Landgericht Verden
Beschl. v. 12.05.2009, Az.: 6 T 69/09
Nachbesserungsverfahren hinsichtlich der Vollständigkeit der Angaben durch einen Gerichtsvollzieher
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 12.05.2009
- Aktenzeichen
- 6 T 69/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 32936
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2009:0512.6T69.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Rotenburg-Wümme - 24.03.2009 - AZ: 2 M 902/08
Fundstellen
- FoVo 2009, 226-227
- JurBüro 2009, 441
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Zweck des Offenbarungsverfahrens ist es, den Schuldner zu zwingen, seine Vermögensverhältnisse so weit offen zu legen, dass der Gläubiger Klarheit über die Erfolgsaussicht weiterer Vollstreckungsversuche erhält.
- 2.
Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung hat ein selbständig tätiger Schuldner im Rahmen der Ergänzung einer eidesstattlichen Versicherung seine geschäftlichen Aktivitäten auch für einen zurückliegenden Zeitraum zu offenbaren. Ergänzende Fragen sind immer dann zuzulassen, wenn sie nicht offensichtlich auf Ausforschung der allgemeinen Lebensverhältnisse angelegt sind. Bei Selbständigen dürfen insoweit keine allzu strengen Maßstäbe angelegt werden, weil bei ihnen die Gefahr einer Verschleierung von Einkünften besonders hoch ist.
- 3.
Fragen zu abgeschlossenen Aufträgen sind demgemäß zulässig, wenn sie dazu dienen, dem Gläubiger ggf. weitere Vollstreckungsmöglichkeiten zu eröffnen.
In der Beschwerdesache
...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Verden
am 12.05.2009
durch
die Richterin am Landgericht Gudehus als Einzelrichterin
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts Rotenburg vom 24.03.2009 wie folgt abgeändert:
Der Obergerichtsvollzieher wird angewiesen, das Nachbesserungsverfahren im Hinblick auf die vom Schuldner am 22.02.2008 abgegebene eidesstattliche Versicherung hinsichtlich folgender Fragen zu betreiben:
- 1.
Wie lauten mit vollen Namen unter Angabe der Rechtsform und der ladungsfähigen Anschriften die Kunden und Auftraggeber des Schuldners, welche er seit seiner Selbständigkeit oder mindestens in den letzten zwölf Monaten bedient hat?
- 2.
Welche Umsätze hat der Schuldner insgesamt mit seinen Kunden und Auftraggebern in welchen Zeiträumen, zumindest aber in den letzten zwölf Monaten, getätigt?
- 3.
Welche Umsätze hat der Schuldner mit jedem einzelnen Kunden und Auftraggeber in den letzten zwölf Monaten getätigt?
- 4.
Welche Art und Leistung hat der Schuldner jedem einzelnen Kunden und Auftraggeber erbracht?
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Beschwerdewert: 1.500,- EUR
Gründe
I.
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Bremen vom 30.11.2007 /Az.: 07-0968164-2-2) wegen einer Hauptforderung von 9.598,91 EUR zuzüglich Kosten und Zinsen. Auf ihren Antrag gab der Schuldner am 22.02.2008 die eidesstattliche Versicherung ab und ergänzte seine Angaben auf "Nachbesserungsantrag" der Gläubigerin am 05.03.2008. Wegen der weitergehenden Fragen der Gläubigerin in ihrem Antrag vom 29.02.2008 lehnte der Gerichtsvollzieher eine weitere Befragung des Schuldners ab. Auf die dagegen eingelegte Erinnerung der Gläubigerin änderte das Amtsgericht die Entscheidung des Gerichtsvollziehers mit Beschluss vom 24.03.2009 dahingehend ab, dass der Schuldner auch die unter Ziffer 2 des obigen Tenors aufgeführte Frage zu seinen Umsätzen der letzten 12 Monate zu ergänzen habe. Im Übrigen wies es die Erinnerung zurück.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Gläubigerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 14.04.2009, soweit das Amtsgericht die Erinnerung im Hinblick auf die Fragen zu Ziffern 1, 3 und 4 ihres Antrags zurückgewiesen habe.
II.
In diesem Umfang ist die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte, sofortige Beschwerde begründet. Sie führt zur Abänderung des amtsrichterlichen Beschlusses und Anweisung des Gerichtsvollziehers in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, wobei aus Klarstellungsgründen die Frage zu Ziffer 2 nochmals aufgenommen wurde.
Der Schuldner ist verpflichtet, seine eidesstattliche Versicherung auch im Hinblick auf die Fragen der Gläubigerin zu Ziffern 1, 3 und 4 zu ergänzen. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung hat ein selbständig tätiger Schuldner im Rahmen der Ergänzung einer eidesstattlichen Versicherung seine geschäftlichen Aktivitäten auch für einen zurückliegenden Zeitraum zu offenbaren. Ergänzende Fragen sind immer dann zuzulassen, wenn sie nicht offensichtlich auf Ausforschung der allgemeinen Lebensverhältnisse angelegt sind. Bei Selbständigen dürfen insoweit keine allzu strengen Maßstäbe angelegt werden, weil bei ihnen die Gefahr einer Verschleierung von Einkünften besonders hoch ist. Vorliegend dienen auch die Fragen zu abgeschlossenen Aufträgen dazu, der Gläubigerin ggf. weitere Vollstreckungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Zweck des Offenbarungsverfahrens ist es, den Schuldner zu zwingen, seine Vermögensverhältnisse so weit offen zu legen, dass der Gläubiger Klarheit über die Erfolgsaussicht weiterer Vollstreckungsversuche erhält. Hierfür reichen die Angaben des Schuldners im Vermögensverzeichnis vom 22.02.2008 unter Ziffer 12, er sei "selbständig" und sein Verdienst sei "schwankend", angesichts des Umstandes, dass der Schuldner über andere regelmäßige Einkünfte nicht verfügt, nicht aus, um den Zweck des Vermögensverzeichnisses zu erfüllen. Der Schuldner hat seine geschäftlichen Aktivitäten auch für einen zurückliegenden Zeitraum zu offenbaren. In der Rechtsprechung ist dies für Gelegenheitsarbeiter mit wechselnden Arbeitgebern schon seit langem anerkannt. Die Interessenlage bei Selbständigen ist nicht anders zu beurteilen, weil zu erwarten ist, dass der Schuldner auch künftig Aufträge seiner bisherigen Kunden erhalten wird (vgl. OLG Köln JurBüro 1994, 408; LG Hannover JurBüro 1998, 213; LG Gera JurBüro 2003, 658 f.; AG Bremen JurBüro 2007, 498 f.). Die Kammer schließt sich insoweit der überwiegenden Auffassung, die vom Schuldner differenzierte Angaben zu sämtlichen Auftraggebern für den Zeitraum mindestens der letzten 12 Monate verlangt, an. Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht.
Deshalb war der Beschluss des Amtsgerichts abzuändern.
III.
Der Schuldner hat gemäß § 788 ZPO auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Gerichtsgebühren entstehen gemäß Nr. 2121 der Anlage 1 zum GKG für die in vollem Umfang erfolgreiche Beschwerde nicht.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes erfolgte gemäß § 3 GKG i.V.m. § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG.