Landgericht Hildesheim
Urt. v. 02.10.2009, Az.: 3 O 35/09

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
02.10.2009
Aktenzeichen
3 O 35/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 50604
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 22.04.2009 - AZ: 3 O 35/09

Tenor:

Das Vorbehaltsurteil vom 22.04.2009 wird aufgehoben, soweit die Beklagte zu 2) verurteilt worden ist.

Die Klage gegen die Beklagte zu 2) wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Der Kläger macht als Zwangsverwalter über das Objekt ... gegen die Beklagte offene Mietforderungen geltend.

2

Er wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Gifhorn vom 20.06.2007 zum Zwangsverwalter über das Hausgrundstück bestellt. Der Eigentümer ... hatte die im Erdgeschoss gelegenen Geschäftsräume bereits an die Beklagte zum Betrieb eines China-Restaurants mit Verkauf von asiatischen Lebensmitteln vermietet. Die Beklagte zu 1 gründete dann eine GmbH, die Beklagte zu 2. Daraufhin wurde ein neuer Mietvertrag vom 12.02.2006 zum 01.03.2006 abgeschlossen. Wegen der Einzelheiten des Vertragschlusses wird auf den Tatbestand des Vorbehaltsurteils vom 22.04.2009 Bezug genommen.

3

Vereinbart war eine Nettokaltmiete in Höhe von monatlich 1.050,00 € zuzüglich Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 400,00 € und Mehrwertsteuer.

4

Mit Schreiben vom 29.06.2006 forderte der Kläger die Beklagten auf, die Mietzahlungen künftig an ihn zu leisten.

5

Seit Juli 2006 sind Mietrückstände in Höhe von monatlich 232,00 €, ab August in Höhe von 238,00 € aufgetreten, in den Wintermonaten 2006/2007 waren es teilweise auch höhere Beträge. Auf die Forderungsaufstellung in der Klage für den Zeitraum von Juli 2006 bis einschließlich Januar 2009 wird Bezug genommen (Bl. 4 f d. A.).

6

Die Beklagten machten eine Mietminderung wegen Mängeln des Mietobjekts geltend, woraufhin vorprozessual am 25.02.2008 ein gemeinsamer Ortstermin durchgeführt wurde.

7

Die Klage im Urkundenverfahren ist durch Vorbehaltsurteil vom 22.04.2009 (Bl. 71 – 76 d. A.) gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen worden. Die Beklagte zu 2 ist unter Vorbehalt der Geltendmachung ihrer Rechte im Nachverfahren antragsgemäß verurteilt worden.

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Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagten zu 2 stehe kein Minderungsrecht zu. Jedenfalls begründeten etwa bestehende Mängel des Mietobjekts keine Minderung in dem Umfang des einbehaltenen Mietzinses.

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Der Kläger beantragt,

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das Vorbehaltsurteil für vorbehaltslos zu erklären.

11

Die Beklagte zu 2 beantragt,

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das Verfahren im Nachverfahren fortzuführen und die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte zu 2 beruft sich auf Minderung und behauptet,

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bei Abschluss des streitgegenständlichen Mietvertrags habe ihre Geschäftsführerin den mangelhaften Zustand des Mietobjekts mit dem Vermieter ... besprochen und ihn aufgefordert, die Räumlichkeiten in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Der Vermieter habe dies zugesagt und erklärt, er habe einen Hausmeister beauftragt, der für die Mängel ansprechbar sei. Nur aufgrund dieses Vorbehalts habe sie den neuen Mietvertrag abgeschlossen.

15

Wegen ihrer Mängelrügen im Einzelnen wird auf die Klagerwiderung (Bl. 35 d. A.), auf das Protokoll des Ortstermins der Parteien vom 25.02.2008 (Bl. 37 - 40 d. A.) sowie auf den Schriftsatz vom 25.06.2009 Bezug genommen (Bl. 95 - 99 d. A.).

16

Das Gericht hat die Geschäftsführerin der Beklagten zu 2 persönlich angehört und Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme des Mietobjekts. Auf das Protokoll des Ortstermins vom 31.08.2009 wird Bezug genommen (Bl. 150 - 154 d. A.).

Entscheidungsgründe

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Das Vorbehaltsurteil vom 22.04.2009 ist in dem allein von der Beklagten zu 2 betriebenen Nachverfahren aufzuheben, soweit es sich gegen die Beklagte zu 2 richtet.

18

Die Klage gegen die Beklagte zu 2 ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Mietzinszahlung gegen die Beklagte zu 2 zu, § 535 Abs. 2 BGB, denn die Beklagte zu 2 ist zur Minderung der Miete in Höhe der Klagforderung berechtigt.

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1. Gemäß § 536 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Mieter in dem Fall, in dem die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Nach S. 2 dieser Vorschrift ist für die Zeit einer Minderung der Tauglichkeit nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten.

20

Das Mietobjekt, das Geschäftslokal im ..., ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hinsichtlich der vertragsgemäßen Gebrauchstauglichkeit jedenfalls eingeschränkt. Es liegt zumindest ein erheblicher Mangel i. S. d. § 536 BGB vor, der sogar die Sicherheit des Mietobjekts und der Mieter gefährden könnte.

21

An der Decke im Verkaufsraum über dem Tresen sind in dem gesamten Bereich Spuren von Feuchtigkeits- bzw. Wasserschäden zu erkennen, ohne dass hierzu sachverständige Kenntnisse erforderlich sind. Die Fugen zwischen den Platten der abgehängten Decke sind bräunlich verfärbt. An dem Übergang zu dem Wanddurchbruch in Richtung Eingangsbereich und Fußgängerzone ist die Tapete gewellt, weil sie offenbar nass geworden ist. Es handelt sich um eine feste Tapete mit einer glatten, reliefartigen Beschichtung, bei der schwer zu fühlen ist, ob aktuell noch Restfeuchtigkeit vorhanden ist. Insoweit konnten keine Feststellungen getroffen werden. Die Tapetenränder weisen ebenfalls bräunliche Verfärbungen auf, die auf Wasserschäden schließen lassen. Da die Geschäftsführerin der Beklagten zu 2 erklärte, ihr Bruder habe, wie dies regelmäßig erforderlich sei, kürzlich die betroffenen Deckenplatten in diesem Bereich ausgetauscht, weil diese infolge Feuchtigkeit immer wieder auf den Verkaufs- und Getränketresen sowie auf die Mitarbeiter herunterfielen, wurde das dahinter und schräg über diesen Örtlichkeiten befindliche Treppenhaus des Gebäudes besichtigt. Hierbei stellte sich eine aktuelle und erhebliche Feuchtigkeitsbeeinträchtigung des Mauerwerks zum Restaurant und der Treppe heraus. Die Innenwand weist überall massive dunkle Feuchtigkeits- und Stockflecken auf, deren modriger Geruch deutlich zu spüren ist. Die Treppe zum ersten Obergeschoss ist von unten mit Platten verkleidet, ähnlich den an der Decke des streitbefangenen Verkaufsraums verlegten Platten. Diese Platten haben sich teilweise ganz gelöst und die alte Holztreppe darunter ist zu erkennen, erbaut mit Balken, an denen noch das alte Stadtwappen von ... angebracht ist. Teilweise hängen die Platten halb herunter und drohen herunterzufallen. Die Platten sind deutlich von Feuchtigkeit durchdrungen, so dass sie sich durchbiegen und eben auch herunter"hängen" können wie Stofftücher. Das Treppenhaus vermittelt einen einsturzgefährdeten Eindruck, nicht nur wegen der bereits herunterfallenden Platten, sondern auch weil die von ihnen verdeckten uralten Holzbalken der Treppenkonstruktion ersichtlich von Feuchtigkeit und Moder befallen sind oder waren. Dass die noch vorhandene Feuchtigkeit aus dem Mauerwerk in die Decke des dahinter befindlichen Verkaufsraums der gemieteten Räumlichkeiten der Beklagten zu 2 eindringt und auch dort die Deckenplatten erfasst, die allein durch das nässebedingte Gewicht nicht dauerhaft halten können, bedarf keines Sachverständigenbeweises. Diese Erscheinung drängt sich in dem hier betroffenen Objekt dem bloßen Auge geradezu auf, sie ist hinsichtlich ihrer Auswirkungen mit gesundem Menschenverstand zu erfassen, und außerdem sind der erkennenden ... die Folgen von Feuchtigkeit in Gebäuden aufgrund einer Vielzahl von Bauprozessen bekannt und machen sich hier deutlich bemerkbar.

22

Ungeachtet der weiteren streitbefangenen Mängel ist die Beklagte zu 2) bereits wegen dieses Feuchtigkeitsproblems zu einer Minderung des Mietzinses berechtigt, auch wenn es nach ihren Angaben wegen des Leerstandes der darüber liegenden Wohnung nicht akut sein soll. Die Wohnung kann jederzeit wieder bewohnt werden, zudem ist der Feuchtigkeitsbefall im Treppenhaus derart massiv, dass der Zusammenhang mit dem Leerstand einer Wohnung zweitrangig erscheint.

23

Weitere streitbefangenen Mängel wie eine gelockerte Fliese auf der Eingangstreppe, die Wölbung im Eingangsbereich als optische Mängel und Stolperfallen für Kunden und Mitarbeiter wurden im Rahmen der Beweisaufnahme bei dem Ortstermin ebenso festgestellt wie die wackelnde Türzarge zur Damentoilette, die ungeeigneten, weil rutschigen Feinsteinzeugfliesen auf der Außentreppe zur Küche und der kaputte und korrodierte Gitterrost am Fuß der Kellertreppe - ebenfalls eine gefährliche Stolperstelle für Mitarbeiter.

24

Auf dem Fußboden des ebenfalls modrig riechenden alten Kellergewölbes befand sich teilweise Mäuse- oder Rattenkot.

25

Auf die gerügten Mängel hinsichtlich der Heizung, die das Gericht bei dem Ortstermin mangels insoweit vorhandener Fachkenntnisse und weil keine Heizperiode herrschte, nicht feststellen konnte, kommt es für die Entscheidung nicht an.

26

Es ist allgemein bekannt, dass sehr alte Gebäude wie das Haus, in dem sich das Mietobjekt befindet, häufiger Reparaturen und Instandsetzungen bedürfen und in ihrer Bausubstanz beeinträchtigt sein können. Ein Mieter kann an ein solches Gebäude nicht dieselben Anforderungen stellen wie an einen Neubau mit einer Ausstattung der modernen Bautechnik entsprechend. Gleichwohl darf ein gewerblicher Mieter erwarten, dass die gemieteten Räumlichkeiten und sein Inventar frei von Feuchtigkeit mit allen damit verbundenen Folgeerscheinungen bleibt, dass ihm insbesondere keine durchnässten Deckenplatten auf den Kopf fallen oder das Inventar beschädigen und dass bauliche Fehler fachgerecht beseitigt werden. Diesen Anforderungen wird das vorgefundene Mietobjekt in keiner Weise gerecht.

27

2. Das Minderungsrecht der Beklagten zu 2 ist nicht gemäß § 536b BGB infolge Kenntnis bei Vertragschluss ausgeschlossen. Hiernach stehen dem Mieter die Gewährleistungsrechte nicht zu, wenn er den Mangel bei Vertragschluss kennt und sich seine Rechte bei der Annahme nicht vorbehält. Die Geschäftsführerin zu 2 hat in ihrer Anhörung mehrfach von allein und auch auf Nachfrage überzeugend und glaubhaft erklärt, sie habe mit dem Vermieter ... wiederholt über sämtliche streitbefangenen Mängel gesprochen. Dieser sei sehr an einer Fortsetzung des Mietverhältnisses interessiert gewesen, sie habe jedoch noch vor Unterzeichnung des neuen Mietvertrags ausdrücklich zur Voraussetzung gemacht, dass die gerügten Mängel beseitigt würden. Er habe versichert, dies zu veranlassen. Nur deshalb habe sie sich auf den erneuten Mietvertrag zu diesem Mietzins eingelassen. Das Gericht ist nach dem Gesamteindruck von dem Ortstermin und dem Verhalten der Geschäftsführerin der Beklagten zu 2 davon überzeugt, dass sie sich ihre Rechte wegen der bekannten streitbefangenen Mängel bei Vertragschluss vorbehalten hat und dies beiden Vertragsparteien klar war. Einer zusätzlichen Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen ... bedarf es deshalb nicht.

28

Unstreitig hat der Vermieter in der Zeit vor und nach Vertragschluss jedenfalls den Versuch von Nachbesserungen veranlasst wie den Austausch von Fliesen an der Küchentreppe - die neuen Fliesen sind heller als die anderen -, die Anbringung eines Klebebandes (!) zur Eindämmung der Rutschgefahr, Arbeiten an der Eingangstür, die allerdings im Ergebnis optisch und technisch missglückt sind, weil der Putz am Mauerwerk nunmehr stellenweise fehlt, der Bitumen-Fußboden nicht gleichmäßig aufgebracht und verstrichen ist und zudem bei Wärme eine Wölbung nach oben im Bereich von ca. 60 Quadratzentimetern aufweist. Hinzu kommt die wiederholte Beauftragung des Heizungsmonteurs mit streitigem Erfolg.

29

Es ist zudem nicht vorstellbar, dass eine Geschäftsfrau wie die Geschäftsführerin der Beklagten zu 2, die in den beiden Gerichtsterminen, bei denen sie anwesend war, durchaus den Eindruck vermittelt hat, ihre Interessen nachdrücklich vertreten zu können, sehenden Auges einen neuen Mietvertrag über ein ersichtlich altes, baufälliges und mangelbehaftetes Mietobjekt abschließt, ohne sich mit dem Vermieter über die Behandlung der bekannten Mängel zu verständigen und sich Gewährleistungsrechte vorzubehalten. Die Geschäftsführerin der Beklagten zu 2 beherrscht auch die deutsche Sprache so gut, dass sie nach dem Eindruck des Gerichts derartige Verhandlungen ohne weiteres zu führen in der Lage ist.

30

Die gerügten Mängel sind nicht versteckt oder kaum bemerkbar, sondern sie stellen ein nachvollziehbar stetes Ärgernis bei dem Gebrauch der Mietsache durch Mitarbeiter und Kunden dar, weil die Eingangstür je nach Außentemperatur auf dem Boden schabt, die Fliese auf der Eingangsstufe wackelt und die Platten von der Decke fallen. Hierauf lässt sich eine kaufmännisch denkende und kalkulierende Geschäftsfrau entweder nur zu einem - hier nicht vereinbarten - sehr niedrigen Mietzins ein, um dann selbst handwerklich tätig zu werden, oder sie behält sich bei Unterzeichnung des Mietvertrags ihre Rechte wegen der Mängel vor. Letzteres hat die Geschäftsführerin der Beklagten zu 2 hier nach der Überzeugung des Gerichts getan.

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3. Die von der Beklagten zu 2 vorgenommene Minderung des Mietzinses ist auch der Höhe nach gerechtfertigt. Insgesamt hat sie den Nettokaltmietzins in Höhe von 1.050,00 € binnen 31 Monaten (32.550,00 €) in Höhe von 12.775,50 € gemindert. Dies entspricht einer Mietminderung von monatlich durchschnittlich 412,11 € bzw. 39 % des vertraglich vereinbarten Nettomietzinses und ist angesichts der Anzahl der Mängel und des Gewichts insbesondere des Feuchtigkeitsschadens angemessen.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.