Landgericht Verden
Beschl. v. 18.11.2009, Az.: 3a T 210/09
Versagung der Restschuldbefreiung gem. § 296 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) wegen Verletzung der aus § 295 Abs. 2 InsO bestehenden Obliegenheit aufgrund der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 18.11.2009
- Aktenzeichen
- 3a T 210/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 37843
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2009:1118.3A.T210.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Syke - 29.09.2009 - AZ: 15 IK 34/03
- nachfolgend
- BGH - 24.06.2010 - AZ: IX ZB 283/09
Rechtsgrundlagen
- § 295 Abs. 2 InsO
- § 296 Abs. 1 InsO
Verfahrensgegenstand
Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn ..., geb. ...
hier: Versagung der Restschuldbefreiung
In der Beschwerdesache
...
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Verden
am 18.11.2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
die Richterin am Landgericht ... und
die Richterin am Landgericht ...
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 04.10.2009 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Syke vom 29.09.2009 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer beantragte am 18.05.2003, das Insolvenzverfahren über sein Vermögen zu eröffnen und stellte zugleich einen Restschuldbefreiungsantrag. Eine Abtretungserklärung nach §287 Abs. 2 InsO lag dem Antrag bei, auf die wegen des Inhalts Bezug genommen wird (Bl. 6 Bd. I).
Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom 01.07.2003 eröffnet. Nach Schlusstermin wurde mit Beschluss vom 20.01.2005 Restschuldbefreiung gem. §291 InsO angekündigt und schließlich das Insolvenzverfahren am 27.04.2005 aufgehoben (Bl. 149, 150, 172 Bd. I).
Der Schuldner war bis zum 30.06.2005 als Programmierer abhängig beschäftigt. Pfändbares Einkommen sowie die aufgrund der Entlassung erhaltene Abfindung wurde vom Arbeitgeber aufgrund der Abtretungserklärung an den Treuhänder abgeführt, damit von dort aus Zahlungen an die Gläubiger vorgenommen werden.
Im Anschluss bezog der Schuldner Arbeitslosengeld. Etwa Mitte 2007 beabsichtigte der Schuldner, eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen. Mit Bescheid vom 04.09.2007 bewilligte ihm die Bundesagentur für Arbeit hierfür ein Gründungszuschuss für die Zeit vom 01.09.2007 bis zum 31.05.2008 von monatlich 2.000,40 € (Bl. 231, 232 Bd. I). Wann der Schuldner den Treuhänder hierüber informiert hat, wird von diesen unterschiedlich dargestellt. Der Schuldner trägt vor, er habe den Bewilligungsbescheid dem Treuhänder noch im Jahre 2007 übersandt (Bl. 230 Bd. I), wohingegen der Treuhänder vorträgt, hiervon erst durch Mitteilung des Insolvenzgerichts vom 20.05.2008 (Bl. 228, 229 Rs. Bd. I) und vom Schuldner selbst erst am 06.06.2008 (Bl. 233 Bd. I) Kenntnis erlangt zu haben [das Insolvenzgericht hatte zuvor am 29.04.2008 den Schuldner angeschrieben, den aktuellen Bescheid des Arbeitsamtes vorzulegen, Bl. 228 Rs., 229 Bd. I].
Zahlungen an den Treuhänder sind seit Beendigung der abhängigen Beschäftigung zum 30.06.2005 nicht mehr erfolgt; auch nicht nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit. In seiner Gläubigermitteilung nach Abschlussbericht vom 27.07.2009 teilte der Treuhänder den Gläubigerin daher mit, dass der Schuldner seit dem 23.08.2007 selbstständig tätig sei, Zahlungen aber nicht erbracht habe (Bl. 250 Bd. II). Die o.g. Gläubigerin hat mit Schriftsatz vom 30.07.2009 Versagung der Restschuldbefreiung beantragt (Bl. 249 Bd. II); auf den Inhalt wird wegen weitere Einzelheiten Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 29.09.2009 hat das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung versagt, da dieser selbstständig tätig sei, ohne dass er Zahlungen aus dieser Tätigkeit an den Treuhänder abgeführt habe (Bl. 272, 273 Bd. II).
Gegen diesen ihm am 02.10.2009 zugestellten Beschluss hat der Schuldner mit Schreiben vom 02.10.2009 und vom 04.10.2009 "Rechtsbeschwerde" eingelegt hat, die als sofortige Beschwerde (§296 Abs. 3 InsO) auszulegen ist (Bl. 278-280, 286, 287 Bd. II). Der Schuldner ist der Ansicht, dass der Treuhänder ihn mehr hätte unterstützen müssen. Insbesondere habe der Treuhänder ihn nicht über das erforderliche Verhalten in der Wohlverhaltensperiode aufgeklärt (Bl. 270, 271 Bd. II). Im Übrigen sei er noch nicht zum 23.08.2007 selbstständig tätig geworden.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Insolvenzgericht hat auf den Versagungsantrag der Gläubigerin im Ergebnis zu Recht (wenn auch mit unzureichender Begründung) die Restschuldbefreiung gem. §296 Abs. 1 InsO versagt.
Der Schuldner hat während der Laufzeit der Abtretungserklärung seine ihm aus §295 Abs. 2 InsO bestehende Obliegenheit verletzt, nach Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Der Schuldner hat - unstreitig - nach Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit keinerlei Zahlungen an den Treuhänder vorgenommen. Dass er eine selbstständige Tätigkeit im Bereich der EDV-Dienstleistungen noch während der Wohlverhaltensperiode durchgeführt hat, streitet der Schuldner auch nicht ab. Wann genau er diese Tätigkeit begonnen hat (noch in 2007 oder erst in 2008) ist letztlich nicht entscheidend; allerdings spricht der vom Schuldner auf Anforderung des Insolvenzgerichts selbst überreichte Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes vom 04.09.2007 eindeutig dafür, dass die selbstständige Tätigkeit zum 01.09.2007 begonnen wurde, denn ab diesem Zeitpunkt erhielt der Schuldner den Gründungszuschuss.
Durch diese Obliegenheitspflichtverletzung (das ist weitere Voraussetzung für eine Versagung der Restschuldbefreiung gem. §296 Abs. 1 InsO, wie beim Insolvenzgericht wohl nicht bekannt) ist auch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt worden. Der Antrag der Gläubigerin verhält sich zu dieser Tatbestandsvoraussetzung zwar nicht; die Kammer hält den Versagungsantrag gleichwohl für zulässig, denn aus den ersichtlich gewordenen Umständen kann kein Zweifel daran bestehen, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung eine konkret messbare Schlechterstellung der Gläubiger wahrscheinlich ist. Der Schuldner war seit dem 01.09.2007 selbstständig im Bereich der EDV-Dienstleistungen tätig, also in dem Bereich, in dem er bis zum 30.06.2005 in abhängiger Beschäftigung tätig war, ehe ihm dann aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wurde. Er hatte während seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen von 3.935,00 € erzielt, wovon als pfändbarer Betrag monatlich 189,00 € an den Treuhänder abgeführt wurden. Daher liegt es auch ohne nähere Darlegung durch die den Antrag stellende Gläubigerin nahe, dass der Schuldner bei Eingehung eines angemessenen Dienstverhältnisses anstelle der selbstständigen Tätigkeit ein Einkommen erzielt hätte, das zu einer weitergehenden Befriedigung der Gläubiger geführt hätte.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Schuldner kein angemessenes Dienstverhältnis gefunden hätte, er also ohne Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit zum 01.09.2007 arbeitslos geblieben wäre (wie in der Zeit vom 01.07.2005 bis zum 31.08.2007) und folglich keine Beträge an den Treuhänder abzuführen gewesen wären und somit auch keine Beeinträchtigung der Gläubiger eingetreten ist. Zwar war der Schuldner zum Zeitpunkt der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bereits 52 Jahre alt und auch über einen Zeitraum von gut 2 Jahren arbeitslos gewesen. Seinen vorhergehenden Arbeitsplatz hatte er jedoch allein aus betriebsbedingten Gründen verloren. Offenbar weist der Schuldner auch derart gute Qualifikationen auf, dass seine selbstständige Tätigkeit erfolgreich läuft und sich etabliert hat. Jedenfalls hat der Schuldner keine erneuten Leistungsanträge beim Arbeitsamt mehr gestellt; im Internet wirbt der Schuldner unter www.eliteeintrag.de in seinem Profil damit, dass er seit dem 01.09.2007 als sog. Freeclaner für die Firmen ... in Projekten beim ... sowie bei einer Bank und einer Versicherung ... tätig gewesen sei. Insoweit war auch zu berücksichtigen, dass der Schuldner während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit offenbar (so ist es dem o.g. Interneteintrag zu entnehmen) vom Arbeitsamt unterstützte Fortbildungsmaßnahmen absolviert hat, die ihn weiterqualifizierten, so dass davon ausgegangen werden muss, dass er nicht "nur" zur selbstständigen Tätigkeit befähigt war, sondern vor dem Hintergrund der Qualifizierungsmaßnahmen auch wieder ein Dienstverhältnis hätte erlangen können, in dem er ein Verdienst erzielt hätte, an dem die Gläubiger partizipiert hätten.
Der Schuldner hat auch nichts dazu vorgetragen, dass sein Verdienst als Selbstständiger nur geringfügig sei. Er hat lediglich vorgetragen, dass er sich von seinem Treuhänder nicht genügend unterstützt fühle. Der Treuhänder ist aber nicht der "Kindergärtner" des Schuldners. Um die Einhaltung seiner Obliegenheitsverpflichtungen in der Wohlverhaltensperiode muss sich der Schuldner selbst und eigenverantwortlich kümmern. Immerhin war die Verpflichtung gem. §295 Abs. 2 InsO auch Bestandteil der vom Schuldner unterzeichneten Abtretungserklärung gem. §287 Abs. 2 InsO. Die Verpflichtung zur Abführung der Beträge aus der selbstständigen Tätigkeit, die in einem angemessenen Dienstverhältnis erzielt worden wären, musste dem Schuldner daher bekannt sein. Gleichwohl hat der Schuldner dem Treuhänder nicht einmal mitgeteilt, welche Umsätze er als Selbstständiger erzielt. Die Obliegenheitspflichtverletzung des Schuldners war daher auch schuldhaft.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §97 ZPO.