Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.07.1997, Az.: I 206/94
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 15.07.1997
- Aktenzeichen
- I 206/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 27902
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0715.I206.94.0A
In dem Rechtsstreit
wegen Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1993 für das Grundstück H.-Weg 19 in H.
hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts im Einvernehmen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 15. Juli 1997, an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
ehrenamtliche Richterin . Damenschneidermeisterin
ehrenamtlicher Richter . Landwirt
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Rufhebung des Einspruchsbescheids vom 13.07.1994 wird der Einheitswertbescheid vom 20.04.1993 geändert und der Einheitswert für das Grundstück H.-Weg 19 in auf den 01.01.1993 auf 69. 800 DM festgesetzt.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.
Das Urteil ist für den Kläger wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann diese Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe der an den Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, sofern der Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe Leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Einheitswert des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks in H., H. Weg 19, das der Kläger (Kl.) in 1992 erworben hat.
Der Beklagte (Bekl.) hat mit Einheitswertbescheid vom 20.04.1993 den Einheitswert für das o.g. Grundstück des Kl. auf 79. 500 DM festgesetzt. Bei dieser Festsetzung ist der BekL. davon ausgegangen, daß die Quadratmetermiete für das gut ausgestattete, frei finanzierte Einfamilienhaus des Kl. entsprechend der Mietspiegelgruppe IV g 3,85 DM/qm betrage.
Gegen die Höhe dieser Quadratmetermiete wendet sich der Kl. mit der Klage.
Das Gericht hat das Haus der Kl. in Augenschein genommen. Dabei ist Einigkeit erzielt worden, daß das Haus in die Ausstattungsgruppe IV -; gute Ausstattung -; des vom BekL. aufgestellten Mietspiegels gehört.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kl. vor, daß die vom Finanzamt (FA) dem Mietansatz zugrunde gelegten Vergleichsmieten unzutreffend seien. Insbesondere sei das FR nicht in der Lage, Vergleichsobjekte zu benennen.
Auch habe das FR einen falschen Mietspiegel und einen unzutreffenden Vervielfältiger der Einheitsbewertung zugrunde gelegt. Sein Haus befinde sich im Stadtgebiet von H. und es sei der Mietspiegel der Stadt H. und nicht der der Gemeinde I. zugrunde zu Legen.
Der Kl. beantragt,
daß der durch den Einheitswertbescheid vom 20.04.1993 festgelegte Einheitswert in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.07.1994 von 79. 500 DM auf 42. 834 DM reduziert wird.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Bekl. hält an der im Mietspiegel für frei finanzierten Wohnraum mit guter Ausstattung festgelegten Quadratmetermiete von 3,85 DM/qm fest. Zwar habe es auf den Stichtag keine oder nur sehr wenige frei finanzierte Wohnungen der Ausstattungsklasse IV in seinem Bezirk gegeben, so daß er gezwungen gewesen sei, die Quadratmetermiete zu schätzen. Diese Schätzung sei zutreffend. Denn er habe in Anlehnung an von der Oberfinanzdirektion Hannover (OFD) ermittelte Richtsätze die in der Mietspiegelspalte IV g ausgewiesenen Miete durch einen Zuschlag auf die in der Mietspiegelspalte IV e ermittelten Kostenmiete für steuerbegünstigten Wohnraum ermittelt, der zwischen 25 und 30 % Liege.
Die Rüge des Kl., er habe einen falschen Mietspiegel und einen falschen Vervielfältiger der Einheitsbewertung zugrunde gelegt, gehe fehl. Hinsichtlich des anzuwendenden Mietspiegels sei auf die Verhältnisse zum 01.01.1964 abzustellen. Hätte der Kl. zum 01.01.1964 sein Haus dort errichtet, wo es jetzt steht, wäre es in der Gemeinde I. belegen, einem Ort mit damals unter 2.000 Einwohnern.
Hinsichtlich des Vervielfältigers weist der BekL. auf § 80 Bewertungsgesetz (BewG) hin, wonach bei Umgemeindungen nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt der auf die Jahresrohmiete anzuwendende Vervielfältiger weiterhin nach der Einwohnerzahl zu bestimmen sei, die für den betroffenen Gemeindeteil im Hauptfeststellungszeitpunkt maßgebend gewesen sei. Da der Ortsteil I. erst im Zuge der Gebiets- und Verwaltungsreform von 1974 in die Stadt H. umgemeindet worden sei, betrage der Vervielfältiger, wie von ihm angesetzt, 13,0.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogenen Einheitswertakten des BekL. unter der Steuernummer . Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zum Teil begründet. Der Einheitswert für das Einfamilienhaus des Kl. in H., H.-Weg 19, war von 79. 500 DM auf 69. 800 DM zu reduzieren.
Der festgesetzte Einheitswert ergibt sich aus § 76 Abs. 1 Nr. 4 BewG in Verbindung mit §§ 78 Satz 2, 79 Abs. 2, 80 BewG.
Nach diesen Vorschriften ist der Einheitswert von Einfamilienhäusern grundsätzlich im Ertragswertverfahren zu ermitteln. Grundlage dieser Wertermittlung ist die Jahresrohmiete, vervielfacht mit dem sich aus § 80 BewG ergebenden Vervielfältiger, der hier 13 beträgt. Soweit der Bekl. diesen Vervielfältiger rügt, ist der Einwand ungerechtfertigt. Es wird insoweit unter Hinweis auf § 80 Abs. 1 Satz 4 BewG auf die zutreffenden Ausführungen des BekL. verwiesen.
Die Jahresrohmiete ist bei Gebäuden, die nach dem 01.01.1964 errichtet sind, grundsätzlich nach § 79 Abs. 2 BewG zu ermitteln, wonach die übliche Miete die Jahresrohmiete darstellt. Kann, wie im vorliegenden Fall, die übliche Miete nicht durch unmittelbaren Vergleich mit geeigneten vermieteten Objekten ermittelt werden, so muß sie auf andere weise geschätzt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs -; BFH -; vom 19.12.1975 III R 6/75, BStBl II 1976, S. 238). Von der Rechtsprechung werden dabei die örtlichen Mietspiegel der Finanzämter als geeignete Grundlage für die Schätzung der üblichen Miete anerkannt (Rößler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 79 Bewertungsgesetz, Rnd.-Ziff. 78 m.w.N.). Dabei geht jedoch die Rechtsprechung davon aus, daß die Mietspiegel aus einer Zusammenstellung von Rahmenmieten entstanden sind, die aus den regelmäßig gezahlten Mieten einer repräsentativen Zahl von vermieteten Wohngrundstücken unter Berücksichtigung der örtlichen Marktlage abgeleitet und mit Mieter-, Vermieter u. a. Verbänden sowie Organen des Wohnungsbaues abgestimmt sind. Diese Mietspiegel sollen nach Grundstücksarten, Baujahrgruppen, Ausstattungsgruppen, Lage der Grundstücke sowie nach solchen Wohnraumgruppen gegliedert sein, für die am Hauptfeststellungszeitpunkt unterschiedliche Mietpreisregelungen bestanden haben. Der Mietspiegel des Bekl. weist die geforderte Unterscheidung nach Baujahrgruppen und Ausstattungsgruppen aus und nimmt auch unterschiedliche Mietpreisregelungen in sich auf. Für die im Mietspiegel ausgewiesene Miete für frei finanzierten nicht preisgebundenen Wohnraum mit guter Ausstattung (IV g) ist jedoch die Mietspiegelmiete, wie der BekL. selbst einräumt, nicht aus regelmäßig gezahlten Mieten einer repräsentativen Zahl von vermieteten Grundstücken abgeleitet worden. Insoweit scheidet die Mietspiegelgruppe IV g als Schätzungshilfsmittel für nicht preisgebundene Marktmiete aus, Urteil des Senats vom 27. August 1996 I 119/90, EFG 1997/8.
In Ermangelung eines für die frei finanzierte Marktmiete aussagekräftigen Mietspiegels hatte der Senat die übliche Miete anderweitig zu schätzen. Er hat sich dabei an die Grundsätze angelehnt, die der BFH in seinem Urteil vom 15. Oktober 1986 (II R 230/81, BStBl II 1987, 201) für die Ermittlung der Marktmiete nach Auslauf der Grundsteuervergünstigung entwickelt hat. Dort ist die Schätzung der üblichen Marktmiete durch Ansatz der üblichen Miete für grundsteuerbegünstigten Wohnraum zuzüglich eines Zuschlags als zulässig anerkannt worden. Der Zuschlag hat dabei der Tatsache Rechnung zu tragen, daß nach Beendigung der Grundsteuervergünstigung die nunmehr einsetzende Grundsteuerbelastung des Grundstücks regelmäßig zu einer Erhöhung der Rohmiete führt.
Entsprechend der Systematik des § 79 Abs. 3 BewG ist dabei nicht auf die tatsächliche Grundsteuerbelastung im Einzelfall abzustellen. Vielmehr ist sie pauschal für das gesamte Bewertungsgebiet einheitlich anzusetzen. Der Senat ist dabei der Ruffassung, daß diese Grundsätze nicht nur nach Auslauf einer Grundsteuervergünstigung sondern auch dann anzuwenden sind, wenn überhaupt keine Grundsteuervergünstigung gewährt worden ist. Entsprechend hat der Senat auf die im Mietspiegel ausgewiesene Miete für grundsteuerbegünstigten Wohnraum (Mietspiegelspalte IV e) zurückgegriffen, da im Gegensatz zu Spalte IV g die in Gruppe IV e ausgewiesene Miete aus einer Vielzahl gezahlter Mieten für vergleichbare Objekte ermittelt worden ist, und hierauf einen Zuschlag von 12 % hinzugerechnet.
Das Ausmaß dieses Zuschlags entspricht dem Anteil, den der Gesetzgeber in § 79 Abs. 3 BewG bundesweit der Grundsteuerbelastung innerhalb der Ermittlung der Jahresrohmiete zuerkannt hat.
Hiergegen kann der Kl. nicht einwenden, daß nicht der Mietspiegel für die Stadt H. sondern der für die Gemeinde I. zugrundegelegt worden sei. Denn zum Hauptfeststellungszeitpunkt, auf den es entscheidend ankommt, gehörte das Grundstück des Kl. noch zur damals selbständigen Gemeinde I., so daß auch der Mietspiegel dieser Gemeinde der Einheitsbewertung zugrundezulegen war.
Hiernach ergibt sich für das Haus des Kl. ein Mietwert von 3,36 DM/qm. Die Spiegelmiete der Ausstattungsgruppe IV e beträgt Lt. Mietspiegel 3,00 DM der 12 %ige Zuschlag hierauf ergibt weitere 0,36 DM. Diese beiden Positionen zusammengerechnet ergeben den Mietwert von 3,36 DM/qm. Bei 121 qm Wohnfläche errechnet sich hieraus ein Jahreswert von 4. 878 DM. Hierzu ist noch die Jahresrohmiete für eine Garage in Höhe von 240 DM hinzuzurechnen, was S. 118 DM ergibt. Auf diesen Jahreswert sind 5 % für Schönheitsreparaturen aufzuschlagen, was weitere 255 DM ausmacht, so daß sich eine Jahresrohmiete von 5. 373 DM ergibt. Unter Anwendung des Vervielfältigers von 13 ergibt dies einen Grundstückswert von 69. 849 DM, abgerundet den erkannten Einheitswert in Höhe von 69. 800 DM.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 151 Abs. 3 in Verbindung mit § 155 FGO und den §§ 708, 710, 711 Zivilprozeßordnung.
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.