Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 11.05.2005, Az.: 5 A 153/04

Entschädigung eines Kreistagsabgeordneten für die Teilnahme an Sitzungen und Veranstaltungen im Rahmen seiner Mandatstätigkeit mit einem Pauschalstundensatz bei ausschließlicher Haushaltsführung; Voraussetzungen der ausschließlichen Haushaltsführung; Einschränkung der Entschädigung für Rentner oder Vermögende; Zweck der Regelung des § 35 Abs. 5 S. 6 Niedersächsische Landkreisordnung (NLO)

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
11.05.2005
Aktenzeichen
5 A 153/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 18285
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2005:0511.5A153.04.0A

Verfahrensgegenstand

Gewährung eines Pauschalstundensatzes

Redaktioneller Leitsatz

Der Umstand, dass ein Kreistagsabgeordneter neben seiner Tätigkeit als Hausmann beamtenrechtliche Ruhestandsbezüge erhält, steht seinem Anspruch gem. § 35 Abs. 5 S. 6 Niedersächsische Landkreisordnung (NLO) auf Zahlung des Pauschalstundensatzes nicht entgegen. Weder § 35 Abs. 5 S. 6 NLO noch § 5 Abs. 2 der Entschädigungssatzung enthalten ausdrücklich eine Einschränkung für Mandatsträger, die - ohne erwerbstätig zu sein - Versorgungsleistungen als Pensionäre und Rentner beziehen oder Vermögen haben. Dies führt nicht zu einer Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Mandatsträger, die neben der Haushaltsführung noch einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit mit "festem" Einkommen nachgehen, weil diese Gruppe wegen der neben der Hausarbeit ausgeübten Erwerbstätigkeit die Haushaltsführung eben nicht ganztätig ausüben und außerdem eventuell Verdienstausfall geltend machen kann.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg - 5. Kammer -
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts von Alten,
den Richter am Verwaltungsgericht Schütte,
die Richterin am Verwaltungsgericht Göll-Waechter sowie
die ehrenamtlichen Richter Reinbold und Rust
hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2005
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2004 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger den Pauschalstundensatz gemäß § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO i.V. mit § 5 Abs. 2 der Entschädigungssatzung des Beklagten ab 18. August 2003 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Kreistagsabgeordneter bei dem Beklagten und begehrt für die Teilnahme an Sitzungen und Veranstaltungen im Rahmen seiner Mandatstätigkeit einen Pauschalstundensatz.

2

Der Kläger bezieht als Beamter im vorzeitigen Ruhestand Ruhestandsbezüge. Seit dem 1. November 2001 ist er Kreistagsabgeordneter bei dem Beklagten.

3

Am 3. Januar 2002 beantragte er bei dem Beklagten an Stelle eines Verdienstausfalls die Gewährung eines Pauschalstundensatzes, weil er ausschließlich einen Haushalt führe.

4

Mit Bescheid vom 18. Januar 2002 bewilligte der Beklagte dem Kläger einen Pauschalstundensatz in Höhe von 35,-- DM/Std. für die Zeit vom 1. November bis zum 31. Dezember 2001 und in Höhe von 18,- EUR/Std. ab dem 1. Januar 2002 für die Teilnahme an Sitzungen und Veranstaltungen im Rahmen der Mandatstätigkeit für die Zeit von Montag bis Freitag 08.00 Uhr bis 19.00 Uhr. Der Kläger erklärte mit am 25. Januar 2002 unterschriebenen Vordruck,

  1. 1.

    dass es sich bei dem von ihm geführten Haushalt um einen Mehrpersonenhaushalt (mindestens 2 Personen) handele,

  2. 2.

    dass er neben der ausschließlichen Haushaltsführung keiner weiteren beruflichen Tätigkeit nachgehe und

  3. 3.

    dass diese Voraussetzungen seit dem 1. November 2001 erfüllt seien.

5

An den Kläger wurden im Jahr 2001 Pauschalstundensätze in Höhe von 537,-- EUR, im Jahr 2002 in Höhe von 5.094,- EUR und im Jahr 2003 in Höhe von 1962,- EUR ausgezahlt.

6

Am 2. Juli 2003 erhielt der Beklagte Kenntnis von einem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 4. Juni 2003, in dem das Ministerium gegenüber der Bezirksregierung Braunschweig die Auffassung vertrat, dass für Rentner und pensionierte Beamte die Haushaltsführung keine Tätigkeit sei, bei der ihnen ein dem Verdienstausfall vergleichbarer Nachteil entstehe.

7

Mit Schreiben vom 7. August 2003 übersandte der Beklagte dem Kläger diesen Erlass vom 4. Juni 2003 und bat den Kläger um Mitteilung bis zum 15. August 2003, ob die Voraussetzungen für den Pauschalstundensatz im Hinblick auf diesen Erlass bei ihm vorlägen. Wenn dies nicht der Fall sei, werde die Zahlung des Pauschalstundensatzes mit Wirkung vom 18. August 2003 eingestellt.

8

Der Beklagte stellte die Zahlung des Pauschalstundensatzes mit Wirkung vom 18. August 2003 ein.

9

Mit Schreiben vom 18. November 2003 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des Pauschalstundensatzes noch vorlägen. Er sei weiterhin Hausmann und führe einen Haushalt mit 4 Personen. Seine Ehefrau sei hauptberuflich tätig.

10

Mit Bescheid vom 19. Januar 2004 hob der Beklagte seinen Bewilligungsbescheid vom 18. Januar 2002 auf und lehnte die Zahlung eines Pauschalstundensatzes mit Wirkung vom 18. August 2003 ab. Hinsichtlich der Vergangenheit sah der Beklagte von einer Rückforderung des bis zum 18. August 2003 gewährten Pauschalstundensatzes ab. Der Kläger habe als Pensionär keinen Anspruch auf Zahlung des Pauschalstundensatzes. Dies ergebe sich aus § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO, aus § 5 Abs. 2 der Entschädigungssatzung des Beklagten sowie aus dem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 4. Juni 2003. Jede hauptberufliche Hausfrau bzw. jeder hauptberufliche Hausmann habe Anspruch auf einen Nachteilsausgleich. In der Wahrnehmung dieser Tätigkeit liege zugleich die Erfüllung einer unterhaltsrechtlichen Pflicht. Der rentenberechtigte Haushaltsführer komme dagegen seiner Unterhaltspflicht in erster Linie durch das zur Verfügung stellen der Rente nach. Die Haushaltsführung stelle sich insoweit wie bei allen anderen nicht hauptberuflich als Hausfrau bzw. Hausmann tätigen Personen lediglich als eine notwendige Verpflichtung zur Erhaltung einer gewissen häuslichen Ordnung dar. Ein Nachteilsausgleich komme ebenso wie die bei berufstätigen Mandatsträgern, die den Haushalt neben ihrer Berufstätigkeit versorgen, nicht in Betracht. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz komme allenfalls in Betracht, wenn der Nachweis erbracht würde, dass die Rente so gering sei, dass die Unterhaltspflicht nicht nur durch die Rente, sondern maßgeblich durch die Haushaltsführung erfüllt werde. Diese Voraussetzungen lägen hier aber nicht vor.

11

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 4. Februar 2004 Widerspruch ein. Ein Anspruch auf Entschädigung ergebe sich aus § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO. Danach hätten Rentner und Pensionäre Anspruch auf den Pauschalstundensatz, wenn sie ausschließlich einen Haushalt führen und keinen Verdienstausfall geltend machen. Der Gesetzgeber stelle allein auf die Haushaltstätigkeit, dagegen nicht auf einen bestimmten Status, bestimmte Einkommensverhältnisse oder bestimmte zivilrechtliche Unterhaltspflichten ab.

12

In seiner Sitzung vom 14. Juni 2004 wies der Kreisausschuss des Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück.

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2004 wies der Beklagte den Widerspruch gemäß Beschluss des Kreisausschusses vom 14. Juni 2004 zurück und verwies ergänzend auf eine Entscheidung des Hessischen VGH vom 18. Mai 2000, wonach regelmäßig nur Personen ohne eigenes Einkommen, die einen Hausstand führen, als Hausfrauen bzw. Hausmänner im Sinne der Entschädigungsregelung anzusehen seien. Zudem sei auf das Erfordernis der möglichst sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel bei der Gesetzesauslegung zu verweisen.

14

Hiergegen hat der Kläger am 10. August 2004 Klage erhoben. Er trägt vor, § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO setze allein voraus, dass ausschließlich ein Haushalt geführt werde. Ausgeschlossen sei deshalb ein Anspruch, wenn der Abgeordnete außer der Haushaltsführung eine andere Tätigkeit ausübe. Bei Rentnern und Pensionären, die einen Haushalt führt, liege nicht wie beispielsweise bei Studenten der Schwerpunkt der Beschäftigung in einem anderen Aufgabenfeld. Das von der Beklagten genannte Urteil des Hess. VGH vom 18. Mai 2000 könne nicht herangezogen werden, weil die hessischen und die niedersächsischen gesetzlichen Vorschriften nicht miteinander vergleichbar seien. Zudem habe sich der Hess. VGH nicht mit der Frage befasst, wie Pensionäre und Rentner zu behandeln seien, sondern mit dem Fall, dass eine Mandatsträgerin neben ihrer Hausfrauentätigkeit ein Einkommen aus einer vergüteten Erwerbstätigkeit bezogen habe.

15

Zur Begründung seiner Klage verweist der Kläger weiter auf eine Stellungnahme des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Niedersächsischen Landtages vom 19. November 2004, wonach Rentner und Pensionäre, die ausschließlich einen Haushalt führen, einen Anspruch auf Pauschalstundensatz nach § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO hätten. Der Kläger nimmt außerdem Bezug auf den Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 8. Februar 2005, mit dem sich das Niedersächsische Innenministerium der Stellungnahme des Gesetz- und Beratungsdienstes vom 19. November 2004 angeschlossen hat. Rentner und Pensionäre, die ausschließlich einen Haushalt führen und keinen Verdienstausfall geltend machen, hätten einen gesetzlichen Anspruch auf den Pauschalstundensatz. Es komme nicht auf die Höhe der Rente oder Pension an.

16

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger den Pauschalstundensatz gemäß § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO i.V. mit § 5 Abs. 2 Entschädigungssatzung des Beklagten ab 18. August 2003 zu zahlen.

17

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

18

Er trägt vor, die Klage sei unzulässig, weil der Kläger sein Begehren allein mit einer gegen die Aufhebung des Bewilligungsbescheides gerichteten Anfechtungsklage geltend machen könne. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Zwar enthalte weder die NLO noch die Entschädigungssatzung ein einschränkendes Tatbestandsmerkmal dahingehend, dass Hausfrau bzw. Hausmann nur sein solle, wer über kein eigenes Einkommen verfüge. Die Auslegung dieser Vorschriften unter Einbeziehung der Entstehungsgeschichte, der Systematik und des Normzwecks führe jedoch dazu, dass nach der im Streit stehenden Entschädigungsregelung der Begriff "Hausfrau/Hausmann" ein Mangel an Einkommen immanent sei. Die von der NLO intendierte Rollenverteilung der Partner sei aufgeteilt in Barunterhaltsleistungen infolge von Erwerbstätigkeit einerseits und Naturalunterhaltsleistungen durch Haushaltsführung andererseits. Hausfrau sei nur, wer die Haushaltsführung ausschließlich zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht im Sinne der §§ 1360, 1601 BGB tätige. Der Kläger trage im Wesentlichen durch das Einbringen seiner Versorgungsbezüge, also durch Barleistungen zum Familienunterhalt bei. Dass er daneben auch Naturalleistungen durch seine Haushaltsführung erbringe, sei nur von untergeordneter Bedeutung. § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO sei aufgenommen worden, um Frauen, die Kinder betreuen und ausschließlich den Haushalt führen, die Möglichkeit "der Beteiligung im Rat" oder bei sonstigen ehrenamtlichen Tätigkeiten zu erleichtern. Es könne nur derjenige keinen Verdienstausfall geltend machen, der keinen Verdienst habe, weil er ausschließlich den Haushalt führe. Zwischen dem Mangel des Verdienstausfalles und der Hausfrauentätigkeit sei gleichsam eine Kausalität zu fordern. Habe aber der Haushaltsführende einen Verdienst, aber keinen Verdienstausfall aus einem anderen als in der Haushaltsführung liegenden Grund, namentlich weil er während der ehrenamtlichen Tätigkeit weiter alimentiert werde, könne er keine Hausfrau/Hausmann im Sinne dieser Vorschrift sein. Bei dem Kläger fehle diese erforderliche Kausalität, er sei mithin wie ein Berufstätiger zu behandeln. Nach teleologischer Betrachtung der Entschädigungsregelung bestehe ein Bedürfnis, Hausfrauen einen Ersatz für die für die ehrenamtliche Tätigkeit aufgewandte Zeit zu gewähren, wenn anderenfalls ein Erwerbstätiger zwar Ersatz des Verdienstausfalles erhielte, die Hausfrau aber mangels eigenen Verdienstes leer ausginge. Der Kläger als Pensionär gehe aber während seiner Mandatstätigkeit gerade nicht leer aus, sondern werde weiter alimentiert. Es müsse vom Kläger erwartet werden, seine Hausarbeit in Zeiten zu erledigen, die außerhalb der Mandatstätigkeit lägen und mit dieser zu vereinbaren seien.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage ist zulässig.

21

Soweit der Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 19. Januar 2004 begehrt, mit dem der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 18. Januar 2002 aufgehoben hat, ist die Klage als Anfechtungsklage zulässig. Mit der Aufhebung des Bescheids vom 19. Januar 2004 lebt der Dauerverwaltungsakt vom 18. Januar 2002 wieder auf mit der Folge, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen Pauschalstundensatz zu bezahlen. Soweit der Kläger die Zahlung des Pauschalstundensatzes begehrt, ist die Klage als Leistungsklage zulässig. Der Beklagte hat in dem Bescheid vom 19. Januar 2004 ausdrücklich die Zahlung eines Pauschalstundensatzes abgelehnt.

22

Die Klage ist begründet.

23

Der Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2004, mit dem der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 18. Januar 2002 aufgehoben hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

24

Rechtsgrundlage für die Aufhebung des den Kläger begünstigenden Bewilligungsbescheides vom 18. Januar 2002 ist § 49 Abs. 2 VwVfG. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-5 VwVfG aufgezählten Voraussetzungen vorliegen. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt hier nicht § 48 VwVfG zur Anwendung, weil der Bewilligungsbescheid vom 18. Januar 2002 rechtmäßig ist.

25

Rechtsgrundlage für die Bewilligung ist § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO i.V. mit § 5 Abs. 2 der Entschädigungssatzung des Beklagten vom 12. November 2001. Nach § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO hat, wer ausschließlich einen Haushalt führt und keinen Verdienstausfall geltend macht, einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalstundensatzes. Diese gesetzliche Regelung ist in § 5 Abs. 2 der Entschädigungssatzung des Beklagten wortgleich übernommen worden. Ausschließlich ist die Haushaltsführung dann, wenn der Mandatsträger entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers über die Gleichwertigkeit von Erwerbsund Haushaltstätigkeit sein maßgebliches Beschäftigungsfeld in der Tätigkeit einer Hausfrau oder eines Hausmannes sieht (Nds.OVG, Urt. v. 21.9.1999, -10 L 1997/97; s.a. Thiele, NGO, 5. Aufl. 1999, § 39 Ziff. 6). Nach dem Wortsinn bedeutet "Ausschließlichkeit", dass der Mandatsträger die Haushaltsführung grundsätzlich ganztätig ausüben muss und neben dieser Haushaltstätigkeit keiner selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit oder einer sonstigen vergleichbaren Tätigkeit nachgehen darf. Das Tatbestandsmerkmal "ausschließlich" stellt mithin allein auf die tatsächliche Betätigung ab. Der Kläger führt ausschließlich einen Vier-Personen-Haushalt mit zwei schulpflichtigen Kindern und geht - außer seinen Mandatstätigkeiten - keiner weiteren Beschäftigung nach. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO und des § 5 Abs. 2 der Entschädigungssatzung sind bei dem Kläger gegeben. Er ist Kreistagsabgeordneter, nicht erwerbstätig und macht keinen Verdienstausfall geltend.

26

Der Umstand, dass der Kläger neben seiner Tätigkeit als Hausmann beamtenrechtliche Ruhestandsbezüge erhält, steht seinem Anspruch auf Zahlung des Pauschalstundensatzes nicht entgegen. Weder § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO noch § 5 Abs. 2 der Entschädigungssatzung des Beklagten enthalten ausdrücklich eine Einschränkung für Mandatsträger, die - ohne erwerbstätig zu sein - Versorgungsleistungen als Pensionäre und Rentner beziehen oder Vermögen haben.

27

Eine solche Einschränkung ergibt sich auch nicht aus Sinn und Zweck dieser Regelungen. Die Vorschrift des § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO wurde aufgenommen, damit Frauen, die Kinder betreuen und einen Haushalt führen, die Möglichkeit gegeben wird, sich für eine Beteiligung an der Gemeindearbeit oder für die Mitarbeit bei sonstiger ehrenamtlicher Tätigkeiten zu entscheiden. Mit dieser Regelung soll die Haushaltsführung prinzipiell den gleichen Stellenwert wie eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit erhalten (vgl. LT-DS 12/3260, S. 23). Hausfrauen/-männer können keinen Ausgleich real erlittener und messbarer Einkommenseinbußen bekommen. Sie sollen jedoch einen Pauschalstundensatz als Ersatz für den geldwerten, im Einzelfall allerdings nicht messbaren Nachteil erlangen, dass sie mandatsbedingt versäumte Hausarbeit zu einer anderen Zeit nachholen oder - gegen Entgelt - eine Ersatzkraft beschäftigen müssen. Dieser Nachteil betrifft jedoch entgegen der Auffassung von Thiele (NGO, a.a.O., § 39 Ziff. 6) nicht nur Mandatsträger, die "nur" Hausfrau/Hausmann sind, sondern auch solche, die daneben noch Einkommen aus einer Pension, Rente oder aus Vermögen beziehen. Dies führt auch nicht zu einer Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Mandatsträger, die neben der Haushaltsführung noch einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit mit "festem" Einkommen nachgehen, weil diese Gruppe wegen der neben der Hausarbeit ausgeübten Erwerbstätigkeit die Haushaltsführung eben nicht ganztätig ausüben und außerdem eventuell Verdienstausfall geltend machen kann (so auch OVG Münster, Urteil v. 26.9.1996 -15 A 2733/93 -, Kommunalpraxis 1997, 87).

28

Entgegen der Auffassung des Beklagten kann eine Haushaltsführung nicht nur dann als eine geldwerte Haushaltsführung angesehen werden, wenn sie der Erfüllung von Unterhaltspflichten dient. Ob der Kläger seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinen Familienmitgliedern in erster Linie durch Abgabe seiner Versorgungsleistungen nachkommt, ist in kommunalrechtlichem Zusammenhang ohne Bedeutung. Weder § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO noch § 5 Abs. 2 der Entschädigungssatzung des Beklagten noch die Gesetzesmaterialien stellen für die Beanspruchung des Pauschalstundensatzes auf die Erfüllung einer Unterhaltspflicht ab. Bei der Haushaltsführung geht es nicht um real erlittene Vermögenseinbußen, sondern um den Ersatz für den Nachteil, dass versäumte geldwerte Hausarbeit nachgeholt werden muss. Dieser Nachteil tritt unabhängig davon ein, ob neben der ausschließlichen Haushaltsführung noch Einkünfte bezogen werden (s.a. Wefelmeier, KVR Nds, NGO, § 39 Rn.94). Deshalb ist auch entgegen der Auffassung von Thiele (Rathaus & Recht 2005, 15) der Status des Mandatsträgers unmaßgeblich. Vielmehr stellt die Vorschrift des § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO allein auf die konkrete Betätigung des Mandatsträgers ab.

29

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des Nds. OVG vom 21. September 1999 (a.a.O.) berufen. In jenem Verfahren hatte das Nds. OVG zu prüfen, ob sich eine Studentin auf die Ausschließlichkeit ihrer Haushaltsführung berufen kann. Im vorliegenden Fall übt der Kläger jedoch ganztätig die Haushaltsführung aus und geht darüber hinaus weder einer entgeltlichen noch unentgeltlichen Tätigkeit nach.

30

Die vom Beklagten zitierte Entscheidung des Hess. VGH vom 18. Mai 2000 (8 UE 3165/97) führt ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis. Die entsprechende hessische Entschädigungsregelung hat gegenüber § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO einen anderen Wortlaut. Nach der der Entscheidung des Hessischen VGH zu Grunde liegenden Entschädigungssatzung wird Personen ohne eigenes Einkommen, die den ehelichen oder einen eheähnlichen oder einen eigenen Hausstand führen (Hausfrauen/Hausmänner), die Stundenpauschale ohne den in Abs. 1 genannten Verdienstausfall-Nachweis gewährt. Das Tatbestandsmerkmal "ohne eigenes Einkommen" enthalten § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO und die Entschädigungssatzung des Beklagten aber gerade nicht. Vielmehr ist es nach der NLO unerheblich, ob die Person, die ausschließlich den Haushalt führt, ein Einkommen z.B. aus Versorgungsleistungen oder Vermögen hat. Der vom VGH Hessen entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden auch deshalb nicht vergleichbar, weil die dortige Klägerin neben ihrer Hausfrauentätigkeit einer entlohnten Teilzeit-Berufstätigkeit nachgegangen ist.

31

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der Umstand, dass die gesetzliche Regelung des § 35 Abs. 5 Satz 6 NLO zu erheblichen Auslegungsschwierigkeiten und bei ihrer Anwendung zu Ergebnissen führen kann, die der Gesetzgeber wohl kaum gewollt haben kann (siehe dazu im einzelnen Wefelmeier, a.a.O. § 39, Rn. 95). Der niedersächsische Gesetzgeber hat in Kenntnis dieser Probleme gleichwohl diese Regelung im "Gesetz zur Änderung des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts und anderer Gesetze" vom 22. April 2005 (Nds.GVBI. 2005, 110, 114) unverändert gelassen und lediglich um Bestimmungen über die Höhe des Pauschalstundensatzes ergänzt. Das spricht dafür, dass der niedersächsische Gesetzgeber eine andere Regelung nicht hat treffen wollen.

32

Nach alledem ist der Bewilligungsbescheid vom 18. Januar 2002 rechtmäßig.

33

Die Voraussetzungen für den Widerruf dieses rechtmäßig begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 49 Abs. 2 VwVfG liegen nicht vor.

34

Nach § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschriften zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Weder die NLO noch die Entschädigungssatzung des Beklagten enthalten die rechtliche Möglichkeit des Widerrufs eines Bescheides über die Bewilligung eines Pauschalstundensatzes. Im Bewilligungsbescheid vom 18. Januar 2002 wird lediglich darauf hingewiesen, dass Änderungen, die sich auf die Gewährung der vorstehenden Entschädigung auswirken könnten, unverzüglich mitzuteilen und zu viel gezahlte Beträge zurückzuzahlen seien. Einen Widerrufsvorbehalt enthält der Bewilligungsbescheid nicht.

35

Gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG ist der Widerruf eines rechtmäßig begünstigenden Verwaltungsaktes zulässig, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Diese Voraussetzungen liegen ebenfalls nicht vor. Es fehlt eine Änderung der maßgeblichen Tatsachen. Der Kläger war bereits im Zeitpunkt der Antragstellung Beamter im Ruhestand. Das Einzige, was sich seit Erlass des Bewilligungsbescheids vom 18. Januar 2002 zwei Mal geändert hat, ist die Erlasslage (siehe Erlasse des Nds. Innenministeriums vom 4. Juni 2003 und vom 8. Februar 2005).

36

Nach § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG ist ein Widerruf zulässig, wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstige von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Hier fehlt es an einer Änderung von Rechtsvorschriften. Soweit sich die Erlasslage geändert hat, ist dies zuletzt zu Gunsten des Klägers erfolgt.

37

Die übrigen Widerrufsgründe des § 49 Abs. 2 VwVfG liegen ebenfalls nicht vor.

38

Schließlich ist der angefochtene Bescheid vom 19. Januar 2004 auch deshalb rechtswidrig, weil er nicht den Anforderungen an eine Ermessensentscheidung über die Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes gerecht wird. Die Entscheidung über den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 49 VwVfG) steht, sofern die rechtlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt sind, im Ermessen der zuständigen Behörde. Weder der angefochtene Bescheid vom 19. Januar 2004 noch der Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2004 enthalten Ermessenserwägungen im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzinteresses des Klägers.

39

Nach alledem ist der Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2004 aufzuheben. Damit lebt der Bewilligungsbescheid vom 18. Januar 2002 wieder auf. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung des Pauschalstundensatzes ab 18. August 2003.

40

Die Voraussetzungen der vom Beklagten begehrten Vorlage beim Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 GG liegen nicht vor. Der Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 8. Februar 2005 kann nicht Gegenstand einer konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG sein.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

42

Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

v. Alten,
Schütte,
Göll-Waechter