Sozialgericht Oldenburg
Urt. v. 06.03.2012, Az.: S 5 R 106/10

Rechtmäßigkeit einer Rückforderung von Altersrente; Anforderungen an den Anspruch auf eine Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze; Maßgeblichkeit eines Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze

Bibliographie

Gericht
SG Oldenburg
Datum
06.03.2012
Aktenzeichen
S 5 R 106/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 20012
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGOLDBG:2012:0306.S5R106.10.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
LSG Niedersachsen-Bremen - 29.04.2014 - AZ: L 2/12 R 113/12

Fundstelle

  • DStR 2012, 1353-1355

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 11.02.2010 und der Widerspruchsbescheid vom 27.04.2010 werden hinsichtlich der Höhe der Rückforderungsbeiträge geändert. Die Beklagte wird verurteilt, den Rückforderungsbetrag neu zu berechnen, indem für die Monate Januar und Februar 2007 ein Anspruch auf eine 2/3 Rente und für die Zeit von März 2007 bis Oktober 2007 ein Anspruch auf eine 1/3 Rente zugrunde gelegt wird und der damit jeweils zustehende Rentenanspruch um den Betrag vermindert wird, um den das von der Klägerin erzielte monatliche Einkommen lt. Einkommensteuerbescheid vom 12.02.2008 die jeweils maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen dieser Rentenansprüche übersteigt. Um Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu 1/3 zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Bescheides, mit dem Altersrente zurückgefordert wurde.

2

Die Klägerin bezieht von der Beklagten lt. Bescheid vom 13.12.2004 eine Altersrente für Frauen ab Vollendung des 60. Lebensjahres mit einem Zahlbetrag vom 354,67 EUR. Die Klägerin wurde in dem Bescheid über die Bewilligung der Rente auf die Hinzuverdienst-grenze hingewiesen. Sie war selbständig erwerbstätig mit einer Pension. Auf die Rente anzurechnende Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit ergaben sich in den Jahren bis inklusive 2005 nicht.

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Mit Schriftsatz vom 01.11.2007 machte der Bevollmächtigte der Klägerin Mitteilung über eine Betriebsaufgabe zum 31.10.2007. Aufgrund dieser Mitteilung berechnete die Beklagte die der Klägerin gewährte Rente mit Rentenbescheid vom 11.01.2008 neu ab 01.11.2007. Diese Neuberechnung beruhte auf der Aufgabe der selbständigen Tätigkeit und führte zu einer Rückforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bzw. von gezahlten Zuschüssen.

4

Am 12.02.2008 wurde ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 erstellt, der ein Einkommen von 2.013,- EUR für das gesamte Jahr ergab. Mit weiterem Einkommensteuer-bescheid vom 09.09 2008 wurde das Einkommen der Klägerin für das Jahr 2007 festgestellt und darin ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 9.523,- EUR ausgewiesen. Auf Nachfrage der Beklagten gab die Klägerin an, dass das Haus, in dem die Pension betrieben worden sei, zum Teil von ihrer Mutter bewohnt werde. Es sei deshalb nicht verkauft worden. Vielmehr sei es in das Privatvermögen der Klägerin übernommen worden. Das Finanzamt besteuere bei der Betriebsaufgabe das Haus im Wege der sog. Zweckbesteuerung, weil es ins Privatvermögen überführt worden sei.

5

Am 28.12.2008 hörte die Beklagte die Klägerin zu der beabsichtigten Rentenrückforderung für die Zeit vom 01.01. - 31.10.2007 an und wies darauf hin, dass der Hinzuverdienst in dieser Zeit 932,20 EUR pro Monat betragen habe. Aus diesem Grunde seien die Hinzuverdienstgrenzen überschritten und die Rente sei zurückzuzahlen.

6

Am 18.01.2010 nahm die Klägerin Stellung zu der Anhörung und teilte mit, dass der Aufgabegewinn nicht anzurechnen sei, weil er nicht mit einem Vermögenszuwachs verbunden gewesen sei.

7

Mit Bescheid vom 11.02.2010 hob die Beklagte den Bescheid vom 28.02.2005 für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.10.2007 nach § 48 Abs. 1 Nr.3 SGB X auf und forderte überzahlte Rentenbeträge in Höhe von 3.429,13 EUR zurück. Sie lehnte es ab, auf die Rückforderung im Wege des Ermessens zu verzichten.

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Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 17.02.2010 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2010 zurückwies.

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Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 25.05.2010 Klage erhoben.

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Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die Rückforderung nicht zulässig sei. Die steuer-rechtlich erzielten Gewinne aus der Aufgabe der selbständigen Tätigkeit seien kein Arbeitseinkommen i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Entsprechende Gewinne müssten aus einer selbständigen Tätigkeit stammen. Im Falle der Klägerin sei zu verneinen, dass die Einnahmen aus einer eigenen selbständigen Tätigkeit erzielt worden seien. Die Klägerin habe ihren Betrieb aufgegeben und gerade nicht durch eigene Arbeit sondern durch Überführung des Hauses ins Privatvermögen Einkünfte erzielt. Diese könnten nicht als Einkommen i. S. des § 15 SGB IV bewertet werden. § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV schreibe zudem vor, dass nur nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts erzielter Gewinn als Einkommen gelte. Die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften seien die § 4 - 7 k des Einkommensteuergesetzes, nicht aber die spezielle Vorschrift des § 16, die als besondere Gewinnermittlungsvorschrift anzusehen sei. Die danach festzustellenden Gewinne seien deswegen schon aufgrund des Wortlautes des § 15 SGB IV nicht zu den Einkünften aus dem Gewerbebetrieb der Klägerin zu rechnen.

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Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2010 aufzuheben.

12

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

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Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand des Verfahrens gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozess- und Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig. Sie ist auch teilweise begründet. Der von der Beklagten ermittelte Rückforderungsbetrag war herabzusetzen.

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Nach § 34 Abs. 2 SGB VI besteht Anspruch auf eine Rente wegen Alters vor Erreichen der Regelaltersgrenze nur, wenn die Hinzuverdienstgrenzen nicht überschritten werden. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Absatz 3 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein 2-maliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs. 3 des § 34 SGB VI im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Die einzelnen Hinzuverdienstgrenzen ergeben sich aus § 34 Abs. 3 SGB VI.

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Im vorliegenden Verfahren war die Beklagte berechtigt, die lt. Einkommensteuerbescheid vom 09.09.2008 erzielten Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von 9.323,- EUR als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit anzurechnen.

18

Nach § 15 Abs. 1 SGB VI ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Es muss dabei aus einer selbständigen Tätigkeit resultieren, d.h. es muss sich um eine Verwertung oder den Einsatz der Arbeitskraft des Steuerpflichtigen gehandelt haben. Insoweit findet keine uneingeschränkte Anknüpfung an das Steuerrecht statt sondern es sind in bestimmten Einzelfällen vom Finanzamt als steuerlicher Gewinn bewertete Einkünfte nicht als Arbeitseinkommen anzusehen (vgl. Kasseler-Kommentar-Seewald § 15 SGB IV Anm. 5). Wenn fest steht, dass Einnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit stammen, also Arbeitseinkommen vorliegt, ist dieses nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften festzustellen und soll aus dem Steuerbescheid übernommen werden ( vgl. Kasseler-Kommentar-Seewald a.a.O. Anm. 10 m. Hinweis auf Bundestagsdrucksache 12-5700 S. 92). Einschlägig sind steuer-rechtlich die Reglungen zum Gewinn, dass sind gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) u.a. Einkünfte aus Gewerbsbetrieb und selbständiger Arbeit, deren Berechnung in den §§ 4 - 7 k EStG näher geregelt ist.

19

Der von der Klägerin durch die Übernahme des Hauses, in dem die Pension betrieben wurde, erzielte Aufgabegewinn mit Beendigung der selbständigen Tätigkeit ist als solche Einnahme aus selbständiger Tätigkeit zu werten. Die Veräußerung eines Gewerbebetriebes im Ganzen oder einzelner Teile oder die Überführung des Gewerbebetriebes ins Privatvermögen des Unternehmers sind als letzte gewerbliche Handlung des Unternehmers steuerrechtlich noch zur Ausübung des Betriebes zu rechnen (vgl. Blümig, Einkommen- Steuergesetz, 113. Auflage § 16 Anm. 3; BFH v. 02.03.1989 - Az. IV R 128/86). Der Aufgabegewinn stellt damit Arbeitseinkommen i. S. der vorgenannten gesetzlichen Vorschrift des § 15 SGB IV dar, weil diese Einnahme der von der Klägerin verrichteten selbständigen Tätigkeit als letzte gewerbliche Handlung zuzuordnen ist.

20

Die Steuerpflicht eines solchen Aufgabegewinnes braucht auch nicht ausdrücklich im Einkommenssteuergesetz geregelt zu werden, sondern ergibt sich bereits aus dem all-gemeinen Gewinnbegriff in den §§ 2, 4 Abs. 1 und § 5 EStG. § 16 EStG bedeutet insoweit keine konstitutive Regelung dahingehend, dass durch diese Norm eine Steuerpflicht des Aufgabegewinnes begründet wird, die ohne diese Vorschrift nicht bestehen würde, sondern § 16 stellt lediglich eine Klarstellung der Rechtslage auch für die Betriebsaufgabe dar (vgl. Blümig a.a.O. Anm. 4 m.w.N. aus d. Rechtsprechung u. Literatur). Denn auch die Besteuerung des Betriebsaufgabegewinnes lässt sich aus den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts herleiten. Selbständige Bedeutung hat der § 16 EStG lediglich für Steuervergünstigungen auf diese Gewinne ( vgl. Blümig a.a.O. Anm. 4). Nur wegen dieser Steuervergünstigungen ist eine gesonderte Ermittlung eines Aufgabegewinnes erforderlich (vgl. dazu auch Ludwig Schmidt, EStG, 22. Auflage 2003, § 16 Anm. 6 m.w.N.).

21

Die vom Bevollmächtigten der Klägerin vertretene Rechtsauffassung, dass der Aufgabe-gewinn schon deshalb kein Arbeitseinkommen i. S. des § 15 SGB IV sein kann, weil sich die Anrechnung des Aufgabegewinnes auf den Gewinn aus der selbständigen Erwerbstätigkeit nicht aus den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ergibt, ist mithin nicht zutreffend. Nach einhelliger Auffassung in Literatur und Rechtsprechung ergibt sich die Steuerpflicht dieses Aufgabegewinnes bereits aus den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften, die in § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB V ausdrücklich genannt werden.

22

Diese Rechtsauffassung entspricht auch der in der sozialrechtlichen Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretene Auffassung zur Berücksichtigung des Aufgabegewinnes bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit (vgl. dazu [...]Praxis-Kommentar Fischer § 15 SGB IV, Stand 01.02.2011 Anm. 36; BSG v. 22.3.2006 - Az. B 12 KR 8/05 R Anm. 18, zit. n. [...]Datenbank; LSG Rheinland-Pfalz v. 09.09.2004 - Az. L 5 LW 5/04 Anm. 21 ebenfalls zit. n. [...]Datenbank).

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Auch die historische Entwicklung der Regelung des § 15 SGB IV stützt die in diesen Urteilen vertretene Auffassung. In der bis 31.12.1994 geltenden Fassung des § 15 SGB IV war in Satz 2 ausdrücklich die Regelung enthalten, dass Veräußerungsgewinne vom nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn abzuziehen waren. Diese Regelungen hat der Gesetzgeber mit dem Ziel, eine enge Anbindung der Ermittlungen des Arbeitseinkommens an das Einkommensteuerrecht zu ermöglichen, in § 15 SGB IV gestrichen. Da nach den vorstehenden Ausführungen Veräußerungsgewinn und auch Aufgabegewinn zu dem Gewinn gehören, wie er nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelt worden ist, kann die Streichung dieser Vorschrift in § 15 Satz 2 SGB IV alte Fassung nur dahingehend verstanden werden, dass der Gesetzgeber auch entsprechende Veräußerungsgewinne zum Arbeitseinkommen i. S. des § 15 SGB IV gezählt haben wollte. Vor diesem Hintergrund ist die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des Einkommens der Klägerin nach § 15 SGB IV nicht zu beanstanden.

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Die Beklagte war auch berechtigt, den Rentenbewilligungsbescheid aus dem Jahr 2005 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 SGB X zumindest teilweise für die Vergangenheit zurückzunehmen und überzahlte Rentenbeträge nach § 50 SGB X zurückzufordern.

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Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

26

3.

nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Ziff. SGB X).

27

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

28

In den tatsächlichen Verhältnissen ist seit der Rentenbewilligung zu Gunsten der Klägerin mit Bescheid vom 13.12.2004 eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, die zur teilweisen Aufhebung dieser Rentenbewilligung berechtigt. Wie bereits festgestellt, hat die Klägerin nach den Feststellungen des Einkommensteuerbescheides vom 09.09.2008 für das Jahr 2007 Arbeitseinkommen ii. S. des § 15 SGB IV erzielt, dass die Hinzuverdienstgrenzen für eine volle Rente überschreitet, so dass die Beklagte berechtigt war, die Rentenbewilligung bezüglich der vollen Rente aufzuheben. Fristen für die rückwirkende Aufhebung durch den Bescheid vom 11.02.2010 sind im vorliegenden Fall sämtlich eingehalten. Insbesondere die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 4 SGB X ist nicht abgelaufen, da die Beklagte zunächst ermitteln musste, welcher Hinzuverdienst im Jahr 2007 tatsächlich vorgelegen hat und erst danach die Anhörung der Klägerin zur beabsichtigten Aufhebung erfolgen konnte. Durch den Bescheid vom 11.02.2010 wurde somit die Jahresfrist nach den vorgenannten Vorschriften gewahrt, weil erst nach Klärung der zugrunde liegenden steuerrechtlichen Berechnungen im November 2009 vollständige Kenntnis der Sachbearbeitung der Beklagten zur beabsichtigten Entscheidung vorlag.

29

Die Beklagte war jedoch nicht berechtigt, für die Monate Januar und Februar 2007 die Rente insoweit zurückzufordern, als mehr als eine halbe Rente gezahlt worden ist und für die restlichen Monate die komplette Rente zurückzufordern.

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Es ist zutreffend, dass die Klägerin mit dem steuerrechtlich festgestellten Einkommen die Hinzuverdienstgrenze für die 2/3-Rente in den Monaten Januar und Februar überschritten hatte und für die restlichen Monate auch die Hinzuverdienstgrenze für eine 1/3-Rente überschritten war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann jedoch bei der rückwirkenden Aufhebung einer Rentenbewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 SGB X die Rentenbewilligung bei einer Aufhebung für die Vergangenheit nur in Höhe des Mehrverdienstes aufgehoben werden, um den die zulässige Hinzuverdienstgrenze überschritten worden ist (vgl. dazu Kasseler-Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 48 SGB X Anm. 50; BSG in SozR 3 - 1300 § 48 Nr. 37 u. 42). Dieser Rechtsprechung schließt sich die erkennende Kammer in vollem Umfang an. Im vorliegenden Verfahren führt dieses dazu, dass die Beklagte nur berechtigt ist, für die Monate Januar und Februar die Rentenbewilligung insoweit aufzuheben, als der Klägerin in diesen Monaten eine 2/3-Rente zustand, die jedoch um den Betrag zu reduzieren war, um den der Hinzuverdienst der Klägerin den zulässigen Hinzuverdienst für die 2/3-Rente überschritten hat. Der sich daraus ergebene Zahlbetrag ist für die Klägerin günstiger als die von der Beklagten zugrunde gelegte halbe Rente bei der Berechnung des Rückforderungsbetrages. Für die übrigen Monate hat die Klägerin zwar die Hinzuverdienstgrenze für die 1/3-Rente überschritten. Analog zu der vorstehend geschilderten Berechnungsweise hat die Beklagte den Rückforderungsbetrag für diese Monate zu berechnen, in dem ein Anspruch der Klägerin auf eine 1/3-Rente zugrunde gelegt wird und von dieser 1/3-Rente der Hinzuverdienst abgezogen wird, um den das festgestellte Einkommen der Klägerin die Hinzuverdienstgrenze für die 1/3-Rente überschritten hat. Auf der Basis dieser Berechnung hat die Beklagte den Rückforderungsbetrag für Januar bis Oktober 2007 neu zu berechnen.

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Eine Rechtswidrigkeit der von der Beklagten erlassenen Bescheide ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte möglicherweise ihr Ermessen bei der Rückforderung nicht zu-treffend ausgeübt hat. Grundsätzlich steht eine rückwirkende Aufhebung einer Renten-bewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 SGB X nicht im Ermessen des Sozialversicherungsträgers sondern ist eine gebundene Entscheidung. Die Verwendung des Wortes soll in § 48 Abs. 1 SGB X hat für eine rückwirkende Aufhebung nach dieser Norm zur Folge, dass in atypischen Fallgestaltungen die Behörde ihr Ermessen zur rückwirkenden Aufhebung der Rentenbewilligung auszuüben hat. Im vorliegenden Verfahren vermag das Gericht jedoch keine Gesichtspunkte zu erkennen, die eine atypische Fallgestaltung, die zur Ermessensausübung zwingen könnte, belegen könnten. Die rückwirkende Berechnung der eigentlich zustehenden Rente ist bei selbständig Erwerbstätigen aufgrund der erst nachträglich feststellbaren anrechenbaren Einkünfte vielmehr der Normalfall, der nicht dazu führen kann, dass aus dieser rückwirkenden Feststellung der Einkünfte auf eine atypischer Fallgestaltung geschlossen werden kann. Auch die Tatsache, dass sich der Gewinn der selbständigen Erwerbstätigkeit der Klägerin im Jahr 2007 aus einem Aufgabegewinn aus der selbständigen Tätigkeit errechnet, stellt keine atypische Fallgestaltung dar sondern ist vielmehr bei der Berechnung der Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit die Regel. Jedwede Art von Kapitalverschiebung aus dem Firmenvermögen in das Privatvermögen stellen bei selbständig Erwerbstätigen Gewinne dar, so dass sie eine atypische Fallgestaltung i. S. des § 48 SGB X nicht zu begründen vermögen. Sonstige Gesichtspunkte, die eine atypische Fallgestaltung rechtfertigen könnten, sind für das Gericht nicht ersichtlich. Insbesondere ist auch aufgrund des Einkommens des Ehemannes der Klägerin lt. Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch die rückwirkende Aufhebung der Rentenbewilligung z.B. sozialhilfebedürftig würde. Vor diesem Hintergrund kann die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide durch ein Ermessensdefizit nicht begründet werden.

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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.