Finanzgericht Niedersachsen
v. 18.07.1997, Az.: III 188/97
Anfall von Grunderwerbssteuer für die Übertragung eines Grundstücks; Verfassungsmäßigkeit der Grunderwerbssteuer
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 18.07.1997
- Aktenzeichen
- III 188/97
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 1997, 16000
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0718.III188.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
- § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
- Art. 14 Abs. 1 GG
- Art. 3 Abs. 1 GG
Fundstellen
- BB 1997, 2094-2095 (Volltext mit red. LS)
- NWB DokSt 1998, 371
Verfahrensgegenstand
Grunderwerbsteuer-Freibetrag für persönliches Gebrauchsvermögen nicht verfassungsgeboten
Der III. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
...
am 18. Juli 1997
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kl. erwarben je zur ideellen Hälfte durch notariellen Grundstückskaufvertrag vom ... ein in H. belegenes bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 540.000 DM. Mitverkauft und im Kaufpreis enthalten waren eine Einbauküche, eine Sauna sowie ein Ofen im Wohnzimmer; auf diese Gegenstände entfiel ein Betrag von 20.000 DM.
Das beklagte Finanzamt - FA - setzte gegen die Kl. durch Bescheide vom ... Grunderwerbsteuer von jeweils 5.200 DM nach einer Bemessungsgrundlage von jeweils von 260.000 DM fest. Mit ihren hiergegen erhobenen Einsprüchen machten die Kl. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - zur Vermögen- und Erbschaftsteuer (vom 22. Juni 1995 - 2 BvL 37/91 und 2 BvR 552/91 - BStBl II 1995 S. 655 und S. 671) geltend, daß ihrer Auffassung nach das Eigenheim als Teil des notwendigen Lebensführungsvermögens in Form eines allgemeinen Grundfreibetrages auch bei der Grunderwerbsteuer steuerfrei sein müsse. Das FA wies die Einsprüche durch Bescheide vom ... mit folgender Begründung als unbegründet zurück: Dem zur Vermögensteuer ergangenen Beschluß des BVerfG vom 22. Juni 1995 (a.a.O.) sei nicht zu entnehmen, daß dieses eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Gebrauchsvermögen für verfassungsgeboten erachte. Zudem besteuere die Grunderwerbsteuer im Gegensatz zur Vermögensteuer nicht vorhandenen Besitz oder Vermögen. Vielmehr werde der Rechtsvorgang des Erwerbs als solcher besteuert, wobei es nicht Sinn der Grunderwerbsteuer sei, die "Leistungsfähigkeit" des "Verbrauchers" abzuschöpfen. Dem Verzicht auf Vergünstigungen sozialen oder wirtschaftspolitischen Charakters lägen keine steuerpolitischen Erwägungen zugrunde. Auch sei es rechtstechnisch unmöglich, solche Vergünstigungen zuverlässig abzugrenzen.
Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Kl. ihr Einspruchsvorbringen wiederholen.
Die Kl. beantragen sinngemäß,
die Grunderwerbsteuerbescheide vom ... und die Einspruchsbescheide vom ... aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es tritt dem Klagevorbringen entgegen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie auf die beim FA geführte Grunderwerbsteuerakte (Steuer-Nrn. ...) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig.
1.
Der hier fragliche Grundstückskaufvertrag unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz vom 17. Dezember 1982 (BGBl I S. 1777) in der Fassung des Gesetzes vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S. 1783) - GrEStG - der Grunderwerbsteuer. Die nach Maßgabe des auf das erworbene Grundstück entfallenden Kaufpreises - unter Abzug eines auf die Einbauküche, Sauna und Ofen entfallenden Kaufpreisanteils von jeweils 10.000 DM - zugrundegelegte Bemessungsgrundlage von jeweils 260.000 DM (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) ist rechtlich nicht zu beanstanden.
2.
Die von den Kl. vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das GrEStG unter dem Aspekt einer verfassungsgebotenen Besteuerungs-Untergrenze teilt der Senat nicht.
Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ist durch die hier fragliche Grunderwerbsteuerpflicht nicht berührt. Der Senat kann hierbei von weiteren Ermittlungen zu der Frage, ob die Kl bezüglich des von ihnen erworbenen Grundstücks einen Anspruch auf Eigenheimzulage nach Maßgabe des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Januar 1996 (BGBl I S. 1139) haben, absehen. Sollte den Kl. bei gegebener Nutzung des erworbenen Hausgrundstücks zu eigenen Wohnzwecken (§ 4 EigZulG) ein solcher Anspruch zustehen, so wäre bei der betragsmäßigen Überschreitung der hier fraglichen Grunderwerbsteuer durch die auszuzahlende Eigenheimzulage bereits aus diesem Grunde tatbestandlich kein Eingriff in Eigentumsrechte der Kl. i.S.d. Art. 14 Abs. 1 GG gegeben. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG wäre jedoch aus den nachfolgenden Gründen auch dann nicht berührt, wenn den Kl kein Anspruch auf Eigenheimzulage zustehen sollte:
Unter dem Schutz der Eigentumsgarantie fallen grundsätzlich alle Vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der weise zugeordnet sind, daß er die damit verbundenen Befugnisse nach eigener Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf. Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz reicht damit zwar erheblich weiter als das zivilrechtliche Eigentum und erstreckt sich auch auf nicht dingliche Vermögenswerte Rechtspositionen. Er bleibt aber an Rechtspositionen gebunden. Kein Eigentum i.S.v. Art. 14 Abs. 1 GG ist daher das Vermögen, das selber kein Recht, sondern den Inbegriff aller geldwerten Güter einer Person darstellt (BVerfG-Urteil vom 8. April 1997 - 1 BvR 48/94 - EuGRZ 1997 S. 25/34, m.w.N.). Daraus folgt nach Auffassung des I. Senats des BVerfG (a.a.O.), daß Art. 14 Abs. 1 GG nicht vor der staatlichen Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt. Denn diese sind nicht mittels eines bestimmten Eigentumsobjekts zu erfüllen, sondern werden aus dem fluktuierenden vermögen bestritten. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen, daß sie eine erdrosselnde Wirkung haben. Davon geht - wie der BVerfG-Beschluß vom 8. April 1997, a.a.O., ausdrücklich feststellt - auch der zur Vermögensteuer ergangene Beschluß des 2, Senats des BVerfG (vom 22. Juni 1995 - 2 BvL 37/91 - a.a.O.) aus.
Nach den vorstehenden Maßstäben ist im Streitfall keine eigentumsrechtliche Position der Kl. betroffen, weil die hier fragliche Grunderwerbsteuerpflicht - lediglich - das vermögen der Kl. belastet. Anhaltspunkte für einen "Substanzeingriff" (vgl. Leisner, NJW 1995 S. 2591/2592 f. m.w.N.) oder eine erdrosselnde Wirkung der hier fraglichen Grunderwerbsteuer sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
Ohne Erfolg bleibt auch der Hinweis der Kl. auf den Vermögensteuerbeschluß des 2. Senats des BVerfG vom 22. Juni 1995 (- 2 BvL 37/91 -, a.a.O., S. 662), wonach der Steuergesetzgeber in bestimmten Grenzen das vom Steuerpflichtigen zur Grundlage seiner individuellen Lebensgestaltung bestimmte Vermögen nicht durch weitere Besteuerung mindern dürfe. Diese Aussage des BVerfG betrifft ausschließlich die Besteuerung von Vermögenserträgen. Daraus kann nicht abgeleitet werden, daß in gleicher weise auch bereits der Erwerb vermögenswerter Rechtspositionen - insbesondere der Erwerb von Grundstücken - eine Mäßigung des steuerlichen Zugriffs im Sinne eines von den Kl. begehrten allgemeinen Grundfreibetrags bei der Grunderwerbsteuer verlangt. Es verbleibt insoweit vielmehr bei dem Grundsatz, daß die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG - auch in der Auslegung, die das BVerfG in seinem Vermögensteuerbeschluß vom 22. Juni 1995 (a.a.O.) diesem Grundrecht gegeben hat nicht vor der Besteuerung des Erwerbs von Eigentum schützt (Papier in: Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum GG, Loseblatt-Ausgabe, Art. 14 Rz. 129, 221 ff.; Wendt ins Sachs (Hrsg.), GG-Kommentar Art. 14 Rz. 43; Eschenbach, DStZ 1997, S. 413, jew. m.w.N.). Das muß auch für den Erwerb solcher Güter gelten, die ein Steuerpflichtiger im Sinne eines persönlichen Gebrauchsvermögens zur Grundlage seiner individuellen Lebensgestaltung bestimmt.
Folgerungen aus dem Vermögensteuer-Beschluß des BVerfG vom 22. Juni 1995 (a.a.O.) für den grunderwerbsteuerrechtlichen Zugriff auf den Grundstückserwerb lassen sich im übrigen auch deshalb nicht ziehen, weil das der persönlichen Lebensgestaltung dienende Vermögen nicht - im Sinne einer objektbezogenen Betrachtung - auf bestimmte Wirtschaftsgüter verengt werden kann.
Das selbstgenutzte Einfamilienhaus ist zwar - unter Beachtung der "erreichten ökonomischen und kulturellen Standards" (BVerfG-Beschluß vom 22. Juni 1995, a.a.O., S. 662) - ein wesentlicher Baustein persönlicher Freiheit und wirtschaftlicher Sicherheit. Die Auswahl der der persönlichen Lebensführung dienenden Wirtschaftsgüter ist jedoch Gegenstand und Ausdruck persönlicher Freiheit. Deshalb ist der Gesetzgeber - lediglich - verpflichtet, bezüglich der steuerlichen Belastung von Vermögenserträgen, und zwar nur diesen, die ökonomische Grundlage individueller Freiheit typisierend - im Sinne einer Orientierung an den Werten durchschnittlicher Einfamilienhäuser - zu bemessen. Im übrigen wäre eine besondere Privilegierung des Erwerbs von dem persönlichen Gebrauchsvermögen zuzuordnenden Grundstücken durch Gewährung eines spezifisch grunderwerbsteuerrechtlichen "Freibetrags" auch verfassungsrechtlich nur schwerlich mit dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gebot der Gleichheit der Lastenzuteilung zu vereinbaren. Es muß vielmehr berücksichtigt werden, daß das zum 1. Januar 1983 in Kraft getretene GrEStG auf einer grundlegenden Neuorientierung dieser Rechtsmaterie beruhte, wobei die im Vergleich zum früheren Recht erfolgte Absenkung des Steuersatzes auf 2 v.H. durch einen bewußten Kahlschlag der nach dem bis dahin geltenden vormaligen Recht gewährten vielzähligen Befreiungen und Vergünstigungen herbeigeführt wurde (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, Kommentar zum GrEStG, 13. Aufl. 1992, Vorbemerkung Rz. 104 ff., 107 ff., m.w.N. zur Entstehungsgeschichte des GrEStG 1983).
Weitergehende Folgerungen zugunsten der Auffassung der Kl. ergeben sich auch nicht aus dem zur Erbschaftsteuer ergangenen BVerfG-Beschluß vom 22. Juni 1995 (- 2 BvR 552/91 -, a.a.O.). Diese Entscheidung betrifft ausschließlich die kraft der Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) grundrechtsgebotene Mäßigung des erbschaftsteuerlichen Zugriffs auf einen durch Erbfall anfallenden Vermögenszuwachs. Verfassungsrechtliche Maßgaben zur "Erwerbsphase" desjenigen Eigentumsbestands, der später von Todes wegen auf Dritte übertragen wird, ergeben sich aus diesem Beschluß nicht. Im übrigen ist der verfassungsrechtlichen Mäßigung des grunderwerbsteuerrechtlichen Zugriffs auf den Übergang von Grundstücken von Todes wegen oder Schenkungen unter Lebenden durch § 3 Nr. 2 GrEStG (dazu auch BVerfG-Beschluß vom 15. Mai 1984 - 1 BvR 464/81 u.a. - BStBl II 1984 S. 608) Rechnung getragen.
Für einen verstoß gegen Art. 6 oder Art. 2 Abs. 1 GG ist nichts erkennbar oder vorgetragen. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung bzw. ein Ruhen des Verfahrens sind nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die von den Kl aufgeworfene verfassungsrechtliche Frage grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) hat.