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., Rz. 10 § 569).

Der Schuldner hat das Rechtsmittel nach § 4 InsO, §§ 567, 569 Abs. 1 S. 1 ZPO entsprechend form- und fristgerecht erhoben.

2. Das Insolvenzgericht hat bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 248 bis 251 InsO den Insolvenzplan zu bestätigen. Ein Ermessen besteht insoweit nicht.

Voraussetzungen für eine Bestätigung ist die formelle und materielle Durchführung des Planverfahrens, die zu einer Annahme des Plans durch die Insolvenzgläubiger geführt hat; denn bei einem Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften ist schon von Amts wegen die Bestätigung zu versagen (§ 250 Nr. 1 InsO).

Dazu gehört eine ordnungsgemäße Abstimmung der Insolvenzgläubiger über den Plan nach §§ 253 ff. InsO. Diese erfolgt für jede Gruppe der stimmberechtigten Gläubiger gesondert, § 243 InsO. Daher ist vorrangig vor dem Minderheitenschutz nach § 251 InsO und dem Versagungsantrag eines Gläubigers, der durch das XX am 08.05.2008 auch gestellt worden ist, festzustellen, ob die Abstimmung, die nach Auffassung des Insolvenzgerichts zu einer Schlechterstellung eines Gläubigers bei Durchführung des Insolvenzplanes führen soll, überhaupt auf Grund einer zulässigen Gruppenbildung nach § 222 InsO erfolgt ist.

Das Insolvenzgericht hat sich demgegenüber in dem angefochtenen Beschluss damit begnügt, am Ende der Gründe lediglich darauf hinzuweisen, es wäre "zumindest verpflichtet gewesen, die Planbestätigung wegen missbräuchlicher Gruppenbildung (§§ 250 I 1, 222 InsO) abzulehnen." Um eine Begründung hat sich das Insolvenzgericht nicht mehr bemüht.

a) Gegen die Bildung der Gruppe 2 allein mit dem Finanzamt Holzminden bestehen aber entgegen der Ansicht des Insolvenzgerichts erkennbare durchgreifende Bedenken nicht.

Nach § 222 Abs. 2 InsO können aus den Gläubigern mit gleicher Rechtsstellung Gruppen gebildet werden, in denen Gläubiger mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst werden.

Unzweifelhaft in solche unterschiedlichen wirtschaftlichen Gruppen sind Steuerforderungen einzuordnen (Braun/Frank, InsO, 3. Aufl., Rz. 8 § 222; Münchener Kommentar-Eidenmüller, InsO, Rz. 92 § 222). Hier weist der Plan noch ein anderes Kriterium für die Bildung der Untergruppe aus: Die Forderung ist aus dem Rechtsgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (vgl. auch § 302 Nr.1 InsO) geltend gemacht worden. Dabei handelt es sich um ein denkbares und plausibles Differenzierungskriterium (Wimmer, Frankfurter Kommentar zur InsO, 4. Aufl. Rz. 49 § 222).

Eine Gruppe kann auch aus nur einem Gläubiger bestehen (Andres/Leithaus, a.a.O., Rz. 9 § 222 m.w.N.).

b. Gläubiger der Gruppe nach § 222 Abs. 1 Nr. 2 InsO müssen nicht zwangsläufig gleich behandelt werden. Es muss nur eine sachgerechte Abgrenzung vorliegen und diese muss im Plan dokumentiert werden (Abs. 2 S. 2 und 3). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Weitere Eingriffsbefugnisse stehen dem Insolvenzgericht nicht zu (Wimmer/Jaffé, a.a.O., Rz. 20 § 222). Die von dem Gesetz ermöglichte Gruppenbildung erlaubt ein mehrheitsorientiertes Planen und Denken (Braun/Frank, a.a.O. Rz. 11 § 222). Eine Taktik der Gruppenbildung ist im Rahmen einer erkennbaren sachlichen Differenzierung der Gruppeneinteilung möglich (Kübler/Prütting/Bork, InsO, Rz. 22 ff § 222).

c) Unter diesen Grundsätzen ist der Ansatz des Insolvenzgerichts einer "missbräuchlichen Gruppenbildung" nicht weiter überprüfbar. Es ist nicht einmal deutlich geworden, welche Kriterien das Insolvenzgericht seiner Prüfung zugrunde gelegt hat. Es kann daher auch nicht festgestellt werden, ob das Insolvenzgericht überhaupt seine Eingriffsbefugnis richtig bewertet und davon zutreffend Gebrauch gemacht hat. Das Insolvenzgericht hat bei seiner pauschalen Betrachtung ersichtlich übersehen, dass der Planhersteller durch eine differenzierte Gruppenbildung im Rahmen der gesetzlichen Regelungen die Planannahme weitgehend beeinflussen und so in de Gläubigerautonomie erheblich eingreifen kann (Wimmer-Jaffé, a.a.O., Rz. 29 § 222).

3. Anhaltspunkte für eine unlautere Herbeiführung der Annahme des Plans nach § 250 Nr. 2 InsO bestehen nicht.

4. Das Insolvenzgericht hat die Versagung der Bestätigung des Insolvenzplanes nicht auf den Antrag des Gläubigers XX, sondern von Amts wegen beschlossen, weil die erforderlichen Mehrheiten nicht zustande gekommen sind und das Insolvenzgericht die Zustimmung der Gruppe 2 auch nicht nach § 245 Abs. 1 InsO als erteilt ansieht.

Im vorliegenden Einzelfall war nach Nr. 1 dieser Regelung nicht festzustellen, dass der Gläubiger XX durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt wird, als er ohne einen solchen Plan stünde, der Gläubiger seine Zustimmung also rechtsmissbräuchlich verweigert hätte.

a) Dem Planergebnis sind die Erlöse bei unverzüglicher Verwertung und Verteilung im Insolvenzverfahren gegenüberzustellen. Dem Gläubiger sollen zumindest die Liquidationswerte garantiert werden.

Schon nach dem darstellenden Teil des Insolvenzplanes haben die Gläubiger wenig Anlass, die angedachten Ergebnisse als bare Münze zu nehmen. Es ist zu berücksichtigen, ob sich die dargestellten operativen Überschüsse überhaupt erwirtschaften lassen. Dabei hat auch das Gericht die Plausibilität der Prognosen des operativen Überschusses zu prüfen (Münchener Kommentar-Dsukarczyk, InsO, Rz 67 § 245). Zweifel an der Machbarkeit des Plans gehen zu Lasten des Planerstellers (Braun/Frank, a.a.O., Rz. 4 § 245). Eine Bestätigung bleibt danach aus, wenn mehr gegen als für eine Realisierung des Plans spricht. Dabei ist aber auch nicht außer acht zu lassen, dass der Fortführungswert oftmals höher als der Zerschlagungswert ist (Wimmer-Jaffé, a.a.O., Rz. 40 § 245). Bei einer Fortführung der Praxis können aber den Gläubigern die Liquidationswerte schon dann nicht mehr zur Verfügung stehen, wenn sie zwischenzeitlich verbraucht sind und der Plan nach einiger Zeit scheitert (Kübler/Prütting/Bork, a.a.O., Rz. 11 § 245).

b) Im Ergebnis ist es nicht zu beanstanden, wenn das Insolvenzgericht nach diesen Grundsätzen eine Bestätigung des Insolvenzplanes abgelehnt hat, weil sich eine Prognose im Sinne des § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO ("voraussichtlich") nicht stellen lässt.

Der darstellende Teil des am 08.05.2009 erörterten Insolvenzplanes enthält schon eine Reihe von erheblichen Unsicherheiten, die eine Durchführung des Planes zu den aufgestellten Bedingungen nicht erwarten lassen.

aa) Die Plandurchführung hängt in erster Linie entscheidend von dem Schuldner selbst ab. Ohne ihn kann die Augenarztpraxis ohnehin nicht geöffnet bleiben. Auf Seite 28 des Insolvenzplans wird der Schuldner zwar als "hoch motiviert, seine Gläubiger bestmöglich zu befriedigen" beschrieben. Er sehe darin eine "moralische Verpflichtung ohne Einschränkung". Es sei sein fester Wille, gerade in den kommenden Jahren seine Arbeitskraft auch im Hinblick auf seine Gesundheitsprognose in vollem Umfang einzusetzen. Er wolle seiner Fürsorgepflicht gegenüber seiner Mutter und seinen zurzeit 17, 20 und 24 Jahren jungen Söhnen gerecht werden. Die darin schon enthaltene Andeutung zum Gesundheitszustand des Schuldners ergibt sich aus der Beschwerdebegründung offenbar realistisch ganz anders. Danach sind seine Gesundheit und Belastbarkeit "überaus sensibel einzuschätzen". Dabei wird weiter ausgeführt, dass mit einer "sukzessiven Minderung seiner Belastbarkeit" zu rechnen ist, wenn er zukünftig auch mit den Unwägbarkeiten eines Regelinsolvenzverfahrens leben müsste. Schon diese deutlichen Hinweise lassen erkennen, dass auf den unbedingten Einsatz des Schuldners nicht zuverlässig gesetzt werden kann. Davon hängen aber die Umsätze und Erlöse der Arztpraxis bei Fortführung nach dem Insolvenzplan über sechs Jahre ab.

bb) Der Insolvenzplan beschreibt in nachvollziehbarer Weise eine Kostenexplosion, die der Schuldner im Hinblick auf seine außerordentlichen Verpflichtungen nicht wird auffangen können.

Die Gesundheitsreformen wirken sich in Form der Absenkung der Facharzthonorare und der Reduzierung der Behandlungszahlen deutlich aus. Hier sieht der Plan pauschale Einschränkungen von 10 % und 20 % vor, ohne auch die weitere absehbare Entwicklung einzubeziehen, die eine weitere Absenkung der Erträge wird erwarten lassen. So erwähnt auch der Plan eine seit 2006 anhaltend rückläufige Tendenz, ohne sie bei der Befriedigungsquote und ihrer Berechnung weiter erkennbar zu berücksichtigen.

Die KV-Honorare fallen schon jetzt um 15-40 % niedriger aus als in den Vorjahren. Außerdem hat der Schuldner einen erheblichen Patientenstamm verloren, weil er für die Bundeswehrangehörigen nicht mehr tätig ist. Der Verlust wird mit "ca." 150 Behandlungen/Quartal pauschal angegeben. Sehr offen ist auch die Reduzierung um weitere 100 Behandlungen/Quartal prognostiziert, die sich aus der Etablierung einer augenärztlichen Fach- und Gemeinschaftsarztpraxis in XX ergeben soll.

Der Schuldner verweist selbst auf die Schwierigkeit einer hinreichend zuverlässigen Prognose zur Entwicklung der Praxisumsätze im Hinblick auf die "allgemeine Erosion der Gesamtvergütung" und der "stürmischen Entwicklung des ambulanten Operierens". Nach dem Zitat aus dem Nds. Ärzteblatt sei, wenn keine Gegenmaßnahmen erfolgen, mit einem Zusammenbrechen der wohnortnahen augenärztlichen Versorgung in Niedersachsen zu rechnen.

cc) Neben dieser Verschlechterung der Einnahmen sind auch auf der Ausgabenseite erhebliche Mehrbelastungen anzusetzen. Das betrifft Personal- und Energiekosten ebenso wie die Praxismiete mit ihren Nebenkosten und die Ausgaben für ein ausreichendes Qualitätsmanagement insbesondere durch Fortbildung. Einen erkennbaren Niederschlag findet das in den Berechnungen des Insolvenzplanes nicht.

dd) Der Ausgangspunkt von 1460 KV-Behandlungen/Quartal und ein Umsatz von 50.000,- EUR ist danach nicht als zuverlässige Kalkulationsgrundlage anzusehen, zumal die o. g. bestimmenden Faktoren nicht in ihrer belastenden Tendenz fortgeschrieben werden. Unabhängig von der realistischen Höhe einer Befriedigungsquote sind die Grundlagen der Prognose nach § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO derart vage und der Einsatz des Schuldners so "überaus sensibel", dass eine Versagung der gerichtlichen Bestätigung des Plans nach § 248 InsO nicht zu beanstanden war.

Auf die weiter von dem Insolvenzgericht besonders herausgestellten Aspekte zum Ablauf des Regelinsolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung kam es danach gar nicht an.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO, § 97 Abs. 1 ZPO entsprechend.