Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.01.1989, Az.: 3 A 301/86

Öffentlich- rechtlicher Erstattungsanspruch; Ersatzvornahme; Binnenschiffahrtsabgabengesetz; Seeschiffahrtsabgabengesetz; Binnenwasserstraße; Kostenerstattung; Aufwendungsersatz; Schiffahrtsdirektion; Küstengewässer; Gewässer; Ölverschmutzung; Verschmutzung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.01.1989
Aktenzeichen
3 A 301/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 12808
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:0126.3A301.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig - 28.07.1986 - AZ: 3 A 169/84
nachfolgend
BVerwG - 30.11.1990 - AZ: BVerwG 7 C 4.90
OVG Schleswig-Holstein - 30.04.1992 - AZ: 2 L 258/91

Tenor:

Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Unter Zurückweisung der Berufung im übrigen wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 3. Kammer - vom 28. Juli 1986 geändert, soweit mit ihm

a) Aufwendungsersatz bis zum 14. April 1971,

b) Aufwendungsersatz für die Vorfälle am 29. Juli 1971, 29. April 1973 und am 23./24. Dezember 1973 über insgesamt 3.348,08 DM,

c) die Zahlung von Zinsen in Höhe von mehr als 4 v.H. ab 18. Juli 1984

zugesprochen worden ist; insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen der Kläger zu 1/5, die Beklagte zu 4/5. Die Entscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Erstattung von Kosten, die ihm durch die Beseitigung von Ölverschmutzungen im Bereich der Küstengewässer sowie auf der Elbe, Trave und auf dem Nord-Ostsee-Kanal im Zeitraum vom September 1965 bis März 1984 entstanden sind, ohne daß sich ein Verursacher ermitteln ließ.

2

In einer Besprechung mit der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Kiel am 16. März 1973 machte der Kläger seinen Anspruch geltend. Die Wasser- und Schiffahrtsdirektion vertrat den Standpunkt, sie sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für eine Beseitigung von Ölverschmutzungen verantwortlich. Aus diesem Grunde weigerte sie sich auch in der Folgezeit, beim Auftreten von Ölverschmutzungen tätig zu werden. Im Verlauf der Verhandlung gab die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Kiel am 28. Dezember 1973 folgende Erklärung ab:

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"In der oben bezeichneten Angelegenheit erkläre ich, daß der Bund wegen des Ersatzes der Aufwendungen des Landes Schleswig-Holstein aus der Beseitigung von Ölverschmutzungen auf die Einrede der Verjährung verzichtet".

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Mit Schreiben vom 15. Februar und 3. März 1983 übersandte der Kläger der Beklagten eine Aufstellung über die Kosten der von ihm in der Zeit vom September 1965 bis Anfang 1983 beseitigten Ölverschmutzungen im Gesamtbetrag von 472.560,46 DM und forderte die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages auf. Mit Schreiben vom 7. April 1983 erinnerte er an die Überweisung; mit Schreiben vom 10. Mai 1983 mahnte er den Betrag unter Forderung von Verzugszinsen und Klagandrohung erneut an.

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Zur Begründung seiner Klage, mit der auch Kosten für weitere Ölbeseitigungen in den ersten drei Monaten des Jahres 1984 in Höhe von 19.940,95 DM, mithin ein Gesamtbetrag von 497.501,41 DM geltend gemacht wurde, hat der Kläger vorgetragen, die Aufwendungen seien ihm nach den Vorschriften des Landesverwaltungsgesetzes über die Kostentragung bei Ersatzvornahme sowie nach den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag in Verbindung mit dem Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt bzw. der Seeschiffahrt zu ersetzen. Die Kosten seien für Maßnahmen der Gefahrenabwehr entstanden, die der Beklagten oblegen hätten. Ein verantwortlicher Handlungsstörer habe sich in allen Fällen nicht ermitteln lassen. Die Aufwendungen seien durch die Inanspruchnahme von Privatfirmen entstanden.

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Die Haftung der Beklagten nach den allgemeinen Vorschriften des Landesverwaltungsgesetzes ergebe sich daraus, daß sie als Eigentümerin der Bundeswasserstraßen als Zustandsstörerin i.S. von § 186 Abs. 1 LVwG für die Beseitigung der Ölverunreinigungen verantwortlich gewesen sei. Diese hätten eine Gefahr für den öffentlichen Wasserhaushalt und damit für die öffentliche Sicherheit i.S. von § 173 LVwG dargestellt.

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Ihre Verpflichtung zur Beseitigung von Ölrückständen ergebe sich auch aus § 16 Abs. 2 des Landeswassergesetzes, wonach beim Eintreten wassergefährdender Stoffe aus Anlagen zum Lagern oder Abfüllen solcher Stoffe oder aus Schiffen in ein Gewässer nicht nur der Handlungsstörer, sondern auch der nach § 186 LVwG verantwortliche Zustandsstörer beseitigungspflichtig sei.

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Die besonderen Eilvoraussetzungen nach § 174 Abs. 1 LVwG für die unmittelbare Beseitigung der Störung im Wege der Ersatzvornahme seien erfüllt gewesen, weil wegen der Weigerung der Beklagten, selbst tätig zu werden, die jeweilige Störung anders nicht rechtzeitig habe beseitigt werden können. Gewässerverunreinigungen durch Öl seien auch eine Gefahr gewesen, deren Beseitigung äußerst eilbedürftig gewesen sei. Für die Beseitigung von Verunreinigungen auf von Bundeswasserstraßen abgegrenzten Wasserflächen (Sportboot-, Stichhäfen) ermäßige sie die Klageforderung um einen Betrag von insgesamt 9.445,05 DM. Für Aufwendungen im Bereich des Nordhafens, des Scheerhafens und des Olympiahafens in Kiel sowie des Elbehafens und des Landesölhafens in Brunsbüttel werde die Klageforderung nicht vermindert, da es sich insoweit um Wasserflächen handele, die Bestandteile von Bundeswasserstraßen seien, für deren ordnungsgemäßen Zustand die Beklagte verantwortlich sei. Die Wasserflächen des Landeshafens in Büsum hätten zwar von Beginn an im Eigentum des Klägers gestanden. Den Aufwand für die Beseitigung der Ölverschmutzung am 9. April 1976 in Höhe von 69,92 DM habe dennoch die Beklagte zu tragen, da sie die Verwaltung, den Betrieb und die Unterhaltung dieses Hafens aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung mit dem Kläger bis zum 31. Oktober 1980 und damit in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt allein ausgeübt habe.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 488.056,36 DM nebst 7,5 % Zinsen auf 476.031,09 DM vom 10. April 1983 bis zum 21. Juni 1983, 8 % Zinsen hierauf vom 22. Juni 1983 bis zum 25. September 1983, 8,25 % Zinsen hierauf seit dem 26. September 1983 sowie 8,25 % Zinsen auf weitere 12.025,27 DM ab Klagzustellung zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat erwidert, der Kläger könne unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Kostenerstattung für seine Aufwendungen vergangen. Sie sei nach keiner rechtlichen Vorschrift zur Beseitigung der Ölverschmutzungen verpflichtet gewesen. Eine Beseitigungspflicht nach dem Abfallbeseitigungsgesetz scheide aus, weil sie nicht als Besitzer des Öls habe angesehen werden können. Eine Inanspruchnahme unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten komme nicht in Betracht, weil sie für die Bundeswasserstraßen nicht nach allgemeinem Ordnungsrecht hafte. Die Regeln über die Zustandshaftung seien nicht auf Eigentümer öffentlicher Wasserläufe anwendbar. Die wasserwegerechtliche Widmung beseitige die privatrechtliche Sachherrschaft des Eigentümers weitgehend; die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes der Bundeswasserstraße sei durch die Regelungen über die Unterhaltung und die Strompolizei sowie durch die wasserrechtlichen Vorschriften spezialgesetzlich und umfassend geregelt. Wäre die Bundesrepublik Deutschland auch aufgrund ordnungsrechtlicher Zustandshaftung für den wasserwirtschaftlich ordnungsgemäßen Zustand der Bundeswasserstraßen verantwortlich, müßte sie - wie jeder Eigentümer einer Sache - präventiv und planmäßig dafür sorgen, daß das Gewässereigentum ordnungsgemäß bleibe; damit würde von ihr Wasserwirtschaft betrieben, eine Aufgabe, die ihr nach der verfassungsmäßigen Grundordnung nicht obliege.

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Im übrigen seien die Verunreinigungen - zumindest überwiegend - im Bereiche von Häfen und Betankungsanlagen entstanden, für die der Bund nicht einzustehen habe.

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Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 28. Juli 1986 mit der Begründung stattgegeben, der Anspruch sei nach den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag begründet (§§ 683, 679, 670 BGB in entsprechender Anwendung). Mit der Beseitigung der Ölverschmutzungen habe der

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Kläger jeweils ein Geschäft der Beklagten geführt. Die Beseitigung des Öls auf dem Wasser sei eine Maßnahme der Gefahrenabwehr gewesen, die der Beklagten nach dem Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt bzw. der Seeschiffahrt obgelegen habe. Zu den in diesen Gesetzen genannten schiffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben gehöre das Verhüten von Gefahren, die von der Schiffahrt ausgingen. Um eine solche Gefahr habe es sich in allen Fällen nach den Regeln des prima-facie-Beweises gehandelt. Wenn auf Binnenschiffahrtsstraßen, wie Elbe und Trave, oder im Nord-Ostsee-Kanal und in den Küstengewässern Ölverunreinigungen aufträten, deute das nach allgemeiner Lebenserfahrung darauf hin, daß das Öl von Schiffen oder von Betankungsanlagen herstamme. Es sei abwegig anzunehmen, daß jemand vom Ufer aus Altöl ins Wasser gegossen habe.

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Die Beseitigung dieses Öls sei auch Gefahrenverhütung im Sinne der Gesetze, da dazu auch die Abwehr weiterer Schädigungen, nämlich des Grundwassers, gehöre. Mit der Zuweisung einer Aufgabe der Abwehr von Gefahren, die von der Schiffahrt ausgingen, habe der Gesetzgeber auch nicht etwa seine Gesetzgebungszuständigkeit überschritten (Art. 74 Nr. 21 GG). Auch soweit Gewässer vor Verunreinigungen geschützt werden sollten, blieben See- und Binnenschiffahrt Objekt der Regelung.

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Die Verantwortlichkeit der Beklagten für die Beseitigung der Ölverunreinigungen werde auch nicht durch das Abfallbeseitigungsgesetz in Frage gestellt. Auf dem Wasser treibendes Öl, das sich mit diesem bereits vermischt habe, falle nicht unter dieses Gesetz.

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Alle Wasserflächen - mit Ausnahme des Landeshafens Büsum - seien auch Teil einer Bundeswasserstraße, auf die sich die Verantwortlichkeit der Beklagten erstrecke. Das gelte auch für den Olympiahafen in der Kieler Innenförde. Etwas anderes habe lediglich für den Hafen Büsum zu gelten. Für diesen sei die Beklagte indes nach den Vorschriften über die Zustandshaftung (§ 186 Abs. 2 Satz 1 des Landesverwaltungsgesetzes) verantwortlich gewesen, weil ihr nach der Verwaltungsvereinbarung in dem hier maßgeblichen Zeitraum (9. April 1976) die tatsächliche Sachherrschaft allein zugestanden habe.

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Der Zinsanspruch bestehe entsprechend den §§ 284 Abs. 1 Satz 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB. Das Schreiben vom 7. April 1983 sei eine Mahnung i.S. von § 284 BGB gewesen, das die Beklagte in Verzug gesetzt habe. Für die Klageforderung von 12.025,27 DM sei mit Klageerhebung Verzug eingetreten. Die Höhe der Zinsforderung habe der Kläger nachgewiesen.

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Gegen diese Entscheidung führt die Beklagte Berufung. Sie bestreitet, daß alle Ölverschmutzungen von der Schiffahrt herrührten. Im Bereich des Nord-Ostsee-Kanals bestehe eine Vielzahl möglicher Verursacher; im Bereiche der Trave kämen als mögliche Verursacher etwa die Werften Schlichting, Böbs, Flender und das Metallhüttenwerk in Frage. In der Bundeswasserstraße Ostsee hätte zum Beispiel der Zerstörer Rommel zweimal das Wasser durch Öl verschmutzt, auf der Elbe bei Geesthacht ein weiteres Fahrzeug (Libera), ohne daß diese Schädiger als Störer in Anspruch genommen worden seien. Im Bereich von Brunsbüttel (Vorfall 2. 5. 1975) komme unter anderem die Liege- und Umschlagstelle für Rohöle als Störer in Betracht. Alle diese Umstände sprächen gegen das Vorliegen eines typischen Geschehensablaufs. Das Verwaltungsgericht habe auch verkannt, daß sich die Zuständigkeit des Bundes aus Art. 74 Nr. 21 GG auf die Bundeswasserstraßen als Verkehrswege beschränke; er habe nur für die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes für den Wasserabfluß und für die Erhaltung der Schiffbarkeit einzustehen. Wasserwirtschaftliche Zuständigkeiten, insbesondere im Hinblick auf die Gewässerreinhaltung, ergäben sich nur nach Art. 75 Nr. 4 GG. Eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs bestehe nicht. Der Bund habe nur die rechtliche Ordnung der Schiffahrt zu regeln, also die technische Beschaffenheit der Schiffe, ihre Ausrüstung und Bemannung sowie Vorsorge für die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs zu treffen, da die Gesetzgebungskompetenz die äußerste Grenze der Verwaltungskompetenz sei. Wasserwirtschaftliche Aufgaben, zu denen lokale Ölverschmutzungen gehörten, seien Aufgabe der Länder. Davon müsse insbesondere im Hinblick auf Art. 30 GG ausgegangen werden. Die Zuständigkeit des Bundes nach dem Binnenschiffahrtsaufgabengesetz lasse sich auf die einfache Formel bringen: die Zuständigkeit des Bundes höre an der Bordwand auf. Daß die Beseitigung von Ölverschmutzungen Aufgabe der Länder sei, folge schließlich auch aus dem Abfallbeseitigungsgesetz. Ein Rückgriff auf ordnungsrechtliche Vorschriften, etwa die Zustandshaftung nach § 186 LVwG, verbiete sich aus ihrem Nachrang gegenüber spezialgesetzlichen Regelungen. Letztlich verbiete sich eine Inanspruchnahme der Beklagten auch deshalb, weil ein Hoheitsträger nicht gegen einen anderen mit Zwangsmitteln vorgehen könne, worunter die Ersatzvornahme falle. Bei der Beseitigung von Ölverunreinigungen sei das klagende Land im Wege der Hafenpolizei tätig geworden; die Hafenaufsicht sei Sache der Länder. Schließlich bestehe ein Kostenerstattungsanspruch auch deshalb nicht, weil sich das Land durch eine Verwaltungsvereinbarung verpflichtet habe, die Kosten der Beseitigung von Öl aus Bundeswasserstraßen selbst zu tragen.

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Die Beklagte beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beklagte verurteilt wird, an das klagende Land 481.243,89 DM nebst 7,5 % Zinsen auf 469.281,62 DM vom 10. April 1983 bis zum 21. Juni 1983,

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8 % Zinsen hierauf vom 22. Juni 1983 bis zum 25. September 1983,

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8,25 % Zinsen hierauf vom 26. September 1983 bis zum 12. September 1984,

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8,25 % Zinsen auf weitere 12.025,27 DM seit Klagzustellung bis zum 12. September 1984,

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8 % Zinsen auf 481.243,89 DM vom 13. September 1984 bis zum 7. Oktober 1984,

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7,75 % Zinsen hierauf vom 8. Oktober 1984 bis zum 29. November 1984,

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7,25 % Zinsen hierauf vom 30. November 1984 bis zum 5. August 1985,

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7 % Zinsen hierauf vom 6. August 1985 bis zum 5. Februar 1986,

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6,5 % Zinsen hierauf vom 6. Februar 1986 bis zum 31. März 1987,

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6 % Zinsen hierauf vom 1. April 1987 bis zum 31. Juli 1987,

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6,5 % Zinsen hierauf seit dem 1. August 1987 zu zahlen.

36

Er erwidert: Wenn heute einzelne Schadenspositionen bestritten würden, sei dies treuwidrig. Die Beklagte habe sich immer nur darauf beschränkt, den Anspruch dem Grunde nach zu bestreiten. Ein Nachweis im einzelnen sei heute nach dem inzwischen eingetretenen Zeitablauf nicht mehr möglich. Die Ämter für Land- und Wasserwirtschaft in Heide, Lübeck, Kiel und Flensburg hätten die Schadensaufstellungen noch einmal im einzelnen überprüft und bestätigt. Auch die Ver- und Entsorgung von Schiffen mit Treibstoff in Häfen sei ein Vorgang, der mit der Schiffahrt eng zusammenhänge; daß es dabei zu technischem und menschlichem Versagen komme, sei typisch und "schiffahrtsbedingt". Das gleiche gelte für Leckagen nach Kollisionen und das Lenzen von Bilgenwasser.

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Die von der Beklagten im einzelnen im Berufungsverfahren angesprochenen Fälle (Zerstörer Rommel, Kapitän Libera) und alle die Positionen, in denen ein Schädiger habe festgestellt werden können, seien nicht mit eingeklagt worden. Die erneute Prüfung der Schadensfälle habe allerdings ergeben, daß die Position Nr. 78 in der Aufstellung des ALW Kiel (Anlage K 19), Vorfall vom 18. November 1982 mit 6.749,55 DM versehentlich mit eingeklagt worden sei, obwohl der Betrag vom Schädiger erstattet worden sei; insoweit werde die Klage zurückgenommen. Die Position über 69,92 DM betreffend den Landeshafen Büsum werde wegen Geringfügigkeit fallengelassen. Der Zinsbetrag trage der Entwicklung der Zinssätze am Kapitalmarkt Rechnung.

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Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich am Verfahren beteiligt. Er hält den Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Rechtsgründen für gerechtfertigt.

39

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf ihre Schriftsätze und die ihnen beigefügten Anlagen und Aufstellungen sowie auf die Beiakten verwiesen. Sie waren mit ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

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II.

Soweit der Kläger die Klage wegen eines Teilbetrages zurückgenommen hat, war das Verfahren einzustellen.

41

Im übrigen hat die Berufung nur in dem aus dem Entscheidungsausspruch ersichtlichen Umfang Erfolg.

42

Für den Zahlungsanspruch ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet, soweit der Kläger ihn auf öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag, auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch oder einen Anspruch auf Kostenerstattung aus dem Gesichtspunkt der Ersatzvornahme stützt. Die Haftung der Beklagten soll sich nach Auffassung des Klägers aus den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Wasserstraßenrechts, des Binnen- bzw. des Seewasserstraßenrechts oder des Landesverwaltungsgesetzes ergeben. Der geltend gemachte Anspruch ist damit öffentlich-rechtlicher Natur. Klageart ist die allgemeine Leistungsklage.

43

Die nach dem Klagantrag noch anhängige Hauptforderung von 481.243,89 DM teilt sich wie folgt auf:

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1. Aufwendungen für die Zeit vom 1. 9. 1965 bis zum Inkrafttreten des Binnenschiffahrtsaufgabengesetzes in der Fassung vom 14. 4. 1971 (BGBl I S. 345): 26.933,87 DM

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2. Aufwendungen zwischen dem Inkrafttreten des Binnenschiffahrtsaufgabengesetzes und dem Inkrafttreten des Seeschiffahrtsaufgabengesetzes in der Fassung vom 15. 3. 1974 (BGBl I S. 741): 38.346,04 DM

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3. Aufwendungen ab 1. 4. 1974 (Inkrafttreten des Seeschiffahrtsaufgabengesetzes) bis März 1984: 416.334,34 DM.

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Von diesen Positionen kann der Kläger von der Beklagten Erstattung der für die Beseitigung von Ölverschmutzungen aufgewandten Kosten verlangen, soweit sie nach dem Inkrafttreten des Binnenschiffahrtsaufgabengesetzes auf Binnenwasserstraßen und soweit sie nach dem Inkrafttreten des Seeschiffahrtsaufgabengesetzes auch auf Seewasserstraßen und den an ihnen gelegenen bundeseigenen Häfen entstanden sind, sei es aus dem Gesichtspunkt der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag (so Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 22. 11. 1985, NJW 1986, 2524 ff.) oder aus dem Gesichtspunkt eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Die weitergehende Hauptforderung ist nicht begründet.

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Nach Art. 104 a GG, der durch das 21. Änderungsgesetz zum Grundgesetz vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359) in die Verfassung eingefügt worden ist und ab 1. Januar 1970 gilt, bestimmt sich die Ausgabenverteilung im Verhältnis zwischen Bund und Ländern nach der Aufgabenverteilung. Was Bundes- oder Landesangelegenheit ist, ergibt sich dabei aus der Aufgabenverteilung des Grundgesetzes. Art. 89 Abs. 2 Satz 2 GG bestimmt, daß der Bund "die über den Bereich eines Landes hinausgehenden staatlichen Aufgaben der Binnenschiffahrt und die Aufgaben der Seeschifffahrt wahrnimmt, die ihm durch Gesetz übertragen werden". Eine Übertragung von Aufgaben im Sinne dieses Vorbehaltes ist für den Bereich der Binnenwasserstraßen durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt vom 14. April 1971 (BGBl I S. 345) erfolgt. Während das Gesetz in § 1 in seiner ursprünglichen Fassung vom 15. Februar 1956 (BGBl I S. 317) bestimmte:

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Dem Bund obliegen auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt

50

1. ...

51

2. die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (Schiffahrtspolizei) auf den Bundeswasserstraßen; ...

52

3. ...

53

4. ...

54

bestimmt § 1 Nr. 2 in der Gesetzesfassung vom 14. April 1971:

55

...

56

2. die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie die Verhütung von der Schiffahrt ausgehender Gefahren (Schifffahrtspolizei) auf den Bundeswasserstraßen; ..

57

...

58

Die Beseitigung von Öl, das auf Binnenwasserstraßen treibt oder sich bereits mit dem Wasser vermischt hat, ist Gefahrenverhütung im Sinne dieser Vorschrift. Hierzu folgt der Senat der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das im Urteil vom 22. November 1985, NJW 1986, 2524 ausgeführt hat:

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"Die Beklagte sieht ihre Aufgabe in diesem Zusammenhang im wesentlichen auf den Erlaß genereller Anordnungen zur technischen Ausstattung der Schiffe (§ 3 Abs. 1 a Binnenschiffahrtsaufgabengesetz) und auf die vorbeugende Überwachung ihrer Einhaltung durch regelmäßige Kontrollen beschränkt. Diese Sichtweise ist zu eng. Die Worte "Abwehr" und "Verhütung" von Gefahren werden im Binnenschifffahrtsaufgabengesetz gleichbedeutend verwendet. So ist in der Verordnungsermächtigung des § 3 Abs. 1 a von einer "Abwehr von Gefahren" und einer "Verhütung von ... Umwelteinwirkungen" die Rede, während die korrespondierende Eingriffsermächtigung des § 4 Binnenschiffahrtsaufgabengesetz von der "Abwehr von Gefahren und schädlichen Umwelteinwirkungen" spricht. Auch von der Sache her ist eine Unterscheidung zwischen der Verhütung in dem von der Beklagten angenommenen Sinn und der Gefahrenabwehr nicht sinnvoll. Eine sachgemäße Abwehr von Gefahren kann auf vorbeugende Regulierung abstrakter Gefahrentatbestände nicht verzichten, und zu "verhüten" ist eine Gefahr auch dann noch, wenn - wie hier - zwar ein Schaden schon eingetreten ist, aber ohne eingreifende Maßnahmen weitere Schäden zu befürchten sind. Der von der Beklagten vertretene Standpunkt läßt sich auch anhand der Gesetzgebungsmaterialien nicht erhärten. Zwar wird in der Regierungsvorlage des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt (BT-Drucks. VI/1137) vorrangig die Notwendigkeit von Bestimmungen über den Transport von wassergefährdenden Stoffen betont. Daneben wird aber auch darauf hingewiesen, daß mit der Neufassung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 dem Bund "die Sicherung der Ordnung der Schiffahrt allgemein" zur Aufgabe gemacht werde.

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Mit der Zuweisung der Aufgabe einer allgemeinen Abwehr von Gefahren, die von der Schiffahrt ausgehen, hat der Gesetzgeber auch nicht etwa seine Kompetenz überschritten. Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die Binnenschiffahrt (Art. 74 Nr. 21 GG) rechtfertigt nicht nur Regelungen zur technischen Überwachung von Binnenschiffen, sondern umfaßt generell den Sachbereich der Bekämpfung von Gefahren, die von Binnenschiffen ausgehen. Auch soweit dadurch die Gewässer vor Verunreinigungen geschützt werden sollen, bleibt der Binnenschiffsverkehr Objekt der Regelung. Eine Grenzziehung, wie sie die Beklagte vornehmen möchte, ist durch die verfassungsrechtliche Grenze der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Nr. 21 GG nicht vorgegeben. Daß im konkreten Fall eines bereits eingetretenen Schadens die erforderliche Maßnahme der Gefahrenabwehr auf eine Reinigung des Gewässers - die im allgemeinen den Landeswasserbehörden obliegt - hinauslaufen kann, ändert nichts an der Zuordnung dieser Aufgaben zum Sachbereich Binnenschiffahrt..."

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Eine dem Binnenschiffahrtsaufgabengesetz idF vom 14. April 1971 vergleichbare Regelung enthält das Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt vom 24. Mai 1965 (BGBl II S. 833). Durch das Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) vom 15. März 1974 (BGBl I S. 721, 742) ist § 1 des Seeschiffahrtsaufgabengesetzes mit Wirkung vom 1. April 1974 (§ 74) wie folgt geändert worden:

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"2. Die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie die Verhütung von der Seeschiffahrt ausgehender Gefahren (Schiffahrtspolizei) und schädlicher Umwelteinwirkungen i.S. des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auf den Seewasserstraßen und den nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 begrenzten Binnenwasserstraßen sowie in den an ihnen gelegenen bundeseigenen Häfen".

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Auch dieses Gesetz ist in Ausführung von Art. 89 Abs. 2 Satz 2 GG ergangen, wobei der Bundesgesetzgeber von der Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Nr. 21 GG Gebrauch gemacht hat. Wenn diese Vorschrift bestimmt, daß die konkurrierende Gesetzgebung sich auf "die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen erstreckt", so sind von der Schiffahrt ausgehende Gefahren dem Sachbereich der Schiffahrt auch insoweit zuzuordnen, als Gefahren für das Wasser durch auslaufendes Öl entstehen. Auch soweit dabei der Schutz der Gewässer bezweckt ist, bleibt der Schiffsverkehr Anknüpfungspunkt für die gewählte Regelung. Die Grenzen seiner Befugnis hat der Bundesgesetzgeber nicht überschritten. Er hat nicht etwa eine Vollregelung auf dem Gebiet des Wasserrechts und der Wasserwirtschaft getroffen, die mit der Rahmenkompetenz aus Art. 75 Nr. 4 GG nicht vereinbar wäre. Die durch die beiden Gesetze getroffenen Regelungen zielen auf die Erhaltung der Funktion der Wasserstraßen in ihrer Eigenschaft als Verkehrswege ab. Der Bereich der Wasserwirtschaft wird durch die zur Abwehr von Schiffahrtsgefahren getroffene Regelung nur mittelbar berührt.

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Die damit erfolgte Übertragung schiffahrtspolizeilicher Vollzugsaufgaben auf den Bund durch die beiden spezialgesetzlichen Regelungen haben die allgemeine Zuständigkeit des Landes zur Gefahrenabwehr nach den Bestimmungen des Landeswassergesetzes oder des Landesverwaltungsgesetzes verdrängt; diese treten hinter den bundesrechtlichen Bestimmungen nach dem Grundsatz der Spezialität zurück. Dabei ist jedoch einschränkend zu beachten, daß sich das Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt nicht auf die Seewasserstraßen und die an ihnen gelegenen bundeseigenen Häfen erstreckt hat. Bis zum Inkrafttreten des Seeschiffahrtsaufgabengesetzes gehörte die Verhütung der von der Schiffahrt ausgehender Gefahren auf Seewasserstraßen deshalb noch nicht zur alleinigen Aufgabe des Bundes.

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Nach Art. 104 a Abs. 1 GG tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Dieser Grundsatz, dem die Bedeutung einer allgemeinen, das Verhältnis Bund-Länder im ganzen regelnden Lastenverteilungsregelung zukommt (BVerfGE 9, 305, 328 f [BVerfG 16.06.1959 - 2 BvF 5/56];  14, 221, 233 f;  26, 338, 389 f [BVerfG 15.07.1969 - 2 BvF 1/64]; BVerwGE 44, 351, 364) [BVerwG 08.02.1974 - VII C 16/71], gilt auch im Streitfall. Aufgaben i.S. des Art. 104 a Abs. 1 GG, an welche die Pflicht zur Kostentragung anknüpft, sind in der Regel Verwaltungsaufgaben, da im allgemeinen die Kosten erst durch die Verwaltungstätigkeit entstehen (BVerwG aaO S. 365 m.w.N.). Bei der Prüfung der Frage, welche Aufgabe im Sinne der allgemeinen Lastenverteilungsregelung vorliegt, ist von der Verwaltungsverantwortung auszugehen; es kommt dagegen nicht darauf an, wer die Entscheidung, die letztlich die Kosten hat anfallen lassen, getroffen oder etwa die Ausgaben veranlaßt hat (BVerwG aaO unter Hinw. auf BVerfGE 26, 338, 390) [BVerfG 15.07.1969 - 2 BvF 1/64]. Art. 104 a Abs. 5 GG stellt klar, daß Bund und Länder die bei ihren Behörden jeweils entstandenen Verwaltungsausgaben selbst zu tragen haben und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Ausgaben durch Maßnahmen verursacht worden sind, die der andere Teil veranlaßt hat oder an deren Durchführung er interessiert oder beteiligt ist (BVerwG aaO m.w.N.). Eine Aufgabe des Bundes, deren Kostenlast nicht auf die Länder abgewälzt werden darf, ist daher dann gegeben, wenn die ausschließliche Verwaltungskompetenz für die unmittelbar Kosten verursachende Maßnahme bei dem Bund liegt. Das ist nach den obigen Ausführungen der Fall. Da dem Kläger die hier streitigen Kosten bei der Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe entstanden sind, die mit dem Inkrafttreten der beiden Aufgabengesetze in die ausschließliche Verwaltungszuständigkeit der Beklagten fiel, kommt eine Erstattung von Kosten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag oder des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs im Verhältnis der Beklagten zu dem Kläger dem Grunde nach in Betracht.

66

Alle Wasserflächen, auf denen Ölverunreinigungen festgestellt worden sind und auf die sich die Kostenzusammenstellungen Blatt 357 f. der Gerichtsakten ab Inkrafttreten des Binnenschiffahrtsaufgabengesetzes beziehen, gehören auch zum Bereich von Bundeswasserstraßen. Das gilt auch, wie die vorgelegten Karten zeigen, für die Hafenbereiche einschließlich des Olympiahafens, des Nordhafens und des Scheerhafens in der Kieler Innenförde (der Hafen Büsum ist nicht mehr im Streit). Für die Zuordnung eines Hafens und seiner Wasserflächen zu einer Bundeswasserstraße ist auf die Verhältnisse des Einzelfalls abzustellen. Bilden die Flächen des Hafens mit der Bundeswasserstraße, an der er liegt, eine natürliche Einheit, stellen sich die Ufer des Hafens zugleich als Ufer der Wasserstraße dar; seine Flächen sind dann Bestandteil der Wasserstraße (BGHZ 69, 284, 289) [BGH 29.09.1977 - III ZR 64/75]. Sind die Wasserflächen des Hafens dagegen von der Bundeswasserstraße deutlich abgegrenzt und bilden sie bei natürlicher Betrachtungsweise ein in sich geschlossenes selbständiges Ganzes, das mit der Bundeswasserstraße nur durch eine Zufahrt oder einen Stichkanal verbunden ist, so sind die Flächen kein Bestandteil der Wasserstraße, sondern als ein selbständiges Gewässer anzusehen; diese Grundsätze gelten auch für Seewasserstraßen (Beschl. d. Sen. v. 12. 8. 1987 - 3 OVG A 30/84 -; Schl.-H. OLG, VGKBl 1980, 584; Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 2. Aufl., § 45 Rdnr. 5). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Alle genannten Hafenbereiche sind bei natürlicher Betrachtungsweise Teile einer Bundeswasserstraße; das stellt auch die Beklagte nicht in Frage.

67

Die Verantwortlichkeit der Beklagten für die Beseitigung von Ölverunreinigungen wird auch nicht durch die Regelung des Abfallbeseitigungsgesetzes in Frage gestellt. Das auf dem Wasser treibende Öl war im Gegensatz zur Rechtsansicht der Beklagten nicht Abfall i.S. von § 1 des Abfallgesetzes vom 7. Juni 1976 (BGBl I S. 873) mit späteren Änderungen, weil es nicht mehr als "bewegliche Sache" anzusehen war. Es war mit dem Wasser so verbunden, daß es mit ihm eine rechtliche Einheit bildete. Dabei kommt es nicht darauf an, daß die Trennung des Öls vom Wasser technisch möglich gewesen wäre. Der Untrennbarkeit vermischter beweglicher Sachen steht es nach § 948 BGB gleich, wenn die Trennung der vermischten Sachen mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sein würde. Das ist bei dem in einer Bundeswasserstraße treibendem, mit dem Wasser vermischten Öl regelmäßig der Fall (BVerwG, Urt. v. 22. 11. 1985 aaO; OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016).

68

Die Verantwortlichkeit der Beklagten entfiel auch nicht nach den Vorschriften des Gesetzes über Maßnahmen zur Sicherung der Altölbeseitigung vom 11. Dezember 1979 (BGBl I S. 2113). Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 sind Altöle, die der Besitzer nicht selbst beseitigt, bestimmten Abnehmern zu überlassen. Öl, das auf einer Wasserstraße treibt und mit dem Wasser der Bundeswasserstraße vermischt ist, ist in diesem Zustand nicht überlassungsfähig, sondern müßte zuvor erst vom Wasser getrennt werden. Das zeigt, daß das Altölgesetz den Fall von auf dem Wasser treibenden Öl nicht erfaßt.

69

Der Kläger hat mit den von ihm getroffenen Maßnahmen zur Ölbeseitigung auch eine Aufgabe der Schiffspolizei wahrgenommen, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Binnenschiffahrtsaufgabengesetzes bzw. der gleichlautenden Vorschrift des Seeschiffahrtsaufgabengesetzes der Beklagten oblag. Zu den schiffahrtspolizeilichen Aufgaben, die durch diese Vorschrift der Beklagten übertragen sind, gehört die Verhütung von Gefahren, die von der Schiffahrt ausgehen. Davon, daß es in den in der Aufstellung Blatt 357 f. der Gerichtsakten aufgeführten Fällen um die Abwehr solcher Gefahren ging, ist im vorliegenden Fall nach den Regeln des prima-facie-Beweises auszugehen. Wenn auf einer Binnenschiffahrtsstraße wie den Flüssen Trave und Elbe oder auf dem Nord-Ostsee-Kanal oder im Bereich von Seeschiffahrtsstraßen wie den Küstengewässern Ölverunreinigungen auftreten, so deutet dieser Sachverhalt nach der allgemeinen Lebenserfahrung stets darauf hin, daß das Öl von Schiffen stammt. Beim Betrieb der die Wasserstraßen benutzenden Schiffe fällt in größerem Umfang Altöl an, das teilweise aus Unachtsamkeit, häufig aber auch absichtlich ins Wasser abgelassen wird. Die Annahme, daß das Öl auf andere Weise ins Wasser gelangt sein könnte, ist demgegenüber fernliegend. Vielmehr macht gerade die von der Beklagten hervorgehobene Nähe der auf getretenen Ölverschmutzungen zu Häfen und zu Betankungsanlagen beispielhaft den jeweiligen Kausalzusammenhang ihrer Entstehung mit der See- und Binnenschiffahrt deutlich, die dem gesetzlich festgelegten Verantwortungsbereich der Beklagten zugehört. Der oben dargelegte typische Geschehensablauf gilt damit nach allgemeinen Grundsätzen als bewiesen.

70

Die Wasserschutzpolizei hat mit der Beseitigung der Ölverunreinigungen auch eine Maßnahme der Gefahrenabwehr getroffen. Jede Verunreinigung des Oberflächenwassers mit Öl ist geeignet, die Wasserqualität, insbesondere die Selbstreinigungskraft, erheblich zu vermindern. Auf dem Wasser treibende Ölverunreinigungen, sofern sie ihrer Menge nach nicht gänzlich belanglos sind, geben grundsätzlich Anlaß zu der Befürchtung einer ernstlichen Schädigung des Oberflächenwassers und damit im weiteren Verlauf auch des Grundwassers. Infolgedessen war in allen Fällen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit anzunehmen (BVerwG, DVBl 1974, 297; Urt. v. 22. 11. 1985 aaO). Da sich die Beklagte generell und wiederholt geweigert hatte, selbst tätig zu werden, konnte der Gefahr nicht anders als durch ein Eingreifen des Klägers begegnet werden.

71

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der Vereinbarung über die Ausübung der schiffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben vom 14. Dezember 1954/15. Juli 1955 (GVOBl 1955 S. 137) i.d.F. vom 28. Januar 1982/8. Juni 1984 (GVOBl 1984 S. 248). Die ursprüngliche Vereinbarung bezog sich allein auf Aufgaben in bezug auf den Schiffsverkehr selbst. Die Zusatzvereinbarung hat diese Beschränkung insoweit durchbrochen, als nach Art. 1 Nr. 1 a die von der Schiffahrt ausgehenden Gefahren einschließlich solcher für das Wasser "zu ermitteln" sind. Verantwortlichkeiten und damit auch Kostentragungspflichten für die Bekämpfung von Gefahren für die Wasserqualität, wie sie hier in Rede stehen, wurden durch diese Vereinbarung nicht erfaßt. Das Verwaltungsabkommen zwischen dem Bund und den Küstenländern über die Bekämpfung von Ölverschmutzungen vom 23. Mai 1975 (VerkehrsBl 1975 S. 333) greift nur ein, soweit mit "großen Ölverschmutzungen der Gewässer oder Strände oder Ufer" im Vertragsgebiet zu rechnen ist (§ 4 Ziffer 1). Diese Ausmaße haben die vom Kläger beseitigten Ölverschmutzungen ab Mai 1971 unstreitig nicht gehabt.

72

Der damit auch der Höhe nach schlüssige Kostenerstattungsanspruch ist nicht verjährt. Mit ihrer Erklärung vom 28. Dezember 1973 hat die Beklagte darauf verzichtet, sich auf Verjährung zu berufen. Nach Wortlaut und Sinn bezieht sich diese Erklärung nicht nur auf solche Forderungen, die bei ihrer Abgabe bereits entstanden waren, sondern auch auf solche, die künftig noch entstehen würden.

73

Bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Binnenschiffahrts- und des Seeschiffahrtsaufgabengesetzes in der geänderten Fassung vom 14. April 1971 und 15. März 1974 war die Beseitigung von Ölverschmutzungen in einem Gewässer dagegen jedenfalls auch eine Aufgabe des klagenden Landes, sei es aus dem Gesichtspunkt der allgemeinen Gefahrenbeseitigung oder der Wasserwirtschaft. Auch für die Vorfälle am 29. Juli 1971 (Travemünde), am 29. April 1973 (Lübecker Bucht/Ostsee) und am 23./24. Dezember 1973 (Travemünde) war noch keine ausschließliche Aufgabenzuständigkeit der Beklagten begründet, da diese Flächen kein Teil einer Binnenwasserstraße waren. Das hat unter Berücksichtigung der in Art. 104 a GG getroffenen Grundentscheidung, die wiederum nur eine Klarstellung der bereits aufgrund des Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 a.F. GG bestehenden Verfassungslage enthält (BVerwG, Urt. v. 8. 2. 1974, BVerwGE 44, 351, 364) [BVerwG 08.02.1974 - VII C 16/71], zur Folge, daß der Kläger für die Zeit ab 1965 bei der Beseitigung von Ölverschmutzungen jedenfalls auch eine Maßnahme der Gefahrenbeseitigung erfüllt hat, die ihm selbst oblag. Daraus folgt, daß er nach der allgemeinen, das Verhältnis Bund-Länder im ganzen bestimmenden Lastenverteilungsregelung auch die Kosten dieser Maßnahmen zu tragen hat.

74

Das Zinsbegehren ist nur zu einem Teil begründet. Der Kläger kann in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung, welche die Verzinsung vorschreibt, lediglich entsprechend § 291 BGB Prozeßzinsen in Höhe von 4 % ab Klageerhebung geltend machen (BVerwGE 7, 95, 97 [BVerwG 07.06.1958 - V C 272/57]; st. Rspr. d. Sen., vgl. Urt. v. 28. 10. 1982 - 3 OVG A 112/80 -; v. 6. 6. 1985 - 3 OVG A 120/79 -). Der weitergehende unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzugs geltend gemachte Zinsanspruch war daher abzuweisen.

75

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 713 ZPO.

76

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen (§ 132 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

77

Beschluß

78

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 680.000,-- DM festgesetzt.

79

Eichhorn

80

Schnuhr

81

Meyer