Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.01.1989, Az.: 18 L 13/87
Anforderungen an die Zustimmung der Personalvertretung für die Eingruppierungen der in das Angestelltenverhältnis übernommenen Bewerber; Verletzung des Mitbestimmungsrechts der Personalvertretung; Mitbestimmungsverfahren für die Eingruppierung der Bewerber; Einstellungsvoraussetzungen für wissenschaftliche Mitarbeiter
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.01.1989
- Aktenzeichen
- 18 L 13/87
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1989, 16324
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1989:0118.18L13.87.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 31.03.1987 - AZ: PL 21/86
Rechtsgrundlagen
- § 73 NdsPersVG
- § 72 Abs. 2 S. 6 NdsPersVG
- § 78 Abs. 2 Nr. 1 NdsPersVG
- § 65 NHG
- § 100 Nr. 2 NdsPersVG
Verfahrensgegenstand
Mitbestimmung des Personalrats bei Eingruppierungen von Angestellten im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
Redaktioneller Leitsatz
Wird in einem Mitbestimmungsverfahren nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 NdsPersVG darum gestritten, ob in den Hochschuldienst auf Zeit zu übernehmende Bewerber in eine für wissenschaftliche Mitarbeiter im Angestellenverhältnis vorgesehene Vergütungsgruppe nach dem Bundesangestelltentarifvertrag oder niedriger einzugruppieren sind, kann die Vorschrift des § 65 NHG nicht herangezogen werden.
In der Personalvertretungssache
hat der 18. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen -
des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
auf die mündliche Anhörung vom 18. Januar 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hamann und Ladwig sowie
die ehrenamtlichen Richter Heine und Oltmanns
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 31. März 1987 geändert.
Es wird festgestellt, daß die ohne Zustimmung des Antragstellers vorgenommenen Eingruppierungen der Antragstellen ... und ... in die Vergütungsgruppe IV a BAT sein Mitbestimmungsrecht verletzen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Universität ... teilte dem Antragsteller mit einem Schreiben vom 18. Oktober 1985 mit, daß sie beabsichtige, die Bewerber ... und ... im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme Nr. 260 "Auswahlkriterien und Effektivitätsüberprüfungen im Schulsonderturnen" als Angestellte zum nächstmöglichen Zeitpunkt für zwölf Monate einzustellen und in die Vergütungsgruppe IV a BAT einzugruppieren. Sie beantragte die Zustimmung zur Einstellung und Eingruppierung. Mit drei Schreiben vom 4. November 1985 stimmte der Antragsteller den Einstellungen zu, nicht jedoch den beabsichtigten Eingruppierungen. Die Ablehnung begründete er u.a. wie folgt: Dem Gesuch für die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme sei bei den durchzuführenden Tätigkeiten und der Beschäftigung des benötigten Personals die für wissenschaftliche Mitarbeiter in Betracht kommende Vergütungsgruppe II a BAT, abgesenkt III BAT zugrunde gelegt worden. Das Arbeitsamt habe den Personalbedarf und diese Eingruppierung bei der Bewilligung anerkannt und entsprechende Fördermittel ausgewiesen. Im Schreiben vom 16. und 20. Januar 1986 teilte die Universität ... dem Antragsteller mit, daß sie beabsichtige, die Bewerber ... und ... im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme Z 308 "Aufbau eines Netzes von Lernstandorten" für zwölf Monate einzustellen und in die Vergütungsgruppe IV a BAT einzugruppieren. Sie beantragte die Zustimmung zur Einstellung und Eingruppierung. Mit Schreiben vom 31. Januar 1986 und vom 30. Januar 1986 stimmte der Antragsteller den Einstellungen zu, jedoch nicht den beabsichtigten Eingruppierungen. Die Ablehnung begründete er im wesentlichen in gleicher Weise wie in den vorgenannten Schreiben vom 4. November 1985. Mit einem Schreiben vom 28. Januar 1986 teilte die Universität ... dem Antragsteller mit, daß sie beabsichtige, die Bewerberin im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme "Kulturhistorische Werkstatt (textiles Gestalten)" für die Zeit vom 15. März 1986 bis zum 14. März 1987 einzustellen und in die Vergütungsgruppe IV a BAT einzugruppieren. Mit einem Schreiben vom 18. Februar 1986 stimmte der Antragsteller der Einstellung zu, nicht jedoch der beabsichtigten Eingruppierung. Die Ablehnung begründete er im wesentlichen wie in den vorgenannten Fällen.
Mit den sechs Bewerbern und dem ebenfalls im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme "Aufbau eines Netzes von Lernstandorten" zu beschäftigenden Bewerber schloß die Universität ... Arbeitsverträge über eine einjährige Beschäftigung im Angestelltenverhältnis bei einer Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV a BAT ab. Sie beantragte ferner beim Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kunst, die Eingruppierung dieser Angestellten in die Vergütungsgruppe II a BAT bzw. III BAT zu genehmigen und machte geltend: Die Bewerber, die teils die Befähigung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen, teils für das Lehramt an Realschulen erworben haben, besäßen aufgrund zusätzlicher Ausbildungen und Kenntnisse die Qualifikation, die Aufgaben eines wissenschaftlichen Mitarbeiters im Rahmen des sie betreffenden Projektes auch ohne ein abgeschlossenes Hochschulstudium zu erfüllen. In sämtlichen Fällen lehnte der Niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kunst die erstrebte höhere Eingruppierung im wesentlichen mit der Begründung ab, mangels berufspraktischer Erfahrungen könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Angestellten auch ohne ein abgeschlossenes Hochschulstudium in einem wissenschaftlichen Studiengang in der Lage seien, die Aufgaben eines wissenschaftlichen Mitarbeiters sachgerecht zu erfüllen. Unter Hinweis auf die entsprechenden Erlasse teilte, er der Universität ... ferner mit, daß für die Durchführung eines Verfahrens im Falle der Nichteinigung nach § 73 Nds. PersVG kein Raum sei, nachdem die Hochschule die Angelegenheiten der Bewerber, bei denen der Antragsteller seine Zustimmung zur Eingruppierung versagt hatte, fristgerecht zur Durchführung eines Nichteinigungsverfahrens vorgelegt hatte.
Der Antragsteller hat am 9. Dezember 1986 das Verwaltungsgericht angerufen und geltend gemacht, daß die ohne seine Zustimmung vorgenommenen Eingruppierungen in die Vergütungsgruppe IV a BAT sein Mitbestimmungsrecht verletzten. In allen Fällen hätte das Nichteinigungsverfahren gemäß §§ 72, 73 Nds. PersVG durchgeführt werden müssen.
Er hat beantragt
festzustellen, daß die ohne seine Zustimmung vorgenommenen Eingruppierungen der Angestellten ... die Vergütungsgruppe IV a BAT sein Mitbestimmungsrecht verletzen.
Der Beteiligte ist dem entgegengetreten und hat erwidert, daß er an die Auffassung des Niedersächsischen Ministers für Wissenschaft und Kunst gebunden sei.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch Beschluß vom 31. März 1987 abgelehnt und ausgeführt: Die vom Antragsteller in dem Mitbestimmungsverfahren erklärte Verweigerung der Zustimmung sei unbeachtlich mit der Folge, daß seine Zustimmung nach § 72 Abs. 2 Satz 6 Nds. PersVG als erteilt gelte. Der Antragsteller habe allein geltend gemacht, daß die sieben Angestellten Aufgaben eines wissenschaftlichen Mitarbeiters zu erfüllen hätten und deshalb in die dafür bestimmte Vergütungsgruppe II a BAT, abgesenkt III BAT einzugruppieren seien. Damit habe er einen Umstand vorgebracht, der sein Mitbestimmungsrecht ausschließe. Denn nach § 100 Nr. 2 Nds. PersVG sei § 78 Nds. PersVG auf die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Hochschulen nicht anzuwenden. Daraus folge, daß die Begründung der Zustimmungsverweigerung offensichtlich außerhalb eines Mitbestimmungstatbestandes liege und nicht die Verpflichtung der Dienststelle ausgelöst habe, das Einigungsverfahren einzuleiten.
Gegen den ihm am 9. April 1987 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller am 5. Mai 1987 Beschwerde eingelegt und das Rechtsmittel sogleich begründet. Er macht geltend: Die Versagung der Zustimmung in den einzelnen Fällen beschränke sich nach den vorgebrachten Einwänden nicht auf das Rechtsargument, bei den betroffenen Angestellten handele es sich um wissenschaftliche Mitarbeiter.
Er beantragt,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluß für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens des Antragstellers und des Beteiligten wird auf deren Schriftsätze verwiesen, wegen des sonstigen Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
Dem Senat haben die Personalakten der sieben Angestellten einschließlich der Unterlagen zum Mitbestimmungsverfahren vorgelegen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet.
Dessen Feststellungsantrag muß Erfolg haben. Die ohne seine Zustimmung vorgenommenen Eingruppierungen der in das Angestelltenverhältnis übernommenen Bewerber ... ... und ... in die Vergütungsgruppe IV a BAT verletzen sein Mitbestimmungsrecht.
Das für den Antrag erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist nicht dadurch entfallen, daß die auf ein Jahr befristeten Arbeitsverträge der genannten Angestellten inzwischen ausgelaufen sind. Allerdings ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Rechtsschutzinteresse grundsätzlich nur anzuerkennen, wenn die gerichtliche Entscheidung noch gestaltende Wirkung haben kann oder wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß sich der Vorgang, der das gerichtliche Verfahren ausgelöst hat, wiederholen wird und die sich an ihn anknüpfende (personalvertretungsrechtliche) Rechtsfrage unter denselben Verfahrensbeteiligten erneut stellen wird (BVerwG, Beschl. v. 12.8.1988 - BVerwG 6 P 5.87 -, Buchholz 250 § 28 BPersG Nr. 2 (S. 2) = ZfPersVR 1989, 7 (8) unter teilweiser Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung). Jedoch sind diese Voraussetzungen hier gegeben. Eine Wiederholung der hier zur gerichtlichen Klärung gestellten Streitigkeiten erscheint so wahrscheinlich, daß ein konkretes Bedürfnis der Verfahrensbeteiligten an der begehrten gerichtlichen Entscheidung zu bejahen ist. Es ist auch in Zukunft damit zu rechnen, daß der Fachbereich 3 der Universität ... der u.a. Erziehungswissenschaften und Sport umfaßt, bei wissenschaftlichen Projekten, die im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen, arbeitslose Grundschullehrer oder Realschullehrer in einem befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigen will und sich dabei die Frage der Eingruppierung dieser Kräfte in eine für wissenschaftliche Mitarbeiter in Betracht kommende höhere Vergütungsgruppe als diejenige nach IV a BAT stellt.
Der Antrag ist auch in der Sache begründet. In den Eingruppierungsangelegenheiten der Bewerber ... ... und ... hätte das im Falle der Nichteinigung vorgesehene Verfahren gemäß § 73 Nds. PersVG durchgeführt werden müssen. Der Niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kunst ist nicht berechtigt gewesen, die Fortführung der Verfahren mit dem Hinweis abzulehnen, daß eine Eingruppierung der Angestellten als wissenschaftliche Mitarbeiter nicht mehr in Betracht komme, nachdem er dahingehende Anträge der Universität ... auf Erteilung einer entsprechenden Zustimmung abgelehnt hatte. Die vom Antragsteller in seinem Ablehnungsschreiben vorgebrachten Gründe gegen eine Eingruppierung der Bewerber in die Vergütungsgruppe IV a BAT sind beachtlich (§ 72 Abs. 2 Satz 6 Nds. PersVG). In dem sich auf die Eingruppierung beziehenden Mitbestimmungsverfahren nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 Nds. PersVG kommt dem Personalrat eine "Richtigkeitskontrolle" zu (vgl. dazu grds. BVerwG, Beschl. v. 15.3.1988 - BVerwG 6 P 23.87 u.a. -, Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 58 (S. 31 f.)). Dem Verwaltungsgericht kann nicht in der Auffassung gefolgt werden, daß für eine Durchführung des Nichteinigungsverfahrens kein Raum sei, weil die Gründe, die der Antragsteller für eine Eingruppierung der Bewerber in die Vergütungsgruppe II a BAT bzw. III BAT vorgebracht habe, im Hinblick auf die aus § 100 Nr. 2 Nds. PersVG folgende Unanwendbarkeit des § 78 Nds. PersVG offensichtlich außerhalb des in Anspruch genommenen Mitbestimmungstatbestandes lägen. Nach § 100 Nr. 2 Nds. PersVG ist § 78 Nds. PersVG unter anderem auf "die wissenschaftlichen Mitarbeiter" nicht anzuwenden. Die für Bedienstete der öffentlichen Hochschulen geltende Ausnahmeregelung kommt zum Zuge, wenn die Beschäftigten einen Status im Sinne des § 100 Nr. 2 Nds. PersVG innehaben. Dabei deckt sich der Begriff des wissenschaftlichen Mitarbeiters im Sinne dieser Vorschrift mit demjenigen des § 65 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes - NHG - (Beschl. d. Sen. v. 20.3.1985 - 18 OVG L 19/83 (Nds.) -). Die Bestimmung ist hingegen nicht heranzuziehen, wenn in einem Mitbestimmungsverfahren nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 Nds. PersVG darum gestritten wird, ob in den Hochschuldienst auf Zeit zu übernehmende Bewerber in eine für wissenschaftliche Mitarbeiter im Angestelltenverhältnis vorgesehene Vergütungsgruppe nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) oder niedriger einzugruppieren sind. Das Verwaltungsgericht hat den vom Antragsteller der Sache nach in den vorliegenden Mitbestimmungsverfahren erhobenen Einwand, die betreffenden Bewerber erfüllten trotz Fehlens der regelmäßigen Einstellungsvoraussetzung für wissenschaftliche Mitarbeiter - neben den allgemeinen dienstrechtlichen Voraussetzungen ein abgeschlossenes Hochschulstudium in einem wissenschaftlichen Studiengang - (§ 65 Abs. 5 Satz 1 NSchG) die Tätigkeitsmerkmale für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe II a BAT bzw. III BAT, als unbeachtlich angesehen. Diese Auffassung läuft darauf hinaus, daß dem § 100 Nr. 2 Nds. PersVG auch die Bedeutung eines Einwendungsausschlusses im Mitbestimmungsverfahren beigemessen wird. Das entspricht jedoch nicht dem Sinn und Zweck der Sondervorschrift.
Soweit es sich um den Bewerber Schiotka handelt, ist das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bereits dadurch verletzt worden, daß die Universität ... nach den vorgelegten Verwaltungsunterlagen die Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens überhaupt unterlassen hat.
Hiernach war der Beschwerde unter Änderung des angefochtenen Beschlusses stattzugeben.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil keine der dafür vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen gegeben ist.
Dr. Hamann,
Ladwig,
Heine,
Oltmanns