Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.09.1996, Az.: I 301/93

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
24.09.1996
Aktenzeichen
I 301/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 26869
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0924.I301.93.0A

In dem Rechtsstreit

wegen Einheitsbewertung für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auf den 01.01.1987 und 01.01.1989

hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 24. September 1996, an der mitgewirkt haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht .

Richter am Finanzgericht .

Richter am Finanzgericht .

ehrenamtlicher Richter .

ehrenamtlicher Richter .

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Unter Änderung des Einheitswertbescheides vom 8. August 1990 sowie des Einspruchsbescheides vom 18. Oktober 1993 wird der Einheitswert auf den 01.01.1987 auf 169. 400 DM festgesetzt. Unter Änderung des Einheitswertbescheides vom 19. September 1990 sowie des Einspruchsbescheides vom 18. Oktober 1993 wird der Einheitswert auf den 01.01.1989 auf 142. 900 DM festgesetzt.

    Die Kosten trägt der Beklagte.

    Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe der an den Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, sofern dieser nicht vorher Sicherheit leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Einheitsbewertung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes des Klägers (Kl.) auf den 01.01.1987 und den 01.01.1989 um die Frage, welcher Umrechnungsschlüssel von Ferkeln in Vieheinheiten (VE) für die Bemessung des Zuschlags nach § 41 Bewertungsgesetz (BewG) für Tierhaltung anzuwenden ist.

2

Der Kl. ist Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes in L, in dem er u. a. eine Schweinezucht betreibt. Der entsprechende Tierbestand des Kl. liegt über dem gegendüblichen, so daß bei der Einheitsbewertung des Betriebes ein Zuschlag nach § 41 Abs. 1 BewG hinzuzurechnen ist.

3

Der Beklagte (Bekl.) hat den Zuschlag in der Form berechnet, daß er für leichte Ferkel bis 20 kg zur Umrechnung des Tierbestandes in VE 0,02 VE pro Ferkel angesetzt hat. Für schwere Ferkel (über 20 kg bis 30 kg) hat er einen Umrechnungsschlüssel von 0,04 VE pro Ferkel verwandt.

4

Gegen den Ansatz von 0,04 VE pro Ferkel für die über 20 kg schweren Tiere wendet sich der Kl. mit der Klage.

5

Zur Begründung trägt der Kl. vor, in der Anlage 1 des BewG seien vom Gesetzgeber die Umrechnungsschlüssel für Tierbestände in VE festgelegt worden. Hiernach sei für Ferkel gewichtsunabhängig der Faktor 0,02 zugrunde zu legen.

6

An diese Festlegung sei die Verwaltung gebunden. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 51 Abs. 4 BewG. Hiernach könnten der Umrechnungsschlüssel für Tierbestände in VE sowie die Tierbestandsgruppen nur durch Rechtsverordnung an geänderte wirtschaftliche Gegebenheiten angepaßt werden. Eine solche Rechtsverordnung bestehe nicht, so daß einheitlich für Ferkel 0,02 VE anzusetzen sei.

7

Der Kl. beantragt,

den Einheitswertbescheid auf den 01.01.1987 vom 08.08.1990 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.10.1993 abzuändern und den Zuschlag nach § 41 BewG auf 56. 914 DM festzusetzen,

8

ferner den Einheitswertbescheid über die Feststellung des Einheitswerts auf den 01.01.1989 vom 19.09.1990 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.10.1993 abzuändern und den Zuschlag nach § 41 BewG auf 22. 746 DM festzusetzen.

9

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

10

hilfsweise.

11

die Revision zuzulassen.

12

Der Bekl. wendet ein, er sei berechtigt, bei der Umrechnung der über 20 kg schweren Jungschweine in VE einen Schlüssel von 0,04 VE pro Tier zugrunde zu legen. Denn zum Hauptfeststellungszeitpunkt habe die Fachliteratur unter dem Begriff Ferkel Tiere mit einem Lebendgewicht von bis zu 20 kg verstanden. Tiere mit einem höheren Gewicht seien nicht mehr als Ferkel i.S.d. Anlage 1 des BewG zu bezeichnen, sondern seien in der nächstfolgenden Gruppe -; also bei den Läufern -; einzuordnen. Hiernach sei er berechtigt, 0,06 VE für jedes über 20 kg schwerere Jungschwein anzusetzen. Zugunsten des Steuerpflichtigen habe er jedoch lediglich 0,04 VE angesetzt.

13

Mit dem von ihm angewandten Umrechnungsschlüssel für schwere Ferkel habe er im übrigen eine erforderliche Anpassung an die veränderten Marktbedingungen vorgenommen. Denn eine weitgehende Spezialisierung in der Schweinehaltung habe zu veränderten Absatzbedingungen geführt. Heute würden Ferkel nicht mit 20 kg, sondern in den unterschiedlichsten Gewichtskategorien gehandelt. Die Verhältnisse zum 01.01.1964 hätten sich, auch was die Futterverwertung betreffe, grundlegend geändert. Dies rechtfertige die vorgenommene Anwendung eines Viehumrechnungsschlüssels von 0,04 VE für über 20 kg schwere Jungschweine.

14

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogenen Steuerakten des Bekl. unter der St.-Nr. 159 3600 001 0001 sowie die Akten des Niedersächsischen Finanzgerichts V 406/93 sowie die für jenes Verfahren beigezogenen Steuerakten des Bekl. unter der St.-Nr. 106/02899 Bezug genommen.

Gründe

15

Die Klage ist begründet. Bei der Bewertung des Einheitswertes für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Kl. auf den 01.01.1987 und 01.01.1989 sind zur Ermittlung des Zuschlags nach § 41 Abs. 1 BewG für die über 20 kg schweren Ferkel 0,02 VE pro, Tier anzusetzen.

16

Dies ergibt sich aus § 51 Abs. 4 Satz 1 BewG i.V.m. Anl. 1 des BewG.

17

Nach § 51 Abs. 4 Satz 1 BewG sind die Umrechnungsschlüssel für Tierbestände in VE aus den Anlagen 1 und 2 des BewG zu entnehmen. Nach Anl. 1 unter der Überschrift "Schweine" ist für Ferkel -; gewichtsunabhängig -; ein Umrechnungsschlüssel von 0,02 VE pro Tier festgelegt.

18

Hiergegen kann der Bekl. nicht einwenden, nur junge Schweine mit einem Gewicht von unter 20 kg seien Ferkel. Tiere mit einem darüberliegenden Gewicht seien Läufer.

19

Denn ob ein Jungtier Ferkel oder Läufer ist, hängt nicht vom Gewicht, sondern vom Lebensalter der Tiere ab.

20

Diese Unterscheidung nach dem Lebensalter entspricht dem allgemein üblichen Sprachgebrauch. So wird in Meyers enzyklopädischen Lexikon der Begriff "Ferkel" als Bezeichnung für das junge Schwein von der Geburt bis zum Alter von 14 bis 16 Wochen verwandt und der Begriff "Läufer" für ein junges Schwein im Alter von 3,5 bis etwa 5 Monaten.

21

Dieser allgemeine Sprachgebrauch liegt auch der Anlage 1 des BewG zugrunde. Denn die Umrechnungsschlüssel der Anlage 1, die der Gesetzgeber bewußt vereinfachend und vergröbernd erstellt hat, sollten ein einfaches Instrumentarium zur Umrechnung darstellen. Diese Handhabung wird aber unterlaufen, wenn statt des feststehenden Alters der Tiere auf das variable jeweils neu festzustellende Gewicht zurückzugreifen ist. Entsprechend hat der Gesetzgeber nicht nur bei den Umrechnungsschlüsseln für Schweine, sondern bei allen anderen in Anlage 1 genannten Tierarten nicht auf das Gewicht, sondern auf das leicht feststellbare Alter der Tiere abgestellt.

22

Der Bekl. ist auch nicht berechtigt, im Wege der ergänzenden Rechtsfortbildung die Umrechnungsschlüssel für Schweine zu ergänzen. Denn die ergänzende Rechtsfortbildung setzt das Vorhandensein einer Lücke voraus. Das Fehlen einer gewichtsabhängigen Unterscheidung zwischen Ferkeln bzw. zwischen Ferkeln und Läufern ist aber keine Lücke, sondern eine bewußte Entscheidung des Gesetzgebers, um für die Umrechnung ohne Aufwand zu ermittelnde Kriterien zu haben. Das variable Gewicht der Tiere erfüllt diese Anforderungen nicht und stellt vielmehr einen neuen, vom Gesetzgeber gerade nicht als geeignet gesehenen Gesichtspunkt dar.

23

Der Bekl. ist darüber hinaus auch nicht berechtigt, den Umrechnungsschlüssel an die von ihm behaupteten Veränderungen in den Verhältnissen anzupassen. Dies ergibt sich aus § 51 Abs. 4 Satz 2 BewG.

24

Hiernach kann eine Anpassung der in Anl. 1 des BewG enthaltenen Umrechnungsschlüssel nur durch den Gesetzgeber im Wege einer Rechtsverordnung erfolgen.

25

Der Gesetzgeber hat, wie sich aus dem Vorhandensein dieser Vorschrift eindeutig ergibt, die Möglichkeit der Veränderung der maßgeblichen Umstände und die daraus sich ergebende Notwendigkeit einer Anpassung des Umrechnungsschlüssels gesehen, aber nicht die Verwaltung ermächtigt, eigenständig die Anpassung vornehmen zu dürfen, sondern lediglich geregelt, daß der Gesetzgeber in vereinfachtem Wege durch eine Rechtsverordnung eine Anpassung vornehmen könne.

26

Hiernach hat die Berechnung des Zuschlags nach § 41 Abs. 1 des BewG mit einem Umrechnungsschlüssel von 0,02 VE pro Ferkel, wie es die Anl. 1 des BewG vorschreibt, zu erfolgen.

27

Der Zuschlag auf den 01.01.1987 errechnet sich hiernach wie folgt und beträgt 56. 914 DM:

Art

VE

Schweine

99

Ferkel (1.904 + 3.818) × 0,02

114,54

tatsächlicher Bestand

213,54

./. gegendüblicher Bestand

./.

104,98

Unterschiedsbetrag

108,56

./. Freibetrag nach § 41 Abs. 1 BewG

./.

21,00

Mehrbestand

87,56

Wertansatz 650 DM/VE =

Zuschlag

56. 914 DM

28

Der Einheitswert wird folglich um die Differenz zwischen dem vom Bekl. festgesetzten und dem vom Gericht ermittelten Zuschlag (106. 548 DM ./. 56. 914 DM = 49. 634 DM) vermindert. Von der vom Bekl. ermittelten Summe des Wirtschafts- und Wohnungswertes in Höhe von 219. 119 DM war der Betrag von 49. 634 DM abzusetzen, was abgerundet für den 01.01.1987 einen Einheitswert in Höhe von 169. 400 DM ergibt.

29

Der Zuschlag auf den 01.01.1989 errechnet sich wie folgt und beträgt 22. 746 DM:

Art

VE

Schweine

99,99

Ferkel (2.936 + 3.123) × 0,02

121,18

tatsächlicher Bestand

221,17

./. gegenüblicher Bestand

./.

125,98

Unterschiedsbetrag

95,19

./. Freibetrag nach § 41 Abs. 1 BewG

./.

25,20

Mehrbestand

69,99

Wertansatz 650 DM/VE

45. 493 DM

./. Abschlag nach § 41 Abs. 2 a BewG

./.

22. 747 DM

Zuschlag

22. 746 DM

30

Der Einheitswert war folglich um die Differenz zwischen dem vom Bekl. festgesetzten und dem vom Gericht ermittelten Zuschlag (43. 046 DM ./. 22. 746 DM = 20. 300 DM) zu vermindern. Von der vom Bekl. ermittelten Summe des Wirtschafts- und Wohnungswertes in Höhe von 163. 272 DM war der Differenzbetrag von 20. 300 DM abzuziehen, was abgerundet für den 01.01.1989 einen Einheitswert in Höhe von 142. 900 DM ergibt.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung.

32

Das Gericht hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.