Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.10.2001, Az.: 9 LB 1853/01

Abschnitt; Abschnittsbildung; Ausbaubeitrag; Gehweg; Kommunalabgabe; Straßenabschnitt; Straßenausbaubeitrag

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.10.2001
Aktenzeichen
9 LB 1853/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 40350
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 26.02.2001 - AZ: 4 A 4878/99

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine 4 m breite Zufahrt zu einem Kindergarten, von der straßeneinmündungsähnliche Wirkungen ausgehen, ist zur Begrenzung eines Straßenabschnitts geeignet.

Tatbestand:

1

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 4.288,98 DM für die Verbesserung eines Gehweges. Der einseitige Gehweg wurde nur in einem Teilbereich der Straße im Jahre 1996 ausgebaut, und zwar vom Beginn der Anliegerstraße bis zum Zufahrtsbereich zu einem Kindergarten, einer ca. 80 m langen Strecke. Im Jahre 1997 fasste der Rat der Beklagten einen entsprechenden Aufwandsspaltungs- und Abschnittsbildungsbeschluss.

2

Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage haben sich die Kläger vorrangig darauf berufen, dass ein Teilabschnitt einer Straßenanlage nur dann als Abschnitt abrechnungsmäßig verselbständigt werden könne, wenn eine Abschnittsbildung nach örtlich erkennbaren Merkmalen möglich sei. Dieser Abschnitt müsse ferner eine gewisse eigenständige Bedeutung als Verkehrsanlage haben. Hier sei ein sachlicher Grund für die gewählte Abschnittsbildung nicht erkennbar. Bei der Zufahrt zum Kindergarten handele es sich nicht um ein örtlich erkennbares Merkmal.

3

Das Verwaltungsgericht hat der Klage nach Ortsbesichtigung durch den Einzelrichter stattgegeben. Die Zufahrt zum Kindergarten rechtfertige nicht die Bildung eines Abschnittes.

4

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

5

Die gegen die Straßenausbaubeitragsbescheide der Beklagten gerichtete Klage ist abzuweisen.

6

Die Beitragsforderung der Beklagten gegen die Kläger in Höhe von 4.288,98 DM ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

7

Im Berufungsverfahren allein (noch) streitig ist die Frage, ob der Abschnittsbildungsbeschluss des Rates der Beklagten aus dem Jahre 1997 mit der östlichen Grenzziehung in Höhe der Zufahrt zum Kindergarten rechtmäßig ist. Dies hat der Senat in seinem die Berufung zulassenden Beschluss vom 25. Mai 2001 -- 9 LA 1259/01 -- mit den folgenden Erwägungen bejaht:

8

"Das Verwaltungsgericht hat den streitigen Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten mit der Begründung aufgehoben, dass der von der Beklagten getroffene Abschnittsbildungsbeschluss fehlerhaft sei. Der in der Beschlussfassung des Rates der Beklagten gebildete Abschnitt bis zur Zufahrt zum Kindergarten richte sich nicht -- wie erforderlich -- an äußeren, in den tatsächlichen Verhältnissen begründeten Merkmalen aus. Bei der Zufahrt zum Kindergarten handele es sich nicht um eine optisch erkennbare Straße, sondern um eine -- in der Anliegerstraße sonst übliche -- Zufahrt wie zu allen anderen Grundstücken.

9

Die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung begründet ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Zutreffend ist allerdings zunächst der von § 6 Abs. 4 NKAG ausgehende rechtliche Ansatz. Nach dieser Vorschrift kann der Aufwand auch für Abschnitte einer Einrichtung ermittelt werden, wenn diese selbständig in Anspruch genommen werden können. Es muss sich dabei um eine (Straßen-)Strecke handeln, die vorwiegend durch äußere, in den tatsächlichen Verhältnissen begründete Merkmale begrenzt ist und der eine gewisse selbständige Bedeutung als Verkehrsweg zukommt, d.h. die selbständig in Anspruch genommen werden kann (vgl. hierzu Driehaus, Kommunalabgabenrecht (Stand: Januar 2001), § 8 RdNr. 112). Als zur hinreichenden Begrenzung geeignete Merkmale kommen in Betracht z.B. einmündende Straßen sowie Plätze, Brücken und Wasserläufe. Durch das Abstellen auf äußerlich erkennbare Merkmale soll verhindert werden, dass selbständig abzurechnende Abschnitte willkürlich gebildet werden (zur Willkürgrenze bei Mehrkosten von etwa 30 % im Erschließungsbeitragsrecht vgl. BVerwG, Urt. v. 30.5.1997 -- 8 C 9.96 -- DVBl. 1998, 48 = NVwZ 1998, 293 = Buchholz 406.11 § 130 BauGB Nr. 43; Urt. v. 7.6.1996 -- 8 C 30.94 -- DVBl. 1996, 1325 = Buchholz 406.11 § 130 BauGB Nr. 41).

10

Die zu den Verwaltungsvorgängen der Beklagten genommenen Fotos belegen, dass die von der Beklagten gewählte östliche Begrenzung des abgerechneten Straßenabschnittes mit dem Einmündungsbereich der Straße zum Kindergarten ein den gesetzlichen Anforderungen genügendes äußeres Merkmal der Anliegerstraße ist. Die Fotos vermitteln einen in der Örtlichkeit vorhandenen Einschnitt im Straßenverlauf in der besonderen Form der Zufahrt zum Kindergarten, bei der sowohl die Länge und Breite der Zufahrt als auch die Art der Pflasterung -- entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung -- über die Eigenart von typischen Grundstückszufahrten hinausgehen. Erforderlich ist insbesondere nicht -- wovon offensichtlich das Verwaltungsgericht ausgeht -- eine Straßeneinmündung in Form einer "optisch erkennbaren Straße". Auch eine -- wie hier -- einmündungsähnliche Ausgestaltung des Straßenverlaufs kann eine Abschnittsbildung rechtfertigen." An diesen Ausführungen hält der Senat nach Durchführung einer Ortsbesichtigung fest. Die vom Senat bereits anhand der vorliegenden Fotos vorgenommene Einschätzung der Örtlichkeit, insbesondere die Bewertung der Zufahrt zum Kindergarten als ein die Bildung eines Abschnittes rechtfertigendes äußeres, in den tatsächlichen Straßenverhältnissen begründetes Merkmal, ist durch den in der Ortsbesichtigung gewonnenen Eindruck bestätigt worden. Zwar geht von der nur ca. 4 m breiten Zufahrt -- selbstverständlich -- nicht eine vergleichbare "unterbrechende" Wirkung wie von einer einmündenden Straße oder einem Platz aus. Diese in der Literatur und Rechtsprechung angeführten Fallgruppen sind aber keineswegs abschließend, sondern nur beispielhaft zu verstehen. Der Senat bewertet die Zufahrt zum Kindergarten nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung weiterhin als einen einmündungsähnlichen Straßeneinschnitt, der die Bildung eines Abschnittes rechtfertigt.