Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.07.1997, Az.: XII 629/96

Steuerliche Berücksichtigung des Diebstahlschadens eine PKW; Anspruch auf Ermäßigung der Einkommensteuer; Anforderungen an Aufwendungen im Sinne des Einkommensteuergesetzes; Vermögensschäden als aussergewöhnliche Belastung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
16.07.1997
Aktenzeichen
XII 629/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 15998
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0716.XII629.96.0A

Fundstelle

  • SteuerBriefe 1998, 454-455

Verfahrensgegenstand

Diebstahlschaden als außergewöhnliche Belastung. Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Diebstahl eines Kfz entstehen, sind nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

Einkommensteuer 1994

In dem Rechtsstreit
hat der XII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 16. Juli 1997,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
fürRecht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die durch den Diebstahl eines Kraftfahrzeugs eingetretenen Schäden als außergewöhnliche Belastungen steuerlich berücksichtigungsfähig sind.

2

Zwei aus der Justizvollzugsanstalt in ... entflohene Strafgefangene hatten am 13.02.1994 einen den Klägern gehörenden Pkw der Marke Opel Kadett entwendet. Auf der Fahrt nach Spanien erlitten sie mit dem Pkw einen Unfall, bei dem das Fahrzeug total beschädigt wurde.

3

Die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen gegen das Land Niedersachsen, vertreten durch die Generalstaatsanwaltschaft in Celle blieb erfolglos. Ein Klageverfahren wegen Amtshaftung führten die Kläger nicht durch.

4

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger den an dem Pkw entstandenen Schaden in Gestalt des Zeitwertes des Fahrzeugs abzüglich des bei der Verschrottung erzielten Erlöses, zuzüglich Abschleppkosten, Nutzungsausfallschaden, An- und Abmeldekosten, Kosten der Auswechselung der Türschlösser und diversen Kleinausgaben als außergewöhnliche Belastungen, hilfsweise als Werbungskosten geltend.

5

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte den durch den Vorfall entstandenen Schaden im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung weder als außergewöhnliche Belastungen noch als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben.

6

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger gegen diese Entscheidung Klage erhoben.

7

Zur Begründung bringen sie vor, die Strafgefangenen hätten in einem besonderen Gewaltverhältnis/Anstaltsverhältnis zum Staat gestanden, aus dem sich für den Staat die Pflicht ergebe, für eine sichere Inhaftierung von Strafgefangenen Sorge zu tragen.

8

Der Staat müsse es sich dann, wenn die sichere Inhaftierung nicht gewährleistet sei, gefallen lassen, daß die insoweit eingetretenen Schäden steuermindernd berücksichtigt werden. Es könne nicht angehen, daß der Staat den Abzug der eingetretenen Schäden mit dem Hinweis ablehne, der Bürger habe sich gegen solche Schäden versichern können, da der Schaden hier in der Risikosphäre des Staates liege. Zu berücksichtigen sei ferner, daß nach § 2 Satz 2 des Strafvollzugsgesetzes der Vollzug der Freiheitsstrafe auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten diene.

9

Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1994 vom 10.04.1996 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.08.1996 die Einkommensteuer 1994 unter Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen in Höhe von 4.392,93 DM herabzusetzen,

10

hilfsweise,

die Aufwendungen von 4.392,93 DM als Werbungskosten steuermindernd zu berücksichtigen.

11

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Zur Begründung bezieht sich das FA auf ein Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH), veröffentlicht im BStBl II 1995, S. 104 ff.. Dort habe der BFH entschieden, bei der Beseitigung von Schäden an einem Vermögensgegenstand könnten auch Aufwendungen entstehen. Zur Vermeidung einer dem Sinn und Zweck des § 33 EStGüberschreitenden Ausdehnung sei es aber geboten, den Steuerpflichtigen auf bestehende Versicherungsmöglichkeiten zu verweisen. Der den Klägern entstandene Schaden sei über eine Teilkaskoversicherung abdeckbar gewesen, der Abzug der Schäden als außergewöhnliche Belastung sei deshalb ausgeschlossen.

13

Ein Abzug als Werbungskosten sei nicht möglich, da der Kläger keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erziele. Ein Abzug als Betriebsausgaben scheide aus, da der Diebstahl nicht im Rahmen der betrieblichen Nutzung des Pkw erfolgt sei.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist nicht begründet.

15

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer dann ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als derüberwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes entstehen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, daß die Kläger im Streitfall keine Aufwendungen hatten. Aufwendungen im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG liegen nur dann vor, wenn es sich um bewußte und gewollte Vermögensverwendungen des Steuerpflichtigen handelt (vgl. dazu Schmidt/Drenseck, Kommentar zum EStG, 16. Aufl. 1997, § 33 Rz. 6). Der Eintritt eines Schadens an einem Vermögensgegenstand führt deshalb noch nicht zu einer Aufwendung im Sinne des § 33 EStG, denn Aufwand bedeutet Ausgabe, d.h. der Steuerpflichtige muß Ausgaben tatsächlich geleistet haben. Bei Vermögensverlusten, die ohne Willen des Steuerpflichtigen eintreten, wie z.B. bei einem Diebstahl, fehlt es an einer Verausgabung als Voraussetzung für die Anwendung des § 33 Abs. 1 EStG (so auch Fitsch, in Lademann/Söffing, Kommentar zum EStG, § 33 Rz. 26).

16

Im Streitfall haben die Kläger nicht vorgetragen, daß der Schaden an dem Fahrzeug beseitigt worden ist oder ein Ersatzfahrzeug beschafft worden ist. Da mithin keine Aufwendungen getätigt wurden, kann die Klage insoweit keinen Erfolg haben. Entsprechendes gilt auch für die geltend gemachten Schäden durch das Abhandenkommen diverser kleiner Gegenstände, die sich in dem Fahrzeug befunden haben. Aufwendungen stellen auch nicht die geltend gemachten Nutzungsausfallschäden dar, da die Kläger insoweit keinen schon vorhandenen Bestand an Vermögen verwendet haben, sondern ihnen durch den Diebstahl lediglich die Chance auf die Nutzung ihres Vermögens genommen wurde. Dieser Verlust der Vermögensnutzung ist ebenfalls keine bewußte und gewollte Vermögensverwendung und damit kein Aufwand im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG.

17

Nach der Rechtsprechung des BFH sind von den o.a. Grundsätzen jedoch Ausnahmen zuzulassen. In neuerer Rechtsprechung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 06.05.1994, III R 27/92, BStBl II 1995, S. 104 ff.) berücksichtigt der BFH deshalb zutreffend auch bestimmte Vermögensschäden als außergewöhnliche Belastung, bei denen es lediglich zu Vermögensbelastungen und nicht zu Einkommensbelastungen des Steuerpflichtigen gekommen ist. Der Senat folgt dieser Auffassung. Mit dem BFH ist er jedoch der Meinung, daß in Fällen, in denen lediglich eine Vermögensbelastung eingetreten ist, den Merkmalen der Zwangsläufigkeit und der Außergewöhnlichkeit erhöhte Beachtung zu schenken ist. Demgemäß kommt eine Berücksichtigung von Diebstahlsschäden nur dann in Betracht, wenn die sich daraus für den Steuerpflichtigen ergebende Belastung besonders außergewöhnlich ist, d.h. wenn für den Steuerpflichtigen ein existentiell wichtiger Bereich berührt ist. Im Streitfall ist für den Senat nicht ersichtlich, daß der Pkw für die Kläger von existentiell wichtiger Bedeutung war. Anders als etwa bei der Beschädigung eines Wohnhauses, ist ein Kraftfahrzeug für den Steuerpflichtigen jedenfalls im Regelfall nicht von existentiell wichtiger Bedeutung. Hinzu kommt, daß es zur Vermeidung einer den Sinn und Zweck des § 33 EStGüberschreitenden Ausdehnung der Vorschrift geboten ist, den Steuerpflichtigen vorrangig auch auf bestehende Versicherungsmöglichkeiten zu verweisen. Im Streitfall haben es die Kläger unterlassen, eine Teilkaskoversicherung abzuschließen.

18

Auch der Gesichtspunkt, daß es sich bei den Tätern um aus der Justizvollzugsanstalt Vechta entflohene Strafgefangene handelte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die von den Klägern hierzu vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen keine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung. Die Vorschrift des § 33 Abs. 1 EStG ist kein Auffangtatbestand für ansonsten nicht berücksichtigungsfähige Vermögensschäden (z.B. Amtshaftungsansprüche).

19

Eine Berücksichtigung der Aufwendungen als Werbungskosten scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger im Streitjahr keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) hatte. Ein Abzug als Betriebsausgaben bei seinen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit scheidet aus, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, daß der Diebstahl im Rahmen der betrieblichen Nutzung des Pkw erfolgt ist.

20

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

21

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

22

Die Revision ist nicht zugelassen worden.