Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.10.1996, Az.: VII 326/95

Zuständigkeit des Finanzgerichts für Streitigkeit um Benennung des Namens einer Informationsperson; Verweis auf ordentlichen Rechtsweg; Auskunftsbegehren als Abgabenangelegenheit

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
08.10.1996
Aktenzeichen
VII 326/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1996, 18868
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:1008.VII326.95.0A

Fundstelle

  • NStZ-RR 1997, 141-142 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Kein Finanzrechtsweg für Anspruch des Denunzierten auf Auskunftserteilung nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens

Ablehnung der Bekanntgabe eines Informanten

Redaktioneller Leitsatz

Der Rechtsstreit zwischen einem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt für Fahndung und Strafsachen (FA) über einen vom Steuerpflichtigen geltend gemachten Anspruch auf Benennung des Namens der Person, die ihn gegenüber den Finanzbehörden einer Steuerstraftat bezichtigt hat, betrifft eine Maßnahme einer Justizbehörde i.S.d. § 23 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG), so dass nicht der Finanzrechtsweg sondern der ordentliche Rechtsweg gegeben ist.

In dem Rechtsstreit hat
der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ... und
die Richter am Finanzgericht ... und ...
am 8. Oktober 1996
beschlossen:

Tenor:

Der Rechtsstreit wird gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das nach §§ 23, 25 EGGVG zuständige Oberlandesgericht Celle verwiesen.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob das beklagte Finanzamt für Fahndung und Strafsachen (FA) über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Benennung des Namens der Person, die ihn gegenüber den Finanzbehörden einer Steuerstraftat bezichtigt hat, ermessensfehlerfrei entschieden hat.

2

Der Kläger ist Gewerbetreibender. In der Zeit vom 17. November 1988 bis zum 5. Dezember 1988 fand beim Kläger eine Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1984 bis 1986 statt. Nach deren Feststellungen hatte der Kläger die Warenbestände unzutreffend zu niedrig bewertet. Im Wege der Schätzung wurden sie einvernehmlich um jeweils 10.000 DM erhöht. Die aufgrund der Außenprüfung geänderten Einkommensteuerbescheide, die am 31. Juli 1989 ergingen, wurden bestandskräftig.

3

Beim FA hatte sich am 18. November 1988 ein Anzeigeerstatter gemeldet. Dieser Informant, dem das FA Vertraulichkeit zusicherte, gab an, der Kläger habe die Warenbestände über die steuerlich zulässigen Grenzen hinaus abgeschrieben und auf diesem Wege in den Bilanzpositionen Gewinne von ungefähr 150.000 DM "versteckt". Ferner bewahre er in einem Schließfach bei der Volksbank Weserbergland e.G. Wertgegenstände (Bargeld, Gold und Münzen) auf, um sie dem steuerlichen Zugriff zu entziehen.

4

Die Anzeige und der Name des Anzeigeerstatters befinden sich ausschließlich in den Handakten des Fahndungsprüfers.

5

Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht ... hatte am 22. November 1988 unter dem Aktenzeichen ... ein Verfahren gegen den Kläger wegen Steuerhinterziehung eingeleitet. Grundlage dafür war das Schreiben der Rechtsanwälte M. vom 4. November 1988, die im Auftrage des Klägers der Staatsanwaltschaft das Schreiben der Rechtsanwälte E. vom 6. September 1988 vorgelegt hatten, in dem gegenüber dem Kläger der Vorwurf erhoben worden war, er habe durch falsche Bilanzierung den Gewinn um ca. 150.000 DM manipuliert und unterhalte bei der Volksbank in H. ein Schließfach, das Vermögenswerte enthalte, die dem steuerlichen Zugriff entzogen werden sollten.

6

Das gegen den Kläger wegen Steuerhinterziehung eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht ... vom 7. Dezember 1988 dem FA mit der Bitte um Übernahme gemäß § 386 AO übersandt.

7

Am 11. Januar 1989 erließ das FA den Einleitungsvermerk gemäß § 397 Abs. 2 AO. Die Bußgeld und Strafsachenstelle beantragte am 16. Januar 1989 beim Amtsgericht ... den Erlaß verschiedener Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse. Es wies daraufhin, daß die Finanzbehörde das Ermittlungsverfahren selbständig durchführe (§ 399 Abs. 1 AG).

8

Die nachfolgenden Durchsuchungen und Beschlagnahmungen ergaben keinen Anhaltspunkt für ein Steuer- und strafrechtliches Fehlverhalten des Klägers. Daraufhin wurde das gegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahren am 10. Juli 1989 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

9

Mit Schreiben vom 05.10.1989 beantragte der Kläger, ihm den Namen des Informanten zu nennen. Der Beklagte lehnte dieses mit Bescheid vom 26.10.1989 ab: Die dagegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos. Dagegen wandte sich der Kläger mit einer Klage.

10

Der II. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts gab mit Urteil vom 21. Mai 1992 Aktenzeichen II 500/90 der Klage statt und verpflichtete den Beklagten, dem Kläger den Namen und die Anschrift des Informanten vom 18. November 1988 zu nennen. Auf die dagegen vom Beklagten eingelegte Revision hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 8. Februar 1994 VII R 88/92, BStBl II 1994, 552 das Urteil auf und verpflichtete den Beklagten dazu, den Anspruch des Klägers auf Benennung des Namens des Informanten ermessensfehlerfrei neu zu bescheiden.

11

Zur Frage der Zuständigkeit der Finanzgerichte führte der BFH aus, die Prüfung des Rechtswegs zu den Finanzgerichten habe der erkennende Senat gemäß § 155 FGO i.V.m. § 17 a Abs. 5 GVG nicht vorzunehmen.

12

Mit Bescheid vom 4. Juli 1993 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers, ihm den Namen des Anzeigeerstatters bekanntzugeben, erneut ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde mit Beschwerdebescheid vom 6. April 1995 zurückgewiesen. Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Benennung des Informanten.

13

Für die vorliegende Klage auf Benennung des Namens der Informationsperson ist nicht der Finanzrechtsweg sondern der ordentliche Rechtsweg gegeben. Der Rechtsstreit ist deshalb gemäß § 17 a Abs. 2 GVG an das nach §§ 23, 25 EGGVG zuständige Oberlandesgericht Celle zu verweisen.

14

Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO sind die Finanzgerichte zuständig in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten. Abgabenangelegenheiten im Sinne der FGO sind nach § 35 Abs. II Satz 1 FGO alle mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörde zusammenhängenden Angelegenheiten. Die Vorschrift findet aber auf Straf und Bußgeldverfahren keine Anwendung (§ 33 Abs. 2 Satz 2 FGO). Diese Bestimmung hat lediglich deklaratorischen Charakter, da der finanzgerichtliche Rechtsweg bereits aufgrund abweichender gesetzlicher Regelungen ausgeschlossen ist (Schwarz/Dumke FGO § 33, Anm. 31). Bei der Prüfung der Frage, ob die vorliegende Streitigkeit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten oder eine Streitigkeit im Zusammenhang mit einem Strafverfahren darstellt, ist auf die Rechtsnatur des Klagebegehrens abzustellen, wie sie sich aus dem dem Antrag zugrundeliegenden Sachverhalt ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1983 VII R 2/82, BStBl II 1983, S. 482).

15

Der Kläger begehrt, den Beklagten zu verpflichten, ihm den Namen des Informanten mitzuteilen, nachdem der Beklagte diese Kitteilung verweigert hat. Damit ist die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme streitig, die der Beklagte getroffen hat, nachdem das gegen, den Kläger geführte Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung eingestellt worden ist.

16

Das vom Kläger verfolgte Begehren auf Benennung des Namens des Informanten ist gerichtet auf eine Maßnahme einer Justizbehörde im Sinne der Vorschrift des § 23 EGGVG. Danach entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstiger Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten unter anderem auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden.

17

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in seinem Urteil BVerwGE 47, 255, entschieden, daß für den Antrag auf Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme der Polizei zur Verfolgung einer strafbaren Handlung nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten gegeben ist. Es ist dabei davon ausgegangen, daß der besonderen Rechtswegregelung des § 23 Abs. 1 EGGVG die Annahme zugrunde liegt, daß die ordentlichen Gerichte für die Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsmaßnahmen auf den Gebieten u.a. der Strafrechtspflege besser gerüstet sind und ihnen deshalb von der Sache her näher stehen als die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit (BVerwGE 47, 255, 260). Der in diesem Urteil ausführlich und überzeugend begründeten Auffassung, daß der Begriff der "Justizbehörden" im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG im funktionellen Sinne zu verstehen ist, ist der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 21. November 1978 I 1 Js 93/77, BGHSt 28, 206, 208, gefolgt. In folgerichtiger Fortentwicklung dieser Rechtsprechungsgrundsätze rechnen auch Maßnahmen der Steuerfahndungsbehörden zur Verfolgung von Steuerstraftaten zu den Maßnahmen der Justizbehörden im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG. Die mit der Steuerfahndung betrauten Stellen der Landesfinanzbehörden haben im Strafverfahren wegen Steuerstraftaten dieselben Rechte und Pflichten wie die Behörden und Beamten des Polizeidienstes nach den Vorschriften der StPO (§ 404 Satz 1 AO). Ihre Maßnahmen sind daher in gleicher Weise als Akte der Justizbehörden im Sinne des § 23 EGGVG anzusehen wie die Maßnahmen der Polizei. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob die Steuerfahndung selbständig oder auf Weisung der Staatsanwaltschaft gehandelt hat. Denn für die Frage der Rechtszuständigkeit kann diese Frage, die das rechtliche Wesen der jeweils betroffenen Maßnahme nicht berührt, kein maßgebendes Kriterium sein (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1983 VII R 2/82, BStBl II 1983, 482). Dementsprechend hat der BFH in dem vorgenannten Urteil entschieden, das für eine Klage gegen ein Auskunftsersuchen, das die Steuerfahndung nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens und unter Hinweis darauf an einen Dritten richtet, gemäß § 23 EGGVG der ordentliche Rechtsweg gegeben ist.

18

Dagegen hat der BFH in seinem Urteil vom 7. Mai 1985 VII R 25/82, BStBl II 1985, 572, entschieden, der Anspruch auf Akteneinsicht bzw. Auskunftserteilung hinsichtlich des Namens eines Anzeigeerstatters sei dann eine Abgabenangelegenheit, wenn das eingeleitete Strafverfahren eingestellt und das durchgeführte Bußgeldverfahren abgeschlossen sei. Der verfolgte Anspruch auf Akteneinsicht bzw. Auskunftserteilung sei deshalb eine Abgabenangelegenheit, da Einsicht in Akten bzw. Auskunft aus Akten begehrt würden, die auch Grundlage der Besteuerung sein könnten. Aus diesem Grunde lägen die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht vor, wonach die Vorschrift des § 33 Abs. 1 FGO auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung finde. Es verbleibe somit bei dem Grundsatz, daß das Begehren auf Akteneinsicht bzw. die hilfsweise geltend gemachten Anträge auf Auskunftserteilung, die den Zuständigkeitsbereich der Finanzverwaltung betreffen, eine Abgabenangelegenheit im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 FGO darstelle.

19

Dem folgt der Senat nicht. Das im Streitfall verfolgte Begehren auf Benennung des Informanten stellt keine Abgabenangelegenheit dar. Der Umstand, daß das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren bereits eingestellt war, als er erstmalig sein Begehren auf Benennung des Namens des Informanten geltend gemacht hat, führt nicht dazu, daß eine Entscheidung einer Finanzbehörde im Streit steht.

20

Wäre das Auskunftsbegehren vom Kläger während der Dauer des Ermittlungsverfahrens geltend gemacht worden, hätte es sich gegen eine Justizbehörde im funktionellen Sinne gerichtet, so daß eine Streitigkeit nach § 23 EGGVG gegeben gewesen wäre. Dies folgt daraus, daß der vom Informanten gegebene Hinweis in ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahrens Eingang gefunden hat. Eine Änderung des Rechtscharakters des gegen den Beklagten gerichteten Auskunftsbegehrens tritt nicht dadurch ein, daß das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger eingestellt worden ist. Auch wenn - wie im Streitfall - der Steuerpflichtige nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens Einsichtnahme in Straf- und Bußgeldakten begehrt und das FA die Akteneinsicht ablehnt, ist dieses Annexverfahren keine Abgabenangelegenheit im Sinne des § 33 Nr. 1 FGO (vgl. Schwarz/Dumke FGO § 33 Anm. 34; anderer Auffassung Tipke/Kruse AO, 16. Aufl., § 33 FGO Tz 18).

21

Allein der Umstand, daß der Beklagte nach § 30 Abs. 1 AO das Steuergeheimnis zu wahren hat und der Name des Informanten zum Kreis der durch das Steuergeheimnis gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO geschützten "Verhältnisse eines anderen" gehört, führt nicht dazu, daß sich das Auskunftsbegehren nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens gegen eine Finanzbehörde richtet und eine Streitigkeit über abgabenrechtliche Fragen beinhaltet.

22

Soweit der BFH in seinem Urteil vom 7. Mai 1985, a.a.O., ausgeführt hat, der verfolgte Anspruch auf Auskunftserteilung sei deshalb eine Abgabenangelegenheit, da Auskunft aus Akten begehrt würde, die auch Grundlage der Besteuerung sein könnten, trifft dieses im Streitfall ebenfalls nicht zu. Der Name des Informanten befindet sich ausschließlich in den Handakten des Steuerfahndungsprüfers.

23

Diese Handakten, aus denen sich die Identität des Informanten zu entnehmen ist, haben im Zusammenhang mit der Erhebung von Abgaben keine Bedeutung. Sie können auch deswegen nicht (mehr) Grundlage für die Besteuerung sein, da das Besteuerungsverfahren für die Veranlagungszeiträume vor 1988, auf die sich die Hinweise des Informanten bezogen, bereits bestandskräftig abgeschlossen war, als der Beklagte mit Bescheid vom 26.10.1989 erstmalig über das vom Kläger mit Schriftsatz vom 05.10.1989 geltend gemachte Auskunftsbegehren befand.

24

Die Beschwerde ist nach § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG zugelassen worden, da der Senat von der Entscheidung des BFH in seinem Urteil vom 17. Mai 1985 VII R 25/82, BStBl II 1985, 571 abgewichen ist.

25

Gegen diesen Beschluß ist nach § 128 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) die Beschwerde statthaft.