Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.10.1996, Az.: VI 50/93
Erzielung von Dividendeneinkünften aus Aktien, die durch Sacheinlage erlangt werden; Fassung eines Gewinnverteilungsbeschlusses nach dem Eigentumserwerb; Bezug von Dividenden als eigene Einkünfte
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 29.10.1996
- Aktenzeichen
- VI 50/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 18748
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:1029.VI50.93.0A
Rechtsgrundlagen
- § 20 Abs. 1 Nr .1 EStG
- § 36 Abs. 2 Nr. 3 S. 4 EStG
Fundstelle
- DStRE 1997, 551-554 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Körperschaftsteuer 1990
Amtlicher Leitsatz
Dividendeneinkünfte aus Aktien, die durch Sacheinlage erlangt werden, können vom Erwerber erst erzielt werden, wenn der Gewinnverteilungsbeschluß nach dem Eigentumserwerb gefaßt wird.
In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 29. Oktober 1996,
an der mitgewirkt haben:
Präsident des Finanzgerichts ... als Vorsitzender
Richterin am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ... Kaufmann
ehrenamtlicher Richter ... Bürokaufmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Gesellschafter der Landkreis O. und die Samtgemeinde B. sind, wobei der Landkreis O. Hauptgesellschafter ist.
Aufgabe der Klägerin ist es, die Umgebung des A. sees zu einem Erholungsgebiet auszubauen und die im Planungsraum liegenden Gemeinden beim Ausbau von Erholungseinrichtungen zu unterstützen. Die Klägerin erlitt in früheren Jahren Verluste, die im wesentlichen aus Zinsen wegen Fremdfinanzierungen herrührten. Die Verluste wurden durch Zuschüsse des Landkreises O. gedeckt. Die Gesellschafter beschlossen daher eine angemessene Kapitalerhöhung der Klägerin vorzunehmen.
Zu diesem Zweck fand am 20. Dezember 1989 ... eine Gesellschafterversammlung statt. Nach Ziffer 1 des Beschlusses wurde eine Erhöhung des Stammkapitals der Gesellschaft um einen Betrag von höchstens 12.500.000 DM beschlossen. Der endgültige Betrag der Erhöhung des Stammkapitals sollte sich aus dem Wert der übernommenen Stammeinlage am Einlagezeitpunkt ergeben.
Nach Ziffer 2 war nur der Landkreis O. zur Übernahme der neuen Stammeinlage zugelassen. Gemäß Ziffer 3 wurde die Stammeinlage nicht in Geld, sondern dadurch erbracht, daß der Landkreis O. 27.500 ... aktien im Nennbetrag von je 50 DM zum Tageskurs auf die Klägerin übertragen sollte.
Gemäß Ziffer 4 sollten die einzubringenden ... aktien vom Beginn des Geschäftsjahres 1988/1989 (1. Juli 1988 bis 30. Juni 1989) am Gewinn der Rheinisch-Westfälischen-Elektrizitätswerke AG beteiligt sein. Die Einbringung erfolgte durch notariellen Übernahmevertrag am 22. Januar 1990. Aufgrund des dann geltenden Kurswertes ... ergab sich ... ein Betrag von 11.522.500 DM. Im Zusammenhang mit der Übernahmeerklärung wurde zwischen der Klägerin und dem Landkreis O. ein Treuhandverhältnis vereinbart, da aus energie-politischen Gründen die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte beim Landkreis O. verbleiben mußte.
Die Dividende für das Geschäftsjahr 1988/1989 wurde von der Kreissparkasse O. am 19. Januar 1990 ... dem Landkreis O. gutgeschrieben. Als Erträgniskonto wurde ein Konto der Klägerin angegeben. Die Beträge setzten sich wie folgt zusammen: Nettoertrag 185.625 DM, einbehaltene Kapitalertragsteuer 61.875 DM und anrechenbare Körperschaftsteuer 139.218,75 DM.
In ihrer Körperschaftsteuererklärung 1990 vom 14. Juni 1991 ... bezog die Klägerin die Dividendenausschüttungen der AG, deren Aktien übertragen worden waren, für das Wirtschaftsjahr 1988/1989 mit ein ... Ausweislich der KSt-Akte beanstandete der Beklagte zunächst, daß die Dividenden- und Steuerbescheinigungen mit Schreibmaschine geschrieben wurden und erkannte daher die Ordnungsmäßigkeit der Bescheinigung nicht an. Im Bescheid vom 11. September 1991 ... wurde das zu versteuernde Einkommen auf ... DM, die anzurechnende Körperschaftsteuer auf ... DM und die anzurechnende Kapitalertragsteuer auf ... DM festgesetzt. In der Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid ... wurde die Berücksichtigung der streitigen Dividenden mit der Begründung abgelehnt, daß sie nicht der Klägerin, sondern dem Landkreis O. zugeflossen seien.
Hiergegen legte die Klägerin am 20. September 1991 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 14. Januar 1993 zurückwies. Hiergegen richtet sich die am 16. Februar 1993 erhobene Klage.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Dividenden seien ihr und nicht dem Landkreis O. zugeflossen, da aufgrund der Ziffer 4 des notariellen Kapitalerhöhungsbeschlusses vom 20. Dezember 1989 ihr im Sinne des § 101 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Dividenden "gebührt" hätten. Es komme nicht darauf an, daß im Zeitpunkt der Ausschüttung der AG-Dividende am 19. Januar 1990 die Klägerin noch nicht Anteilseignerin der AG gewesen sei, sondern dies erst durch den Übernahmevertrag am 22. Januar 1990 geworden sei. Einkünfte aus Kapitalvermögen beziehe nicht nur derjenige, der ursprünglich das Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlassen habe, sondern auch dessen Nachfolger in dem Rechtsverhältnis, daß der Überlassung des Kapitals zur Nutzung zugrundeliegt, soweit ihm die Einnahme aus Kapitalvermögen aufgrund einer Vereinbarung nach § 101 BGB gebühren. Dies sei die Klägerin gewesen. Dagegen spreche auch nicht die Dividendengutschrift und Steuerbescheinigung der Kreissparkasse, da die Kreissparkasse nicht habe wissen können, daß die Erträge einem anderen als dem Depotinhaber zufließen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 14. Januar 1993 den Körperschaftsteuerbescheid 1990 vom 11. September 1991 dahingehend zu ändern, daß der Gewinn um ... DM erhöht wird.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Für ihn konnte die Klägerin nicht vor Übernahme der Aktien am 22. Januar 1990 Erzielerin der Dividenden sei. Einkünfte erziele, wer Partner der zugrundeliegenden Kausalbeziehung sei. Entscheidend sei daher der Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses der AG. Zu diesem Zeitpunkt sei noch der Landkreis O. Inhaber der Aktien gewesen. § 101 BGB setze voraus, daß die Beteiligten fruchtziehungsberechtigt sind. Die Klägerin sei erst nach der Gutschrift der Dividende in diesem Sinne Fruchtziehungsberechtigte geworden. Berechtigte sei sie erst mit der Übernahmeerklärung vom 22. Januar 1990 geworden. Die von der Klägerin vorgebrachten Argumente, das eine rückwirkende Vereinbarung über das Gewinnbezugsrecht möglich sei, gelte nur für solche Fälle, in denen die Anteile während des laufenden Geschäftsjahres der dividendenausschüttenden Gesellschaft übertragen wurden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat in ihrer Körperschaftsteuererklärung 1990 vom 14. Juni 1991 als Einnahme die Dividendenausschüttungen der AG für das Wirtschaftsjahr 1988/89 erklärt. Dieser Erklärung ist der Beklagte nicht gefolgt. Den entsprechenden Bescheid hat die Klägerin angefochten. Diese Anfechtung ist Gegenstand dieses Verfahrens. Die Klägerin begehrt die Erhöhung ihres Gewinnes für 1990. Für diese Klage besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Um die Anrechnung gem. § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG erreichen zu können, müssen die mit der anzurechnenden Körperschaftsteuer zusammenhängenden Einnahmen bei der Steuerfestsetzung erfaßt worden seien (BFH-Urteil vom 6. Oktober 1993 I R 101/92, BStBl II 1994, 191), über die Frage, ob die Körperschaftsteuer, die als Körperschaftsteuerguthaben ... mit ... den ... Dividenden verbunden ist, für die Klägerin anrechenbar ist, ist im Verfahren VI 310/94, das sich gegen einen ablehnenden Abrechnungsbescheid richtet, zu entscheiden.
Die Klage ist allerdings nicht begründet. Zu Recht hat der Beklagte die Berücksichtigung der fraglichen Dividendenausschüttungen bei den Einkünften der Klägerin abgelehnt. Die Dividenden hat die Klägerin nicht als eigene Einkünfte im Streitjahr 1990 bezogen. Sie hat den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr .1 EStG i.V. mit §§ 7, 8 KStG nicht erfüllt.
§ 20 Abs. 1 EStG zählt auf, was zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört. Er regelt nicht, wem die Einkünfte zuzurechnen sind. Dies ergibt sich aus allgemeinen Bestimmungen und Prinzipien. Grundsätzlich erzielt Einkünfte i.S.v. § 2 EStG derjenige, der den Tatbestand verwirklicht, an den das Gesetz die Steuerpflicht knüpft (§ 38 AO). Dies ist die Person, die die Tatbestandsmerkmale einer Einkunftsart verwirklicht.
Was bei § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Tatbestand ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Zwar enthält § 20 Abs. 2 a EStG eine das Problem des Streitfalles betreffende Regelung. Diese ist Jedoch erst ab 1. Januar 1994 anwendbar (§ 52 Abs. 20 EStG). Der Gesetzbegründung nach (BT-Drucks. 12/5016, S. 87 f.) handelt es sich zwar lediglich um eine klarstellende Regelung. Aber bereits aus der Anordnung auf solche Fälle, bei denen die Trennung vom Stammrecht und Dividendenanspruch nach dem 31. Dezember 1993 erfolgt, bestehen erhebliche Zweifel, diese Vorschrift auf Sachverhalte vor diesem Zeitpunkt anzuwenden. Es ist daher zu klären, worauf es für die Zurechnung von Dividendeneinkünften ankommt und ob die Klägerin diese Voraussetzungen erfüllt.
Vorab ist zu bemerken, daß die Dividendeneinkünfte im Jahre 1990 mit ihrem Zufluß zu erfassen sind. Gemäß § 11 EStG bestimmt der Zufluß die Periode, in der Einkünfte steuerlich zu berücksichtigen sind, soweit nicht aus dem handelsrechtlichen Realisationsprinzip bei Anwendung der §§ 4 Abs. 1 und 5 EStG eine andere Regelung gilt (ebenso Schmidt-Heinicke, EStG § 20 Rz. 30 f).
Die Klägerin hätte nur dann Einkünfte aus Kapitalvermögen bezogen, wenn ihr in dem entscheidenden Zeitpunkt, der noch zu klären ist, die Einkünfte als eigene zustanden.
§ 58 Abs. 4 AktG, ähnlich § 29 Abs. 1 GmbH-Gesetz, gewährt den Gesellschaftern einer Aktiengesellschaft einen Anspruch auf den Jahresüberschuß, soweit er nicht nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag anderen Zwecken zugeführt werden muß. Dieses Gewinnbezugsrecht ist ein wesentlicher Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters und kann vom Mitgliedschaftsrecht nicht getrennt werden, so daß über das Gewinnbezugsrecht nicht eigenständig verfügt werden kann (Scholz/Emmerich, GmbHG, 8. Aufl., § 29 Rdnr. 43; Goerdeler/Müller in Hachenburg, GmbHG 8. Aufl., § 29 Rdnr. 6; Weber, Zurechnung von Dividendeneinkünften bei Veräußerung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1995, 494; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., § 29 Rdnr. 3).
Dieses Gewinnbezugsrecht des Gesellschafters ist allerdings noch nicht geeignet, zu Gewinnanteilen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu führen. Hier bedarf es vielmehr eines Gewinnverwendungsbeschlusses gemäß § 174 AktG, ähnlich § 29 Abs. 2 GmbH-Gesetz.
Mit der Beschlußfassung über die Gewinnverwendung erwirbt der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft einen Anspruch gegen seine Gesellschaft auf Auszahlung von Gewinnanteilen, bzw. Dividenden. Erst dieser sog. Dividendenanspruch ist geeignet, zum Bezug von Gewinnanteilen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu führen. Vor der Beschlußfassung über die Gewinnverwendung existiert ein Anspruch noch nicht. Es handelt sich zu diesem Zeitpunkt um einen zukünftigen Anspruch, der erst nach der Beschlußfassung über die Gewinnverwendung sich zu einer Forderung gegen die Gesellschaft konkretisiert.
Wenn in Ziffer 4 der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 20. Dezember 1989 ... die "einzubringenden AG Stammaktien" als vom Beginn des Geschäftsjahres 1988/1989 (1. Juli 1988 bis 30. Juni 1989) als "am Gewinn der ... AG beteiligt" bezeichnet werden, so ist dies eine Feststellung. Erst in der Übernahmeerklärung vom 22. Januar 1990 haben die Beteiligten dieser Feststellung eine Deutung als einer Abtretungserklärung gegeben. Folgt man diesem Verständnis der Klägerin, so wäre ihr am 20. Dezember 1989 ein zukünftiger, noch nicht bestehender Anspruch abgetreten worden, denn der Gewinnverwendungsbeschluß der ... AG war noch nicht erfolgt. Zwar können zivilrechtlich auch künftige Forderungen abgetreten werden (Palandt-Heinrichs, BGB. § 398 Rdnr. 11). Wirksam wird diese Abtretung jedoch erst, wenn die Forderung entsteht. Vor dem Gewinnverwendungsbeschluß auf Seiten der ... AG kann folglich die Klägerin nicht Gläubigerin des Dividendenanspruchs gewesen sein. Daraus folgt steuerlich, daß vor dem Gewinnverwendungsbeschluß der Tatbestand der Einkünfteerzielung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG von der Klägerin nicht vollendet worden sein kann (ebenso Leberfinger DStR 1991, 1205, 1208; Heinicke DStJG 1987 Bd. 10, 99 (130 f). In Betracht kommen kann somit nur der Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses oder der Zeitpunkt des Zuflusses der Dividende beim Gläubiger. Auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist, ist umstritten.
Der Senat braucht den Streit nicht zu entscheiden, da an beiden in Frage kommenden Zeitpunkten nicht die Klägerin, sondern der Landkreis O. Inhaber der Aktien und damit Gesellschafter der ... AG gewesen ist. Die Überweisung der Dividenden erfolgte mit Gutschrift am 19. Januar 1990. Der Gewinnverwendungsbeschluß muß kurz zuvor von der Hauptversammlung der ... AG gefaßt worden sein. Dies ist zwischen den Parteien des Rechtsstreits unstreitig. Für den Senat bestehen keine Anhaltspunkte daran zu zweifeln. Sollte die Beschlußfassung bereits vor dem 20. Dezember 1989 gelegen haben, so gelten die nachstehenden Gründe erst recht, so daß die exakte Feststellung des Zeitpunktes entbehrlich ist.
Die Klägerin wurde erst mit der notariellen Beurkundung der Übernahmeerklärung vom 22. Januar 1990 Gesellschafterin der ... AG. Der Landkreis O. hat die Aktien im Zuge einer Kapitalerhöhung bei der Klägerin als Sacheinlage eingebracht. Gemäß §§ 56, 55 und 53 GmbH-Gesetz wird diese Einbringung erst mit der Übernahme der Anteile wirksam. Im Beschluß über die Kapitalerhöhung vom 20. Dezember 1989 liegt noch keine derartige Übertragung der Gesellschafterstellung an der ... AG. Dieser Beschluß schafft vielmehr nur die Grundlage für die Übertragung. Aus seinen Ziffern 1, 3 und 4 ergibt sich eindeutig, daß die Übertragung erst noch erfolgen sollte. Ebenso spricht ausdrücklich die Übernahmeerklärung vom 22. Januar 1990 von der mit ihr erfolgten "Übergabe der Aktien". Somit war an den beiden als maßgeblich angesehenen Zeitpunkten der Landkreis O. Gesellschafter. Er hat den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht, indem er das Kapital zur Verfügung gestellt hat. Die Übertragung des Dividendenanspruchs für das Wirtschaftsjahr 1988/1989 an die Klägerin war für ihn Einkommensverwendung, zumal dieser Anspruch durch die Gutschrift zum 19. Januar 1990 bereits erfüllt worden war.
Daran hat sich auch nichts durch Ziffer 4 des Kapitalerhöhungsbeschlusses vom 20. Dezember 1989 geändert, sofern man darin bereits die Einräumung eines Gewinnbeteiligungsrechts für das am Geschäftsjahr 1988/1989 zugunsten der Klägerin sieht. Da das Gewinnbezugsrecht von der Gesellschafterstellung nicht abgetrennt werden kann, könnte es sich nur um die Übertragung des zukünftigen Dividendenanspruchs für das abgelaufene Wirtschaftsjahr gehandelt haben. In dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch gegen die ... AG entstand, war der Landkreis O. Gesellschafter. Durch die Abtretung des im Abtretungszeitpunkt noch nicht existierenden Dividendenanspruchs ist die Klägerin noch nicht in die Position einer Gläubigerin eingetreten. Sie konnte frühestens mit dem Gewinnverwendungsbeschluß die Forderung erwerben. Dann aber erwarb sie ihn vom Landkreis O., der noch Gesellschafter der RWE AG war, also derjenige war, der das Kapital zur Nutzung überlassen hat. Der Dividendenanspruch folgt - wie dargelegt - aus der Gesellschafterstellung. Eine vorherige Abtretung eines zukünftigen Dividendenanspruchs vermag nicht die Verbindung mit der Gesellschafterstellung zu lösen. Aus ihr entspringt der Anspruch. In der Person des Gesellschafters entsteht daher auch der Dividendenanspruch im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses, ehe die - vorweggenommene - Abtretung wirksam werden kann. Zwar ist zivilrechtlich streitig, ob eine abgetretene künftige Forderung unmittelbar in der Person des Zessionars entsteht (Direkterwerb) oder ob sie eine logische Sekunde zum Vermögen des Zedenten (Durchgangserwerb) gehört (Palandt/Heinrichs BGB § 398 Anm. 12 mit weiteren Nachweisen). Die Rechtsprechung des BGH hat die Frage noch nicht generell, sondern nur für Anwartschaftsrechte entschieden (BGHZ 20, 88; 49,205; 66, 385). Im übrigen dürfte die Lehre vom Durchgangserwerb der h.M. entsprechen (Palandt-Heinrichs, a.a.O.; Hachenburg, GmbHG, § 29 Rdnr. 10; Scholz, GmbHG, § 29 Rdnr. 46). Ihr folgt der Senat, jedenfalls für das Einkommensteuerrecht. Die Lehre vom Direkterwerb wäre mit dem System des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens unvereinbar. Sie würde nicht anrechnungsberechtigten Gesellschaftern ermöglichen, durch Vorwegabtretung eine Anrechenbarkeit herbeizuführen und derart die gesetzlichen Anordnung der Nichtanrechnung zu unterlaufen. Steuerlich kann es nur darauf ankommen, wer im fraglichen Zeitpunkt - Gewinnverwendungsbeschluß bzw. Zufluß der Dividende - die Gesellschafterstellung innehat. Es kann keinen Unterschied ausmachen, ob ein Dividendenanspruch vor oder nach dem Gewinnverwendungsbeschluß bzw. dem Zufluß abgetreten wird. Andernfalls könnten zwei Steuerpflichtige durch Vereinbarung darüber entscheiden, gegen wen sich der Steueranspruch richtet. Dies wäre mit dem Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung gemäß § 38 AO unvereinbar.
An diesem Ergebnis vermag auch § 101 BGB, auf den sich die Klägerin beruft, nichts zu ändern. § 101 BGB ist nur auf solche Fälle anwendbar, in denen jemand berechtigt ist, Früchte eines Rechtes zu ziehen, d.h. bei Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften aus eigenem Recht ein Gewinnbezugsrecht besitzt. Mithin reduziert sich der Anwendungsbereich dieser Norm auf Fälle, in denen die Übertragung von Gesellschaftsanteilen während des laufenden Wirtschaftsjahres einer Gesellschaft stattfindet. Wenn Alt- oder Neugesellschafter in derartigen Fällen je ein eigenes Gewinnbezugsrecht für den Gewinn des laufenden Wirtschaftsjahres besitzen, würde die Grundregel des § 101 BGB eine Aufteilung des Dividendenanspruchs pro rata temporis anordnen, soweit nicht Alt- und Neugesellschafter eine abweichende Vereinbarung treffen. Allerdings betrifft § 101 BGB unstreitig (Palandt-Heinrichs, § 101 Rdnr. 1, BFH-Urteil vom 21. Mai 1986 I R 190/81, BStBl II 1986, 815, 818; FG Hamburg, Urteil vom 4. Dezember 1991, II 79/89, EFG 1992, 405) die schuldrechtliche Ausgleichspflicht zwischen mehreren aufeinanderfolgenden Fruchtziehungsberechtigten. Nicht von § 101 BGB beantwortet ist die Frage, welchen dieser Fruchtziehungsberechtigten im Außenverhältnis die "Früchte" gehören. Dies ist auch bei § 101 BGB derjenige, der im Zeitpunkt der Fruchtziehung Inhaber des Stimmrechts ist. Er verwirklicht daher auch den Tatbestand der Einkünfteerzielung, weil er Partner des Rechtsverhältnisses ist, aus dem heraus ihm die Früchte - bei einer Gesellschafterstellung: die Anteile am Gewinn - gehören.
Wenn der VIII. Senat des BFH gleichwohl für die Bestimmung der Person des die Einkünfte Erzielenden auf § 101 BGB abgestellt hat (Urteile vom 27. Juni 1978 VIII R 168/73, BStBl II 1978, 674; 2. März 1982 VIII R 160/81, BStBl II 1982, 540; 22. Mai 1984 VIII R 316/83, BStBl II 1984, 746; Scholtz. Vereinbarungen über die Zuordnung, DStZ 1990, 602), so hat er den (internen) Ausgleichsansprüchen zwischen Alt- und Neugesellschafter steuerlich Wirkung verliehen. Der Senat kann offenlassen, ob er dieser Auffassung oder der gegenteiligen des I. Senats folgt (Urteile vom 21. Mai 1986 I R 190/81, BStBl II 1986, 815 und I R 189/84, BStBl II 1986, 794; ebenso Leberfinger DStR 1991, 1205 ff). Denn im Streitfall befinden sich hinsichtlich des Wirtschaftsjahres 1988/1989 der Landkreis O. und die Klägerin nicht in der Position einander nachfolgender "Nutzungsberechtigter", vielmehr war dies alleine der Landkreis O.. Es könnte daher allenfalls darum gehen, den Rechtsgedanken des § 101 BGB erweiternd auch auf solche Fälle auszudehnen, in denen Parteien vor einem entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluß Vereinbarungen hinsichtlich von Dividenden für abgelaufene Wirtschaftsjahre treffen. Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden: Die Übertragung des Gesellschaftsanteils erfolgt vor oder nach dem Gewinnverwendungsbeschluß. Einigkeit besteht jedenfalls insoweit, daß ohne Übertragung des Gesellschaftsamtes die Abtretung von Gewinnansprüchen die Zurechnung der Einkünfte nicht berührt (Scholtz DStZ 1990, 603 m.w.N.): Erfolgt die Übertragung des Gesellschaftsanteils vor dem Gewinnverwendungsbeschluß, so ist der Neugesellschafter bezugsberechtigt (vgl. Sommer GmbHR 1985, 229). § 101 BGB mag daher anwendbar sein (Scholtz DStZ 1990, 608). Erfolgt die Übertragung hingegen nach dem Gewinnverwendungsbeschluß, so hat der Neugesellschafter nie aus eigenem Recht Anspruch auf den Gewinn besessen. § 101 BGB ist nicht anwendbar. Soweit ersichtlich, wird dies auch nicht vertreten.
Im Streitfall handelt es sich um die zweite Situation, so daß die Zurechnung der Einkünfte selbst dann, wenn man § 101 BGB steuerliche Wirksamkeit zubilligt, nicht verändert wird. § 101 BGB regelt den Konflikt, der sich daraus ergibt, daß mehrere Personen Inhaber einer Sache oder eines Rechtes und somit auch Fruchtziehungsberechtigte in zeitlicher Reihenfolge gewesen sind, die Früchte der Sache bzw. des Rechts aber nicht fortwährend, sondern nur punktuelle gezogen werden können. Die in § 101 BGB vorgesehene Möglichkeit einer Vereinbarung der Beteiligten bezieht sich nur auf eine Abweichung von der gesetzlichen Regel oder Aufteilung pro rata temporis. Auf § 101 BGB läßt sich folglich nicht ein Rechtssatz des Inhalts ableiten, daß sich die Fruchtziehungsberechtigung beliebig übertragen ließe. Dies ist für eine Übertragung an einen Dritten ganz allgemeine Auffassung (BFH-Urteil vom 12. Oktober 1982 VIII R 72/79, BStBl II 1983, 128 vgl. Scholtz DStZ 1990, 603 m.w.N.). Dies gilt aber auch für das Verhältnis von Alt- und Neugesellschafter zueinander, wenn es sich um Erträge eines abgelaufenen Wirtschaftsjahres handelt und der Gesellschafterwechsel nach der Beschlußfassung über die Gewinnverwendung für dieses Jahr erfolgt.
Aus der Rechtsprechung des BFH ergibt sich nichts Gegenteiliges. Sie hat sich mit Fällen befaßt, in denen die Parteien bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen von der Möglichkeit vertraglicher Regelungen Gebrauch gemacht haben (Urteile vom 30. Oktober 1973 I R 67/72, BStBl II 1974, 234; 22. Mai 1984 VIII R 316/83, BStBl II 1984, 746; 21. Mai 1986 I R 199/84, BStBl 1986, 794; 21. Mai 1986 I R 190/81, BStBl II 1986, 815; 17. September 1992 I R 24/92, BFH/NV 1994, 578; Beschluß vom 21. November 1995 VIII B 40/95, BFH/NV 1996, 405) bei denen es um die Bedeutung der zivilrechtlichen Aufteilung innerhalb einer Gemeinschaft ging (Urteil vom 27. Juni 1978 VIII R 168/73, BStBl II 1978, 674), die steuerliche Beachtlichkeit der Vereinbarung bei abgezinsten Sparkassenbriefen zu beurteilen war (Urteil vom 9. März 1982 VIII R 160/81, BStBl II 1982, 540) oder die Zuordnung von Erträgen bei Wertpapier-Pensionsgeschäften (Beschluß vom 29. November 1982 GrS 1/81, BStBl II 1983, 272, 275) zu klären war.
Auch das Urteil vom 30. April 1991 (VIII R 38/87, BStBl II 1991, 574) stützt nicht die Rechtsansicht der Klägerin. Der BFH bestätigt gegen Kritik lediglich, daß Vereinbarungen gemäß § 101 BGB steuerlich beachtlich seien. Er weitet aber nicht den Anwendungsbereich der Norm aus. Im Gegenteil beton er, daß § 101 BGB stets voraussetze, daß die Beteiligten aus eigenem Recht fruchtziehungsberechtigt seien. Die Klägerin ist aber hinsichtlich der Dividende für das Wirtschaftsjahr 1988/1989 nie fruchtziehungsberechtigt gewesen. Zu dem Zeitpunkt, in dem die Dividende vom Mitgliedschaftsrecht getrennt wurde, war noch der Landkreis O. bezugsberechtigter Gesellschafter.
Die Klage war somit abzuweisen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits als unterlegene Partei zu tragen (§ 135 FGO).
Der Senat läßt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Zwar ist für die Zukunft eine Regelung durch § 20 Abs. 2 c EStG erfolgt. Für die Vergangenheit ist aber noch kein vergleichbarer Fall entschieden worden und der Senat schließt nicht aus, daß es noch offene ähnliche Fälle gibt, denen eine Klärung dienen kann.