Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.10.1996, Az.: XIV 106/94

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
17.10.1996
Aktenzeichen
XIV 106/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 26864
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:1017.XIV106.94.0A

Fundstelle

  • EFG 1997, 265 (Volltext mit red. LS)

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kläger tragen die Kosten.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Kläger sind Eheleute. Der Kläger war Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, den er bis zum 30.06.1987 selbst bewirtschaftete. Durch "Landpachtvertrag für einen Betrieb" vom 26.06.1987 verpachtete der Kläger den gesamten Betrieb an seinen Sohn T. Zum Gegenstand des Pachtvertrages gehörte u.a. das landwirtschaftlich genutzte Grundstück Flur 6, Flurstück 209/5 in Größe von 59266 m-. Die unter Einbeziehung dieses Grundstücks vereinbarte Pacht wurde bis 1991 entrichtet.

2

Mit Vorlage der Einkommensteuererklärung für 1986 teilte der Kläger dem beklagten Finanzamt am 09.02.1988 mit, daß er im Rahmen der Verpachtung des Betriebes das bezeichnete Grundstück aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen entnehmen und in sein Privatvermögen überführen möchte. Die Fläche sei zur Abfindung des weichenden Erben gedacht. Im folgenden ermittelte der Kläger einen Entnahmeverlust für das Grundstück i.H.v. 25.292,00 DM, der aber gemäß § 55 Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigt wurde. Der bilanzierende Kläger erklärte weiterhin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Das genannte Grundstück wurde in der Bilanz per 30.06.1987 als Abgang verbucht.

3

Der Beklagte veranlagte die Kläger für die Kalenderjahre 1986 und 1987 antragsgemäß.

4

Mit Wirkung vom 01.12.1991 übertrug der Kläger den Hof auf seinen Sohn T. Das genannte Grundstück wurde von der Übertragung ausgenommen. Entgegen der mit Schreiben vom 09.02.1988 erklärten Absicht diente das Grundstück nicht zur Abfindung des weichenden Erben.

5

Im Wirtschaftsjahr 1990/91 veräußerte der Kläger mehrere Teilflächen des Grundstücks als Bauland. Der Beklagte rechnete die Grundstücksveräußerungen dem laufenden Gewinn des Wirtschaftsjahres 1990/91 zu und veranlagte die Kläger auf dieser Grundlage für die Streitjahre 1990 und 1991. Dabei vertrat der Beklagte die Auffassung, daß die Entnahme des Grundstücks Flur 6, Flurstück 209/5 zum 30.06.1987 nicht möglich gewesen sei. Werde ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb im ganzen verpachtet, ohne daß eine Aufgabeerklärung erfolge, so sei vom Verpachtungszeitpunkt an allein die Verpachtung die betriebliche Nutzung. Sämtliche in den Pachtvertrag einbezogenen Wirtschaftsgüter seien notwendiges Betriebsvermögen, so daß eine Entnahme nicht möglich gewesen sei. An dieser Auffassung hielt der Beklagte in seinem Einspruchsbescheid vom 14.02.1994 fest.

6

Die Einkommensteuerbescheide für 1990 und 1991 sind im Klageverfahren unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt worden. Die Kläger haben hierzu ihre Zustimmung erteilt und die Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

7

Der Kläger trägt vor, er sei im Zeitpunkt der Gesamtbetriebsverpachtung berechtigt gewesen, das Grundstück zu entnehmen. Teile des Betriebsvermögens könnten zurückbehalten werden, wenn der Tatbestand der Gesamtbetriebsverpachtung dadurch nicht in Frage gestellt werde. Zurückbehaltene Flächen blieben mit der Betriebsvermögenseigenschaft behaftet, soweit sie im Einzelfall für eine Wiederaufnahme der Bewirtschaftung in Reserve gehalten würden. Diese Reservebereitschaft sei durch die Entnahmeerklärung gelöst worden. Es sei ein Wandel von Betriebsvermögen zu Privatvermögen eingetreten.

8

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuer 1990 auf 266,00 DM und die Einkommensteuer 1991 auf 40,00 DM herabzusetzen.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Das Grundstück sei nicht von der Gesamtbetriebsverpachtung ausgenommen worden. Nur für den Fall der unterbliebenen Mitverpachtung liege gewillkürtes Betriebsvermögen vor, das allein durch Willenserklärung entnommen werden könne. Allerdings könne eine solche Erklärung nicht zurückwirken, sondern erst in dem Zeitpunkt berücksichtigt werden, in dem sie objektiv nach außen in Erscheinung trete (hier: Abgabe der Steuererklärung mit Entnahmeerklärung am 09.02.1988). Notwendiges Betriebsvermögen könne durch Entnahmehandlung (z.B. Nutzungsänderung) oder Gesamtbetriebsaufgabe zu Privatvermögen werden. Eine Entnahme durch bloße Willensäußerung sei nicht möglich.

Gründe

11

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die sich aus der Veräußerung der Grundstücke ergebenden Veräußerungsgewinne zutreffend dem laufenden Gewinn des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes des Klägers zugerechnet.

12

1. Die streitige Grundstücksfläche gehörte als eine wesentliche Betriebsgrundlage zum notwendigen Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Die Verpachtung des Gesamtbetriebes änderte hieran nichts. Das Grundstück war in den Pachtvertrag einbezogen. Der Kläger erzielte als Pächter weiterhin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, weil er nicht die Aufgabe des Betriebes erklärt hatte. Die streitige Grundstücksfläche war damit notwendiges Betriebsvermögen des Verpachtungsbetriebes (vgl. BFH-Urteil vom 15. April 1993 IV R 12/91, BFH/NV 1994, 87).

13

Der gegenüber dem Beklagten am 9. Februar 1988 erklärte Entnahmewille, die Ausbuchung des Grundstücks in der Bilanz per 30. Juni 1987 und die Ausweisung der Fläche im Bebauungsplan hatten nicht die Entnahme des Grundstücks zur Folge. Landwirtschaftlich genutzte Grundstücke verlieren ihre Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen nur durch eindeutige Entnahmehandlung (BFH-Urteil vom 26. Januar 1995 IV R 39/93, BFH/NV 1995, 873 m.w.N.). Bei Grundstücken des gewillkürten Betriebsvermögens kann der Steuerpflichtige seinen Entnahmewillen durch eine entsprechende Mitteilung an das Finanzamt dokumentieren (BFH-Urteil vom 30. November 1989 IV R 49/88, BFH/NV 1991, 363). Auch die Ausbuchung wirkt in diesem Falle als ein starkes, aber widerlegbares Beweisanzeichen für den Entnahmewillen des Steuerpflichtigen (Schmidt/Heinecke, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 4, 360 "Buchung"). Unabhängig davon bleibt aber zu prüfen, ob tatsächlich der Förderungszusammenhang zum Betrieb gelöst ist. Bei Grundstücken des notwendigen Betriebsvermögens setzt eine Entnahme stets die Lösung des betrieblichen Zusammenhangs voraus (Schmidt. § 4, 360 "Erklärung").

14

Im Streitfall hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 9. Februar 1988 und der Ausbuchung des Grundstücks in der Bilanz zum 30. Juli 1987 eindeutig seinen Entnahmewillen zum Ausdruck gebracht. Tatsächlich hat sich die Eigenschaft des Grundstücks aber nicht verändert. Entgegen der Mitteilung des Klägers diente das Grundstück nicht zur Abfindung eines weichenden Erben. Es blieb weiterhin im Rahmen des Gesamtbetriebes verpachtet und wurde unverändert im Rahmen des Pachtverhältnisses landwirtschaftlich genutzt. Das Grundstück blieb notwendiges Betriebsvermögen des Verpachtungsbetriebes. Aus dem Umstand, daß die Grundstücksfläche als Bauland ausgewiesen wurde, ergeben sich hinsichtlich seiner Zuordnung zum notwendigen Betriebsvermögen keine Änderungen. Denn bisher landwirtschaftlich genutzte Grundstücke können auch dann, wenn sie als Bauland ausgewiesen werden, bis zu ihrer Bebauung oder bis zu ihrer Veräußerung an Bauinteressenten landwirtschaftlich genutzt werden. In der Qualifizierung als Bauland allein kann keine Nutzungsänderung und damit keine Entnahme erblickt werden (BFH-Urteil vom 4. November 1982 IV R 159/79, BStBl II 1983, 448).

15

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO).