Sozialgericht Oldenburg
Urt. v. 07.03.2012, Az.: S 81 R 241/11

Rechtmäßigkeit einer Rückforderung von Rentenzahlungen aufgrund der Anrechnung von Hinzuverdienst; Eintritt einer Änderung tatsächlicher oder rechtlicher Art nach Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung; Maßgeblichkeit einer Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze

Bibliographie

Gericht
SG Oldenburg
Datum
07.03.2012
Aktenzeichen
S 81 R 241/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 20014
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGOLDBG:2012:0307.S81R241.11.0A

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 06.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2011 wird hinsichtlich der Höhe des Rückforderungsbetrages teilweise aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, den Rückforderungsbetrag neu zu berechnen, indem ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von drei Vierteln zugrunde gelegt wird und bei dem entsprechenden Auszahlungsbetrag der laut Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 21.05.2010 erzielte Hinzuverdienst abgezogen wird, der die maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen überschreitet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Rentenzahlungen aufgrund Anrechnung von Hinzuverdienst im Jahre 2008.

2

Der im Jahre 1951 geborene Kläger ist von Beruf Zahntechnikermeister und seit 1982 selbständig tätig. Er beantragte im Jahre 2007 die Zahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, die ihm seit dem 01.07.2007 grundsätzlich zuerkannt wurde. In dem Bescheid vom 06.06.2008 wurde der Kläger auf die Anrechnung des Arbeitseinkommens aus selbständiger Tätigkeit hingewiesen. Die Hinzuverdienstgrenzen wurden im Einzelnen dargestellt. Wegen erheblicher Einkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit als Betreiber eines Dentallabors ruhte die Rentenauszahlung seit Rentenbeginn.

3

Nachdem der Kläger für Oktober 2008 einen Verlust nachwies, zahlte die Beklagte die Erwerbsminderungsrente für diesen Monat voll aus. Nachdem der Kläger im Februar 2009 eine betriebswirtschaftliche Auswertung für das gesamte Jahr 2008 einreichte, wonach ein Unternehmensergebnis in Höhe von 8.529 EUR vorlag, zahlte die Beklagte auch für Dezember 2008 die volle Rente aus. In dem entsprechenden Bescheid vom 10.02.2009 stellte sie erneut die Hinzuverdienstgrenzen dar.

4

Der Kläger legte Widerspruch ein und begehrte die Auszahlung der Rente für das gesamte Jahr 2008 auf der Grundlage der betriebswirtschaftlichen Auswertung. Nach Rückfrage erklärte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten, er begehre eine Auszahlung auf Grundlage des Gesamtjahresergebnisses, nicht eine monatliche Prüfung durch Vorlage monatlicher Auswertungen. Er reichte eine neue betriebswirtschaftliche Auswertung für das Jahr 2008 zur Akte, wonach das Unternehmensergebnis 4.164 EUR betrug.

5

Mit Bescheid vom 17.04.2009 wurde dem Kläger daraufhin für das gesamte Jahr 2008 unter Berücksichtigung des durch betriebswirtschaftliche Auswertung nachgewiesenen Hinzuverdienstes (4.164 EUR: 12 Monate = 347 Euro Monatsverdienst) Rente in voller Höhe ausgezahlt. Die Beklagte behielt sich ausdrücklich vor, den Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, wenn sich nachträglich herausstellt, dass ein wesentlich abweichendes Einkommen erzielt wurde. Zu.U.nrecht erbrachte Leistungen seien dann zu erstatten.

6

Mit Einkommensteuerbescheid vom 21.05.2010 für das Jahr 2008 wurden Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 8.476 EUR festgesetzt.

7

Mit Schreiben vom 01.07.2010 wurde der Kläger hinsichtlich einer beabsichtigten teilweisen Aufhebung des Rentenauszahlungsbescheides vom 17.04.2009 angehört. Der Kläger führte aus, nach Abzug aufzuwendender betrieblicher Darlehensverbindlichkeiten sowie von Investitionskosten blieben kaum Einnahmen übrig.

8

Mit Bescheid vom 06.08.2010 hob die Beklagte den Bescheid vom 17.04.2009 für den Zeitraum des Jahres 2008 teilweise auf. Es sei zu.U.nrecht erhaltene Rente in Höhe von 3.025,56 Euro zu erstatten, da aufgrund des erzielten Hinzuverdienstes nur Rente in Höhe der Hälfte zugestanden hätte. Rente wegen Erwerbsminderung werde gem. § 96 a SGB VI nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenzen nicht überschritten würden. Der Verwaltungsakt über die Rentenauszahlung sei gem. § 48 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, weil Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei, das zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

9

Der Kläger legte am 24.08.2010 Widerspruch ein. Der sich aus dem Betriebsergebnis ergebende Gewinn sei nicht gleichbedeutend mit Einkommen. Es seien noch betriebliche Darlehensraten und Kosten für Investitionen, die Einkommensteuer sowie Kosten für Kranken- und Unfallversicherungsbeiträge abzuziehen. Der beabsichtige, den Betrieb aufzugeben, habe aber bisher keinen Nachfolger gefunden.

10

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.03.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie wiederholte und vertiefte ihr Vorbringen aus dem Bescheid. Die Hinzuverdienstgrenze würden für die Rente in voller Höhe: 400 EUR betragen, für die Rente in Höhe von drei Vierteln: 633,68 EUR, für die Rente in Höhe der Hälfte 857,33 EUR und für die Rente in Höhe von einem Viertel: 1.043,70 EUR.

11

Die Jahreseinkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb im Jahre 2008 in Höhe von 8.476 EUR entsprächen einem monatlichen Hinzuverdienst von 706,33 EUR, somit habe nur ein Anspruch auf eine Rente in Höhe der Hälfte bestanden.

12

Anzurechnendes Arbeitseinkommen in diesem Sinne sei gem. § 15 Abs. 1 SGB VI der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen sei als Arbeitseinkommen zu werden, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten sei. Es gebe keinen Spielraum, den Einkommensbegriff im Sozialversicherungsrecht abweichend zu definieren. Insoweit hätten sich die tatsächlichen Verhältnisse durch den Einkommensteuerbescheid nachträglich geändert. Ein atypischer Fall liege nicht vor. Der Betrag sei daher nach § 50 SGB X vom Kläger zu erstatten.

13

Mit seiner am 27.04.2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und wiederholt die im Widerspruchsverfahren vorgetragene Begründung.

14

Er beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 06.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2011 aufzuheben.

15

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Sie bezieht sich auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Höhe der Rückforderung zum Teil in seinen Rechten verletzt, da die Beklagte zuviel gezahlte Erwerbsminderungsrente nur nach einer Günstigkeitsberechnung zurückverlangen durfte.

19

1.

Die Voraussetzungen einer teilweisen Rückforderung der Rentenauszahlung für das Jahr 2008 sind gegeben. Richtige Anspruchsgrundlage für die Rückforderung der Rentenzahlung ist § 48 Sozialgesetzbuch Zehn (SGB X).

20

§ 45 SGB X ist nicht einschlägig, weil der Bescheid der Beklagten vom 17.04.2009 über die Auszahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe ursprünglich rechtmäßig war. Die Beklagte durfte die Rente in voller Höhe aufgrund der betriebswirtschaftlichen Auswertung auszahlen, da sie die Beurteilung des Hinzuverdienstes zunächst aufgrund einer solchen Auswertung vornehmen darf, solange ein Einkommensteuerbescheid noch nicht vorliegt. Der Bescheid war also zunächst rechtmäßig. Erst durch den Erlass des Einkommensteuerbescheides trat eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse ein.

21

Es wäre nicht interessengerecht, den Bescheid vom 17.04.2009 als von Anfang an rechtswidrig anzusehen. Denn die Einkommensverhältnisse eines selbständig Erwerbstätigen sind erst dann verbindlich festgestellt, wenn ein Einkommensteuerbescheid erlassen ist. Solange die Steuererklärung noch nicht abgegeben wurde, kann der Selbständige (auch für ein bereits abgelaufenes Wirtschaftsjahr) noch von den zulässigen steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten wie etwa einem Verlustvortrag oder von Rückstellungen bzw. deren Auflösung Gebrauch machen. Dadurch wird der steuerrechtliche Gewinn des Unternehmers erheblich beeinflusst. Aber auch mit Abgabe der Steuererklärung stehen die Einkommensverhältnisse noch nicht fest, da das Finanzamt die Erklärung (mit allen Möglichkeiten der Absetzung) noch umfangreich prüft und durchaus zu anderen Bewertungen des Gewinns kommen kann. Das Einkommen steht also zum Schluss eines Wirtschaftsjahres noch nicht fest, sondern erst durch Erlass des Einkommensteuerbescheides. Erst danach kann das Einkommen als endgültig erzielt angesehen werden. Durch den Einkommensteuerbescheid ändern sich verbindlich die Verhältnisse.

22

Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nr. 3 SGB X liegen hier vor. Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll nach Nr. 2 der Norm mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Der Verwaltungsakt soll nach Nr. 3 der Norm mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden hat, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

23

Die Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder 4 SGB X liegen nicht vor, da der Kläger nicht grob fahrlässig Mitteilungspflichten verletzt hat und auch nicht ersichtlich ist, dass ihm oder seinem Steuerberater Fehler in der betriebswirtschaftlichen Auswertung hätten klar sein müssen. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Auszahlungsbescheides Anfang 2009 durfte sich der Kläger für die Bezifferung seines Hinzuverdienstes an der betriebswirtschaftlichen Auswertung orientieren, einer Art vorläufigen Schätzung des Gewinns. Das Einreichen der betriebswirtschaftlichen Auswertung zur Berechnung der Rente ist zulässig und nicht verwerflich im Sinne der § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder 4 SGB X.

24

Es liegen aber die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vor. Danach soll eine Anpassung mit Rückwirkung erfolgen, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen mit Auswirkung auf den Leistungsanspruch erzielt worden ist. Eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 SGB X kommt in Betracht, wenn nach Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung eine Änderung tatsächlicher oder rechtlicher Art eingetreten ist. (BSG, Urt. v. 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R).

25

So liegt der Fall hier. Der Kläger hat auf Grundlage einer betriebswirtschaftlichen Auswertung für das Jahr 2008 Rente in voller Höhe ausgezahlt bekommen. Später hat sich durch die Feststellungen des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 herausgestellt, dass der erzielte Hinzuverdienst die Hinzuverdienstgrenzen überschritten hat. Die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen war nicht von Anfang an klar, sondern stellte sich erst Nachträglich mit Erlass des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 heraus. Denn das Einkommen eines Selbständigen ist, wie bereits dargelegt, erst feststehend, und damit erst endgültig "erzielt", wenn der Einkommensteuerbescheid erlassen ist. Erst zu diesem Zeitpunkt steht der Gewinn unter Nutzung aller steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten fest. Ist der Hinzuverdienst im Rahmen einer Erwerbsminderungsrente zunächst anhand einer betriebswirtschaftlichen Auswertung geschätzt worden, tritt durch den Erlass des Einkommensteuerbescheides eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse ein. Die Aufhebung der Rentenauszahlung wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen folglich nach § 48 SGB X möglich. Dem Grunde nach durfte die Beklagte also ausgezahlte Rente zurückfordern. Insofern konnte die Klage also keinen Erfolg haben.

26

2.

Hinsichtlich der Höhe des von der Beklagten zugrunde gelegten Hinzuverdienstes bestehen keine Bedenken. Die Beklagte hat richtigerweise die im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbetrieb als maßgeblich angesehen. § 96 a SGB VI selbst konkretisiert nicht den Begriff des Arbeitsentgeltes. Insoweit ist hier auf das Sozialgesetzbuch Vier (SGB IV) zurückzugreifen (BSG v. 07.10.2004 - B 13 RJ 13/04 R, zitiert nach [...]). Zu diesem Einkommen zählt nach § 18 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 SGB IV insbesondere Arbeitseinkommen, d.h. der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit gem. § 15 Abs. 1 SGB IV. Mit dem Verweis auf den "nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn" hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass auch die Höhe des insbesondere als Hinzuverdienst im Sozialrecht zu berücksichtigen Gewinns aus einer selbständigen Tätigkeit sich nach den steuerrechtlichen Vorgaben bemisst. Die Bezugnahme auf das Steuerrecht liegt darin begründet, dass hierdurch eine volle Parallelität zwischen dem Einkommensteuerrecht und dem Sozialversicherungsrecht erreicht werden soll und somit für die Begründung eines eigenständigen sozialversicherungsrechtlichen Einkommensbegriffs kein Raum ist. (vgl. BT-Drs. 12/5700, S. 92)

27

Der Kläger kann also nicht im Nachhinein von dem durch Einkommensteuerbescheid festgestellten Gewinn Abzüge, etwa durch Darlehensverbindlichkeiten und Investitionskosten vornehmen. Solche Betriebsausgaben sind bereits im Steuerverfahren zu berücksichtigen. Wenn der Kläger die Berechnung des Einkommensteuerbescheides nicht für richtig hält, so muss er sich gegen diesen wenden. Auch die Einkommensteuer oder Beiträge zu Versicherungen sind nicht in Abzug zu bringen, da der Bruttogewinn als Hinzuverdienst zugrunde zu legen ist, ebenso wie bei abhängig Beschäftigten der Bruttolohn.

28

3.

Rechtsfolge des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ist die Aufhebung des Rentenbescheides der Höhe nach. Allerdings berechtigt die Norm nur zur Aufhebung, "soweit" Einkommen oder Vermögen erzielt wurde. Führt das Überschreiten einer Verdienstgrenze, wie hier, zum Wegfall einer Sozialleistung, so kann nur in Höhe des Mehrverdienstes aufgehoben werden (Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 48 SGB X, Rn. 50 m.w.N.). Dies verpflichtet die Beklagte zu einer Günstigkeitsberechnung. Es ist die den Versicherten im Wege einer Gesamtbetrachtung am günstigsten stellende Höhe der Erwerbsminderungsrente (Rente in voller Höhe, in Höhe von drei Vierteln, in Höhe der Hälfte oder in Höhe eines Viertels) zu ermitteln und der in Bezug auf diese Rentenhöhe zuviel erzielte Hinzuverdienst vom danach noch bestehenden Rentenauszahlungsanspruch abzuziehen. Selbständige (mit nicht im Einzelnen vorhersehbaren Einkommensverhältnissen) dürfen hinsichtlich der Berechnung der Rentenhöhe nicht schlechter gestellt werden als angestellt erwerbstätige Empfänger einer Erwerbsminderungsrente (mit sofort feststehenden Einkünften). Letztere können im Vorhinein ihren Hinzuverdienst auf die Hinzuverdienstgrenzen einstellen und die Rentenhöhe lenken. Selbständige müssen im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X im Nachhinein durch eine Günstigkeitsberechnung insofern gleichgestellt werden, als die Rentenhöhe dem erzielten Verdienst in der für ihn am günstigsten Weise angepasst wird. Eine Schlechterstellung ist nicht gerechtfertigt, zumal der Durchschnittsgewinn eines gesamten Jahres nicht vorab planbar ist.

29

Nach § 96 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Abhängig vom erzielten Hinzuverdienst wird nach Abs. 1 a eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe, in Höhe von drei Vierteln, in Höhe der Hälfte oder in Höhe eines Viertels geleistet. Die Hinzuverdienstgrenze beträgt nach Abs. 2 Nr. 2 bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe 400 Euro, in Höhe von drei Vierteln das 0,17fache, in Höhe der Hälfte das 0,23fache und in Höhe eines Viertels das 0,28fache der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3) der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten.

30

Vorliegend lag das Einkommen des Klägers im Jahre 2008 laut Einkommensteuerbescheid bei (8.476 Euro: 12 Monate =) 706,33 Euro monatlich. Die Hinzuverdienstgrenze für die von ihm bezogene Erwerbsminderungsrente betrug für die Rente in voller Höhe: 400 EUR, für die Rente in Höhe von drei Vierteln: 633,68 EUR, für die Rente in Höhe der Hälfte 857,33 EUR und für die Rente in Höhe von einem Viertel: 1.043,70 EUR.

31

Die Hinzuverdienstgrenzen für eine Rente in voller Höhe und in Höhe von drei Vierteln wurden also überschritten. Die Einkommensverhältnisse hätten nur zu einer Rente in Höhe der Hälfte berechtigt.

32

Da eine Rückforderung aber nur erfolgen darf, "soweit" die Hinzuverdienstgrenzen überschritten wurden, hat die Beklagte in einem solchen Fall Probeberechnungen durchzuführen, unter Zugrundelegung welcher Rentenauszahlungshöhe dem Kläger der höchste Betrag erhalten bleibt. So wäre unter Zugrundelegung einer Rente in voller Höhe der gesamte Hinzuverdienst zurückzufordern, der über der Grenze von 400 Euro monatlich läge, also (8.476 Euro Einkommen - 4.800 EUR Jahresgrenze = ) 3.676 EUR. Unter Zugrundelegung einer Rente in Höhe von drei Vierteln wäre eine Viertel Rente zurückzufordern (etwa 1500 EUR) und der Hinzuverdienst, der den Betrag von monatlich 633,68 EUR überschritt (72,65 Euro monatlich x 12 Monate =) 870 Euro, so dass der Rückforderungsbetrag sich insgesamt auf etwa 2.370 EUR belaufen würde. Unter Zugrundelegung einer halben Rente wäre die Hälfte der ausgezahlten vollen Rente zurückzufordern, also etwa 3.000 Euro. Diese Beträge sind miteinander zu vergleichen und die den Kläger am besten stellende Berechnung zu wählen, vorliegend also die Berechnung anhand einer dreiviertel Rente.

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4.

Eine Rechtswidrigkeit der von der Beklagten erlassenen Bescheide ergibt sich nicht aus einem Ermessensfehler, da eine rückwirkende Aufhebung einer Rentenbewilligung nach § 48 Abs. 1 SGB X grundsätzlich nicht im Ermessen des Sozialversicherungsträgers steht, sondern eine gebundene Entscheidung ist. Anhaltpunkte für eine atypische Interessenlage bestehen nicht. Die rückwirkende Berechnung der eigentlich zustehenden Rente ist bei selbständigen Erwerbstätigkeiten aufgrund der erst nachträglich feststellbaren anrechenbaren Einkünfte vielmehr der Normalfall.

34

5.

Demnach waren die Bescheide der Höhe nach teilweise aufzuheben. Die Beklagte wird die Höhe der Rückforderung anhand einer dreiviertel Rente neu berechnen. Im Übrigen konnte die Klage keinen Erfolg haben.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz und entspricht dem inhaltlich ganz überwiegenden Aufrechterhalten der angefochtenen Bescheide.