Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.07.1997, Az.: IV 317/91
Anforderungen an die gesonderte Feststellung von Einkünften; Anforderungen an die einheitliche Feststellung von Einkünften; Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht wegen Verfassungswidrigkeit der Gewerbeertragsteuer; Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht wegen Verfassungswidrigkeit der Abfärberegelung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 23.07.1997
- Aktenzeichen
- IV 317/91
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 16093
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0723.IV317.91.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 3 Abs. 1 GG
- § 13 EStG
- § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
- § 18 EStG
Fundstellen
- NJW 1997, 3399-3400
- NWB DokSt 1998, 358
- NZG 1998, 79-80
Verfahrensgegenstand
Gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften sowie Gewerbesteuer-Meßbetrag 1988
Amtlicher Leitsatz
Vorlagebeschluß an das Bundesverfassungsgericht wegen Verfassungswidrigkeit der Gewerbeertragsteuer und der Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
In dem Rechtsstreit
hat der IV. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
durch
den Richter am Finanzgericht ... als Berichterstatter
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 23.7.1997
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Das Verfahren wird ausgesetzt.
- 2.
Die Sache wird dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) zur Entscheidung vorgelegt, ob die Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes (GewStG)über die Gewerbeertragsteuer (§§ 1, 2, 5 bis 8, 10, 11, 14, 16, und 18 GewStG) und § 15 Abs. 3 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in der jeweils für den Veranlagungszeitraum 1988 geltenden Fassung (GewStG 1984 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.5.1984, BGBl. I 1984, 657, geändert durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985 vom 14.12.1984, BGBl. I 1984, 1493, das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2436, das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Lastenausgleichsbank vom 20.2.1986, BGBl. I 1986, 297, das Gesetz über das Baugesetzbuch vom 8.12.1986, BGBl. I 1986, 2191 und das Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften vom 17.12.1986, BGBl. I 1986, 2488 und EStG 1987 in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.2.1987, BGBl. I 1987, 657, geändert durch das Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz 1988 vom 14.7.1987, BGBl. I 1987, 1629 und das Achte Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgessetzes vom 14.12.1987, BGBl. I 1987, 2602) verfassungswidrig sind.
Gründe
I.
Gegenstand der Vorlage
1.
Vorlagefragen
Die Vorlage betrifft zwei Fragen: Ist es mit Artikel 3 Abs. 1 GG vereinbar, daß
- Gewerbebetriebe im Gegensatz zu den Betrieben der selbständig Tätigen im Sinne von § 18 EStG und der Land- und Forstwirte im Sinne von § 13 EStG der Gewerbeertragsteuer unterliegen und
- nichtgewerbliche Einkünfte von Gesellschaften bürgerlichen Rechts bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG im Gegensatz zur steuerlichen Behandlung solcher Einkünfte bei Einzelunternehmern als gewerbliche Einkünfte qualifiziert werden und in vollem Umfang der Gewerbesteuer unterliegen?
2.
Zur Prüfung stehende Rechtsnormen
a)
Vorschriften über den Gewerbeertrag
Die Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes über den Steuermeßbetrag nach dem Gewerbeertrag lauteten - auszugsweise - in der für das Streitjahr 1988 gültigen Fassung (Bekanntmachung des GewStG 1984 vom 14.5.1984, BGBl. I 1984, 657, geändert durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985 vom 14.12.1984, BGBl. I 1984, 1493, das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2436, das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Lastenausgleichsbank vom 20.2.1986, BGBl. I 1986, 297, das Gesetz über das Baugesetzbuch vom 8.12.1986, BGBl. I 1986, 2191 und das Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften vom 17.12.1986, BGBl. I 1986, 2488):
§ 1
Die Gemeinden sind berechtigt, eine Gewerbesteuer als Gemeindesteuer zu erheben.§ 2
(1)
Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. ...(2)
Als Gewerbebetrieb gilt stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften ...(3)
Als Gewerbebetrieb gilt auch die Tätigkeit der sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts und der nichtrechtsfähigen Vereine, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (ausgenommen Land- und Forstwirtschaft) unterhalten.§ 5
(1) Steuerschuldner ist der Unternehmer. Als Unternehmer gilt der, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird. Ist die Tätigkeit einer Personengesellschaft Gewerbebetrieb, so ist Steuerschuldner die Gesellschaft.§ 6
Besteuerungsgrundlagen für die Gewerbesteuer sind der Gewerbeertrag und das Gewerbekapital. ...§ 7
Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§ 14 Abs. 2) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge.§ 8
Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt sind:1.
Die Hälfte der Zinsen für Schulden, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes (Teilbetriebes) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen;...
§ 10
(1)
Maßgebend ist der Gewerbeertrag, der in dem Erhebungszeitraum bezogen worden ist, für den der einheitliche Steuermeßbetrag (§ 14) festgesetzt wird.§ 11
(1)
Bei der Berechnung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag ist von einem Steuermeßbetrag auszugehen. Dieser ist vorbehaltlich des Absatzes 4 durch Anwendung eines Hundertsatzes (Steuermeßzahl) auf den Gewerbeertrag zu ermitteln. Der Gewerbeertrag ist auf volle 100 Deutsche Mark nach unten abzurunden und bei natürlichen Personen sowie bei Personengesellschaften um eine Freibetrag in Höhe von 36.000 Deutsche Mark, höchstens jedoch in Hohe des abgerundeten Gewerbeertrags, zu kürzen.(2)
Die Steuermeßzahl auf den Gewerbeertrag beträgt 5 vom Hundert.§ 14
(1)
Durch Zusammenrechnung der Steuermeßbeträge, die sich nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital ergeben, wird ein einheitlicher Steuermeßbetrag gebildet.(2)
Der einheitliche Steuermeßbetrag wird für den Erhebungszeitraum nach dessen Ablauf festgesetzt. Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr. ...§ 16
(1)
Die Steuer wird auf Grund des einheitlichen Steuermeßbetrages (§ 14) mit einem Hundertsatz (Hebesatz) festgesetzt und erhoben, der von der hebeberechtigten Gemeinde (§§ 4, 35 a) zu bestimmen ist.§ 18
Die Gewerbesteuer entsteht, soweit es sich nicht um Vorauszahlungen (§ 21) handelt, mit Ablauf des Erhebungszeitraums, für den die Festsetzung vorgenommen wird.
b)
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, die dort in Bezug genommene Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sowie § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG lauteten in der für das Streitjahr geltenden Fassung (Bekanntmachung des EStG 1987 vom 27.2.1987, BGBl. I 1987, 657, geändert durch das Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz 1988 vom 14.7.1987, BGBl. I 1987, 1629 und das Achte Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgessetzes vom 14.12.1987, BGBl. I 1987, 2602):
§ 15
(1)
Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind1.
Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen. Dazu gehören auch Einkünfte aus gewerblicher Bodenbewirtschaftung, z.B. aus Bergbauunternehmen und aus Betrieben zur Gewinnung von Torf. Steinen und Erden, soweit sie nicht land- und forstwirtschaftliche Nebenbetriebe sind;2.
die Gewinnanteile der Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist, ...(3)
Als Gewerbebetrieb gilt in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit1.
einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Personengesellschaft wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 ausübt.
3.
Entstehungsgeschichte der zur Prüfung gestellten Normen
a.
Vorschriften über den Gewerbeertrag
Die Gewerbesteuer als landesweite Kommunalsteuer in der heute bekannten Gestalt (zu den früheren Formen der Gewerbesteuer vgl. etwa Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 1990, 5 ff.) geht zurück auf das Reichsgewerbesteuergesetz vom 1.12.1936 (RGBl I, 979). Dieses Gesetz führte zu einem Nebeneinander von Gewerbeerträgsteuer, Gewerbekapitalsteuer und Lohnsummensteuer. Die freien Berufe, die bis dahin regelmäßig der Gewerbesteuer unterlagen, wurden durch dieses Gesetz aus der Steuerpflicht herausgenommen. In der amtlichen Gesetzesbegründung der Reichsregierung (RStBl 1937, 693, 694) wurde die Steuerbefreiung mit (nicht näher erläuterten) nationalsozialistischen Grundsätzen gerechtfertigt (zur "Beurteilung von Tatbeständen nach nationalsozialistischer Weltanschauung" vgl. Reinhardt RStBl 1936, 1041 ff. und § 1 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes vom 16.10.1934, RGBl I, 925: "Die Steuergesetze sind nach nationalsozialistischer Weltanschauung auszulegen."). Im Jahr 1951 nahm der Bund sein konkurrierendes Gesetzgebungsrecht in Anspruch (BGBl I 1951, 996) und machte eine inhaltlich nur unwesentlich geänderte Neufassung des Gewerbesteuergesetzes bekannt (BGBl I 1952, 270). Seither wurde das Gewerbesteuergesetz bis zum Streitjahr 1988 etwa 40 mal geändert (vgl. zu den Einzelheiten Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 1990, 48 ff.). Der Freibetrag für das Gewerbekapital wurde in Stufen von 3.000 DM bis auf 120.000 DM und der Freibetrag für den Gewerbeertrag von 3.600 DM bis auf 36.000 DM (BGBl I 1978, 1849 und ab 1993 auf 48.000 DM) erhöht. Ab 1.1.1980 wurde die Lohnsummensteuer abgeschafft. Die Hinzurechnung von Dauerschulden zum Gewerbekapital und von Dauerschuldzinsen zum Gewerbeertrag wurde ab 1984 auf jeweils 50% begrenzt (BGBl I 1982, 1857). Das Gemeindefinanzreformgesetz vom 8.11.1969 (BGBl I 1969, 1587) führte die Gewerbesteuerumlage zugunsten von Bund und Ländern ein. Als Ausgleich hierfür erhalten die Gemeinden seitdem einen Anteil am örtlichen Lohn- und Einkommensteueraufkommen (zur Entwicklung der Gewerbesteuer vgl. auch Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 1990, 47 ff.; Lenski/Steinberg, Kommentar zum GewStG, Loseblatt, Stand Juli 1997, Einleitung Anm. 1 ff.; Blümich/Hofmeister, Kommentar zum EStG, KStG und GewStG, Loseblatt, Stand Februar 1997, § 1 GewStG. Rz. 1; Littmann in: Handbuch der Finanzwissenschaft, 1980, Band II, 607 ff.; Grass in: Handwörterbuch des Steuerrechts, 1972, Stichwort: Gewerbesteuergesetz und Wöhe in Handwörterbuch des Steuerrechts, 1972, Stichwort: Gewerbesteuer, Reform der ...).
Das Gewerbesteueraufkommen betrug im Jahr 1988 bundesweit 34,465 Milliarden DM, die von den Gemeinden getragene Gewerbesteuerumlage 4,983 Milliarden DM und der Gemeindeanteil an der örtlichen Lohn- und Einkommensteuer 30,178 Milliarden DM. (Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1989, 438). Gewerbebetriebe im Beitrittsgebiet unterliegen nach Maßgabe des § 37 GewStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1991 nicht der Gewerbekapitalsteuer. Die Gewerbekapitalsteuer soll mit Wirkung ab 1.1.1998 ganz abgeschafft werden. Wegen der Zusatzbelastung der Gewerbetreibenden mit Gewerbesteuer, die Freiberufler und Landwirte nicht zu tragen haben (so BT-Drs 12/4487, 25), hat der Gesetzgeber durch das Standortsicherungsgesetz (vom 13.9.1993, BGBl I 1993, 1569) eine Tarifbegrenzung allein für gewerbliche Einkünfte in § 32c EStG eingeführt, vereinfacht gesagt, eine Reduzierung des Einkommensteuersatzes für gewerbliche Einkünfte über 100.000 DM um 6%, die nach Berechnungen der Bundesregierung zu jährlichen Mindereinnahmen bei der Einkommensteuer zwischen 2,4 und 3,4 Milliarden DM führt (BT-Drs 12/4487, 28). Seit Jahrzehnten wird über eine Reform und die teilweise oder vollständige Abschaffung der Gewerbesteuer diskutiert (vgl. dazu die umfassende Darstellung bei Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 1990, 292 ff.).
b.
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
Schon das Gewerbesteuergesetz 1936 (RStBl 1936, 1149) bestimmte in § 2 Abs. 2 Nr. 1:
"Als Gewerbebetrieb gilt stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und anderer Gesellschaften, bei denen der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen sind".
Diese Regelung blieb bis zu ihrer Aufhebung durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19.12.1985 unverändert. Der Reichsfinanzhof (RFH; vgl. etwa RFH, RStBl 1937, 1129 und 1938, 107) und später auch der Bundesfinanzhof erklärten diese gewerbesteuerliche Regelung in ständiger Rechtsprechung (sog. Abfärbetheorie, vgl. etwa BFH, BStBl III 1964, 530; II 1977, 660; II 1978, 73; II 1979, 574) als auch für die Einkommensteuer verbindlich. Von einer Personengesellschaft ausgeübte verschiedene, ihrer Natur nach teils gewerbliche und teils nicht gewerbliche Tätigkeiten durften danach nicht getrennt beurteilt werden, sondern waren unterschiedslos - auch bei einem nur geringfügigen gewerblichen Anteil - als Bestandteil des Gewerbebetriebs zu behandeln. Der Bundesfinanzhof führte diese Rechtsprechung bis 1984 fort. In der Entscheidung in BStBl II 1984, 152, 153 hieß es noch:
"Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß ... auch für den Umfang der von einer Personengesellschaft ausgeübten gewerblichen Tätigkeit § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG maßgebend ist ... Hieran ist festzuhalten."
Anläßlich der Aufgabe seiner Gepräge-Rechtsprechung durch Beschluß des Großen Senats vom 24.6.1984 (BStBl II 1984, 751, 763) erkannte der Bundesfinanzhof, daß § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG nur für die Gewerbesteuer gelte. Damit war der Fortbestand der Abfärbe-Rechtsprechung zweifelhaft geworden. Zur Abwendung dieser unerwünschten Folge strich der Gesetzgeber durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19.12.1985 (BGBl I 1985, 2436) die Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG und fügte in das Einkommensteuergesetz eine inhaltsgleiche Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 ein, die bis heute unverändert gilt.
II.
Sachverhalt und rechtliche Beurteilung des Streitfalles bei Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Rechtsnormen
1.
Sachverhalt
Die Klägerin ist als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) durch Vertrag der Gesellschafter K. und R. vom 13.3.1985 gegründet worden. Sie betreibt seit Juli 1985 eine Goldschmiede und Schmuckgalerie in Hannover. Dort verkauft sie, wie es der Gesellschaftsvertrag hinsichtlich des Gesellschaftszwecks in § 2 vorsieht, von den Gesellschaftern selbst hergestellten Schmuck sowie industriell gefertigten Schmuck ausgewählter Handelsmarken und Schmuckartikel anderer Künstler. In den Steuererklärungen für die Jahre 1985 bis 1987 erklärte die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Erstmals für das Streitjahr 1988 machte die Klägerin geltend, daß sie zum Teil Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit aus dem Verkauf selbsthergestellten Schmucks erziele. Sie ermittelte in getrennten Gewinnermittlungen Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne von § 18 EStG in Höhe von 61.181 DM sowie aus Gewerbebetrieb in Höhe von 45.911 DM und setzte diese Beträge in den Erklärungen über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung und in der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr an.
Unter Hinweis auf Abschnitt 136 Abs. 8 Satz 9 der Einkommensteuerrichtlinien behandelte der Beklagte sämtliche Einkünfte der Klägerin als solche aus Gewerbebetrieb und setzte im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 13.3.1990 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 107.092 DM und im Bescheid vom 4.4.1990 den Gewerbesteuer-Meßbetrag nach dem Gewerbeertrag auf 3.670 DM, den Gewerbesteuer-Meßbetrag nach dem Gewerbekapital, weil dieses unter dem Freibetrag von 120.000 DM lag, auf 0 DM und den einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrag mithin auf 3.670 DM fest. (Der Gewerbesteuer-Hebesatz der Stadt Hannover betrug im Jahr 1988 425%; die Gewerbesteuerschuld der Klägerin mithin 15.597 DM). Wegen der einzelnen Besteuerungsgrundlagen wird auf diese beiden Bescheide, die Steuererklärungen und die Gewinnermittlungen Bezug genommen. Das Einspruchsverfahren gegen beide Bescheide blieb erfolglos. Zur Begründung seines Einspruchsbescheids vom 31.5.1991 führte der Beklagte im wesentlichen aus, nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gelte die mit Einkunftserzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn die Gesellschaft auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübe. Die gemischte Tätigkeit der Klägerin, der Handel mit dem zugekauften Schmuck als gewerblichem Anteil und die künstlerische Tätigkeit, sei daher insgesamt als Gewerbebetrieb einzuordnen.
Zur Begründung ihrer Klage weist die Klägerin auf die Mitteilung der Oberfinanzdirektion (OFD) Hannover vom 13.5.1991 hin, wonach ein Sachverständigenausschuß der OFD Arbeitsproben der Gesellschafter begutachtet habe und zu dem Ergebnis gekommen sei, ihnen die Künstlereigenschaft im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzuerkennen. Hauptziel der Goldschmiedegalerie sei der Verkauf von selbstgeschaffenem Schmuck. Der Handel mit zugekauftem Schmuck erfolge nur, um dem künstlerischen Tun eine wirtschaftliche Grundlage zu geben und sei entsprechend dieser Zwecksetzung auch rückläufig. Beide Tätigkeiten bedingten einander nicht. Eine Trennung der Erlöse und Kosten erfolge sei jeher im Rahmen der Buchführung. Da bis 1987 Gewerbesteuer nur in geringer Hohe angefallen sei, sei bis zu diesem Zeitpunkt wegen der zusätzlichen Abschlußkosten auf eine Trennung der verschiedenen Einkunftsarten verzichtet worden. Es sei nicht einzusehen, warum bei Einzelunternehmern auch von der Finanzverwaltung eine Trennung von künstlerisch-freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit anerkannt werde, nicht aber bei Personengesellschaften. Außerdem handele es sich hier nicht um eine Personengesellschaft des Handelsrechts, sondern um eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 31.5.1991
- 1.
den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte vom 13.3.1990 zu ändern und den Gewinn aus Gewerbebetrieb 1988 auf 45.911 DM und die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit auf 61.181 DM festzustellen und
- 2.
den Gewerbesteuer-Meßbescheid vom 4.4.1990 ersatzlos aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat zur Frage, ob der von den Gesellschaftern der Klägerin selbst hergestellte Schmuck als künstlerisch im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG einzustufen ist, Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auf das Gutachten des Sachverständigen vom 30.6.1997 (Bl. 56 bis 58 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats (§ 79a Abs. 3 und 4 FGO) einverstanden erklärt.
2.
Rechtliche Beurteilung des Streitfalles bei Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Rechtsnormen
a)
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist beteiligtenfähig (§ 57 Nr. 1 FGO), und zwar nicht nur im Hinblick auf den angefochtenen Gewerbesteuer-Meßbescheid, weil sie nach § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG die Gewerbesteuer schuldet, sondern auch hinsichtlich des angefochtenen gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheides, weil die Gesellschaft bei der hier allein streitigen Feststellung der Einkunftsart in ständiger Rechtsprechung als Steuerrechtssubjekt angesehen wird (vgl. dazu BFH, BStBl II 1984, 751 zu C III 3 und BStBl II 1995, 617 zu C IV 2b aa). Die von der Klägerin geltend gemachte Feststellung einer falschen Einkunftsart stellt eine Rechtsverletzung im Sinne von § 40 Abs. 2 FGO dar (vgl. dazu BFH, BStBl II 1985, 676).
b)
Die Klage müßte aber nach den derzeit geltenden einfachgesetzlichen Vorschriften in vollem Umfang abgewiesen werden.
aa)
Die Klage gegen den gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheid ist nach einfachrechtlicher Rechtslage unbegründet. Die von der Klägerin im Streitjahr erzielten Einkünfte gelten nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 1 EStG in voller Höhe als gewerblich. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG werden die aus einer mit Gewinnerzielungsabsicht unternommenen Tätigkeit erzielten ursprünglich nichtgewerblichen Einkünfte einer Personengesellschaft in gewerbliche Einkünfte umgewandelt, wenn die Gesellschaft zumindest teilweise gewerblich tätig ist. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs allerdings, daß die verschiedenen Tätigkeiten nicht bereits in verschiedenen Personengesellschaften ausgeübt worden sind (vgl. dazu BFH, BStBl II 1997, 202, 203) und ferner, daß es sich um trennbare Tätigkeiten handelt, die nicht derartig miteinander verflochten sind, daß sie sich gegenseitig unlösbar bedingen (solche Tätigkeiten sind einheitlich zu beurteilen, vgl. dazu BFH, BStBl II 1997, 567, 568). Diese Voraussetzungen für die Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sind im Streitfall erfüllt. Die Klägerin hat zwei verschiedene Tätigkeiten ausgeübt, nämlich den (unstreitig gewerblichen) Handel mit zugekauftem Schmuck und den Verkauf von selbst hergestelltem Schmuck. Das Vorliegen einer zweiten Personengesellschaft hat die Klägerin indessen weder behauptet, noch ergeben sich aus dem vorliegenden Sachverhalt entsprechende Anhaltspunkte. Beide Tätigkeiten waren auch nicht derartig miteinander verflochten, daß sie sich unlösbar gegenseitig bedingten. Vielmehr sind beide Tätigkeiten lediglich nebeneinander ausgeübt worden. Verknüpfendes Element war ihre Eignung, mit ihrer Ausübung Einkünfte zu erzielen und sie in demselben Geschäftslokal ausüben zu können. Die Tätigkeiten selbst bedingten einander nicht. Anstelle des Handels mit Schmuck hätte die Klägerin auch Handel mit jeder anderen geeigneten Ware treiben können. Die Voraussetzungen für die Umwandlung nichtgewerblicher Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG liegen im Streitfall ebenfalls vor. Die Klägerin hat im Streitjahr Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 EStG in Höhe von 61.181 DM erzielt. Das Gericht folgt bei der Beurteilung der Frage, ob die Gesellschafter bei der Herstellung selbst entworfener Schmuckgegenstände künstlerisch tätig geworden sind in Übereinstimmung mit den Beteiligten dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten des Sachverständigen. Da die Gesellschaft aber außerdem aus dem gewerblichen Handel mit zugekauftem Schmuck einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 45.911 DM erzielt hat, sind die unzweifelhaft mit Gewinnerzielungsabsicht erzielten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in solche aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren.
bb)
Auch soweit sich die Klage gegen den Gewerbesteuer-Meßbescheid richtet, kann sie nach einfachrechtlicher Rechtslage keinen Erfolg haben. Nach §§ 2 und 7 GewStG unterliegt ein inländisches gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes mit dem nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermittelnden Gewinn aus Gewerbebetrieb und gegebenenfalls auch nach §§ 6 und 12 ff GewStG mit seinem Gewerbekapital der Gewerbesteuer. Wie oben erläutert wurde, hat die Gesellschaft nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 107.092 DM erzielt. Diesen Gewinn hat der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid berücksichtigt. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gewerbesteuer-Meßbescheides im übrigen ist nicht zweifelhaft.
III.
Verfassungsrechtliche Beurteilung der zur Prüfung gestellten Normen
Die Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes über die Gewerbeertragsteuer (§§ 1, 2, 5 bis 8, 10, 11, 14, 16, und 18 GewStG) und § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in der jeweils für das Streitjahr geltenden Fassung sind nach Auffassung des vorlegenden Gerichts mit Artikel 3 Abs. 1 GG unvereinbar und demzufolge verfassungswidrig.
1.
Auslegung des allgemeinen Gleichheitssatzes durch das Bundesverfassungsgericht
Art. 3 Abs. 1 GG lautet: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Diese Vorschrift ist die nach Art. 1 Abs. 3 GG für alle Staatsorgane unmittelbar verbindliche Fundamentalnorm der vom Staat zu gewährleistenden Gerechtigkeit. Da das Grundrecht auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz nur einen abstrakten Gerechtigkeitsmaßstab enthält, müssen die konkreten Gerechtigkeitsmaßstäbe durch Auslegung gewonnen werden. Zwar hat der Gesetzgeber als Schöpfer der am Gleichbehandlungsgebot zu messenden Vorschriften und wegen seiner unmittelbaren demokratischen Legitimation sozusagen ein Erstinterpretationsrecht. Jedoch kommt der Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht wegen der Bindungswirkung seiner Entscheidungen für die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie aller Gerichte und Behörden (§ 31 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz [BVerfGG]) letztlich die allein entscheidende Bedeutung zu.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum allgemeinen Gleichheitssatz hat in den letzten Jahrzehnten eine vielschichtige, aber keineswegs eindeutige Entwicklung genommen. Die Auslegungsgrundsätze sind - jedenfalls in den Formulierungen - deutlich weiterentwickelt worden und eröffnen dem Bundesverfassungsgericht nunmehr erheblich größere Eingriffsmöglichkeiten. Davon hat es aber nur zurückhaltend Gebrauch gemacht, so daß sich aus seiner neueren Rechtsprechung allenfalls eine Tendenz zur Aufwertung und Effektivierung des allgemeinen Gleichheitssatzes ableiten läßt. Trotz durchaus vorhandener Unterschiede in den Formulierungen, auf die später noch hingewiesen wird, muß dabei die Rechtsprechung der beiden Senate des Bundesverfassungsgerichts als Einheit betrachtet werden. Denn keiner der beiden Senate hat bislang nach § 16 BVerfGG in Bezug auf die Auslegung des Art. 3 Abs. 1 GG das Plenum des Bundesverfassungsgerichts angerufen. Hätte es in der Vergangenheit unterschiedliche Auffassungen beider Senate zur Auslegung dieses Grundrechts gegeben, wäre eine solche Vorlage erforderlich gewesen. Bis 1980 hat das Bundesverfassungsgericht die Voraussetzungen einer Verletzung Art. 3 Abs. 1 GG stets mit der Willkürformel umschrieben. Gleichwohl hat es auch schon in seiner früheren Rechtsprechung bei der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes konkrete Verhältnismäßigkeitsprüfungen durchgeführt, wenn es sie für erforderlich hielt. Der Gleichheitssatz ist nach der Willkürformel - erst - dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt (BVerfGE 1, 14, 52; 61, 138, 147). Entscheidend ist danach, ob eine gesetzliche Regelung evident unsachlich gleich oder ungleich behandelt (BVerfGE 12, 326, 333; 55, 72, 90) oder als evident ungerecht einzustufen ist, etwa weil die Ungleichbehandlung nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist (BVerfGE 1, 264, 275; 3, 58, 135) oder die fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft mißachtet (BVerfGE 42, 64, 72).
Auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Willkürformel in der späteren Rechtsprechung weiter benutzte (vgl. etwa BVerfGE 83, 1, 23; 89, 132, 141), hat der Erste Senat sie seit 1980 durch die sogenannte neue Formel ergänzt (BVerfGE 55, 72, 88; danach ständige Rechtsprechung des Ersten Senats, etwa BVerfGE 82, 126, 146; 84, 133, 157; 88, 5, 12). Der allgemeine Gleichheitssatz ist danach vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Im Gegensatz zum Willkürverbot liegt danach ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht erst bei evidenter Sachwidrigkeit oder evidenter Ungerechtigkeit vor, sondern - schon - dann, wenn sich die Gleich- oder Ungleichbehandlung als unverhältnismäßig erweist.
Das Bundesverfassungsgericht hat das Verhältnis von Willkürverbot und neuer Formel bisher nicht geklärt. Neben Ansätzen zu einer tatbestandlichen Trennung des Anwendungsbereichs der beiden Formeln mit Hilfe des Begriffs der Personengruppe (etwa BVerfGE 55, 72, 89; 60, 329, 346; 90, 46, 57) sind in anderen Entscheidungen die Formeln miteinander verbunden worden. Insbesondere der Erste Senat formuliert einleitend etwa (BVerfGE 88, 87, 96; 89, 15, 22; 89, 365, 375): Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergäben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitsanforderungen reichten. Die Abstufung der Anforderungen folge aus dem Wortlaut und Sinn des Art. 3 Abs. 1 GG, sowie aus seinem Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen. Da der Grundsatz, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich seien, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern solle, unterliege der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung. Das gelte auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirke. Außerdem seien dem Gesetzgeber um so engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken könne (BVerfGE 91, 346, 363).
Neben der Hervorhebung des besonderen Gewichts unmittelbaren oder mittelbaren Ungleichbehandlung von Personengruppen und der Freiheitsgrundrechte für die gleichheitsrechtliche Abwägung werden in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum allgemeinen Gleichheitssatz auch die Grundsätze der Systemgerechtigkeit, der Folgerichtigkeit und der Sachgerechtigkeit betont. Ein Systemverstoß im Bereich der Gesetzgebung ist indes allenfalls ein Indiz für einen Gleichheitsverstoß. Der Gesetzgeber wird an die eigenen Grundentscheidungen nur in dem Sinne gebunden, daß gegensätzliche Regelungen einer folgerichtigen Begründung bedürfen (vgl. dazu BVerfGE 81, 156, 207; 84, 239, 271 und 85, 238, 247). Im Rahmen der neuen Rechtsprechung zum Schutz des Existenzminimums im Steuer- und Sozialrecht (BVerfGE 82, 60; 82, 198; 87, 1, 36; 87, 153; 89, 346 und 91, 93, 109) ist systemübergreifendes Denken bei der Überprüfung der Wertungsrationalität gesetzlicher Vorschriften innerhalb eines "Normengeflechts" kennzeichnend geworden. Immer wieder betont wird auch der Grundsatz, daß der allgemeine Gleichheitssatz kein justitiables Optimierungsgebot enthalte (BVerfGE 81, 108, 117).
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts vermeidet eine deutliche Trennung zwischen verschiedenen Maßstäben der Gleichheitsprüfung und formuliert Seine Obersätze pragmatischer und regelmäßig sachbereichsbezogen:
"Der Gleichheitssatz verbietet, wesentlich Gleiches ungleich, und gebietet, wesentlich Ungleiches seiner Eigenart entsprechend ungleich zu behandeln. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Der Gesetzgeber muß allerdings seine Auswahl sachgerecht treffen ... Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd ist, läßt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern stets nur in bezug auf die Eigenart des konkreten Sachbereichs, der geregelt werden soll ..."
(BVerfGE 90, 145, 195; zur Fehlbelegungsabgabe BVerfGE 78, 249, 278; zur Vermögensteuer BVerfGE 93, 121, 134).
Für den Bereich des Steuerrechts hat das Bundesverfassungsgericht im Grundfreibetragsbeschluß darauf hingewiesen, daß die verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Besteuerungsgewalt noch unbestimmt sind (BVerfGE 87, 153, 169). Steuergesetze sind in ihrer freiheitsbeschränkenden Wirkung jedenfalls an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen (BVerfGE 87, 153, 169).
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz leitet es in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz der Steuergerechtigkeit (vgl. etwa BVerfGE 74, 182, 199 mit weiteren Nachweisen.) und das Gebot der Ausrichtung der Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (BVerfGE 66, 214, 223; 82, 60, 86) ab. Obwohl auf das gesamte Steuerrecht bezogen, hat das Bundesverfassungsgericht beide Forderungen über das Einkommensteuerrecht hinaus in ihrer generellen Tragweite für andere Steuerarten bisher kaum entfaltet (vgl. dazu Osterloh in: Sachs, Kommentar zum. GG, 1996, Art. 3 Rdnr. 151 ff.).
In der Entscheidung BVerfGE 74, 182, 199 formuliert das Bundesverfassungsgericht allgemein:
"Der Gleichheitssatz hat im Steuerrecht seine besondere Ausprägung in Form des Grundsatzes der Steuergerechtigkeit gefunden, wobei die Besteuerung - insbesondere im Einkommensteuerrecht - grundsätzlich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten ist. ... Dabei beruht die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG stets auf einem Vergleich von Lebensverhältnissen, die nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sind. Es ist Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er als maßgebend dafür ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Voraussetzung für eine Übereinstimmung einer Regelung mit dem Gleichheitssatz ist lediglich, daß die gewählte Differenzierung auf sachgerechten Erwägungen beruht. Im Rahmen seiner weitgehenden Gestaltungsfreiheit im Bereich des Steuerrechts kann sich der Gesetzgeber auch von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen leiten lassen. Seine Gestaltungsfreiheit endet erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein sachlicher Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit ist vom Bundesverfassungsgericht nachzuprüfen ...".
Damit stellt das Bundesverfassungsgericht es dem Gesetzgeber frei, im Bereich des Steuerrechts selbst die Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse auszuwählen, die für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen und selbst steuertechnische Überlegungen sollen solche Differenzierungen rechtfertigen. Dies kann nur so verstanden werden, daß sämtliche Regelungen des Steuerrechts lediglich an dem Maßstab des Willkürverbots zu messen seien. In diesem Sinne äußert sich das Bundesverfassungsgericht auch in der Entscheidung BVerfGE 46, 225, 233. Dort heißt es noch ausdrücklich:
"Der Gesetzgeber muß aber seine Auswahl sachgerecht treffen; es kommt darauf an, ob die Unterschiede nach der Natur des in Rede stehenden Sachverhalts für eine am Gerechtigkeitsdenken orientierte Betrachtungsweise so erheblich sind, daß ihre Außerachtlassung als willkürlich bezeichnet werden müßte ..."
Im Hinblick auf die Erschließung von Steuerquellen führt das Bundesverfassungsgericht mit der Entscheidung BVerfGE 81, 108 seine ständige Rechtsprechung fort (S. 117, mit weiteren Nachweisen):
"... So hat er (der Gesetzgeber) beispielsweise bei der Erschließung von Steuerquellen weitgehende Gestaltungsfreiheit. Will er eine bestimmte Steuerquelle erschließen, andere hingegen nicht, dann ist der allgemeine Gleichheitssatz grundsätzlich so lange nicht verletzt, als sich die Verschiedenbehandlung mit finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen rechtfertigen läßt. ... Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat ...".
Eine allgemeine verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Steuern "in ihrer üblichen Ausgestaltung" (hier der Gewerbesteuer) hat das Bundesverfassungsgericht daneben aus der Erwähnung dieser Steuer in Artikel 106 GG abgeleitet (BVerfGE 46, 225, 236).
In der Entscheidung BVerfGE 84, 239, 268 und im wesentlichen gleichlautend in BVerfGE 93, 121, 134 heißt es unter stärkerer Hervorhebung des Grundsatzes der steuerlichen Lastengleichheit indessen:
"Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist bereichsspezifisch anzuwenden. ... Für den Sachbereich des Steuerrechts gilt: Weder der Zweck der Besteuerung, den staatlichen Haushalt mit Finanzmitteln auszustatten, noch die Verwendung des Steueraufkommens geben der Steuerbelastung Anknüpfungspunkte oder ziehen ihr Grenzen. Die Besteuerungsgleichheit gewinnt erst aus der Eigenart der Steuer deutliche Konturen: Die Steuer ist eine Gemeinlast, die alle Inländer trifft; sie werden zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen. Der Staat greift dabei - ohne individuelle Gegenleistung - auf das Vermögen des Einzelnen zu, indem er ihm die Pflicht auferlegt, von dem Seinigen etwas abzugeben. Der darin liegende Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre des Steuerpflichtigen gewinnt seine Rechtfertigung daher auch und gerade aus der Gleichheit der Lastenzuteilung. Dadurch unterscheiden sich Gemeinlasten von anderen staatlichen Eingriffen. Im Steuerrecht müssen von Verfassungs wegen sowohl die steuerbegründenden Vorschriften als auch die Regelungen ihrer Anwendung dem Prinzip einer möglichst gleichmäßigen Belastung der Steuerpflichtigen besonders sorgfältig Rechnung tragen. ...".
In beiden Entscheidungen wiederholt das Bundesverfassungsgericht anschließend - allerdings ohne Begründung - sein Postulat, daß der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum habe. Bei der Ausgestaltung dieses Ausgangstatbestandes habe er die einmal getroffene Belastungsentscheidung dann aber folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen; das heißt er habe die Gleichheit der normativen Steuerpflicht und die Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung sicherzustellen (vgl. BVerfGE 84, 239, 271).
In der Entscheidung BVerfGE 89, 15, 22 betont das Bundesverfassungsgericht auch für das Steuerrecht die abgestufte Dichte verfassungsgerichtlicher Prüfung je nach der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Spielraums. Ebenso wie in seiner neueren Rechtsprechung zu anderen Rechtsgebieten unterwirft das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber auch bei steuerrechtlichen Regelungen, die Personengruppen unterschiedlich behandeln oder die sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, einer strengen Bindung.
In Bezug auf generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen im Steuerrecht hat das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung fortgeführt. Für solche Normen gesteht es dem Gesetzgeber für die Ordnung von Massenerscheinungen und deren Abwicklung einen Spielraum zu (BVerfGE 13, 331, 341; 82, 126, 151; 84, 348, 359 und Beschluß vom 10.4.1997 - 2 BvL 77/92 - BStBl II 1997, 518). Insoweit soll der Gesetzgeber offensichtlich keiner strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitsanforderungen unterliegen.
Eine an sich gleichheitswidrige steuerliche Verschonung kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dennoch vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber dadurch das wirtschaftliche oder sonstige Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will (BVerfGE 93, 121, 147, mit weiteren Nachweisen.). Eine solche Intervention, die das Steuerrecht in den Dienst außerfiskalischer Verwaltungsziele stellt, setzt aber eine erkennbare Entscheidung des Gesetzgebers voraus, mit dem Instrument der Steuer auch andere als bloße Ertragswirkungen erzielen zu wollen. Der Lenkungszweck muß mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorgezeichnet und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein (BVerfGE 93, 121, 147.).
2.
Systematische Einteilung der Auslegungsgrundsätze, Konkurrenzen
Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Bereich des Steuerrechts ist durch drei Entwicklungslinien gekennzeichnet. Seine frühere Rechtsprechung, die als Prüfmaßstab für das gesamte Steuerrecht nur das Willkürverbot vorsah (so z.B. BVerfGE 46, 225, 233) hat es offensichtlich - zumindest teilweise - zugunsten differenzierender Maßstäbe aufgegeben (vgl. allgemein zur Entwicklung der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 3 Abs. 1 GG Jarass, NJW 1997, 2545 und zum Steuerverfassungsrecht Kirchhof, StbJb 1994/95, 5 ff.; derselbe, StuW 1996, 3 ff.):
- Es verlangt nunmehr jenseits grundlegender steuerlicher Belastungsentscheidungen die folgerichtige Umsetzung des Ausgangstatbestandes in den Bereichen der normativen Steuerpflicht und der Steuererhebung im Sinne der Belastungsgleichheit.
- Bei einer unmittelbaren oder mittelbaren Ungleichbehandlung von Personengruppen unterwirft das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber einer strengen Bindung.
- Es gesteht dem Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu.
Regeln für die Anwendbarkeit alter und neuer Formeln, sowie für das Rangverhältnis der neueren, sich in ihrem sachlichen Anwendungsbereich überschneidenden Grundsätze im Falle der Konkurrenz, etwa bei einer durch eine generalisierende steuerrechtliche Regelung oder durch die Auswahl einer Steuerquelle hervorgerufenen Ungleichbehandlung von Personengruppen, hat das Bundesverfassungsgericht bisher nicht bestimmt.
Die vom Bundesverfassungsgericht für den Bereich des Steuerrechts aufgestellten Grundsätze zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 GG lassen sich im Hinblick auf die anzuwendenden Prüfungsmaßstäbe in zwei Gruppen einteilen.
- Der Gesetzgeber muß - strenge - Verhältnismäßigkeitsanforderungen einhalten bei der Lastenzuteilung im Steuerrecht und bei der Verschiedenbehandlung von Personengruppen, insbesondere bei einem ungünstigen Einfluß auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten.
- Einen weitgehenden Gestaltungsspielraum hat er dagegen für den gesamten Bereich des Steuerrechts - soweit die bisher nicht ausdrücklich aufgegebene ältere Rechtsprechung nicht als überholt betrachtet wird (vgl. etwa die Entscheidung der 3. Kammer des Ersten Senats vom 3. Mai 1995 - 1 BvR 1176/88 - BStBl II 1995, 758, 759; dort nahm die Kammer die gleichheitsrechtliche Prüfung der Einführung des Progressionsvorbehalts für Lohnersatzleistungen allein an Hand des Willkürverbots vor, obwohl es sich bei der überprüften Norm zwar um eine steuerbegründende Vorschrift, jedoch nicht um die grundlegende Auswahl einer Steuerquelle handelte) - und im übrigen bei der Auswahl (Erschließung) von Steuerquellen, insbesondere wenn die Steuer in Abschnitt X des Grundgesetzes erwähnt ist, sowie bei der Schaffung von generalisierenden, typisierenden und pauschalierenden Regelungen.
Wegen der unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe hält das vorlegende Gericht die sich in ihrem Anwendungsbereich überschneidenden Auslegungsgrundsätze des Bundesverfassungsgerichts in dem Sinne für unvereinbar, daß sie nicht zu einem widerspruchsfreien Auslegungskanon verknüpft werden können. Da ihr sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich nicht eingegrenzt ist, keine Konkurrenzregeln bestehen und § 31 Abs. 1 BVerfGG ihre Verbindlichkeit unterschiedslos anordnet, müssen sie grundsätzlich als gleichwertig nebeneinander anwendbar behandelt werden.
Die Beziehung zwischen zwei dieser Auslegungsgrundsätze, nämlich dem Gebot gleicher Lastenzuteilung im Steuerrecht und dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Erschließung von Steuerquellen bedarf im Hinblick auf das Ausgangsverfahren einer genaueren Betrachtung.
Je nachdem, wie die Anwendungsbereiche beider Auslegungsgrundsätze bestimmt werden, überschneiden oder ergänzen sie sich. Die grundlegende Gestaltung des Steuersystems, etwa die Entscheidung darüber, ob der Einzelne in seiner Erwerbsfähigkeit oder in den von ihm erworbenen Wirtschaftsgütern, belastet werden soll, obliegt dem Gesetzgeber. Diese Grundentscheidung berührt das Gleichheitsgrundrecht nicht, weil sie alle Bürger gleich behandelt. Hier hat der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum. Das Prinzip der Gleichheit der Lastenzuteilung ist demgegenüber das umfassende steuerliche Gerechtigkeitsgebot, weil der Bürger, wie es das Bundesverfassungsgericht formuliert hat, den Steuerzugriff in seine Vermögens- und Rechtssphäre nur deshalb hinnehmen muß, weil jeder Mitbürger - gemessen an seiner individuellen Leistungsfähigkeit (zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als Ausgangspunkt und Maßstab steuerlicher Lastenzuteilung vgl. auch Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts Band V, 1992, § 124 Rdnr. 37) - eine gleiche Steuerlast zu tragen hat. Wenn der Steuerzugriff des Staates als Gemeinlast gleichzeitig auch Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre des Bürgers ist und wenn dieser Eingriff seine Rechtfertigung "auch und gerade" aus der Gleichheit der Lastenzuteilung gewinnt und wenn deshalb auch die steuerbegründenden Vorschriften dem Prinzip einer möglichst gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen besonders sorgfältig Rechnung tragen müssen (so BVerfGE 93, 121, 134), dann müssen auch steuerbegründende Vorschriften im Hinblick auf die Gleichheit der Lastenzuteilung strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügen. Das bedeutet, daß für eine ungleiche Zuteilung von Steuerlasten Gründe von solcher Art und von solchem Gewicht vorliegen müssen, daß sie die Differenzierung zu rechtfertigen Vermögen.
Die Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einer möglichst gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen im Steuerrecht nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist unteilbar. Sie kann, wenn sie ihr Ziel nicht prinzipiell verfehlen soll, nicht auf Teilbereiche des Besteuerungsverfahrens beschränkt werden. Eine gleichmäßige Belastung aller Steuerpflichtigen kann nicht erreicht werden, wenn dem Gesetzgeber erlaubt ist, die Steuerpflicht an Umstände zu knüpfen, die im Ergebnis zu einer ungleichen Steuerbelastung der Bürger führt, etwa weil sie keinen Bezug zu einer bei den Bürgern vorhandenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit haben (etwa: Rechtfertigung einer ungleichen Steuerbelastung mit finanzpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen), oder weil sie zwar an eine vorhandene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anknüpft, aber nicht alle Bürger besteuert, die diese Leistungsfähigkeit aufweisen (etwa: die Gewerbeertragsteuer, die die Unternehmenserträge nur von Gewerbetreibenden besteuert). Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Gleichheit der Lastenzuteilung ist nur erreichbar, wenn sie auf allen Ebenen der Lastenzuteilung oder -freistellung verwirklicht wird, also nicht nur bei Differenzierungen im Rahmen der Vorschriften über die Steuerbemessungsgrundlage oder bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung (so BVerfGE 84, 239, 271), sondern auch bei der Auswahl bzw. Ausschöpfung der Steuerquelle. Dieses umfassende steuerliche Gerechtigkeitsgebot wird um so gröber und mit um so größerer Breitenwirkung verfehlt, je näher die Ungleichbehandlung dem Bereich der grundlegenden Steuerbelastungsentscheidung zuzuordnen ist. Der vom Bundesverfassungsgericht zum allgemeinen Gleichheitssatz geprägte Auslegungsgrundsatz, daß es dem Gesetzgeber bei sachgerechter Auswahl grundsätzlich freistehe, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er die gleiche Rechtsfolge knüpfe, die er also im Rechtssinne als gleich ansehen wolle, widerspricht dem Gebot gleicher Lastenzuteilung im Steuerrecht folglich nur dann nicht, wenn gefordert wird, daß alle Elemente der gesetzgeberischen Auswahl dem Gebot der Gleichheit der Lastenzuteilung genügen müssen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach es dem Gesetzgeber grundsätzlich freistehe, einzelne Berufsgruppen steuerlich zu belasten, andere dagegen von der Steuer freizustellen, wenn die gewählte Differenzierung auf Erwägungen beruhe, die nicht als willkürlich erscheinen (vgl. etwa BVerfGE 26, 1, 8) und er bei der Auswahl einer Steuerquelle einen weitgehenden Gestaltungsspielraum habe (vgl. etwa BVerfGE 84, 239, 271), ist mit dem Gebot gleicher Lastenzuteilung nicht vereinbar (vgl. dazu auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 3 Bände, 1993, 353 und 355 f.).
Im Sinne der vorstehenden Ausführungen muß das Prinzip der Gleichheit der Lastenzuteilung als das grundlegende und vorrangige - weil unmittelbar grundrechtsschützende - Prinzip verstanden werden, das durch einen weitergehenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nur ersetzt werden darf, wenn die infrage stehende Gestaltung des Gesetzgebers gleichheitsrechtlich neutral ist. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist kein Rechtsgut an sich. Er ist lediglich die Umschreibung des Rahmens seines durch die Grundrechte der Bürger und andere verfassungsrechtliche Regeln begrenzten Handlungsspielraums. Der Spielraum des Gesetzgebers muß daher dort enden, wo seine Gestaltung das Prinzip der steuerlichen Lastengleichheit verletzen würde. Räumte man ihm auch jenseits dieser Grenze noch einen Gestaltungsspielraum ein, wäre der sich aus Art. 1 Abs. 3 GG ergebende Vorrang des grundrechtsschützenden Prüfungsmaßstabs verletzt.
Dagegen kann nach Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht eingewandt werden, daß die Gerichte wegen des in Art. 20 Abs. 2 GG verankerten Gewaltenteilungsprinzips nur die Einhaltung der äußersten Grenzen des am Willkürverbot zu messenden gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums überprüfen könnten (so aber BFH, BStBl II 1993, 551, 554), denn das Gewaltenteilungsprinzip dient ausschließlich der Mäßigung der Gesamtstaatsgewalt (vgl. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum. GG., Loseblatt, Stand 1996, Art. 20, Rdnr. 39), es hat keinerlei grundrechtseinschränkende Wirkung. Der Gleichheitssatz wie auch alle übrigen Grundrechte binden alle Staatsgewalten in gleicher Weise, so Art. 1 Abs. 3 GG. Demzufolge benötigt auch der Gesetzgeber ein gleiches Maß von Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung von Bürgern wie die anderen Staatsgewalten (vgl. zum Verstoß gegen das Willkürverbot auch BVerfGE 86, 148, 250 ff.). Daraus folgt für die Prüfung, ob gesetzliche Regelungen Grundrechte der Bürger verletzen, daß aus der Gewaltenteilung und aus dem Verhältnis zweier Staatsgewalten zueinander (hier des Gesetzgebers und der Gerichte) kein (milderer) verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab abgeleitet werden kann.
3.
Anwendung auf die Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes über den Gewerbeertrag
a)
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einer Vielzahl von Entscheidungen mit Einzelvorschriften des Gewerbesteuerrechts (etwa BVerfGE 13, 290 und 318 zur Benachteiligung von Ehegatten-Arbeitsverhältnissen; BVerfGE 13, 331 zur Benachteiligung von personenbezogenen Kapitalgesellschaften; BVerfGE 21, 54 zur Lohnsummensteuer; BVerfGE 24, 112 zur Inanspruchnahme von Kommanditisten für die Gewerbesteuer; BVerfGE 25, 28 zur Betriebsaufspaltung; BVerfGE 40, 109 zur Versagung des Schachtelprivilegs für bestimmte Personengesellschaften; BVerfGE 42, 374 zur Schlechterstellung des Pfandleihergewerbes gegenüber Kreditinstituten; BVerfGE 69, 188 wiederum zur Betriebsaufspaltung), aber auch mit der grundsätzlicheren Frage der Vereinbarkeit der Gewerbesteuer insgesamt mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (BVerfGE, 26, 1 und 46, 224 [Handelsvertreter]) befaßt. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher die Vereinbarkeit der Gewerbesteuer mit dem allgemeinen Gleichheitssatz stets bejaht. Als Prüfungsmaßstab hat es dabei das Willkürverbot zugrunde gelegt. In mehreren Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht die Gewerbesteuer als Zusatzertragsteuer charakterisiert (BVerfGE, 13, 331, 348; 21, 54, 71; 40, 109, 117).
In BVerfGE 26, 1 begründetes seine Entscheidung mit folgenden tragenden Erwägungen: Es verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz, wenn nur Gewerbetreibende, nicht aber Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und der freien Berufe der Gewerbesteuer unterlägen. Es stehe dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, einzelne Berufsgruppen zu belasten, andere dagegen von der Steuer freizustellen. Voraussetzung für die Übereinstimmung mit dem Gleichheitssatz sei lediglich, daß die gewählte Differenzierung auf sachgerechten Erwägungen beruhe. Die Kombination der Produktionsfaktoren Boden. Kapital und Arbeit sei bei diesen Berufsgruppen so grundlegend verschieden, daß der Gesetzgeber schon deshalb nicht daran gehindert sein könne, eine Betätigung, bei der Produktionsfaktor Kapital eindeutig im Vordergrund stehe, mit einer besonderen Steuer zu belegen. Außerdem rechtfertige das Äquivalenzprinzip die Gewerbesteuer.
In der Entscheidung BVerfGE 46, 224 relativiert das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung des Äquivalenzprinzips als verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsgrund für die Gewerbesteuer als lediglich pauschale Rechtfertigung der Gewerbesteuer insgesamt. Es stellt ferner fest, daß seit der Beteiligung von Bund und Ländern an der Gewerbesteuer durch die Gewerbesteuerumlage das Äquivalenzprinzip noch weniger zur finanzpolitischen Rechtfertigung der Gewerbesteuer herangezogen werden könne.
Ihre Rechtfertigung erfahre die Gewerbesteuer allerdings aus ihrer Erwähnung in Art. 106 Abs. 6 GG. Das Grundgesetz sehe das Nebeneinander von Einkommen- und Realsteuern ausdrücklich und unabhängig von besonderen finanzpolitischen Rechtfertigungsgründen vor und billige damit die Gewerbesteuer in ihrer üblichen Ausgestaltung. Im Hinblick auf die Verschiedenbehandlung von Gewerbebetrieben und Betrieben anderer Berufsgruppen bezeichnet das Bundesverfassungsgericht die gewerbesteuerpflichtigte Berufsausübung als die Regel, die nicht gewerbesteuerpflichtigte Ausübung eines freien Berufs oder der Land- und Forstwirtschaft als die Ausnahme. Die Kombination der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital sei bei Landwirtschaft, freien Berufen und Gewerbe so grundlegend verschieden, daß es keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstelle, wenn der Gesetzgeber auf dem Gebiet der Realsteuern überhaupt mehrere Gruppen unterschieden und die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und die freien Berufe im Gegensatz zu den Gewerbebetrieben von der Gewerbesteuer freigestellt habe. Im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Handelsvertreter in gewerbesteuerlicher Hinsicht den freien Berufen im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 2 EStG gleichgestellt werden muß, führt das Bundesverfassungsgericht aus, unter dem Oberbegriff "freiberufliche Tätigkeit" seien durchaus heterogene Berufe versammelt, die sich nicht auf einen einzigen tragenden Gesichtspunkt zurückführen ließen. Es gebe keinen einheitlichen Oberbegriff der freien Berufe. Die Merkmale geistige Leistung, Kapitalausstattung oder Beschäftigung von Arbeitnehmern seien für eine Begriffsbildung ungeeignet, weil sie in je unterschiedlicher Intensität bei freien Berufen und anderen Berufen vorliegen oder auch fehlen könnten. Weil es keinen Oberbegriff der freien Berufe gebe, komme es darauf an, ob eine bestimmte Tätigkeit ausgeübt werde, die der Gesetzgeber aus sachlichen Gründen als freiberuflich habe anerkennen können. Solche Gesichtspunkte sieht das Bundesverfassungsgericht in dem persönlichen Einsatz bei der Berufsausübung, dem Charakter des jeweiligen Berufs, der Stellung und Bedeutung des Berufs im Sozialgefüge und der Qualität und Länge der erforderlichen Berufsausbildung.
b)
Auffassung des vorlegenden Gerichts
Die nur Gewerbebetriebe treffende Gewerbeertragsteuer bewirkt eine ungleiche Besteuerung von Unternehmenserträgen, denn Gewerbeerträge vermitteln keine andere und insbesondere keine größere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Erträge aus Betrieben von selbständig Tätigen und von Land- und Forstwirten. Weil das Ausgangsverfahren darüber keine Entscheidung erfordert, kann hier dahinstehen, ob Unternehmenserträge im Vergleich zu anderen Einkommen eine höhere, die Belastung mit einer Zusatzertragsteuer rechtfertigende, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vermitteln. Die beschriebene ungleiche steuerliche Lastenzuteilung bewirkt mittelbar eine ungleiche Behandlung von Personengruppen, indem nur die Gewerbetreibenden als Steuerschuldner (§ 5 GewStG) mit der Gewerbeertragsteuer belastet, alle übrigen zu dieser Obergruppe gehörenden Personen, die selbständig Tätigen im Sinne des § 18 EStG und die Land- und Forstwirte dagegen von dieser Steuer freistellt werden und der Gesetzgeber auch keine vergleichbare anderweitige Steuerbelastung für die letztgenannten Gruppen vorgesehen hat (insoweit unzutreffend die Auffassung von Vogel, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 87 Rdnr. 92 und Fußnote 376, wonach in Art. 106 GG keine Steuer genannt sei, die von anderen als Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten ausgehe. Vielmehr ist die Besteuerung der Gewerbetreibenden nach deutschem Gewerbesteuerrecht ein geradezu typisches Beispiel für eine berufsspezifische Besteuerung; ein Unterschied zu der von Vogel als Gegenbeispiel hervorgehobenen verschärften Besteuerung von Gewerbetreibenden nach sowjetischem Steuerrecht ist nicht ersichtlich). Es handelt sich deshalb auch nicht um eine gleichheitsrechtlich neutrale Entscheidung über die Auswahl einer Steuerquelle. Nach den oben (III. 1. und 2.) dargestellten Grundsätzen ist diese Verschiedenbehandlung und ungleiche steuerliche Belastung bei grundsätzlich gleicher Leistungsfähigkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nur vereinbar, wenn sie durch Gründe gerechtfertigt ist, die strengen Verhälthismäßigkeitsanforderungen genügen. Nicht ausreichend ist, daß die zur Prüfung stehenden Normen nicht gegen das Willkürverbot verstoßen, also keine evident ungerechte Regelung vorliegt; für die Differenzierung müssen vielmehr Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vorliegen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen zu rechtfertigen Vermögen. Solche rechtfertigenden Gründe liegen nach Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht vor (gleicher Ansicht Wendt, Betriebs-Berater 1987, 1257, 1259 ff).
aa)
Die "Herausnahme" der freien Berufe aus der Gewerbesteuer geht zurück auf das Reichsgewerbesteuergesetz vom 1. Dezember 1936. Das Gewerbesteuerrecht ist insoweit bis heute inhaltlich unverändert geblieben. Die amtliche Gesetzesbegründung der damaligen Reichsregierung (RStBl 1937, 693, 694), wonach die Grundsätze des Nationalsozialismus die Herausnahme der freien Berufe aus der Gewerbesteuer erfordern, bietet keine Anhaltspunkte für eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Gewerbetreibenden gegenüber den selbständig Tätigen nach geltendem Verfassungsrecht. Die Bezugnahme auf nationalsozialistische Grundsätze rechtfertigt allenfalls die Schlußfolgerung auf gesetzgeberische Willkür.
bb)
(1)
Das Äquivalenzprinzip, dessen Bedeutung für die Rechtfertigung der Gewerbesteuer nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 46, 224, 236 f. nach Einführung der Gewerbesteuerumlage geringer geworden, aber offensichtlich nicht ganz entfallen ist, ist nach Auffassung des vorlegenden Gerichts und wohl auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ungeeignet, die Gewerbeertragsteuer zu rechtfertigen. Weder der Zweck der Besteuerung, den staatlichen Haushalt mit Finanzmitteln auszustatten, noch die Verwendung des Steueraufkommens geben der Steuerbelastung Anknüpfungspunkte oder ziehen ihr Grenzen (so BVerfGE 84, 239, 268 f.).
Soweit von einer sehr viel weiteren Fassung dieser Theorie ausgegangen wird, wonach das Interesse des Besteuerten an staatlichen Leistungen die Steuer rechtfertige (so Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 1990, 146 ff.), ist sie zur Rechtfertigung der Gewerbesteuer in der vorliegenden Ausgestaltung mit der ausschließlichen Belastung der Gewerbetreibenden ebenfalls ungeeignet. Denn ein Interesse an der gemeindlichen Infrastruktur haben neben den Gewerbetreibenden doch auch die selbständig Tätigen, die Land- und Forstwirte und nicht zuletzt die Gemeindeeinwohner. Die Interessetheorie liefert auch keine Gesichtspunkte, die das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einzuhaltende Gebot gleicher Lastenzuteilung im Steuerrecht konkretisieren könnte. Staatliche Leistungen mögen gerechtfertigt sein, wenn Bürger oder Gruppen daran ein entsprechendes Interesse haben. Das Vorhandensein eines solchen Interesses sagt aber nichts darüber aus, wie die staatlichen Leistungen, die dieses Interesse befriedigen sollen, zu finanzieren sind, und es rechtfertigt schon gar nicht die Finanzierung durch eine Steuer. Es mag auch sein, daß das Interesseprinzip Steuern - die aus dieser Sicht so zahlreich werden könnten, wie es verschiedene Interessen gibt - volkswirtschaftlich oder finanzwissenschaftlich zu rechtfertigen vermag. Eine Steuer bedarf aber in erster Linie und unabdingbar der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Denn der Staat hat nach Verfassungsrecht bei der Besteuerung bestimmte Unter- und Obergrenzen einzuhalten; darüber hinaus darf die Besteuerung die Grundrechte der Bürger nicht unzulässig einschränken. Insbesondere bedarf jede Abgabe der Rechtfertigung gegenüber dem Gleichheitssatz und dem verfassungsrechtlichen Willkürverbot (vgl. dazu Vogel, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 87 Rdnr. 87). Die Interessetheorie ist zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung einer Steuer, insbesondere zur Beantwortung der Frage, ob eine Steuer mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, ungeeignet, weil sie keinen verfassungsrechtlichen Bezugspunkt hat.
(2)
Darüber hinaus stellt es einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Systembruch dar, wenn bei der Gewerbesteuer der Kreis der steuerpflichtigen Personen nur teilweise nach Äquivalenz- bzw. Interessegesichtspunkten bestimmt wird (Äquivalenz- und Interessetheorie fordern grundsätzlich die Besteuerung aller Verursacher gemeindlicher Lasten, vgl. dazu schon Tipke, Steuergerechtigkeit, 1981, 111; derselbe, Die Steuerrechtsordnung, 3 Bände, 1993, 833), die Steuerbelastung bei der Gewerbeertragsteuer aber von der Höhe des objektivierten Ertrags und bei der im Rahmen dieses Vorlagebeschlusses unbeachtlichen Gewerbekapitalsteuer von der Höhe des objektivierten Gewerbekapitals abhängt. Die Vermengung beider Maßstäbe bei der Gewerbesteuer führt zu willkürlichen Ergebnissen (vgl. zur Verletzung des Willkürverbots durch Mißachtung selbstgesetzter Maßstäbe durch den Gesetzgeber BVerfGE 86, 148, 251 f.). Der Verursacher großer gemeindlicher Lasten zahlt keine Gewerbeertragsteuer, wenn kein Ertrag erzielt wird, obwohl Äquivalenzgesichtspunkte und das objektive Interesse des Verursachers in diesem Fall eine (hohe) Steuerbelastung fordern. Gleiches gilt, wenn der Verursacher selbständig tätig ist oder Land- und Forstwirtschaft betreibt. Wer demgegenüber hohe Unternehmenserträge erzielt, aber keine oder nur geringe gemeindliche Lasten verursacht, muß, unter der Voraussetzung, daß er Gewerbetreibender ist, eine hohe Gewerbeertragsteuer zahlen (bei einem durchschnittlichen Hebesatz von 400% beträgt die Gewerbeertragsteuer linear 20% des den Freibetrag von DM 36.000,00 übersteigenden Gewerbeertrags), obwohl das Äquivalenz- und auch das Interesseprinzip hier eine geringe Steuer oder gar eine Freistellung von der Steuer fordern.
(3)
Die Äquivalenztheorie rechtfertigt auch nicht die Belastung der Gewerbetreibenden mit der Gewerbeertragsteuer und die Freistellung der übrigen Bezieher von Unternehmenserträgen von dieser (oder einer entsprechenden anderen) Steuer. Die Äquivalenztheorie nimmt zum Bezugspunkt die gemeindlichen Lasten. Diese entstehen aber nicht nur durch die ansässigen Gewerbebetriebe, sondern auch durch die Betriebe der selbständig Tätigen und der Land- und Forstwirte und daneben zu einem sicherlich ganz erheblichen Anteil durch die Gemeindeeinwohner. Abgesehen von der grundsätzlich fehlenden Eignung der Äquivalenztheorie zur Rechtfertigung einer Steuer, könnte sie die Sonderbelastung der Gewerbetreibenden mit der Gewerbesteuer allenfalls dann rechtfertigen, wenn die von den übrigen Teilgruppen (selbständig Tätige, Land- und Forstwirte und Gemeindeeinwohner) verursachen gemeindlichen Lasten im Rahmen einer im Steuerrecht zulässigen Typisierung oder Generalisierung vernachlässigt werden könnten. Das ist aber ersichtlich nicht der Fall. In der Entscheidung BVerfGE 46, 224, 240 ff. führt das Bundesverfassungsgericht aus, daß es keinen einheitlichen Oberbegriff der freien Berufe gebe und typbildende Unterschiede zwischen den Berufsgruppen freie Berufe und Gewerbetreibende aus den Merkmalen geistige Leistung, Kapitaleinsatz und Beschäftigung von Arbeitnehmern nicht abgeleitet werden könnten. Diese Ausführungen lassen nicht darauf schließen, daß das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen sein könnte, die Teilgruppe der freien Berufe (daneben sind ja auch die übrigen selbständig Tätigen im Sinne des § 18 EStG von der Gewerbesteuer freigestellt) verursache keine oder nur geringe gemeindliche Lasten. Zu der Frage, in welchem Maße die verschiedenen Berufsgruppen gemeindliche Lasten verursachen, gibt es bislang, soweit ersichtlich, überhaupt keine konkreten Erkenntnisse oder Feststellungen. Unbestreitbar dürfte allerdings sein, daß jedenfalls die von den Gemeindeeinwohnern (mit-) verursachten gemeindlichen Lasten (Straßen, Kanalisation, Versorgungsleitungen, gemeindliche soziale und kulturelle Infrastruktur) einen bedeutenden Anteil an den gesamten gemeindlichen Lasten ausmachen. Weil jedenfalls schon die Gemeindeeinwohner als nicht zu vernachlässigende Mitverursacher gemeindlicher Lasten und darüber hinaus auch die selbständig Tätigen und die Land- und Forstwirte als Mitverursacher gemeindlicher Lasten jedenfalls solange nicht außer Betracht bleiben dürfen, bis Erkenntnisse vorliegen, die es erlauben, sie unberücksichtigt zu lassen, ist die Äquivalenztheorie ungeeignet, die Belastung der Gewerbetreibenden mit Gewerbesteuer im Gegensatz zu den anderen Berufsgruppen zu rechtfertigen.
cc)
Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Gewerbesteuer kann aus der Nennung der Realsteuern in Abschnitt X des Grundgesetzes nicht abgeleitet werden. Der Wegfall der ebenfalls in Abschnitt X des Grundgesetzes genannten Vermögensteuer, der Lohnsummensteuer und das geplante Auslaufen der Gewerbekapitalsteuer zeigt unabhängig von dogmatischen Überlegungen, daß die Nennung einer Steuer oder Steuerart in Abschnitt X des Grundgesetzes ihr weder einen Bestandsschutz vermittelt, noch sie in irgendeiner Weise davor schützt, wegen Verstoßes gegen Grundrechte als verfassungswidrig behandelt zu werden (vgl. dazu auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 3 Bände, 1993, 528 ff.; derselbe. Betriebs-Berater 1994, 437).
Das Gerechtigkeitsgebot als Ausprägung der Menschenwürde unterliegt nicht dem Zugriff und der Änderungsbefugnis des Gesetzgebers, Art. 79 Abs. 3 GG. Es ist für gesetzgeberische Gestaltungen nicht zugänglich. Demzufolge kann ein Steuergesetz nicht - auch nicht durch Nennung in Art. 106 GG - einer diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Überprüfung entzogen werden. Die Nennung einer Steuer in Art. 106 GG vermittelt im vorliegenden Zusammenhang lediglich die Erkenntnis, daß der Gesetzgeber eine tatsächlich erhobene Steuer in die Verteilung des Steueraufkommens auf die verschiedenen Gebietskörperschaften einbezogen, und allenfalls die weitere Erkenntnis, daß er diese Steuer für verfassungsrechtlich zulässig gehalten hat. Das Ergebnis einer verfassungsrechtlichen Überprüfung ist damit weder vorweggenommen noch in irgendeiner Weise vorherbestimmt (vgl. dazu auch Wendt, Betriebs-Berater 1987, 1677 ff.)
Daß die Gewerbesteuer in ihrer heutigen Ausgestaltung durch die Nennung der Realsteuern in Art. 106 Abs. 6 GG keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung erfahren hat, mag daran deutlich werden, daß der Gesetzgeber ohne Änderung des Grundgesetzes an Stelle der heutigen Gewerbesteuer eine allgemeine Unternehmensteuer einführen könnte, wenn er § 3 Abs. 2 AO entsprechend änderte und dort die Unternehmensteuer an Stelle der Gewerbesteuer als Realsteuer definierte und sie durch ein Unternehmensteuergesetz auch so ausgestaltete (im Ergebnis gleicher Ansicht, Kirchhof, StuW 1996, 3, 7).
dd)
Eine unterschiedliche Kombination der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital rechtfertigt nach Auffassung des vorlegenden Gerichts die Erhebung einer Ertragsteuer nur von Gewerbetreibenden nicht. Die entgegenstehende Aussage des Bundesverfassungsgerichts ist erstmals in der Entscheidung BVerfGE 26, 1, 8 f. zu finden. Dort heißt es sinngemäß, bei der gewerblichen Betätigung stehe im Gegensatz zu den freien Berufen und der Landwirtschaft der Produktionsfaktor Kapital eindeutig im Vordergrund. In der Entscheidung BVerfGE 46, 224, 241 heißt es in diesem Zusammenhang demgegenüber wörtlich:
"Für die freien Berufe ist es auch nicht durchweg typisch, daß sie ohne Kapitaleinsatz ihre berufliche Tätigkeit ausüben. In diesem Zusammenhang ist z.B. insbesondere auf die häufig mit hoher Kapitalausstattung betriebenen Facharzt- und Zahnarztpraxiseinrichtungen und freiberuflich betriebenen Laboratorien hinzuweisen. Umgekehrt gehört auch der Einsatz von Kapital nicht zu den Wesensmerkmalen der gewerblichen Tätigkeit, wenn auch insgesamt gesehen in der gewerblichen Wirtschaft der Kapitaleinsatz dominiert. Die Kapitalintensität ist von Wirtschaftszweig zu Wirtschaftszweig verschieden".
Schon die Ausführungen in der letztgenannten Entscheidung stehen in Widerspruch zum Postulat der grundlegenden Verschiedenheit der Kombination von Produktionsfaktoren bei freien Berufen und dem Gewerbe. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat darauf hingewiesen, daß es im Bereich der freien Berufe Wirtschaftszweige gibt, die in Ansehung der Produktionsfaktoren einem "typischen" Gewerbebetrieb sehr viel näher stehen, als eine Vielzahl üblicherweise dem Gewerbe zugerechneten Betriebe. Unbestreitbar dürfte auch sein, daß insbesondere die große Zahl kleinerer Dienstleistungsbetriebe in der Struktur ihrer Produktionsfaktoren von den "typischen" freien Berufen nicht zu unterscheiden ist. Die vorstehenden Ausführungen gelten für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft sinngemäß. Der Kritik von Glanegger/Güroff (Kommentar zum GewStG, 3. Aufl. 1994, § 1 Anm. 18), die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Typisierung sei sachfremd, weil sie nicht auf dem Boden von Rechtstatsachen stehe, ist daher zuzustimmen. Die fehlende Unterscheidbarkeit der verschiedenen Berufsgruppen an Hand der Kombination ihrer Produktionsfaktoren mag auch der Grund dafür gewesen sein, daß das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung BVerfGE 46, 224, 241 f. letztlich für die Unterscheidung der Berufsgruppen nur auf die Merkmale des persönlichen Einsatzes bei der Berufsausübung, den Charakter des jeweiligen Berufs, die Stellung und Bedeutung des Berufs im Sozialgefüge und auf die Qualität und die Länge der erforderlichen Ausbildung abgestellt hat.
Gleichgültig, ob nun die Auswahl des Kreises der Steuerpflichtigen der Gewerbeertragsteuer mit der besonderen Kombination der von ihnen eingesetzten Produktionsfaktoren oder mit den Besonderheiten ihres Berufes und ihrer Berufsausübung begründet wird, ist festzustellen, daß im Hinblick auf die Gleichheit der steuerlichen Lastenzuteilung beide Auswahlgesichtspunkte weder die Beschränkung einer Unternehmensertragsteuer auf eine Gewerbeertragsteuer oder eine Freistellung der selbständig Tätigen und der Land- und Forstwirte von der Gewerbeertragsteuer fordern, noch auch nur nahelegen. Darüber hinaus erscheint die Anknüpfung der Steuerpflicht an diese Auswahlgesichtspunkte als willkürlich. Das oben unter bb) (2) Gesagte gilt hier sinngemäß.
Wenn, wie bei der Gewerbeertragsteuer, der Ertrag die Steuerbemessungsgrundlage darstellt, darf das Steuergesetz die Steuerpflicht nicht - auch nicht indirekt durch entsprechende Begrenzung des Kreises der Steuerpflichtigen - daran knüpfen, ob der Ertrag denn nun unter größerem Einsatz eigener Arbeit oder Kapital, oder der Ertrag in Ausübung eines bestimmten Berufes erzielt wurde, oder die Berufsausübung mit einer besonderen sozialen Stellung verbunden oder die Berufsausbildung besonders gut oder/und lang gewesen ist. Für die Gewerbesteuer als Zusatzertragsteuer (so BVerfGE 13, 331, 348; 21, 54, 71; 40, 109, 117) kann insoweit nichts anderes als bei der Einkommensteuer gelten. Auch dort zählt nur, wieviel Einkommen erzielt wurde, ungeachtet der individuellen Anstrengung für den Erwerb und ungeachtet der Einkunftsquelle. Für die Besteuerung ist unerheblich, ob jemand sein Einkommen unter äußerstem Einsatz von Freizeit und Gesundheit erzielt oder mit leichter Hand als zufälligen Mitnahmegewinn erworben hat (vgl. auch Kirchhof, Stbg 1997, 193, 195).
ee)
Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich, daß das vorlegende Gericht auch dann zu dem Ergebnis kommt, daß die Gewerbeertragsteuer mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren ist, wenn es, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung, lediglich prüft, ob die betreffenden Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes gegen das Willkürverbot verstoßen.
ff)
Außerfiskalische Lenkungszwecke, die unter Umständen die Verschonung der selbständig Tätigen und der Land- und Forstwirte von der Gewerbesteuer vor dem Gleichheitssatz rechtfertigen könnten, sind weder aus dem Gewerbesteuergesetz noch aus seiner Entstehungsgeschichte erkennbar, noch vom Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung zur Gewerbesteuer erkannt worden.
gg)
Die festgestellte Ungleichbehandlung könnte auch nicht etwa für eine Übergangszeit bis zum Inkrafttreten der durch das Standortsicherungsgesetz eingeführten Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 32 c EStG hingenommen werden. Denn abgesehen von den Bedenken gegen die zeitweiligen Duldung eines verfassungswidrigen Rechtszustandes (vgl. dazu unten IV 1 c) beseitigt diese Regelung jedenfalls die festgestellte Ungleichbehandlung nicht. Dabei kann auch dahinstehen, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, die Steuerbelastung durch die Gewerbesteuer durch eine Entlastung bei der Einkommensteuer zu kompensieren. Denn die Gesamtentlastung bei der Einkommensteuer von jährlich lediglich rund 3 Milliarden DM angesichts eines Gewerbesteueraufkommens von rund 40 Milliarden DM ist nur unzureichend und außerdem kommen von vornherein nur diejenigen Gewerbesteuerpflichtigen in den Genuß der Entlastung, deren Anteil der gewerblichen Einkünfte am zu versteuernden Einkommen den Betrag von 100.224 DM übersteigt (vgl. dazu Gorski, DStZ 1993, 613; Lang, StbJb 1993/94, 9, 17 ff.; Schmidt/Glanegger. Kommentar zum EStG, 16. Aufl. 1997, § 32c Rz 2 mit weiteren Nachweisen).
c)
Verfassungskonforme Auslegung
Eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften über die Gewerbeertragsteuer mit dem Ziel der Beseitigung der festgestellten Ungleichbehandlung ist nicht möglich. Die verfassungskonforme Auslegung von Rechtsnormen ist nur zulässig, wenn eine Auslegung möglich ist, die im Einklang mit dem Grundgesetz steht und das Gesetz bei dieser Auslegung sinnvoll bleibt (BVerfGE 2, 266, 282). Sie ist unzulässig, wenn sie zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch tritt (BVerfGE 18, 97, 111) oder an die Stelle der Gesetzesvorschrift inhaltlich eine andere gesetzt wird oder wenn der normative Regelungsgehalt erst geschaffen wird (BVerfGE 34, 165, 200). Die festgestellte Ungleichbehandlung kann nur durch Abschaffung der Gewerbeertragsteuer oder durch Belastung der selbständig Tätigen und der Land- und Forstwirte mit einer der Gewerbeertragsteuer entsprechenden Steuer beseitigt werden. Beide Lösungsmöglichkeiten würden die Grenzen einer noch zulässigen verfassungskonformen Auslegung weit überschreiten. Die Abschaffung der Gewerbeertragsteuer oder die Schaffung einer die selbständig Tätigen und die Land- und Forstwirte belastenden Unternehmensertragsteuer würde dem im Gewerbesteuergesetz erklärten Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen. Eine "Auslegung", die auch die selbständig Tätigen und die Land- und Forstwirte in die bestehende Gewerbeertragsteuer einbezöge, schüfe für diesen Personenkreis bisher nicht vorhandene Rechtsnormen, eine neue Steuer.
4.
Anwendung auf § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
a)
Rechtsprechung
Das Bundesverfassungsgericht hatte bislang noch keine Gelegenheit, zur Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG Stellung zu nehmen.
Das Einkommensteuergesetz eröffnet dem Einzelunternehmer nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bei sog. gemischter Tätigkeit die Möglichkeit einer gesonderten Beurteilung trennbarer Einkunftsarten (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, BStBl II 1984, 129; 1992, 413). Das bedeutet, daß ein Einzelunternehmer nebeneinander Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus selbständiger Arbeit erzielen kann. Auch wenn zwischen den Betätigungen gewisse sachliche und wirtschaftliche Berührungspunkte bestehen - also eine gemischte Tätigkeit vorliegt - sind die Betätigungen regelmäßig steuerlich getrennt zu erfassen (vgl. BFH, BStBl II 1992, 413, 415 mit weiteren Nachweisen).
Übt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine andere Personengesellschaft eine gemischte Tätigkeit mit einem gewerblichen Anteil aus, so bewirkt § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG die Umqualifizerung sämtlicher Einkünfte der Gesellschaft in solche aus Gewerbebetrieb. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs selbst dann, wenn der gewerbliche Anteil nur gering ist (vgl. BFH, BStBl II 1995, 171, 172).
Anknüpfend an Entscheidungen des Reichsfinanzhofs zu den Vorgängervorschriften (vgl. RFH, RStBl 1937, 1129 und 1938, 107), vertritt der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß zwar durch § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG der - vom Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 26, 327 konkret bestätigte - Grundsatz, daß Einzelunternehmer und Mitunternehmer einkommensteuerlich soweit wie möglich gleich zu behandeln seien (vgl. zu diesem Grundsatz BFH, BStBl H 1971, 177, 178 und 1995, 171, 172) und damit letztlich der aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Grundsatz der Steuergerechtigkeit berührt sei. Verfassungswidrig sei die Gesetzeslage gleichwohl nicht, weil die Steuerpflichtigen die Möglichkeit hätten, für trennbare Unternehmenstätigkeiten jeweils gesonderte, auch personengleiche Personengesellschaften zu errichten (vgl. BFH, BStBl II 1978, 73.74; 1984, 152, 154; 1995, 171, 172 f.; 1996, 264, 266). In älteren Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof (BStBl II 1978, 73; 1984, 152 und BFH/NV 1986, 79) die Abfärbereglung außerdem damit gerechtfertigt, daß der auf Erwerb gerichtete gemeinsame Betätigungswille der Gesellschafter sich zwangsläufig auf alle Tätigkeitsbereiche der Gesellschaft erstrecke und dieser Wille nur einheitlich beurteilt werden könne, die Ermittlung von Einkünften aus verschiedenen Einkunftsarten mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sei und im Falle einer Personenhandelsgesellschaft entgegen § 5 Abs. 1 EStG nicht mehr an die nach Handelsrecht vorgeschriebene Gewinnermittlung angeknüpft werden könne.
b)
Meinungsstand in der Literatur
Die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG wird in der Literatur größtenteils für verfassungsrechtlich Unbedenklich gehalten (vgl. etwa Schmidt, Kommentar zum EStG, 16. Aufl. 1997, § 15 Rz 185 ff. [anders noch in der 3. Aufl.]; Blümich/Hutter, Kommentar zum EStG, KStG und GewStG, Loseblatt, Stand Februar 1997, § 18 EStG Rz. 84; Söffing, FR 1994, 805 ff. und FR 1995, 381, Gösch, StBp 1995, 165; Hiller INF 1995, 388).
Die zum Teil umfassende ältere Kritik an der Ungleichbehandlung von Einzelunternehmern und Personengesellschaften durch die Abfärbe-Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. etwa Weber-Grellet, DStZ 1982, 228 und Schmidt, Kommentar zum EStG, 3. Aufl. 1984, § 15 Anm. 43) und die im Vorfeld der Verabschiedung des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 wiederholte Kritik (vgl. etwa Knobbe-Keuk, BB 1985, 820 und 941, sowie Flume, DB 1985, 1152) ist angesichts der vom Bundesfinanzhof stetig fortgeführten Rechtsprechung im wesentlichen verstummt. Der vom Bundesfinanzhof angebotene Ausweg zur Vermeidung steuerlicher Nachteile durch Gründung mehrerer personengleicher Gesellschaften wird größtenteils akzeptiert (vgl. aus neuerer Zeit Fitsch, in: Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum EStG, Loseblatt, Stand Januar 1996, § 18 Anm. 60; Neu, DStR 1995, 1893, fordert außerdem die Einführung einer Bagatellgrenze).
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die durch § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG hervorgerufene Ungleichbehandlung von Einzelunternehmern und Personengesellschaften wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz machen Stadie (FR 1989, 93), Schwendy (INF 1995, 75) und Korn (DStR 1995, 1249) geltend. Während Schwendy und Korn eine umfassende Gleichbehandlung beider Gruppen einfordern, meint Stadie, nur die Ungleichbehandlung von Einzelunternehmern und Gesellschaften bürgerlichen Rechts verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die ungleiche Behandlung der Personengesellschaften, die zur Führung von Büchern verpflichtet sind, sei verfassungsgemäß. Er hält eine entsprechende Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG durch verfassungskonforme Auslegung für möglich und ausreichend.
c)
Auffassung des vorlegenden Gerichts
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bewirkt eine mittelbare Ungleichbehandlung der Einzelunternehmer im Vergleich zu den Personengesellschaften, indem diese Vorschrift nur bei einer der beiden Gruppen eine Umqualifizierung von Einkünften anordnet. Diese Regelung, die bei trennbaren gemischten Tätigkeiten von Personengesellschaften anwendbar ist, bewirkt die Umqualifizierung sämtlicher Einkünfte der Gesellschaft in solche aus Gewerbebetrieb, wenn ein - auch nur geringfügiger - Teil der Tätigkeiten der Gesellschaft gewerblich ist. Bei Einzelunternehmern gilt in diesem Fall das Trennungsprinzip. Die verschiedenen Tätigkeiten des Unternehmers sind den jeweiligen Einkunftsarten zuzuordnen, deren Voraussetzungen erfüllt sind. Daraus resultieren sowohl für die Einkommensteuer, als auch insbesondere für die Gewerbesteuer unterschiedliche Rechtsfolgen und auch unterschiedliche Steuerbelastungen.
aa)
Die unterschiedlichen Auswirkungen bei der Einkommensteuer, die sich aus dieser Umqualifizierung von Einkunftsarten ergeben können, sollen hier nur allgemein dargestellt werden, weil im Vorlagefall insoweit die Klägerin beschwerende ungleiche Besteuerungsfolgen nicht festgestellt werden konnten. Deshalb kann hier auch dahinstehen, ob solche möglichen Ungleichbehandlungen den allgemeinen Gleichheitssatz verletzen: Je nach Einkunftsart gelten unterschiedliche Vorschriften über die Gewinnermittlung, was sowohl zu abweichenden Periodengewinnen als auch zu abweichenden Totalgewinnen führen kann. Insbesondere die Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 1 und § 5 EStG für Gewerbetreibende und andere Buchführungspflichtige können im Vergleich zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für nicht Buchführungspflichtige und der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen bei Land- und Forstwirten nach § 13a EStG zu unterschiedlich hohen Periodengewinnen führen (vgl. dazu Schmidt/Heinicke, Kommentar zum EStG, 16. Aufl. 1997, § 4 Rz 10). Jedenfalls die Gewinnermittlung nach § 13a EStG führt regelmäßig zu geringeren Totalgewinnen, als die anderen Gewinnermittlungsmethoden (vgl. dazu schon BFH, BStBl II 1984, 198, 199 und Schmidt/Seeger, Kommentar zum EStG, 16. Aufl. 1997, § 13a Rz 1 unter Hinweis auf entsprechende Feststellungen des Bundesrechnungshofs). Außerdem sind die Buchführungspflichten (auch) einkunftsartenabhängig und verursachen, ebenso wie die verschiedenen Gewinnermittlungsarten, verschieden hohe Sach- und Personalkosten.
bb)
Eine weitere Ungleichbehandlung beider Gruppen im Bereich des Einkommensteuerrechts, auf die hier nur hingewiesen werden soll, weil sie für das Streitjahr noch nicht relevant war, ergibt sich durch die Tarifbegrenzung allein für gewerbliche Einkünfte gemäß § 32c EStG. die durch das Standortsicherungsgesetz vom 13.9.1993, BGBl I 1993, 1569) eingeführt wurde. Zwar wird diese Regelung wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG weithin für verfassungswidrig gehalten (vgl. dazu Schmidt/Glanegger, Kommentar zum EStG, 16. Aufl. 1997, § 32c Rz 2 und Lang, StbJb 1993/94, 9, 17 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen). Solange sie aber wirksam bleibt und die rechtliche Grundlage für geringere Einkommensteuersätze auf gewerbliche Einkünfte darstellt, bewirkt die Umqualifizierung von Einkünften in solche aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG eine geringere Einkommensteuerbelastung der von dieser Regelung betroffenen Gesellschafter von Personengesellschaften im Vergleich zu den Einzelunternehmern, auf die diese Vorschrift - wie bereits dargestellt - keine Anwendung findet (insoweit unzutreffend Schmidt/Seeger, Kommentar zum EStG, 16. Aufl. 1997, § 18 Rz 50).
cc)
Im Bereich der Gewerbesteuer gilt § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG über § 7 GewStG unmittelbar. Bei gemischten Tätigkeiten bewirkt diese Vorschrift eine höhere Gewerbesteuerbelastung der Personengesellschaften, weil sie, anders als bei Einzelunternehmern, auch den nichtgewerblichen Teil der Einkünfte der Gewerbeertragsteuer unterwirft. Im Streitfall beträgt die durch die Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG hervorgerufene Gewerbesteuermehrbelastung der Klägerin im Streitjahr 1988 13.005 DM. Diese unterschiedliche steuerliche Lastenzuteilung verstößt nach den oben (III. 1. und 2.) dargestellten Grundsätzen nur dann nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vorliegen, die die ungleiche steuerliche Belastung rechtfertigen können. Solche rechtfertigenden Gründe liegen nach Auffassung des vorlegenden Gerichts jedoch nicht vor.
(1)
Soweit insbesondere vom Bundesfinanzhof geltend gemacht wird, die aufgezeigte Ungleichbehandlung könne durch eine steuerorientierte zivilrechtliche Gestaltung in der Weise vermieden werden, daß die gewerblichen Tätigkeiten in eine - personengleiche - andere, ggf. neu zu gründende Personengesellschaft ausgegliedert werden, mag das zutreffen. Allerdings sollte bei dieser "höchstrichterlichen Steuerberatung" nicht übersehen werden, daß diejenigen, die diesem Rat folgen, bei der dann oft notwendig werdenden Überlassung von Räumen und Einrichtungen durch die alte Gesellschaft an die neu gegründete Gesellschaft nur allzu leicht die Voraussetzungen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung erfüllen. Die Folge wäre dann ein Ergebnis, das gerade vermieden werden sollte und für das der Ratgeber nicht haftbar gemacht werden kann: Beide Gesellschaften erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb! (vgl. zur Betriebsaufspaltung BFH, BStBl II 1991, 405; 92, 246 und Schmidt, Kommentar zum EStG, 16. Aufl. 1997, § 15, Rz 800 ff.; diese Rechtsfolge kann auch nicht durch eine Verwaltungsanweisung vermieden werden - a.A. offenbar BdF, koordinierter Ländererlaß vom 14. Mai 1997, BStBl I 1997, 566 -, solange Gesetzgebung und Rechtsprechung die Betriebsaufspaltung als Rechtsinstitut behandeln, vgl. dazu Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993, 864 mit umfangreichen Nachweisen).
(2)
Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs beseitigt indessen die für den Grundrechtsträger bestehende Möglichkeit, die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes vermeiden zu können, die Verfassungswidrigkeit der Norm selbst nicht. Träfe die Auffassung des Bundesfinanzhofs zu, wären die Grundrechte weithin bedeutungslos. Ein Beispiel, in dem das Argumentationsschema des Bundesfinanzhofs verwendet wird, soll dies verdeutlichen:
Unterstellt sei dabei, daß eine neue gesetzliche Regelung den Polizeibehörden erlaubt, Wohnungen ohne Anlaß und ohne gerichtliche Erlaubnis zu durchsuchen. Einem Bürger, der sich gegen eine bei ihm stattfindende Durchsuchung unter Berufung auf das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung wendet, könnte dann entgegengehalten werden, daß zwar durch diese gesetzliche Regelung sein Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG berührt sei; verfassungswidrig sei die Regelung gleichwohl nicht, da er ja die Möglichkeit habe, auf das Wohnen in einer Wohnung zu verzichten, oder im Ausland, wo deutsche Polizeibehörden nicht tätig werden dürften, seinen Wohnsitz zu nehmen.
Es ist evident, daß eine solche Rechtfertigung unzulässig wäre. Vielmehr haben allein die Staatsgewalten eine verfassungsmäßige Rechtsordnung herzustellen und zu gewährleisten. Das Urteil über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm kann nicht davon abhängen, ob der Bürger der verfassungswidrigen Norm in irgendeiner Weise ausweichen könnte.
(3)
Die Auffassung des Bundesfinanzhofs führt außerdem zu der Folge, daß der Bürger, der die Gestaltungsmöglichkeit nicht erkannt und genutzt hat, dadurch "bestraft" wird, daß die verfassungswidrige Norm auf ihn angewandt wird. Beispiele hierfür sind die vom Bundesfinanzhof entschiedenen Rechtsstreitigkeiten, in denen er auf diese Gestaltungsmöglichkeit hingewiesen hat (vgl. etwa BFH, BStBl III 1964, 530; II 1977, 660; 1978, 73; 1979, 574; 1984, 152; 1995, 171; 1996, 264). In all diesen Fällen haben die betroffenen Bürger die aus der Ungleichbehandlung resultierende gewerbesteuerliche Mehrbelastung tragen müssen. Ihnen wurde lediglich die Möglichkeit aufgezeigt, ihre steuerlichen Verhältnisse für die Zukunft günstiger zu gestalten. Der den Betroffenen durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete effektive Rechtsschutz, nämlich ihr Recht, die aktuelle Verletzung ihrer subjektiven Rechte auch tatsächlich verhindern zu können (vgl. dazu BVerfGE 39, 276, 294; 37, 132, 148; 35, 263, 274), wurde auf diese Weise vereitelt. Wem die Gestaltungsmöglichkeit verborgen bleibt, weil er nicht von vornherein genügend differenzierte Steuerrechtskenntnisse besitzt (auf die mögliche Komplikation durch Begründung einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung bei dem vom Bundesfinanzhof empfohlenen Ausgliederungsmodell wurde bereits oben hingewiesen) oder sich keinen entsprechend qualifizierten steuerlichen Berater leisten kann, zahlt Lehrgeld in Form einer höheren Steuerbelastung; er zahlt eine "Dummensteuer" (der Begriff wurde, soweit ersichtlich, erstmals von Rose, StbJb 1975/76, 41, 47, verwendet; zu ihren vielfältigen Erscheinungsformen im deutschen Steuerrecht: Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 3 Bände, 1993, 181, 357, 649 f., 758 und 873; zur Notwendigkeit einer Besteuerung, die nicht nach Rechtskenntnis und Geschick in der Steuervermeidung bemißt: Kirchhof, Stbg 1997, 193, 194). Auch unter rechtsstaatlichem Blickwinkel ist dies ein nicht hinnehmbarer Zustand.
(4)
Alle weiteren, in der älteren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BStBl II 1978, 73; 1984, 152 und BFH/NV 1986, 79) aufgeführten Argumente zur Rechtfertigung für die durch § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG hervorgerufene Ungleichbehandlung überzeugen nicht (vgl. bereits Stadie, FR 1989, 93, 94):
Aus dem gemeinsamen Betätigungswillen der Gesellschafter folgt nicht, daß die Ergebnisse verschiedener Tätigkeiten, steuerrechttich einheitlich zu qualifizieren sind und schon gar nicht, daß sie einheitlich als gewerblich einzustufen sind. Träfe die Auffassung des Bundesfinanzhofs zu, müßte entsprechendes auch für Personengesellschaften gelten, die zum Teil land- und forstwirtschaftlich oder freiberuflich und zum Teil vermögensverwaltend tätig sind. Für diese sieht das Gesetz die Einheitsbetrachtung jedoch nicht vor. Auch etwaige besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung von Einkünften unterschiedlicher Einkunftsarten rechtfertigen die Ungleichbehandlung nicht, da § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ausdrücklich diejenigen Tätigkeiten ausscheidet, die nicht mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen werden, so daß auch in diesem Fall unterschiedliche Vermögensmassen gebildet und unterschiedliche Einkünfteermittlungen vorgenommen werden müssen. Der Hinweis auf die Anknüpfung des § 5 Abs. 1 EStG an die handelsrechtliche Gewinnermittlung, vermag schließlich die Einbeziehung der Gesellschaften bürgerlichen Rechts nicht zu erklären.
Weil keines dieser Argumente die von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bewirkte Ungleichbehandlung von Einzelunternehmern und Personengesellschaften stützt oder auch nur erklärbar macht, ihnen also bereits die Eignung fehlt, die festgestellte Ungleichbehandlung zu rechtfertigen, stellt sich die Frage nicht, ob sie genügend Gewicht hätten, die Ungleichbehandlung vor dem allgemeinen Gleichheitssatz zu rechtfertigen.
(5)
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bewirkt zugleich einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Einzelunternehmern und Personengesellschaften, der nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesverfassungsgerichts aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG abgeleitet wird (BStBl II 1971, 177; 1995, 171; BVerfGE 26, 327). Der Gesetzgeber hat mit der zur verfassungsrechtlichen Prüfung stehenden Norm ohne rechtfertigende und folgerichtige Begründung die von ihm selbst statuierte Systematik verletzt. Nach der oben (unter III. 1.) wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts führt der - einen Grundrechtsträger beschwerende - ungerechtfertigte Verstoß des Gesetzgebers gegen eine von ihm geschaffene Systematik zu einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
d)
Verfassungskonforme Auslegung
Eine verfassungskonforme Auslegung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in dem Sinne, daß Gesellschaften bürgerlichen Rechts aus seinem Anwendungsbereich ausgeklammert werden, ist nach den oben dargestellten Grundsätzen (III 3 c) nicht möglich. Zwar ließe sich auf diese Weise eine Gleichbehandlung mit Einzelunternehmern herstellen. Eine solche Auslegung bewirkte jedoch gleichzeitig eine Verletzung der in § 15 Abs. 2 Nr. 1 EStG eindeutig zum Ausdruck gekommenen und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Absicht des Gesetzgebers, Gesellschaften bürgerlichen Rechts und Personenhandelsgesellschaften im Hinblick auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb gleich zu behandeln (vgl. dazu BFH, BStBl II 1989, 797, 799 f.).
IV.
Zulässigkeit der Vorlage
Die Vorlage ist zulässig. Bei den zur verfassungsrechtlichen Überprüfung gestellten Rechtsnormen handelt es sich um nachkonstitutionelle Gesetze, auf deren Gültigkeit es für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt. Auch die Voraussetzungen für eine erneute Überprüfung der Regelungen über die Gewerbeertragsteuer durch das Bundesverfassungsgericht im Wege der konkreten Normenkontrolle sind erfüllt.
1.
Entscheidungserheblichkeit
Eine Richtervorlage ist nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG zulässig, wenn es für die im Ausgangsverfahren zu treffende Entscheidung auf die Gültigkeit der für verfassungswidrig erachteten Norm ankommt. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Norm ist für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidungserheblich, wenn das vorlegende Gericht bei Gültigkeit der beanstandeten Regelung zu einer anderen Entscheidung käme als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 77, 259, 261; 79, 245, 249; 84, 233). Dies gilt auch dann, wenn der Gesetzgeber einen Gleichheitsverstoß im Rahmen seines Gestaltungsspielraums auf verschiedene Weise heilen kann. Wenn als eine der möglichen Entscheidungsalternativen eine Regelung in Betracht kommt, die den für das Ausgangsverfahren einschlägigen Maßstab gegenüber der vorgelegten Norm verändert, so hat das Gericht das Verfahren auszusetzen, bis der Gesetzgeber gesprochen hat (vgl. BVerfGE 64, 158, 168; ständige Rechtsprechung). Für die Entscheidungserheblichkeit einer Richtervorlage spielt es keine Rolle, daß im Falle einer Unvereinbarkeitserklärung das Bundesverfassungsgericht gemäß § 35 BVerfGG die weitere Anwendung des bisherigen Rechts anordnen kann (BVerfGE 93, 121, 131).
Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt in Bezug auf den angefochtenen Gewerbesteuer-Meßbescheid von der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes über die Gewerbeertragsteuer und hinsichtlich des Anteils ursprünglich nichtgewerblicher Einkünfte in beiden angefochtenen Bescheiden von der Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ab.
a)
Wären die Vorschriften über die Besteuerung des Gewerbeertrags für den Veranlagungszeitraum 1988 verfassungswidrig, müßte die Klage gegen den Gewerbesteuer-Meßbescheid in vollem Umfang Erfolg haben, weil das Fehlen dieser Regelungen die Festsetzung eines Gewerbesteuer-Meßbetrages nach dem Gewerbeertrag nicht zuläßt. Zwar kommt eine verfassungsgemäße gesetzliche Neuregelung in Betracht, etwa die Einführung einer die Klägerin in gleicher Weise belastenden Unternehmensertragsteuer. Diese neue Steuer könnte aber keinen Einfluß auf die Entscheidung des Ausgangsverfahrens haben; denn die Anordnung der rückwirkenden Geltung einer solchen Neuregelung für das Streitjahr erscheint wegen des damit verbundenen Verstoßes gegen das Verbot der sogenannten echten Rückwirkung von Gesetzen (vgl. dazu BVerfGE 94, 241, 258; Sachs, Kommentar zum GG, 1996, Art. 20 Rdn 85 ff.), jedenfalls im Hinblick auf die selbständig Tätigen und die Land- und Forstwirte, die von dieser neuen Steuer erstmals betroffen wären, als verfassungsrechtlich unzulässig.
b)
Wäre die Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verfassungswidrig, fehlte im Einkommensteuergesetz jegliche Norm, die eine Umqualifizierung nichtgewerblicher Einkünfte von Gesellschaften bürgerlichen Rechts in gewerbliche Einkünfte erlaubt. Damit wäre auch der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der Boden entzogen, die durch Auslegung einfach-rechtlicher Normen zu der gleichen Rechtsfolge gelangte. Dies hätte zur Folge, daß in den angefochtenen Bescheiden die Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb behandelt werden dürften. Die Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid wäre dann in vollem Umfang erfolgreich. Die Klage gegen den Gewerbesteuer-Meßbescheid wäre unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt teilweise begründet, und zwar soweit der festgesetzte Meßbetrag nach dem Gewerbeertrag 610 DM übersteigt (Einkünfte aus Gewerbebetrieb 45.911 DM zuzüglich 50% der Zinsen für Dauerschulden wie bisher 2.308 DM abzüglich Freibetrag 36.000 DM ergibt 12.219 DM. Der Steuermeßbetrag nach dem Gewerbeertrag beträgt 5% hiervon, das sind 610 DM).
Die Entscheidungserheblichkeit der zweiten Vorlagefrage ist nach Auffassung des vorlegenden Gerichts auch dann gegeben, wenn das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften über die Gewerbeertragsteuer für nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar erklärt. Zwar entfiele damit grundsätzlich (bei Anordnung der Nichtigkeit dieser Vorschriften nach § 78 Satz 1 BVerfGG) die durch § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bewirkte Gewerbesteuermehrbelastung der Klägerin. Die zweite Vorlagefrage wäre damit eigentlich nicht mehr entscheidungserheblich. In Bezug auf die Vorschriften über die Gewerbeertragsteuer ist jedoch nicht mit einer Kassation oder einer Unvereinbarkeitserklärung mit rückwirkender Änderungsverpflichtung zu rechnen. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung spricht das Bundesverfassungsgericht bei Verstößen gegen den Gleichheitssatz lediglich eine Unvereinbarkeitserklärung aus (und unterläßt die nach § 78 Satz 1 BVerfGG vorgesehene Nichtigerklärung der verfassungswidrigen Normen, vgl. dazu BVerfGE 94, 241, 265), wenn die Gleichheitswidrigkeit nicht zu bestimmten Folgerungen zwingt und der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten hat, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 87, 153, 177 ff.; 93, 121, 148). Im Bereich des Steuerrechts ordnet das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus neuerdings die Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen für eine gewisse, in die Zukunft reichende Zeitspanne an (Unvereinbarkeitserklärung mit Ex-nunc-Wirkung), wenn es zu der Auffassung gelangt, daß die Erfordernisse einer verläßlichen Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung dies rechtfertigen (so BVerfGE 93, 121, 148;). Wenn, das Bundesverfassungsgericht den hier vorgetragenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Gewerbeertragsteuer folgt, ist wegen der Haushaltswirksamkeit einer solchen Entscheidung (es entfielen zunächst jährliche Haushaltseinnahmen von rund 40 Milliarden DM) und wegen der bereits weitgehend abgeschlossenen Veranlagung der Gewerbesteuer für das Jahr 1988 auch hier nur mit einer Unvereinbarkeitserklärung, verbunden mit einer Änderungsverpflichtung für die Zukunft zu rechnen. Demgegenüber erscheint es wahrscheinlicher (vgl. zur Minderung der Rechtssicherheit wegen fehlender Vorhersehbarkeit verfassungsgerichtlicher Rechtsfolgenaussprüche Seer, NJW 1996, 285, 291), daß das Bundesverfassungsgericht § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG für nichtig erklärt, weil wegen des aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG abgeleiteten Prinzips der Gleichbehandlung von Einzelunternehmern und Personengesellschaften und des in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsatzes der möglichst weitgehenden Trennung verschiedener Einkunftsarten bei Einzelunternehmern die Beseitigung der Gleichheitswidrigkeit auf anderem Wege nicht möglich ist. Selbst wenn sich das Bundesverfassungsgericht mit einer bloßen Unvereinbarkeitserklärung begnügen würde, wäre wegen der durch diese Entscheidung bewirkten nur verhältnismäßig geringen Belastung der öffentlichen Haushalte eher nicht damit zu rechnen, daß das Bundesverfassungsgericht lediglich eine Pro-futuro-Änderungsverpflichtung ausspricht. Wahrscheinlicher wäre, daß der Gesetzgeber verpflichtet wird, für alle noch nicht unanfechtbaren Fälle eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen (zu einer vergleichbaren Fallgestaltung vgl. etwa BVerfGE 93, 386, 402 f.).
Würde das Bundesverfassungsgericht über beide Vorlagefragen so wie vermutet entscheiden, d.h. bezüglich der Gewerbeertragsteuer lediglich eine Profuturo-Änderungsverpflichtung aussprechen und die Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG kassieren, fiele die Entscheidung des Ausgangsverfahrens anders aus (Teilstattgabe oder Aussetzung des Verfahrens), als wenn nur die Vorschriften über die Gewerbeertragsteuer zur Überprüfung stünden (Klageabweisung). Diese für die Klägerin möglicherweise eintretenden günstigen Auswirkungen auf die Entscheidung des Ausgangsverfahrens bei Einbeziehung der zweiten Vorlagefrage müssen ausreichen, um die Zulässigkeit der Vorlage auch insoweit zu bejahen.
c)
Das Bundesverfassungsgericht hat in jüngerer Zeit als Entscheidungsform eine Unvereinbarkeitserklärung mit Ex-nunc-Wirkung bei haushaltswirksamen Entscheidungen insbesondere im Bereich des Steuerrechts herausgebildet (vgl. BVerfGE 87, 153, 177 ff.; 93, 121, 148; 93, 165, 178 f.; zum Kohlepfennig: BVerfGE 91, 186, 207). Weil im vorliegenden Normenkontrollverfahren in Bezug auf die Gewerbeertragsteuer mit einer Unvereinbarkeitserklärung mit EX-nunc-Wirkung zu rechnen ist, wenn das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Vorschriften über die Gewerbeertragsteuer feststellt, hält es das vorlegende Gericht wegen seiner Mitverantwortung für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens für seine Pflicht, auf seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Entscheidungsform hinzuweisen:
Das konkrete Normenkontrollverfahren dient der verfassungsgemäßen Entscheidung in einem bestimmten Gerichtsverfahren und bildet mit diesem einen einheitlichen Prozeß (so BVerfGE 42, 42, 49). Es dient - insoweit gleichermaßen wie die Verfassungsbeschwerde (vgl. dazu BVerfGE 33, 247, 258 f.) - dem individuellen Grundrechtsschutz des Bürgers. Darüber hinaus hat es auch die Funktion, das objektive Verfassungsrecht zu wahren und seiner Auslegung und Fortbildung zu dienen (BVerfGE 33, 247, 259). Der Schutz individueller Grundrechte gegen verfassungswidrige Rechtsnormen liegt nach Art. 100 Abs. 1 GG in der ausschließlichen Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts. Zu den wesentlichen Bestandteilen eines verfassungsmäßigen Rechts gehört seine Durchsetzbarkeit (BVerfGE 39, 276, 294; 37, 132, 148; 35, 263, 274; Papier in: Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 1989, § 154 Rdnr. 75). Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts in diesem Zusammenhang ist es mithin, die Effektivität des Rechtsschutzes (abgeleitet aus der Rechtswegegewährleistung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG; BVerfGE 35, 263, 274; 35, 382, 401; 40, 272, 275; 46, 166, 178 f.) auch in der Ausprägung der Durchsetzbarkeit des verfassungsgemäßen Rechts sicherzustellen. Das Gewicht dieser verfassungsrechtlichen Aufgabe, zu deren Wahrnehmung es beim Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze allein berufen ist, hat das Bundesverfassungsgericht in den erwähnten Entscheidungen, in denen es die Unvereinbarkeitserklärung lediglich mit einer Änderungsverpflichtung für die Zukunft verbunden hat, nach Auffassung des vorlegenden Gerichts nur ungenügend beachtet. Wenn Grundrechte nach dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur Geltung beanspruchen können, wenn ihre Durchsetzung weder die staatliche Finanz- und Haushaltsplanung noch den Verwaltungsvollzug des (verfassungswidrigen) Gesetzes stört, dann verlieren die Grundrechte ihren Charakter als jederzeit wirksame Abwehrrechte gegen den Staat und das Recht des Bürgers auf effektiven Rechtsschutz wird verletzt (ebenso Seer, NJW 1996, 285, 290; Kanzler, StuW 1996, 215, 226: "Der Rechtsschutz der Bürger ist dadurch ausgehöhlt ..."). Das Recht aller Menschen auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz ist kein Grundrecht minderen Ranges, in welches unter leichteren Voraussetzungen eingegriffen werden könnte. Weder das Grundgesetz noch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften, die eine (zeitweilige) Duldung verfassungswidriger Zustände rechtfertigen. Vielmehr gilt nach Auffassung des vorlegenden Gericht auch für den Bereich des Steuerrechts der aus den §§ 78 und 79 BVerfGG abgeleitete und vom Bundesverfassungsgericht inständiger Rechtsprechung bestätigte Grundsatz, daß sich die Pflicht des Gesetzgebers zur Herstellung eines verfassungsgemäßen Rechtszustandes ex tunc auf den gesamten von der Unvereinbarkeitserklärung erfaßten Zeitraum zu erstrecken hat (vgl. BVerfGE 87, 153, 178; 73, 40, 101; 61, 319, 356; so auch Seer, NJW 1996, 285 289). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bedarf einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Haushaltsinteressen und ein gleichmäßiger Verwaltungsvollzug - öffentliche, aber nicht unter besonderem verfassungsrechtlichem Schutz stehende Belange, denen im Regelfall auch durch andere Maßnahmen Rechnung getragen werden kann (vgl. dazu etwa Seer, NJW 1996, 285, 289 f.; Kanzler, StuW 1996, 215, 226) - sind demzufolge nicht geeignet, die Verhinderung der Durchsetzung des verfassungsgemäßen Rechts zu rechtfertigen. Es ist auch nicht verständlich, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 87, 153, 172) der Finanzbedarf des Staates nicht geeignet ist, eine verfassungswidrige Besteuerung zu legitimieren, er aber die Durchsetzung des verfassungsgemäßen Zustands zeitweise zu blockieren vermag (BVerfGE 87, 153, 178 f., vgl. dazu auch Seer, NJW 1996, 285 288 f.). Es ist dem Bundesverfassungsgericht nach Auffassung des vorlegenden Gerichts vielmehr verwehrt, die von Verfassungs wegen gegebene und aufrechterhaltene Gewähr effektiven Rechtsschutzes durch seine Rechtsfolgenaussprüche zu überspielen und damit die betroffenen Grundrechtsträger schutzlos zu stellen (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation das abweichende Votum der Richter Limbach und Böckenförde zu dem Urteil des Zweiten Senats des BVerfG vom 14.5.1996, BVerfGE 94, 166, 234).
Die Ankoppelung der Rechtsfolgen eines Grundrechtsverstoßes, an die finanziellen (haushaltsmäßigen) Auswirkungen seiner Beseitigung führt überdies zu einer rechtsstaatlich inakzeptablen Konsequenz: Je größer das gesetzgeberische Unrecht in seinen finanziellen Auswirkungen ist und je mehr Bürger davon betroffen sind, um so gewisser muß der betroffene Bürger davon ausgehen, daß das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber nicht verpflichten wird, das von ihm geschaffene Unrecht rückwirkend zu beseitigen. Wenn die Staatsgewalten in dieser Weise mit dem Recht verfahren, muß dies fatale Folgen für das Rechtsbewußtsein der Bürger haben (kritisch auch Balke, BB 1995, 762 und Seer, NJW 1996, 285, 289).
Die vom Bundesverfassungsgericht geschaffenen Entscheidungsaussprüche (Appellentscheidung, vgl. dazu Seer, NJW 1996, 285 288; Benda/Klein, Lehrbuch des Verfassungsprozeßrechts, 1991, Rdnr. 1195 f. und die Unvereinbarkeitserklärung mit Änderungsverpflichtung nur für die Zukunft) haben im Vergleich zu der grundsätzlich geltenden Anwendungssperre für verfassungswidrige Normen politische Wirkungen, die nicht unterschätzt werden dürfen: Der - wie die anderen Staatsgewalten - an die Verfassung gebundene Gesetzgeber hat, wenn er im Bereich des Steuerrechts grundsätzlich nur mit einer Verpflichtung zur künftigen Beseitigung einer verfassungswidrigen Gesetzeslage rechnen muß, keinen Anreiz mehr, verfassungswidrige Zustände zu beseitigen oder von vornherein zu vermeiden (vgl. hierzu auch Bilsdorfer, INF 1993, 10). Das Bundesverfassungsgericht verabschiedet auf diese Weise den Gesetzgeber aus seiner Primärverantwortung für das Recht (vgl. dazu auch Seer, NJW 1996, 285, 289 f.). Besonders in den Fällen, in denen der Gesetzgeber bewußt die Verfassungswidrigkeit seiner Regelung in Kauf nimmt (Beispiel: die neu eingeführte Tarifbegrenzung allein für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG, vgl. dazu BT-Drs 12/5016, 78) oder er trotz gewachsener Erkenntnis, daß eine bestimmte Rechtslage verfassungswidrig (geworden) ist (Beispiele: Kinder- und Grundfreibeträge im Einkommensteuerrecht, einheitswertabhängige Besteuerung) untätig bleibt, schützt das Bundesverfassungsgericht mit seiner neuen Entscheidungsform den Gesetzgeber bzw. die betreffende Parlamentsmehrheit vor den in §§ 78, 79 BVerfGG bestimmten Folgen deren verfassungswidrigen Tuns oder Unterlassens. Weil sie den Gesetzgeber nicht zur sofortigen Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage zwingen und ihm für eine Neuregelung oft eine mehrjährige Zeitspanne einräumen, die Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Rechtsnormen in solchen Fällen also keine aktuellen und konkreten Folgen hat, bieten diese Entscheidungsformen den Verantwortlichen einen gewissen Schutz davor, von den Wählern bei der nächsten Wahl für ihre unzureichende Sorge für ein verfassungsgemäßes Recht zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die Gewährung solchen "Schutzes" gehört nach Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht zu den Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts.
2.
Zulässigkeit der erneuten Vorlage in Bezug auf die Vorschriften über die Gewerbeertragsteuer
Die in § 31 Abs. 1 BVerfGG normierte Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hindert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine erneute Vorlage nicht, wenn besondere Voraussetzungen erfüllt sind. Erforderlich ist, daß tatsächliche oder rechtliche Veränderungen eingetreten sind, die die Grundlage der früheren Entscheidung berühren und deren Oberprüfung nahelegen (BVerfGE, 94, 315, 322 f.; 87, 341, 346; 78, 38, 48; 65, 179, 181;39, 169, 181; 33, 199, 203 f.). Die neue Vorlage muß von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgehen und darlegen, inwiefern sich die für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgebliche Lage verändert haben soll (BVerfGE 87, 341, 346). Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des vorlegenden Gerichts erfüllt:
c)
Weil die Gewerbeertragsteuer zu einer mittelbaren Verschiedenbehandlung von Personengruppen führt, unterliegt sie nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen. Zu dem gleichen Prüfungsmaßstab führt die konsequente Umsetzung des vom Bundesverfassungsgericht in seiner neueren Rechtsprechung betonten Gebots gleicher Lastenzuteilung im Steuerrecht. Die Entscheidung BVerfGE 46, 224, 233 hat die Gewerbesteuer demgegenüber allein am Willkürverbot gemessen. Im übrigen vermag nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Äquivalenzprinzip eine Steuer nicht (auch nicht pauschal) zu rechtfertigen (anders noch BVerfGE 46, 224, 236).