Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 11.05.2005, Az.: 5 A 33/04
Widerruf einer Approbation wegen Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit des Arztes; Voraussetzung zur Annahme der Unwürdigkeit eines Arztes; Eingriff in das Grundrecht auf Berufsfreiheit; Prognose der Zuverlässigkeit ist die Würdigung auf Grund der gesamten Persönlichkeit des Arztes und seiner Lebensumstände
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 11.05.2005
- Aktenzeichen
- 5 A 33/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 18105
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2005:0511.5A33.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 2 BÄO
- § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO
- § 8b AG VwGO Nds
- § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO
- Art. 12 Abs. 1 GG
- § 49 Abs. 2 S. 1 VwVfG
- § 117 Abs. 5 VwGO
Fundstelle
- MedR 2005, 597 (red. Leitsatz)
Im hier zu entscheidenden Fall war der Kläger als Belegarzt in einem Krankenhaus tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit führte er zahlreiche Knieoperationen durch, für die er von den Patienten Zuzahlungen verlangte, welche auch erbracht wurden. Wegen dieser Zuzahlungen und zahlreicher anderer vergleichbarer Fälle wurde der Kläger wegen Abrechnungsbetruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollzug auf Bewährung ausgesetzt wurde. Unter Bezugnahme auf diese Verurteilung entzog ihm die Bezirksregierung die Approbation. Hiergegen richtete sich seine KLage, welche im Ergebnis ohne Erfolg blieb. Die Bezirksregierung sei im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch des Klägers zu Recht sowohl von seiner Unwürdigkeit als auch von seiner Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Arztberufes ausgegangen, wobei klarzustellen sei, dass die Widerrufsverfügung auch schon bei Vorliegen nur eines dieser beiden Tatbestandsvoraussetzungen gerechtfertigt wäre. Die Unwürdigkeit des Klägers zur Ausübung des Arztberufes habe sich daraus ergeben, dass er durch die Betrugshandlungen, die er durch die unzulässige Abrechnung von Lasersonden über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg in 2.465 Fällen begangen habe, das Ansehen und das in ihn gesetzte Vertrauen der Patienten dauerhaft zerstört hat. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung gehöre zu den wesentlichen Berufspflichten des Arztes und zwar nicht nur den Kassen, sondern auch den Patienten gegenüber.
In der Verwaltungsrechtssache hat
das Verwaltungsgericht Lüneburg - 5. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2005
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts von Alten,
den Richter am Verwaltungsgericht Schütte,
die Richterin am Verwaltungsgericht Göll-Waechter sowie
die ehrenamtlichen Richter Reinbold und Rust
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist 1945 geboren. Nach Beendigung des Medizinstudiums erhielt er im Juni 1972 die Approbation als Arzt. Nach seiner Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie war er ab Januar 1978 erster Oberarzt der chirurgischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses in D.. Von 1988 bis Mai 1990 war er Chefarzt des Krankenhauses in E.. Ab Mai 1991 war er als niedergelassener Arzt in einer Gemeinschaftspraxis in F. und als Belegarzt im Krankenhaus G. tätig. Im Rahmen dieser Belegarzttätigkeit führte er arthroskopische Operationen an Kniegelenken unter Verwendung von Lasersonden durch. Die Lasersonden stellte er seinen Patienten als von ihnen zu tragende Zuzahlung in Rechnung. Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen hatte gegenüber dem Kläger seit 1994 die Zuzahlungen beanstandet, weil sie mit der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen abgegolten seien und gegenüber den Versicherten nicht als Zuzahlung geltend gemacht werden könnten. Der Disziplinarausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen erteilte dem Kläger deswegen am 21. Januar 1998 einen Verweis und setzte eine Geldbuße in Höhe von 5.000,00 DM fest. Die dagegen erhobene Klage blieb in zwei Instanzen erfolglos (Urteil des SG Hannover v. 23.08.2000; Urteil des LSG Nds. v. 18.01.2001). Am 22. Februar 2002 schied der Kläger aus der Gemeinschaftspraxis in F. aus. Seine Kassenzulassung gab er am 30. Juni 2002 zurück.
Am 1. April 2003 erhob die Staatsanwaltschaft Lüneburg gegen den Kläger Anklage wegen des Verdachts des Abrechnungsbetruges in 2.465 Fällen. Ihm wurde zur Last gelegt, in der Zeit vom 1. April 1997 bis 31. Januar 2002 gegenüber 1.858 Kassen- und 607 Privatpatienten unberechtigt Zuzahlungen in Höhe von insgesamt 1.526.721,00 DM für die Verwendung von Lasersonden bei Knieoperationen abgerechnet und erhalten zu haben. In dem Zeitraum habe er 505 Lasersonden zu einem Preis von insgesamt 238.550,00 DM erworben. Er habe die Lasersonden gegenüber den einzelnen Patienten in voller Höhe abgerechnet, obwohl er sie durchschnittlich fünf Mal verwendet habe. Einigen Patienten gegenüber habe er die Lasersonden sinngemäß als "Einmalartikel" bezeichnet. Nachdem das Niedersächsische Landessozialgericht letztinstanzlich entschieden habe, dass er die Lasersonden gegenüber den Patienten nicht abrechnen dürfe, habe er die Firma H. gegründet und seinen Sohn als Geschäftsführer der Gesellschaft eingesetzt, um die Laserabrechnungen nunmehr über die Gesellschaft abrechnen zu können. Seinen Sohn habe er als Strohmann eingesetzt, tatsächlich habe er selbst die Gesellschaft in der Hand gehabt.
Mit Bescheid vom 8. Mai 2003 ordnete die Bezirksregierung Lüneburg gegenüber dem Kläger das Ruhen seiner Approbation an und verfügte den Sofortvollzug dieser Maßnahme. Zur Begründung wurde auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Lüneburg Bezug genommen. Aufgrund des von der Staatsanwaltschaft festgestellten Sachverhalts bestehe der Verdacht einer Straftat, aus der sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergeben könne. Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein, über den bisher - soweit ersichtlich - nicht entschieden worden ist. Weiterhin stellte er einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, den die Kammer mit Beschluss vom 19. Juni 2003 (5 B 28/03) abgelehnt hat.
Das Amtsgericht Lüneburg verurteilte den Kläger am 12. Juni 2003 wegen Betruges in 2.465 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollzug auf Bewährung ausgesetzt wurde. Das Amtsgericht legte in seinem Urteil im Wesentlichen den Sachverhalt aus der Anklageschrift zugrunde. Im Rahmen der Strafzumessung führte das Amtsgericht zur Strafaussetzung zur Bewährung zu Gunsten des Klägers aus, dass er die Straftaten gestanden und Entschädigungsleistungen in erheblichem Umfange erbracht habe. Er sei strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten. Ihm könne problemlos eine günstige Sozialprognose gestellt werden.
Mit Bescheid vom 26. November 2003 widerrief die Bezirksregierung Lüneburg die ärztliche Approbation des Klägers. Zugleich hob sie die Anordnung des Ruhens der Approbation vom 8. Mai 2003 mit Wirkung zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Widerrufs auf. Zur Begründung führte die Bezirksregierung Lüneburg aus, dass sich der Kläger als unwürdig und als unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufes im Sinne von § 5 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO erwiesen habe. Der Beurteilung liege der im Strafverfahren ermittelte Sachverhalt zugrunde. Der Kläger sei als berufsrechtlich unzuverlässig anzusehen. Er habe durch die zahlreichen Betrugshandlungen das Vertrauen der Krankenkassen und der Patienten in seine Person missbraucht. Art, Umfang und Dauer seiner Verfehlungen offenbarten Charaktermängel und stünden einer günstigen Prognose für eine zukünftige Berufsausübung als Arzt entgegen. Der Kläger habe zwar seine Kassenarztzulassung abgegeben und zur Schadenswiedergutmachung beigetragen. Sein Gewinnstreben stelle aber eine noch fortdauernde Gefahr dar. Der Kläger biete nicht die Gewähr für eine zukünftig ordnungsgemäße Berufsausübung als Arzt. Er sei weiterhin als unwürdig zur Ausübung seines Berufes anzusehen. Er habe ein schwerwiegendes Fehlverhalten an den Tag gelegt, durch das er das zur Ausübung des Berufs erforderliche Ansehen und Vertrauen verspielt habe. Er habe das Vertrauen seiner Patienten nachhaltig zerstört. Der Fall des Klägers sei auch durch die Medienberichterstattung bekannt geworden. Mit seinen Taten habe der Kläger dem Ansehen der gesamten Ärzteschaft geschadet und das Vertrauen der Bevölkerung in den ärztlichen Berufsstand erschüttert. Der Widerruf der Approbation sei wegen seiner gravierenden Verfehlungen verhältnismäßig.
Der Kläger legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und macht geltend, dass die Bezirksregierung Lüneburg das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt habe. Sie habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er sein Fehlverhalten freiwillig offenbart und es bereut habe und dass er Schadensersatzzahlungen geleistet habe. Nachdem er seine Kassenzulassung zurückgegeben habe, werde er eine solche zukünftig auch nie wieder erhalten. Er habe sich im Strafverfahren geständig gezeigt und sei zu einer relativ milden Strafe verurteilt worden. Dies müsse zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Ebenso sei zu beachten, dass der relativ teure Einsatz von Lasersonden zu einer qualitativ besseren Behandlung der Patienten geführt habe. Da die Krankenkassen letztlich nicht bereit gewesen seien, die Kosten der Lasersonden zu übernehmen, habe er sich wegen der Kosten an die Patienten halten müssen, um den Einsatz der Lasersonden gewährleisten zu können. Während seiner gesamten ärztlichen Tätigkeit habe er ein hohes fachliches Ansehen und das Vertrauen seiner Patienten genossen, das er in Bezug auf die medizinischen Behandlungen auch nicht enttäuscht habe. Die Mehrfachverwendung der Lasersonden sei im Übrigen medizinisch unbedenklich gewesen. Zu würdigen sei letztendlich auch sein Verhalten nach der Tat. Er arbeite derzeit in einem Provinzkrankenhaus in Namibia gegen eine nur geringe Vergütung.
Die Bezirksregierung Lüneburg wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2004 zurück. Darin wurde ergänzend zum Ausgangsbescheid ausgeführt, dass der Kläger auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens als unwürdig und unzuverlässig im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO anzusehen sei. Der Widerruf der Approbation sei keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung. Der Kläger habe das von seinen Patienten ihm entgegen gebrachte Vertrauen rücksichtslos ausgenutzt, indem er sie über die Zuzahlungsnotwendigkeit bei der Verwendung der Lasersonden getäuscht habe. In der mehrfachen Verwendung und Abrechnung der Lasersonden sei zum Ausdruck gekommen, dass es ihm nicht um das Wohl der Patienten, sondern um den eigenen wirtschaftlichen Vorteil gegangen sei. Daraus leite sich seine Unwürdigkeit zur Berufsausübung ab. Er sei auch als unzuverlässig anzusehen. Dies ergebe sich aus der Nachhaltigkeit seines strafbaren Verhaltens und der erheblichen kriminellen Energie, die er dabei entwickelt habe. So habe er nicht davor zurückgeschreckt, eine Scheinfirma mit seinem Sohn als Strohmann zur Abrechnung der Zuzahlungen zu gründen, nachdem die Kassenärztliche Vereinigung seine Abrechnungspraxis beanstandet habe. Dass der Kläger sich freiwillig den Krankenkassen offenbart, Entschädigungszahlungen geleistet und auch seine Kassenarztzulassung zurückgegeben habe, führe nicht zu einer für ihn günstigeren Prognose. Denn dies seien Notwendigkeiten gewesen, die sich aufgrund von strafrechtlichen Ermittlungen in anderen ähnlichen Fällen ohnehin ergeben hätten.
Der Kläger hat am 3. März 2004 Klage erhoben. Er beruft sich auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und weist ergänzend darauf hin, dass die ihm zur Last gelegten Verfehlungen zukünftig schon deshalb nicht mehr in Betracht kämen, weil er die Kassenarztzulassung zurückgegeben habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 26. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten 5 A 33/04 und 5 B 28/03 sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Bezirksregierung Lüneburg Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, die sich nach Auflösung der Bezirksregierung Lüneburg gegen ihre Nachfolgebehörde im Sinne von § 8 b Nds. AGVwGO richtet, ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 26. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2004 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Bundesärzteordnung - BÄO - ist die Approbation zu widerrufen, wenn der Arzt sich nachträglich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergibt. Die Unwürdigkeit des Arztes liegt vor, wenn er durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist. Voraussetzung dafür ist ein schweres Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung untragbar erscheinen lässt (BVerwG, st. Rspr, z.B. Beschluss v. 09.01.1991, NJW 1991, 1557; Beschluss v. 14.04.1998, NJW 1999, 3425; Beschluss v. 28.01.2003, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 107; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 28.07.2003, NJW 2003, 3647). Unzuverlässig im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO ist, wer aufgrund seines bisherigen Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seinen Beruf als Arzt ordnungsgemäß ausüben wird (BVerwG, Beschluss v.09.01.1991, a.a.O.; Urteil v. 16.09.1997, NJW 1998, 2756; Beschluss v. 14.03.1998, a.a.O.; OVG NRW, Beschluss v. 12.11.2002, NWVBI. 2003, 233). Ausschlaggebend für die Prognose der Zuverlässigkeit ist die Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Arztes und seiner Lebensumstände. Dabei ist auf den vor allem durch die Art, Schwere und Zahl der Verstöße gegen die Berufspflichten deutlich gewordenen Charakter des Arztes abzustellen.
Der Widerruf der Approbation stellt einen verfassungsrechtlich unbedenklichen Eingriff in das Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG dar. Der Schutz des wichtigen Gemeinschaftsgutes der Gesundheitsversorgung des einzelnen Patienten und der Bevölkerung rechtfertigt es, die Betätigung eines Arztes zu unterbinden, der sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergibt. Angesichts des Gewichts, das der Gesetzgeber diesen Eigenschaften für die Ausübung des ärztlichen Berufes beigemessen hat und beimessen durfte, ist es folgerichtig, dass er in § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO angeordnet hat, bei Wegfall der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO müsse die zuständige Behörde die Approbation widerrufen, und insoweit anders als in § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG der Behörde kein Ermessen eingeräumt hat (BVerwG, Urteil v. 16.09.1997, a.a.O.). Ob die Voraussetzungen für den Widerruf gegeben sind, beurteilt sich dabei nach der Sach- und Rechtslage bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens, d.h. zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (BVerwG; Urteil v. 16.09.1997, a.a.O.; OVG NRW, Beschluss v. 12.11.2002, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 18.07.2003, a.a.O.).
Der angefochtene Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg ist unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe rechtmäßig. Die Bezirksregierung ist im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch des Klägers zu Recht sowohl von seiner Unwürdigkeit als auch von seiner Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Arztberufes ausgegangen, wobei klarzustellen ist, dass die Widerrufsverfügung auch schon bei Vorliegen nur eines dieser beiden Tatbestandsvoraussetzungen gerechtfertigt wäre. Die Bezirksregierung hat ihre Entscheidung zutreffend auf den Sachverhalt gestützt, der Gegenstand der Anklage der Staatsanwaltschaft Lüneburg vom 1. April 2003 gewesen und insbesondere auch vom Amtsgericht Lüneburg in seinem Urteil vom 12. Juni 2003 festgestellt worden ist. Sie konnte den Sachverhalt ohne weitere eigenständige Ermittlungen in der Angelegenheit übernehmen, denn der Kläger hat die ihm zur Last gelegten Taten eingeräumt. Anhaltspunkte für einen abweichenden Geschehensablauf sind nicht zu erkennen (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 18.07.2003, a.a.O.).
Die Bezirksregierung Lüneburg hat in der Sache beanstandungsfrei die Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit des Klägers für die Ausübung des ärztlichen Berufes angenommen. Sie hat dabei nicht nur die dem Kläger vorzuwerfenden Betrugshandlungen in den genannten 2.465 Fällen berücksichtigt, sondern auch sein nachfolgendes Verhalten einschließlich der Offenbarung seiner Verfehlungen gegenüber den Krankenkassen, der Rückgabe seiner Kassenzulassung und seiner geleisteten Entschädigungszahlungen. Die Bezirksregierung hat auch das Widerspruchsvorbringen des Klägers angemessen berücksichtigt und überzeugend dargelegt, dass die Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation gleichwohl vorgelegen haben. Auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden wird deshalb zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Die Kammer schließt sich den Ausführungen an (§ 117 Abs. 5 VwGO). Die Unwürdigkeit des Klägers zur Ausübung des Arztberufes hat sich daraus ergeben, dass er durch die Betrugshandlungen, die er durch die unzulässige Abrechnung von Lasersonden über einen mehrjährigen Zeitraum vom 1. April 1997 bis zum 31. Januar 2002 hinweg in 2.465 Fällen begangen hat, das Ansehen und das in ihn gesetzte Vertrauen der Patienten dauerhaft zerstört hat. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung gehört zu den wesentlichen Berufspflichten des Arztes, und zwar nicht nur den Kassen, sondern auch den Patienten gegenüber. Ihre Einhaltung gehört zu den grundlegenden Bedingungen für die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitswesens. Wenn der Arzt - wie hier - sich darüber nachhaltig über mehrere Jahre hinwegsetzt und sich dadurch in erheblicher Weise durch unberechtigte Zuzahlungen seiner Patienten auf deren Kosten bereichert, ist seine persönliche und berufliche Integrität derart herabgesetzt, dass der damit verbundene Ansehens- und Vertrauensverlust ihn aus Sicht der Öffentlichkeit und auch innerhalb der Ärzteschaft für den ärztlichen Beruf als untragbar erscheinen lässt. In besonderem Maße spricht gegen den Kläger, dass er den geschädigten Patienten gegenüber die verwendeten Lasersonden nicht nur trotz der ihm bekannten Fehlerhaftigkeit seines Zuzahlungsverlangens abgerechnet hat, sondern sie mehrfach, d.h. durchschnittlich fünf Mal, eingesetzt und dann jeweils in voller Höhe in Rechnung gestellt hat. Dabei hat er die Arglosigkeit seiner Patienten ausgenutzt, denen die Abrechnungsproblematik unbekannt sein musste. Das Vorbringen des Klägers, er habe nur durch die Zuzahlungen seiner Patienten den Einsatz der Lasersonden wirtschaftlich gestalten können, ist nicht nachvollziehbar. Denn er hat zahlreichen Patienten gegenüber Kosten geltend gemacht, die er zuvor bereits anderen Patienten in Rechnung gestellt hatte und die von diesen auch beglichen worden waren. Die Wirtschaftlichkeit einer Behandlung kann nicht dadurch sichergestellt werden, dass letztlich nicht entstandene Kosten vorgetäuscht und abgerechnet werden. Dass die Patienten - soweit ersichtlich - mit der fachlichen Leistung des Klägers bzw. dem Ergebnis seiner operativen Behandlungen zufrieden gewesen sind, ist in diesem Zusammenhang unerheblich und ändert nichts an der vorstehenden Beurteilung. Dem Kläger ist kein fachliches Versagen, sondern ein schwerwiegendes Fehlverhalten bei der Abrechnung seiner Leistungen vorzuwerfen.
Der Kläger hat sich durch die begangenen Straftaten auch als unzuverlässig im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO erwiesen. Die Art und Weise seines nachhaltigen strafbaren Verhaltens hat eine erhebliche kriminelle Energie und einen für die Berufsausübung relevanten Charaktermangel offenbart, der sich in der planmäßigen Falschabrechnung der Lasersonden gegenüber seinen Patienten gezeigt hat. In diesem Zusammenhang ist erschwerend zu berücksichtigen, dass er nach der langjährigen - auch gerichtlichen - Auseinandersetzung zur Frage der Abrechnungsfähigkeit des Einsatzes der Lasersonden selbst im Anschluss an die Entscheidung des Niedersächsischen Landessozialgerichts vom 18. Januar 2001 sein Zuzahlungsverlangen gegenüber den Patienten nicht fallen gelassen hat. Er hat vielmehr, wie er selbst eingeräumt hat, die I. zum Zwecke der Fortsetzung der Laserabrechnungen gegründet und in der Gesellschaft seinen Sohn für ihn als Strohmann eingesetzt. All dies kann mit dem Hinweis auf wirtschaftliche Notwendigkeiten nicht erklärt werden, sondern ist vielmehr Kennzeichnen vorhandener krimineller Energie. Dass das Eingeständnis der Straftaten, die nachträglich geäußerte Reue und die Entschädigungszahlungen in beträchtlicher Höhe im Zeitpunkt der Entscheidung über denn Widerspruch eine günstige Prognose in Bezug auf die künftige Berufsausübung noch nicht zugelassen haben, ist im Hinblick auf das mehrere Jahre andauernde Fehlverhalten des Klägers von der Bezirksregierung Lüneburg zutreffend festgestellt worden. Auch insoweit kann auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2004 Bezug genommen werden.
Der Widerruf der Approbation ist vorliegend nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Amtsgericht Lüneburg in seinem Urteil vom 12. Juni 2003 dem Kläger eine günstige Sozialprognose gestellt und ein Berufsverbot nicht verhängt hat. Erwägungen zur Verhängung eines Berufsverbots enthält das Urteil nicht, sodass schon deshalb eine Bindungswirkung an die strafrichterlichen Strafzumessungserwägungen nicht bestehen kann. Im verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist der für den Widerruf der Approbation relevante Sachverhalt im Übrigen eigenständig zu beurteilen. Die Beurteilung muss sich mit der im Strafverfahren, das anderen Zwecken dient, nicht decken. Ohnehin kommt es jedenfalls für den Widerruf wegen Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht auf zusätzliche individuelle Umstände und auch nicht auf eine Prognoseentscheidung für die Zukunft an (BVerwG, Beschluss v. 02.11.1992, NJW 1993, 806 [BVerwG 02.11.1992 - BVerwG 3 B 87.92]; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 18.07.2003, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Schütte
Göll-Waechter