Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.07.1997, Az.: IX 998/89
Pflicht zum Führen eines Waffenhandelsbuches und eines Munitionshandelsbuches für steuerliche Zwecke; Erfordernis des Enthaltenseins der Zugänge und Abgänge in den Büchern; Pflicht zur Eintragung des genauen Tags des Abgangs und des Namens und der Anschrift des Empfängers; Bedeutung der Angaben in den Büchern für Zwecke der Umsatzbesteuerung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 14.07.1997
- Aktenzeichen
- IX 998/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 18375
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0714.IX998.89.0A
Rechtsgrundlagen
- § 140 AO
- § 12 Abs. 2 WaffG
- § 12 Abs. 3 WaffG
- § 14 Abs. 3 1. WaffV
- § 239 Abs. 3 HGB
- § 43 Abs. 3 HGB a.F.
Fundstelle
- NWB DokSt 2001, 1107
Verfahrensgegenstand
Einkommen- und Umsatzsteuer 1983 bis 1986
Amtlicher Leitsatz
Ein Waffenhandels- und Munitionshandelsbuch ist auch für steuerliche Zwecke zu führen.
Der IX. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung
vom 14. Juli 1997,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...,
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...,
ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kosten der Verfahren hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt - FA -) nach einer Außenprüfung (Ap.) im Jahre 1988 berechtigt war, die vom Kläger erklärten Umsätze und Gewinne der Streitjahre um (geschätzte) Sicherheitszuschläge von 4.000 DM (1983), 7.000 DM (1984), 9.000 DM (1985) und 5.000 DM (1986) zu erhöhen sowie zusätzlich zwei erhöhende Einzelkorrekturen (Rechenfehler) von jeweils 1.000 DM in 1983 und 1985 vorzunehmen.
Der in den Streitjahren ledige Kläger führt den von seiner 1980 verstorbenen Mutter übernommenen Einzelhandel mit Waffen, Munition, Jagdzubehör und Schuhen in ... fort. Die Betriebsführung hatte auch zuvor schon im wesentlichen in seinen Händen gelegen. Nach den Ergebnissen der Ap. belief sich der Schuhhandelsanteil auf 4,5 bis 6.5 v.H.
Der Kläger ermittelt - wie schon zuvor seihe Mutter - den Gewinn durch Einnahme-Überschuß-Rechnung nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 des. Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Veranlagungen für 1983 bis 1985 hatte das FA zunächst erklärungsgemäß unter Vorbehält der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) durchgeführt. Die Erklärungen für 1986 reichte der Kläger im Verlaufe der Ap. bei dem FA ein; er war damit einverstanden, das Jahr 1986 mit in die Prüfung einzubeziehen.
Der Prüfer, der den Betrieb schon einmal 1980 geprüft hatte, hatte den Kläger damals - unterstützt von der derzeit tätigen Steuerberaterin - darauf hingewiesen, daß die von ihm geführten Aufzeichnungen für eine Gewinnermittlung nicht, ausreichten und somit Sicherheitszuschläge, die auch akzeptiert würden, erforderten (Ap-Bericht vom 1. April 1980 Tz. 10.).
Bei der erneuten Ap. in 1988 stellte der Prüfer keine wesentlichen Veränderungen in den von ihm früher als nicht aussagekräftig gewerteten Aufzeichnungen fest. Er beschreibt die - nach seiner Auffassung (wiederum) eine Zuschätzung rechtfertigenden - Unterlagen und Aufzeichnungen des Klägers in einem den Ap.-Bericht ergänzenden Bericht im Einspruchsverfahren vom 29. Juni 1989 (Bl. 35 ff. der Einspruchs-Akte) wie folgt:
"A) Unterlagen:
1.
Die Auszüge der Volksbank (...) werden chronologisch, jahrgangsweise in Ordnern abgeheftet.Die Überweisungsträger für Gutschriften und die Durchschriften der Überweisungsträger für per Überweisung bezahlte Rechnungen befinden sich bei den Auszügen. Bar-Einzahlungen (in unregelmäßigen Abständen) und Scheckgutschriften werden nicht erläutert. Hinweise auf die Herkunft der eingezahlten oder per Schieckgutschrift gebuchten Einnahmen liegen nicht vor.
2.
Vom Stpfl. - nur auf ausdrückliches Verlangen der Kunden - ausgeschriebene Bar-Quittungen, bzw. deren Durchschriften werden, ohne daß eine Vollzähligkeitskontrolle möglich ist, ungeordnet in Kartons aufbewahrt.3.
Kostenbelege (Benzinquittungen, Portobelege o.ä.) werden unsortiert, jahrgangsweise in Briefumschlägen aufbewahrt.4.
Eingangsrechnungen für Waffen, Munition, Zubehör, Schuhe u.s.w. werden jahrgangsweise, chronologisch in Leitz-Odnern abgeheftet. Die Eingangsrechnungen werden - teilweise - mit dem Datum der Bezahlung durch den Stpfl. versehen.5.
Durchschriften der Umsatzsteuer-Voranmeldungen, Steuererklärungen und Steuerbescheide werden in einem Leitz-Ordner abgeheftet.B) Aufzeichnungen:
1.
Auf monatlichen Zusammenstellungen, die größtenteils erst sehr viel später erstellt werden (Eingangsdaten der regelmäßig verspätet abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen!) werden auf der linken Seite die Bankgutschriften (ohne Daten, ohne jede Erläuterung) tabellarisch aufgeführt und addiert.Zu der Summe werden die (gebundenen) Privatausgaben und die bezahlten Kosten hinzugerechnet. Aus dieser Summe wird durch Herausrechnung der Umsatzsteuer der Netto-Umsatz errechnet. Auf der rechten Seite dieser Aufstellungen werden - getrennt nach Schuh- und Waffeneinkäufen - die Wareneingänge tabellarisch, ohne Daten und weitere Angaben, aufgeführt und addiert. Aus der Summe wird pauschal die Vorsteuer herausgerechnet. Die so ermittelten Werte für die Umsätze, die Umsatzsteuer und die Vorsteuer werden in die Umsatzsteuer-Voranmeldungen übernommen. Kopien dieser Aufstellungen für die Jahre 1983 bis August 1988 befinden sind ab Bl. 43 in der Arbeitsakte.
2.
Die Werte aus diesen monatlichen Zusammenstellungen werden in eine Jahresübersicht übertragen (Muster ab Bl. 122 der Arbeitsakte).3.
Die Einnahme-Überschuß-Rechnungen werden z.T. auf Blanko-Formularen handschriftlich eingetragen und mit langen Zahlenkolonnen versehen, die dann addiert werden (Muster ab Bl. 127 Arbeitsakte). Ein Nachvollziehen dieser Additionen anhand der unsortiert abgelegten Belege ist kaum, und wenn, dann nur mit großem Zeitaufwand, möglich.4. ....
5.
Ein Waffenhandelsbuch liegt lediglich bis einschließlich 1972 (!) vor. Nach eigenen Angaben wollte der Stpfl. dieses Buch eigentlich immer wieder "aufs Laufende" bringen, ist jedoch nie dazu gekommen. Ein Munitionshandelsbuch wird nicht geführt, obwohl der Stpfl. auch aufzeichnungspflichtige Munition ein- und verkauft, bzw. selbst verwendet.6.
Bestandslisten - auch für aufzeichnungspflichtige Waffen und Munition - liegen nicht vor."
Als Begründung für die Zuschätzung führt der Prüfer sodann auf:
1."
Es liegt keine Kassenführung vor.Sowohl die Bar-Einnahmen als auch die Bar-Ausgaben sind nicht von untergeordneter Bedeutung. Aufgrund der vorliegenden Bankauszüge wurde im Rahmen der Außenprüfung das Verhältnis der baren und unbaren Geschäftsvorfälle ermittelt, Bankgutschriften lt. Kontoauszügen:
(Bl. 95) 1984 Bl. 64 1986 Bar Scheck Überweisungen Bar Unbar DM DM DM DM DM 182.920 75.213,37 78.304,86 174.480 179.132,95 54,4% 49,3%. 2.
Einzelaufzeichnungen der Einnahmen liegen nicht vor, weder für die baren, noch für die unbaren Einnahmen.3.
Ein Wareneingangsbuch wird nicht geführt.4.
Ein Warenausgangsbuch wird nicht geführt, auch nicht für die Verkäufe an andere gewerbetreibende Unternehmen.5.
Weder ein Waffenhandelsbuch noch ein Munitionshandelsbuch wird geführt (letztmalig 1972!).6.
Bis auf die Bankkontoauszüge und die Wareneingangsrechnungen liegt keine geordnete Ablage der Belege vor. Kostenbelege werden jahrgangsweise, unsortiert in Briefumschlägen aufbewahrt. Durchschriften von Rechnungsausgangsquittungen werden - unvollzählig und unsortiert - in Kartons aufbewahrt.7.
Die in den vorgelegten Einnahme-Überschuß-Rechnungen erklärten Rohgewinne schwanken nicht unerheblich.8.
Die Prüfung der Bankbelege hat ergeben, daß praktisch keine freien Entnahmen getätigt wurden.9.
Der Stpfl. wurde im Rahmen der VorBp in 1980 eindringlich auf die auch damals bestehenden Buchführungs- und Aufzeichnungsmängel hingewiesen.10.
Vorliegendes Kontrollmaterial konnte nur unvollständig ausgewertet werden. Die Verfolgung dieser Geschäftsvorfälle war nach den vorliegenden Unterlagen und Aufzeichnungen nicht möglich, sondern in zwei Fällen nur aufgrund der Erinnerungen des Stpfl.; daraufhin wurden nach längerem Suchen in der ungeordneten Ablage die entsprechenden Ausgangsquittungen gefunden. Eine Kontrollmitteilung konnte überhaupt nicht ausgewertet werden, da sich der Stpfl. an den Verkauf nicht mehr erinnern konnte.11.
Bei den Bar-Verkäufen handelt es sich nicht nur um Kleinbeträge, auch Waffenverkäufe mit Werten über 1.000 DM und mehr werden bar getätigt, ohne daß entsprechende Aufzeichnungen vorliegen."
Zur Höhe seiner (Zu)Schätzung macht der Prüfer sodann die folgenden Ausführungen:
"IV.
1.
Rohgewinnsätze lt. eingereichter Gewinnermittlungen:
1982 1983 1984 1985 1986 13,6 23,3 12,7 12,3 8,9. 2.
Nach eigenen Angaben - nach mehrmaligem Nachfragen bestätigt - kalkuliert der Stpfl. mit folgenden Werten:
Rohgewinnsatz R-Aufschlagsatz Waffen 10% = 11,1% = Aufschlag Zubehör 20% = 25,0% Sonstiges 20% = 25,0% Munition 20% = 25,0% Schuhe 50% = 100,0%. (Bl. 177 Arbeitsakte) Eine Nachkalkulation anhand von Einzelrechnungen war - wie auch bereits bei der VorBp - nicht möglich, da der Stpfl. nach eigenen Angaben die Preise insbesondere für die Waffen erst im Laden aushandelt, im Rahmen der Kundengespräche.
3.
In den Kontoauszügen der Bank und in den Aufzeichnungen des Stpfl. finden sich praktisch keine freien Entnahmen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes. Bei den aufgezeichneten und aus den Kontoauszügen ersichtlichen privaten Ausgaben handelt es sich ausschließlich um gebundene Entnahmen (Versicherungen, Grundstücksaufwendungen, private Anschaffungen u.s.w.).
1983 1984 1985 1986 DM DM DM DM Privatausgaben 4.441,33 10.163,80 9.301,08 12.298,70 davon LVA 2.200,00 3.000,00 3.400,00 4.400,00. 4.
Im Rahmen der Außenprüfung wurde mit folgenden Aufschlägen kalkuliert:
1983 1984 1985 1986 Schuhe 60% 60% 60% 60% Waffen und Sonstiges 30% 15% 15% 10%. Durch diese Kalkulation ergeben sich folgende Zuschläge zu den erklärten Umsätzen:
4.000 DM 7.000 DM 9.000 DM 5.000 DM. 5.
Der für 1983 höher angesetzte Aufschlagsatz orientiert sich an dem für dieses Jahr erklärten Umsatz, mit einem Rohgewinnsatz von 23,3 %. Der vom Stpfl. angegebene Aufschlagsatz für Schuhe von 100% wurde seitens des Prüfers nicht in dieser Höhe angesetzt, sondern nur mit 60 %, da es sich nach Inaugenscheinnahme des Schuhlagers um zumindest teilweise überalterte Lagerbestände handelt. Es kann davon ausgegangen werden, daß der Stpfl. derartige Schuhe auch zu niedrigeren Preisen verkauft.Eine weitergehende Aufteilung des Wareneinkaufs in Waffen, Zubehör, Sonstiges und Munition für Zwecke einer Nachkalkulation wäre mit einem erheblichen Arbeitsaufwand verbunden, da fast alle Einkaufsrechnungen mehrere dieser Posten mit teilweise kaum verständlichen Bezeichnungen und Abkürzungen enthalten. Für diese Artikel wurde daher der Mischkalkulations-Aufschlagsatz angewendet."
Das FA folgte den Ausführungen des Prüfers, änderte die Veranlagungen für 1983 bis 1985 nach § 164 Abs. 2 AO und führte die Veranlagungen für 1986 erstmalig durch. Die Einsprüche mit denen der Kläger sich im wesentlichen gegen die gerügten Aufzeichnungsmängel wandte, blieben in den hier streitigen Punkten erfolglos.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger - ähnlich wie bereits im Einspruchsverfahren - vor: Das FA rechtfertige seine Schätzungsbefugnis letztlich nur noch mit dem Fehlen eines Waffen- und Munitionshandelsbuchs sowie mit einer nicht ausreichenden Aufzeichnung seiner baren Betriebseinnahmen. Für Einnahme-Überschuß-Rechner stellten diese Bücher aber insbesondere deshalb keine für die Besteuerung bedeutsamen Aufzeichnungen (§ 140 AO) dar, weil die einzelnen Bewegungen darin nicht betragsmäßig zu erfassen seien. Im übrigen könne er diese Bücher anhand seiner Unterlagen jederzeit nachträglich erstellen.
Der weitere Vorwurf des FA, er habe seine baren Betriebseinnahmen nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet, entbehre ebenfalls der Grundlage. Er - der Kläger - verfüge praktisch nur über das im Rahmen der Ap. überprüfte Bankkonto. Darüber würden sämtliche Zahlungsvorgänge (Überweisungen, Scheckeinlösungen, Ein- und Auszahlungen) abgewickelt. Über dieses Konto würden somit auch sämtliche baren Betriebseinnahmen - von der Bank unwiderruflich durch Kontoauszüge dokumentiert - aufgezeichnet. Diese vollständig aufbewahrten Kontoauszüge seien die Basis für die Gewinnermittlung. Soweit er - der Kläger - Barausgaben aus dem Geld vorgenommen habe, das er tagsüber von Kunden in Empfang genommen, aber noch nicht auf das Bankkonto eingezahlt hatte, habe er diese Ausgaben getrennt nach Betriebsausgaben und Privatentnahmen einzeln aufgezeichnet. Damit sei er seinen Aufzeichnungspflichten als Einnahme-Überschüß-Rechner in vollem Umfang nachgekommen. Soweit dies nicht in der von dem FA gewünschten Form erfolgt sei, lasse sich daraus keine Schätzungsbefugnis herleiten. Inhaltliche Fehler habe der Prüfer nicht feststellen können. Aus den Kontoauszügen seien auch die "freien" Privatentnahmen erkennbar. Insgesamt habe er annähernd doppelt so viel Geld für seine - überaus bescheidene - private Lebensführung entnommen wie vom FA dargestellt worden sei.
Die vom FA angesetzten Gewinnaufschlagssätze seien willkürlich gewählt. Die ihm zugeschriebenen Äußerungen hinsichtlich des Rohgewinnsatzes und des Rohgewinnaufschlages habe er nicht gemacht; ihm sei der Unterschied zwischen den beiden Begriffen nicht bekannt. Im übrigen dürfe nicht verkannt werden, daß er - insbesondere wegen der abseitigen Lage seines Geschäftes - Kunden nur über niedrigere Preise an sich binden könne. Hinsichtlich der vom Gericht zitierten Daten zum äußeren Betriebsvergleich, liege sowohl sein Absatz je beschäftigter Person als auch sein Betriebsergebnis deutlich über den Ergebnissen im Jagd- und Sportwaffenfachhandel.
Der Kläger hat den im Verlaufe des Verfahrens aus anderen Gründen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1985 zum Gegenstand des Verfahrens (§ 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) gemacht.
Der Kläger beantragt,
- a.
zum Aktenzeichen IX 998/89:
die Einspruchsentscheidung vom 15. November 1989 betr. 1983 bis 1986 sowie die Änderungsbescheide für diese Jahre vom 14. November 1988 aufzuheben und die Steuer für 1986 unter Änderung des Bescheids vom 14. November 1988 i.d.F. der Einspruchsentscheidung ohne die Gewinnzuschätzung von 5.000 DM festzusetzen;
- b.
zum Aktenzeichen IX 59/90:
die Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 1990 betr. 1983 und 1984 sowie die Änderungsbescheide für diese Jahre vom 14. November 1988 aufzuheben und die Steuer für 1986 unter Änderung des Bescheids vom 14. November 1988 i.d.F. der Einspruchsentscheidung ohne die Umsatzzuschätzung von 5.000 DM festzusetzen; für das Jahr 1985 die Steuer unter Änderung des Bescheids i.d.F. vom 4. September 1996 ohne Zurechnungen von insgesamt 10.000 DM festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Es hält an seiner in den Einspruchsentscheidungen vertretenen Auffassung fest und führt ergänzend aus: Der Prüfer habe für seine Nachkalkulation von den Wareneingängen ausgehen müssen, da Bestände an den jeweiligen Jahresenden nicht hätten ermittelt werden können. Eine Feststellung der vom Kläger tatsächlich verwendeten Aufschlagsätze sei selbst für die wenigen Fälle, für die Kontrollmaterial vorlag, nicht möglich gewesen. Der Prüfer habe deshalb versucht, die Aufschlagsätze in Gesprächen mit dem Kläger zu ermitteln. Wegen der Besonderheiten des vorgefundenen Lagerbestandes (z.T. überaltete und unmodisch gewordene Schuhe sowie teilweise neue, teilweise gebrauchte und sogar antiquierte Waffen) hätten selbst einzelne nachvollziehbare Verkäufe keinerlei Gewähr für einen annähernd sicheren Durchschnittsaufschlagsatz ergeben. Wenn der Kläger nunmehr behaupte, er habe dem Prüfer die in dessen Nachkalkulation verwendeten Aufschlagsätze nicht genannt, so reiche das zur Beseitigung der bestehenden Zweifel nicht aus, zumal der Kläger nicht näher dargelegt habe, mit welchen Sätzen er tatsächlich kalkuliert haben wolle.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Das FA durfte die beanstandeten Hinzuschätzungen gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 i.V. mit § 158 AO vornehmen, da der Kläger in den Streitjahren den ihm nach §§ 140 ff. AO obliegenden Verpflichtungen nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist und insbesondere wegen seiner außergewöhnlich niedrigen und zudem schwankenden Rohgewinne und relativ niedrigem (gebundenen und freien) Entnahmen Zweifel an der materiellen Richtigkeit der von ihm erklärten Umsätze und Gewinne bestand. Die zusätzliche Korrektur der beiden Rechenfehler war ebenfalls rechtmäßig.
1.
Der Kläger war nach der auch für Überschußrechner geltenden Norm des § 140 AO für steuerliche Zwecke verpflichtet, ein Waffenhandelsbuch (§ 12 Abs. 2 Waffengesetz - WaffG -) und - beschränkt auf Faustfeuerwaffen - ein Munitionshandelsbuch (§ 12 Abs. 3 WaffG) zu führen, da die in diese Bücher vorzunehmenden Eintragungen auch für die Besteuerung von Bedeutung sind (vgl. Einführungserlaß zur AO 1977 Nrn. 55 und 55; Tipke-Kruse, Kommentar zur AO und FGO, Tz. 8 zum § 140 AO). Die nach den Mustern des § 16 Abs. 3 und § 17 der Ersten Verordnung zum Waffengesetz (1. WaffV) vom 24. Mai 1976 (BGBl I S. 1285) zu führenden Bücher müssen insbesondere die genauen Zu und Abgänge enthalten. Diese Angaben können - auch bei Beachtung der Tatsache, daß keine Beträge festzuhalten sind - bei Überschußrechnern in Verbindung mit den Wareneingangs- und -ausgangsrechnungen als Grundlage für Nachkalkulationen und Schätzungen dienen. Außerdem eignen sich diese Daten - auch wenn bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG eine körperliche Bestandsaufnahme nicht gefordert wird - im Rahmen einer Ap. z.B. zum Abgleich des tatsächlich vorhandenen Warenbestandes mit demjenigen Bestand, der nach den aufgezeichneten Zu- und Abgängen vorhanden sein müßte. Waffen- und Munitionshandelshandbuch können somit als Grundlagen für die Überprüfung der materiellen Richtigkeit der Aufzeichnungen herangezogen werden.
Da neben dem genauen Tag des Abgangs zudem der Name und die Anschrift des Empfängers eingetragen werden müssen, sind diese Angaben auch für Zwecke der Umsatzbesteuerung von Bedeutung, da sich aus den genannten Eintragungen feststellen ließe, an welchem Tag ein Regelbesteuerer einen bestimmten Umsatz getätigt hat und wer Lieferungsempfänger war. § 14 Abs. 3 1. WaffV bestimmt, daß alle Eintragungen in die danach zu führenden Bücher unverzüglich und in dauernde Form vorzunehmen sind. Wegen des Verweises auf § 43 Abs. 3 HGB (a.F., jetzt § 239 Abs. 3 HGB) dürfen die Eintragungen nicht in einer Weise verändert werden, daß der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Gemäß § 14 Abs. 4.1. WaffV sind die Bücher zum 31. Dezember jeden zweiten Jahres mit Datum und Unterschrift so abzuschließen, daß nachträgliche Einträgungen nicht mehr vorgenommen werden können. Der beim Abschluß der Bücher verbliebene Bestand ist vorzutragen, bevor neue Eintragungen vorgenommen werden. Gemäß § 14 Abs. 6.1. WaffV sind die Bücher grundsätzlich zehn Jahre aufzubewahren. Dem läßt sich entnehmen, daß die Bücher zeitnah (sofort) geführt werden müssen und nicht nachträglich erstellt werden dürfen. Der Kläger hat somit gegen die gesetzlichen Vorschriften, ein Waffenhandelsbuch und ein Munitionshandelsbuch in der unmißverständlich vorgeschriebenen Form zu führen, verstoßen. Der Verstoß könnte auch nicht durch eine nachträgliche Erstellung anhand noch vorhandener Belege geheilt werden, weil der Sinn und Zweck der Bücher die sofortige Aufzeichnung erfordert, damit eine lückenlose Erfassung der maßgeblichen Waffen und Munition gewährleistet ist. Nur so könnte auch bei Überschußrechnern der Wareneinsatz zum Zweck einer genauen Nachkalkulation mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt/überprüft werden.
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers für die Besteuerung des Einnahmeüberschußrechners nicht unbedeutend, ob die vorgenannten Bücher geführt werden und welche Eintragungen darin gemacht werden. Gerade weil der genaue Tag des Abgangs der entsprechenden Waffen und Munition und der Name sowie die Anschrift des Empfängers eingetragen werden müssen, sind diese Eintragungen für Zwecke der Umsatzbesteuerung von Bedeutung. Aus diesen Eintragungen ließe sich feststellen, an welchem Tag bei einem Regelbesteuerer ein bestimmter Umsatz getätigt wurde und an wen. Der Kläger hatte die Umsätze gegen Barzahlung täglich aufzuzeichnen. Dies folgt aus § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 146 Abs. 1 AO, wonach die erforderlichen Aufzeichnungen zeitgerecht und geordnet (also fortlaufend) und Kasseneinnahmen täglich festgehalten werden müssen. Nach dem BFH-Urteil vom 22.02.1973 - IV R 69/69 (BStBl II 1973, 480) sind unter Kasseneinnahmen bei der Überschußrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG die Bareinnahmen zu verstehen. Zwar genügt es nach dem Urteil des FG Bremen vom 16.03.1979 - I 146/77 (EFG 1979, 449), daß die täglichen Einnahmen in einer Summe aufgezeichnet werden; es reicht aber nicht aus, die Tagessumme nur teilweise aufzuzeichnen und die gesamten Einnahmen nur einmal monatlich rechnerisch zu ermitteln und festzuhalten. Der Kläger hat dargelegt, daß die Buchungen der Bareinzahlungen bei der Bank in seinen Bankkontoauszügen die ordnungsgemäße Aufzeichnung seiner Bareinnahmen sein soll. Dies wäre nur dann richtig, wenn er immer den gesamten Betrag der täglichen Bareinnahme auf das Bankkonto eingezahlt hätte. Er hat aber gleichzeitig ausgeführt, daß er auch Barausgaben am Tage getätigt und somit nur den Restbetrag (Bareinnahmen abzüglich Barausgaben) auf sein Bankkonto eingezahlt hat. Aus diesem Grunde hat er auch am Monatsende bei Ermittlung der gesamten Betriebseinnahmen die festgehaltenen Barausgaben den sich aus den Bankkontoauszügen unmittelbar ergebenden Betriebseinnahmen (Scheckgutschrift und Überweisungen) und Bareinzahlungen hinzugerechnet. Selbst wenn man davon ausgehen müßte, daß die Bareinzahlungen nicht zusammengefaßte Restbeträge mehrerer Tage wären, wäre die (tägliche) Aufzeichnung der Bareinnahme auf dem Bankkontoauszug als Aufzeichnung der Bareinnahme um die geleisteten Ausgaben zu niedrig. Die nachträgliche rechnerische Ermittlung der vereinnahmten Entgelte einschließlich Steuerbetrag ersetzt nicht die Pflicht zur täglichen Aufzeichnung der Umsätze gegen Bareinzahlung.
Der Kläger hat die vereinbarten Entgelte einschließlich Steuerbetrag, die nicht sofort durch Barzahlung beglichen würden, nicht zeitgerecht entsprechend § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG aufgezeichnet. Er hat diese Umsätze durch einen fremden Dritten (Bankinstitut) auf seinen Kontoauszügen erst bei Bezahlung durch Überweisung aufzeichnen lassen. Durch diese Methode war vom Prinzip her nicht sichergestellt, daß sämtliche vereinbarten Entgelte für getätigte Lieferungen erfaßt wurden, und ebensowenig, daß sie im richtigen Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum erfaßt wurden. Der Sinn der Aufzeichnungen ist aber, daß die Umsätze vollständig und zeitgerecht erklärt werden können und dies auch leicht und einwandfrei nachgeprüft werden kann. Gemäß § 63 Abs. 4 letzter Satz der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) muß die monatliche Summe der Entgelte selbstverständlich zusätzlich zu den täglich aufgezeichneten Umsätzen aufgezeichnet werden. Es genügt also nicht, nur diese Monatssumme der Entgelte aufzuzeichnen, wie man ggf. dem Vortrag des Klägers entnehmen könnte.
2.
Der von dem Prüfer aus den Gewinnermittlungen errechnete (Gesamt-)Rohgewinnaufschlagsatz von 30,4 v.H. (1983), 14,6 v.H. (1984), 14,0 v.H. (1985) und 9,8 v.H. (1986) liegt beträchtlich unter den statistischen Daten: Nach den Richtsatz-Sammlungen (Gruppe Nord-West) bewegte sich der mittlere Aufschlagsatz für den Schuhwaren-Einzelhandel (ohne Reparatur) zwischen 59 v.H. (1983 und 1984) und 64 v.H. (1985 und 1986). Für den Waffen- und Munitionshandel enthält die Richtsatz-Sammlung keine Angaben. Nach den vom Kölner Universitäts-Institut für Handelsforschung ermittelten statistischen Durchschnittswerten für den Einzelhandel liegen die - aus den Rohgewinnsätzen ermittelten - Rohgewinnaufschlagsätze für den Jagd- und Sportwaffenfachhandel bei 41,84 v.H. (1983) und 45,56 v.H. (1984), 45,35 v.H. (1985) und 45,77 v.H. (1986). Diese Werte können nach dem BFH-Urteil vom 18. Oktober 1983 VIII R 190/82 (BStBl II 1984, 88) als repräsentative Ergebnisse beim äußeren Betriebsvergleich herangezogen werden.
Die formellen Mängel der Aufzeichnungen in Verbindung mit den erheblichen Abweichungen bei den Aufschlagsätzen und den - auch im Hinblick auf eine bescheidene Lebensführung - sehr niedrigen (gebundenen und freien) Privatentnahmen rechtfertigen eine Schätzung.
3.
Es kann dahingestellt bleiben, ob auch eine Vollschätzung einschließlich des damit verbundenen Übergangs der Gewinnermittlung von § 4 Abs. 3 EStG nach §§ 5, 4 Abs. 1 EStG zulässig gewesen wäre, da das FA sich - dem Prüfer folgend - mit einer rechnerischen Hinzuschätzung i.S. eines (Un-)Sicherheitszuschlags begnügt hat. Die Höhe der Zuschläge ist nicht nach willkürlichen, nicht nachprüfbaren Maßstäben erfolgt. Vielmehr hat der Prüfer - ohne die bestrittenen Angaben des Klägers zu seinen Kalkulationsgrundlagen näher auszuwerten - dazu zunächst die Wareneingänge (Bestände waren zugestandenermaßen kaum zu ermitteln) in zwei Gruppen (Schuhe und Waffen nebst Zubehör) aufgeteilt. Die Schuhe hat er sodann mit einem mittleren Aufschlagsatz der Richtwert-Sammlung von durchgängig 60 v.H. kalkuliert, die Waffen usw. mit einem teils geringfügig unter, teils geringfügig über dem aus den Überschußrechnungen des Klägers ermittelten Satz (1983: 30 statt 30,4 v.H.; 1984: 15 statt 14,6 v.H.; 1985: 15 statt 14,0 v.H.; 1986: 10 statt 9,8 v.H.). Unter den gegebenen Umständen ist die Zuschätzung maßvoll und nachvollziehbar vorgenommen worden. Der Einwand des Klägers, er liege nach den statistischen Daten des Kölner Universitäts-Instituts hinsichtlich des Absatzes je beschäftigter Person und des gesamten Betriebsergebnisses oberhalb der dort genannten Werte, verkennt, daß sein (Ein-Mann-)Betrieb insoweit nicht repräsentativ und damit vergleichbar sein kann. Die Höhe der Hinzuschätzungen/Sicherheitszuschläge ist unter den gegebenen Umständen somit hinzunehmen.
4.
Das FA war auch berechtigt, die im Rahmen der Ap. festgestellten Rechenfehler neben den Hinzuschätzungen zu korrigieren, denn bei der Zurechnung derartiger Sicherheitszuschläge handelt es sich um eine Teil-, keine Vollschätzung, die der Auswertung von Einzelfeststellungen nicht entgegensteht.
Die Klage konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).