Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.10.1996, Az.: V 570/95
Umsatzsteuerpflichitgkeit von Auftragsvergaben gegen Annahme von Schmiergeldzahlungen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 24.10.1996
- Aktenzeichen
- V 570/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 18745
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:1024.V570.95.0A
Rechtsgrundlage
- § 1 Abs. 1 UStG
Fundstellen
- EFG 1997, 182-183 (Volltext mit red. LS)
- NWB DokSt 1998, 1073
- UR 1998, 304-305
Verfahrensgegenstand
Umsatzsteuer 1988 bis 1992
Amtlicher Leitsatz
Die Auftragsvergabe gegen Annahme von Schmiergeldzahlungen ist umsatzsteuerpflichtig
Der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 24. Oktober 1996,
an der mitgewirkt haben:
1. Vizepräsidentin des Finanzgerichts ... als Vorsitzende
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtlicher Richter ... Dipl.-Ing.
5. ehrenamtlicher Richter ... Industrie-Kfm.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten.
Der Streitwert wird auf 73.946,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger war in den Streitjahren 1988 bis 1992 als Diplomingenieur in einem Industriebetrieb tätig. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte auch die Vergabe von Aufträgen. Der Kläger bezog von den Auftragnehmern, insbesondere von der Firma E. Schmiergelder und Bestechungsgelder für die Vergabe der Aufträge. Hierbei handelte er nicht auf Weisung seines Arbeitgebers.
Der Kläger erklärte diese Einnahmen in seinen Einkommensteuererklärungen als Einkünfte. In den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre 1988 bis 1992 behandelte der Beklagte die Vergabe von Aufträgen gegen Entgelt als steuerpflichtige Leistungen des Klägers und unterwarf diese der Umsatzbesteuerung.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage.
Der Kläger vertritt die Auffassung, bei den von ihm erklärten Einkünften in jährlich wechselnder Höhe habe es sich um Einkünfte aus "Wohlverhalten" gehandelt. Daraus werde ersichtlich, daß es sich nicht um Einnahmen aus einer umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeit gehandelt habe. Er, der Kläger, sei nach außen im Rechtsverkehr gar nicht in Erscheinung getreten. Daraus ergebe sich, daß es an einer für das Vorliegen der Unternehmereigenschaft erforderlichen Marktteilnahme fehle.
Eine Umsatzbesteuerung komme im übrigen auch deshalb nicht in Betracht, weil es an dem hierfür erforderlichen Leistungsaustausch fehle. Er, der Kläger, habe gegenüber den Auftragnehmern keine Leistungen erbracht. Er habe die Aufträge dem jeweils günstigsten Bewerber erteilt und sei somit lediglich seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachgekommen. Wenn die Bewerber zu der Auffassung gelangt seien, daß sie durch die Schmiergeldzahlungen Einfluß auf die Auftragsvergabe hätten nehmen können, so könne dies umsatzsteuerlich keine für ihn, den Kläger, nachteiligen Folgen haben.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide 1988 bis 1992 jeweils vom 1. Dezember 1994 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 21. Juli 1995 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, der Kläger habe bei der Auftragsvergabe Manipulationen zugunsten jener Bewerber vorgenommen, die ihm Bestechungsgelder gezahlt hatten. Darin sei eine Leistung gegenüber den späteren Auftragnehmern zu sehen, die gemäß § 1 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) der Umsatzbesteuerung unterliege.
Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird auf die Steuerakten zu Steuernummer ... sowie die Gerichtsakte verwiesen.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 1996 beantragt, das Verfahren auszusetzen, bis über den Rechtsstreit wegen der Gewerbesteuermeßbescheide für die Streitjahre rechtskräftig entschieden ist.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat der Beklagte die Zahlung von Bestechungs- und Schmiergeldern durch die Bewerber an den Kläger als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen des Klägers behandelt. Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) u.a. sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Leistungen haben vorliegend in der durch Schmiergeldzahlungen verursachten Bevorzugung von Auftragnehmern unter Hintenanstellung der eigentlich zu berücksichtigenden sachgerechten Kriterien für die Auftragsvergabe bestanden.
Der Kläger hat nicht bewiesen, daß er, wie er in der mündlichen Verhandlung hat vortragen lassen, sich tatsächlich nicht durch die Schmiergeldzahlungen hat beeinflussen lassen. Zwar trägt grundsätzlich das Finanzamt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen aller steuerbegründenden Tatbestandsmerkmale. Hierzu gehört auch das Vorliegen einer sonstigen Leistung. Im vorliegenden Fall aber trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Unbeachtlichkeit der Schmiergeldzahlungen für die Auftragsvergabe. Der Kläger hat gegenüber den Bewerbern den Anschein erweckt, er lasse sich durch Schmiergeldzahlungen zu einer bevorzugten Berücksichtigung ihrer Angebote bewegen. Hiermit hat er nach außen Leistungsbereitschaft gezeigt und sich durch die Auftragsvergabe auch entsprechend verhalten. Es ist auch nicht glaubhaft, daß Zahlungen in Höhe von insgesamt 537.486,00 DM in den Streitjahren (67.779,00 DM für 1988, 73.036,00 DM für 1989, 124.340,00 DM für 1990, 190.314,00 DM für 1991, 82.017,00 DM für 1992) ohne Einfluß auf die Auftragsvergabe durch den Kläger geblieben sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß diese Einnahmen aus Schmiergeldzahlungen sogar den Bruttoarbeitslohn des Klägers in den Streitjahren in Höhe von insgesamt 461.703,00 DM überstiegen haben.
Der Kläger ist auch nachhaltig und selbständig tätig geworden. Die Nachhaltigkeit ergibt sich hierbei aus der über mehrere Jahre wiederholten durch Schmiergeldzahlung beeinflußten Auftragsvergabe sowie aus deren durch die Höhe der Entgelte dokumentierten wirtschaftlichen Intensität. Der Kläger ist hierbei auch selbständig tätig geworden, weil sein Arbeitgeber von den Schmiergeldzahlungen keine Kenntnis gehabt hat und der Kläger insoweit nicht weisungsgebunden tätig geworden ist (vgl. Urteil des FG Nürnberg vom 23. Dezember 1994 II 45/93 rkr. EFG 1995, 502).
Der Senat hat keine Veranlassung zur Aussetzung des Verfahrens nach § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) gesehen. Insbesondere ist der Rechtsstreit im Gewerbesteuerverfahren für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung. Die Frage, ob der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit oder sonstige Einkünfte gehabt hat, ist für die Frage des umsatzsteuerlichen Leistungsaustausches nicht von Belang.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 73.946,00 DM festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 13, 25 Gerichtskostengesetz (GKG).