Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 11.05.2005, Az.: 5 A 196/03

Abrechnungsbetrug; Approbation; Widerruf

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
11.05.2005
Aktenzeichen
5 A 196/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50679
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer ärztlichen Approbation, dem eine Verurteilung des Arztes wegen Abrechnungsbetruges in 652 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren zugrunde liegt.

Tatbestand:

1

Der Kläger wehrt sich mit seiner Klage gegen den Widerruf seiner Approbation.

2

Der 1954 in D. geborene Kläger studierte seit 1971 in der Bundesrepublik Deutschland Medizin. Mit Urkunde des Regierungspräsidenten in Köln vom 19. Februar 1985 erhielt er die Approbation als Arzt. Von 1980 - 1986 war er als Facharzt für Allgemeine- und Unfallchirurgie in E. tätig. Von 1987 - 1990 arbeitete als Leitender Oberarzt an einem Krankenhaus in F. und von 1990 - 1994 als Facharzt für Unfallchirurgie in G.. Von 1995 - 2001 war er in H. als Facharzt für Chirurgie in einer eigenen Praxis tätig. Nachdem der Kläger im Jahr 2001 in Untersuchungshaft genommen worden war, ordnete die Bezirksregierung Lüneburg mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. März 2002 das Ruhen seiner Approbation an.

3

Der Kläger wurde durch das rechtskräftige Urteil des Landgerichts I. - 6. große Strafkammer - vom 26. April 2002 (AZ: 12 KLs 131 Js 26723/01) wegen Betruges in 652 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Das Urteil enthält u.a. folgende Feststellungen:

4

„II. 1. a) In Celle bildeten Gelenkoperationen den Schwerpunkt der ärztlichen Tätigkeit des Angeklagten J.. Bei diesen Operationen benutzte er vorzugsweise einen Laser, mit dem u. a. ein besserer Heilungserfolg erzielt werden sollte. Eine solche Operationsmethode war - bedingt durch die hohen Anschaffungskosten von ca. DM 200.000,00 für ein neues Lasergerät und Kosten von rd. DM 1.000,00 für ein Laserkabel - gegenüber der konventionellen Operationsmethode deutlich teuerer. Die Mehrkosten konnte der Angeklagte zunächst direkt mit den gesetzlichen Kranken - und Ersatzkassen abrechnen. Seit 1997 verwiesen die Kassen aber darauf, dass diese Kosten in der Abrechnungsnummer 2449 des einheitlichen Bewertungsmaßstabes bereits enthalten seien. Das war dem Angeklagten auch bekannt.

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Er beschloss deshalb, künftig bei einem Lasereinsatz die Patienten zu Zuzahlungen zu veranlassen.

6

Dazu wies er in der Regel selbst den Patienten in einem Gespräch vor der Operation auf die seiner Ansicht nach bessere Operationsmethode hin. Er setzte dann hinzu, dass die Kassen die dadurch entstehenden Mehrkosten jedoch nicht bezahlen würden. Die Patienten müssten daher eine Zuzahlung - die er mit DM 489,00 kalkulierte - leisten, wenn sie nach dieser Methode operiert werden wollten.

7

Die Patienten wurden durch diesen Hinweis ganz überwiegend davon überzeugt, dass ein solches Zuzahlungsverlangen berechtigt sei.

8

Die anschließend geleisteten Zahlungen nahm der Angeklagte in zahlreichen Fällen auch selbst in bar oder in Form eines Schecks entgegen.

9

Auf diese Weise wurde der Angeklagte seit 1997 - in diesem Jahr allerdings nur in 4 Fällen - bis zu seiner Inhaftierung in 636 Einzelfällen mit einer Schadenssumme von mindestens DM 305.123,00 unmittelbar selbst gegenüber seinen Patienten tätig.

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Im Übrigen wurde in diesem Zeitraum in der Praxis auch eine generelle Anordnung des Angeklagten befolgt, wonach die Patienten mündlich oder durch Überlassen entsprechender Schriftstücke über eventuell erforderlich werdende Zuzahlungen zu informieren waren. Aufgrund solcher Informationen kam es zu weiteren 133 Zahlungen von insgesamt mindestens DM 64.218,00. ...

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2. Der Angeklagte J. war berechtigt, Artikel des Sprechstundenbedarfs allgemein zu verordnen und die dadurch entstehenden Kosten gegenüber den durch das Rechenzentrum Hünxe vertretenen gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen zu lassen. Nicht berechtigt war er dagegen, Artikel des Praxisbedarfs auf diese Weise abzurechnen, weil die Kosten für derartige Artikel bereits über das Behandlungshonorar abgedeckt wurden. Das war beiden Angeklagten auch bekannt.

12

Im Januar 1998 traf der Angeklagte J. nach Vorbereitung durch den Angeklagten K. mit dem gesondert verfolgten L. M., der mit medizinischen Artikeln handelte, folgende Vereinbarung: M. sollte die Praxis J. unentgeltlich mit Praxisbedarf beliefern und monatlich an den Angeklagten K. DM 1.000,00 (später DM 500,00) und an den Angeklagten J. pro Quartal DM 10.000,00 zahlen. J. sollte dafür M. von ihm unterschriebene Blankorezepte für Sprechstundenbedarf zur Verfügung stellen.

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Entsprechend dieser Vereinbarung wurden M. Listen mit Artikeln des Praxis- und Sprechstundenbedarfs und - durch den Angeklagten K. - eine von M. bestimmte Anzahl von Blankorezepten übergeben, die von M. so für Sprechstundenbedarfsartikel ausgefüllt wurden, dass die sich daraus ergebenden Preise auch die M. durch die Vereinbarung entstehenden Kosten und Nebenkosten deckten. Die Rezepte und Rechnungen, die sich der Angeklagte J. regelmäßig vorlegen ließ, wurden dann von M. quartalsweise beim Rechenzentrum Hünxe eingereicht. Dort wurde die Unrichtigkeit der Abrechnung nicht erkannt. In Höhe von insgesamt DM 588.460,34 wurden daher in 14 Fällen Kosten abgerechnet, die nicht Sprechstundenbedarfsartikel betrafen.

14

3. Im Zusammenhang mit den vom Angeklagten J. durchgeführten Operationen konnten Fahrten der Patienten mit Transportunternehmen notwendig werden, die von Ihm entsprechend zu verordnen waren.

15

Der Angeklagte schloss vor 1998 mit dem anderweitig verfolgten Krankentransportunternehmer May eine Vereinbarung ab, wonach von der Praxis J. bevorzugt dessen Unternehmen eingesetzt werden sollte - gegen Zahlung eines entsprechenden Entgelts. Dieses belief sich seit Anfang 1998 in einem Monat auf DM 10.000,00, in 6 Monaten auf jeweils DM 8.500,00 und in weiteren 13 Monaten auf jeweils DM 3.000,00. Diese Vereinbarung war dem Angeklagten K. bekannt. Die Zahlungen erfolgten an ihn. Er sammelte sie mit den weiteren Zahlungen aus den beiden oben festgestellten Fallkomplexen und leitete sie - nach monatlichem Abzug des US-$ 1.000 entsprechenden Betrages - an den Angeklagten J. weiter.

16

Wenn vom Arzt sog. Krankentransporte verordnet wurden, die eine besondere Betreuung des Patienten oder den Einsatz eines besonderen Fahrzeugs erforderten, erhielt das Unternehmen N. von dem auch in diesen Fällen für die gesetzlichen Krankenkassen tätig werdenden Abrechnungszentrum Hünxe, bei dem - wie die Angeklagten wussten - die Verordnungen zusammen mit den Rechnungen dem Unternehmen N. einzureichen waren - eine deutlich höhere Vergütung als bei einfachen sog. Krankenfahrten.

17

Der Angeklagte J. sorgte dafür, dass für jeden zu operierenden Patienten ein Verordnungsschein vorbereitet wurde, der jeweils die Notwendigkeit von Krankentransporten auswies. Ob im Einzelfall tatsächlich eine derartige qualifizierte Beförderung erforderlich war, prüfte der Angeklagte dann nicht mehr, obwohl ihm - und auch dem Angeklagten K. - klar war, dass die Kassen von einer solchen konkreten Prüfung nach erfolgter Operation ausgingen, wenn die entsprechende Verordnung vorgelegt wurde, und dass die Kassen ohne vorherige Einzelfallprüfung durch den Arzt eine Erstattung verweigern würden.

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Nach den vom Angeklagten K. weitergegebenen Beobachtungen über den Abtransport durch das Unternehmen N. hielten die beide Angeklagten es überdies für möglich, dass entgegen der generellen Verordnung von Krankentransporten wiederholt nur einfache Krankenfahrten durchgeführt - aber von N. als Krankentransport abgerechnet - wurden.

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Durch ungerechtfertigte Abrechnungen des Unternehmens N. entstanden den Krankenkassen seit Anfang 1998 in 990 Fällen mindestens Schäden in Gesamthöhe von DM 673.395,16.

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III. 1. a) In den unter II 1 aufgeführten Fällen hat der Angeklagte J. die Patienten darüber getäuscht, dass er für Laseroperationen eine Zuzahlung verlangen könne und sie so zur Zahlung veranlasst. Das erfüllt den Straftatbestand des Betrugs, § 263 Abs. 1 StGB. Der Angeklagte, der um die Rechtslage wusste, handelte vorsätzlich.

21

Soweit der Angeklagte die Täuschung durch persönliche Information der Patienten bewirkt oder die Zuzahlung im Einzelfall selbst in Empfang genommen hat, stellt das eine jeweils gesondert zu bestrafende selbständige Handlung dar, § 53 StGB.

22

Die übrigen Zuzahlungen muss er sich aufgrund seiner generellen Anweisung an die Praxismitarbeiter, die Patienten entsprechend zu informieren, im Rahmen einer Handlung im Rechtssinne, § 52 StGB, zurechnen lassen.

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2. a) In den oben unter II 2 aufgeführten Fällen hat sich der Angeklagte O. ebenfalls des Betrugs, § 263 StGB, schuldig gemacht. Zwar ist die unmittelbare Täuschungshandlung durch Vorlage der Rechnungen und der Verordnungen seitens des M. gegenüber dem Abrechnungszentrum Hünxe erfolgt. Der Angeklagte ist aber insoweit als Mittäter, § 25 Abs. 2 StGB, anzusehen und muss sich daher dessen Handeln als eigenes zurechnen lassen: Er hat im Zusammenwirken mit M. dessen Täuschungshandlung durch Ausstellen und Überlassen der Blankorezepte vorbereitet. Dass er die Tat als eigene wollte, ist auch an seiner Kontrolle der Rechnungen P. zu sehen. Schließlich war er auch maßgeblich daran interessiert, dass M. den Betrugsgewinn erzielte, um so finanzielle Vorteile von ihm zu erhalten. Der Angeklagte handelte vorsätzlich.

24

Die quartalsweise erfolgte Einreichung der Verordnungen und Rechnungen stellt jeweils eine selbständige Handlung dar, § 53 StGB.

25

3. In den oben unter II 3 aufgeführten Fällen liegt dieselbe Konstellation wie vorstehend ausgeführt vor: Auch hier hat der lediglich im Vorbereitungsstadium tätig gewordene Angeklagte J. einen Betrug, § 263 StGB, im mittäterschaftlichen, § 25 Abs. 2 StGB, Zusammenwirken mit N. begangen und dadurch von ihm erhebliche finanzielle Vorteile erhalten. Da er wusste, dass die Kassen bei der Bezahlung der Transportkosten seine Verordnung dahin verstehen würden, dass er die Erforderlichkeit eines Krankentransports konkret geprüft hatte und nur aus diesem Grund zahlen würden, beging er entsprechend der in BGHSt 39, 288,290 veröffentlichten Entscheidung vorsätzlich einen Betrug, wenn er ohne Prüfung im Einzelfall Krankentransporte verordnete. In diesem Zusammenhang ist daher unerheblich, ob im Einzelfall ein Krankentransport angezeigt war und ob er von N. auch durchgeführt wurde.

26

Sein wesentlicher Tatbeitrag, die Anweisung an das Praxispersonal, stets Verordnungen über Krankentransporte zu den Operationen vorzubereiten und die dabei vom Angeklagten K. geleistete psychische Beihilfe lassen das Verhalten der Angeklagten als jeweils eine Tat im Rechtssinn erscheinen, § 52 StGB.“

27

Der Kläger wurde am 20. August 2003 nach Verbüßung von 2/3 der verhängten Freiheitsstrafe aus der Haft entlassen. Er lebt zurzeit im Libanon.

28

Mit Bescheid vom 16. Juli 2003 widerrief die Bezirksregierung Lüneburg gegenüber dem Kläger die ärztliche Approbation. Der Kläger sei zur Ausübung des ärztlichen Berufes unwürdig und unzuverlässig. Bei verständiger Würdigung des Sachverhalts sei davon auszugehen, dass er bei seiner künftigen ärztlichen Tätigkeit den ärztlichen Pflichten nicht gerecht würde. Das ergebe sich aus den der strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Handlungen. Verhaltensweisen, die die korrekte Abrechnung der Behandlung eines Patienten mit der Krankenkasse und auch den Patienten selbst betreffen, seien berufsbezogene Angelegenheiten, in denen der Arzt uneingeschränkt seinen beruflichen Pflichten genügen müsse. Durch das bestehende Abrechnungssystem sei dem Arzt eine besondere Vertrauensstellung eingeräumt. Dieses Vertrauen habe der Kläger in erheblichem Umfang missbraucht. Er habe dadurch bewiesen, dass er bereit sei, seine finanziellen Interessen über die Gesundheit seiner Patienten und das Gemeinwohl zu stellen. Eine günstige Prognose könne nicht gestellt werden. Der Kläger erweise sich auch als unwürdig zur Ausübung des Arztberufes. Durch sein Verhalten habe er das Vertrauensverhältnis zu den Patienten in einem nicht wieder gutzumachenden Umfang geschädigt. Er habe es bei seinen Betrugshandlungen bewusst darauf angelegt, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil auf Kosten der Patienten, Krankenkassen und anderer Personen zu verschaffen. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig, weil im Hinblick auf die schwerwiegenden strafbaren Handlungen ein milderes Mittel nicht in Frage käme.

29

Den von dem Kläger dagegen eingelegten Widerspruch hat die Bezirksregierung Lüneburg mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2003 im Wesentlichen aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurückgewiesen.

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Mit der dagegen am Montag, dem 29. Dezember 2003 erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, er habe den Schaden durch die Zahlung erheblicher Summen ausgeglichen und das Strafgericht habe keinen Grund dafür gesehen, ein Berufsverbot auszusprechen. Die der strafrechtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Taten richteten sich weder mittelbar noch unmittelbar gegen die Rechtsgüter Leben und Gesundheit. Eine Verletzung elementarer ärztlicher Grundsätze sei somit nicht gegeben. Ihm seien die Art der Krankenfahrten und die Vorgänge im Komplex M. nicht bekannt gewesen. Er habe dafür gleichwohl im Strafverfahren die Verantwortung übernommen. Der Widerruf der Approbation sei unverhältnismäßig und käme einer Doppelbestrafung gleich. Das Ruhen der Approbation als geringeres Mittel sei ausreichend, um dem öffentlichen Interesse zu genügen.

31

Der Widerruf der Approbation vernichte seine Existenzgrundlage. Nach der Verbüßung der Strafe müsse es ihm für seine Existenzsicherung wieder möglich sein, ärztlich tätig zu werden. Das gebiete auch die verfassungsrechtlich garantierte Berufsfreiheit. Er sei auch nicht unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufes. Dieser Tatbestand beziehe sich nur auf die ärztliche Heilkunst im engeren Sinne. Eine Vermögenspflichtverletzung könne nur dann die ärztliche Unwürdigkeit begründen, wenn sie ihrerseits behandlungsrelevante Aspekte aufweise. Er sei, was von Patienten bestätigt werde, ein hervorragender Arzt gewesen. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes und der Tatsache, dass er darauf angewiesen sei, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, sei die angefochtene Maßnahme unverhältnismäßig. Bei einer weiteren Berufsausübung sei die Wiederholung entsprechender Vorfälle auszuschließen. Deshalb müsse ihm die Chance für einen Neuanfang eröffnet werden.

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Der Kläger beantragt,

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den Widerrufsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 16. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2003 aufzuheben.

34

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

36

Die Bezirksregierung Lüneburg hat erwidert, in dem strafgerichtlichen Urteil seien die in diesem Verfahren relevanten Sachverhalte festgestellt worden. Bei der Feststellung der Unwürdigkeit komme es nicht nur auf behandlungsrelevante Aspekte an. Vielmehr sei auch eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Betruges grundsätzlich geeignet, einen Arzt als unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufes erscheinen zu lassen. Die angefochtene Anordnung des Widerrufs sei auch verhältnismäßig. Ein milderes Mittel käme nicht in Betracht. Weder die Art und Weise der Ausübung des ärztlichen Berufs durch den Kläger noch der Umstand, dass er den Lebensunterhalt seiner Familie bestreiten und seine Restschulden zurückzahlen müsse, führe zu einer anderen Entscheidung. Er habe Betrugshandlungen innerhalb unterschiedlicher Tatkomplexe begangen und dabei mit einer erheblichen kriminellen Energie einen großen Vermögensschaden verursacht. Die teilweise Schadenswiedergutmachung führe zu keinem anderen Ergebnis, weil er damit lediglich seinen rechtlichen Verpflichtungen nachgekommen sei.

37

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf den Verwaltungsvorgang der Bezirksregierung Lüneburg Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

39

Die Bezirksregierung Lüneburg hat ohne Rechtsfehler den Widerruf der Approbation des Klägers angeordnet, sodass die Klage gemäß § 113 Abs. 1 VwGO abzuweisen ist.

40

Gemäß § 5 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Bundesärzteordnung in der Fassung vom 27.4.2002 (BGBl. I S. 1487) - BÄO - ist die Approbation zu widerrufen, wenn der Arzt sich nach deren Erteilung eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergibt.

41

Ein Arzt ist für die weitere Ausübung des ärztlichen Berufes unwürdig, wenn er nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist (vgl. BVerwG, Beschluss v. 9.1.1991, NJW 1991, 1557, Beschluss v. 14.4.1998, NJW 1999, 3425 ff, Beschluss v. 28.1.2003, 3 B 149/02). Unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich anerkannten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verlangt die Feststellung der Berufsunwürdigkeit ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung als untragbar erscheinen lässt. Entscheidend ist dabei darauf abzustellen, dass das Verhalten des Arztes geeignet ist, die für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbare Vertrauensbasis zu zerstören. Wegen ihrer Schwere und ihrer spezifischen Prägung können Straftaten das für einen Arzt unabdingbare Vertrauen und Ansehen auch dann zerstören, wenn sie keinen unmittelbaren Bezug zur ärztlichen Tätigkeit am Patienten haben. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Straftat im Rahmen der heilberuflichen Tätigkeit verübt worden ist und eine vorsätzlich schwere, von der Allgemeinheit besonders missbilligte ehrenrührige Handlung betrifft.

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Unzuverlässig im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO ist, wer aufgrund seines bisherigen Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seinen Beruf als Arzt ordnungsgemäß ausüben wird. Danach ist eine Unzuverlässigkeit im Sinne dieser Vorschrift anzunehmen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Arzt werde in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten. Abzustellen ist für die erforderliche Prognose auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens (vgl. BVerwG, Urteil v. 16.9.1997, NJW 1998, 2757 [BVerwG 16.09.1997 - BVerwG 3 C 12/95] (2759)). Ausschlaggebend für die Prognose der Zuverlässigkeit ist die Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Arztes und seiner Lebensumstände. Dabei ist auf den durch die Art, Schwere und Zahl der Verstöße gegen die Berufspflichten deutlich gewordenen Charakter des Arztes abzustellen.

43

Bei der Würdigung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale für den Widerruf der Approbation können von den Behörden und vom Verwaltungsgericht regelmäßig die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil zugrunde gelegt werden (vgl. BVerwG, Beschluss v. 6.3.2003, 3 B 10/03). Für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Approbation ist es unerheblich, ob das Strafgericht in seinem rechtskräftigen Urteil von der Anordnung eines Berufsverbotes nach § 70 StGB abgesehen hat. Die Verwaltungsbehörde im Verwaltungsverfahren und das Verwaltungsgericht im Klageverfahren sind dadurch nicht gehindert, das Verhalten des Klägers anhand der gesetzlich vorgesehenen Tatbestandsmerkmale zu beurteilen.

44

Unter Zugrundelegung dieser Rechtslage ist der Widerruf der Approbation des Klägers rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger ist sowohl unwürdig als auch unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufes. In dem rechtskräftigen Strafurteil vom 26. April 2002 sind vielfältige und schwerwiegende ärztliche Pflichtverletzungen mit erheblichen finanziellen Schäden zu Lasten der Patienten und der Krankenversicherungen durch den Kläger festgestellt worden. Der Kläger hat in verschiedenen Fallkomplexen vorsätzlich über mehrere Jahre durch 652 Betrugshandlungen Schäden in erheblicher Höhe verursacht und dadurch mehrere 100.000,-- DM unberechtigt direkt von Patienten oder durch betrügerische Manipulationen und Absprachen bezogen. Diese Straftaten betrafen einerseits das unmittelbare Arzt-Patientenverhältnis, in dem er nach den Feststellungen des Strafgerichts in 636 Fällen unberechtigte Zuzahlungen von seinen Patienten für Operationen verlangte und erhielt. Auch die anderen Betrugshandlungen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit. Durch die zahlreichen Manipulationen mit den von ihm ausgestellten Blankorezepten (Komplex M.) und der Erteilung von unberechtigten ärztlichen Anweisungen (Komplex Krankentransporte) hat er bewusst und eigennützig das ihm bei den Abrechnungen entgegengebrachte Vertrauen an der Richtigkeit der ärztlichen Verordnungen missbraucht und die Krankenkassen mit einem Betrag von mehr als einer Million DM geschädigt. Diese Handlungen hat er bewusst geplant, mit Helfern vorbereitet und über einen langen Zeitraum mit hoher krimineller Energie durchgeführt. Dieses erhebliche Fehlverhalten und die langjährige vorsätzliche Verletzung seiner ärztlichen Berufspflichten beeinträchtigt in hohem Umfang seine Vertrauenswürdigkeit. Sowohl bei seinen Patienten als auch gegenüber den Krankenkassen und in der Öffentlichkeit ist das Vertrauen in eine jederzeit ordnungsgemäße und finanziell einwandfreie ärztliche Tätigkeit des Klägers endgültig zerstört. Er hat durch die Begehung der zahlreichen kriminellen Taten sein Ansehen und das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unverzichtbare Vertrauen verloren. Er ist damit als unwürdig zur weiteren Ausübung des ärztlichen Berufes anzusehen.

45

Der Kläger ist auch unzuverlässig zur weiteren Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit. Aus den oben genannten Gründen ist die Prognose gerechtfertigt, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass es bei einer weiteren Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit erneut zu finanziellen Unregelmäßigkeiten und damit zu Vermögensschäden kommen kann. Der Kläger hat durch den erheblichen und gezielten Missbrauch des ärztlichen Abrechnungssystems mit dem Ziel, sich persönlich unrechtmäßig zu bereichern, das für die Ausübung des ärztlichen Berufs erforderliche Vertrauen in eine künftige ordnungsgemäße Berufsausübung zerstört.

46

Der Kläger ist damit auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er nicht unerhebliche Schadensersatzleistungen erbracht hat, unwürdig und unzuverlässig zur weiteren Ausübung seines ärztlichen Berufes. Gem. § 5 Abs. 2 BÄO war ihm deshalb zwingend die ärztliche Approbation zu widerrufen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO abgesehen, weil die Kammer im Übrigen der Begründung der angefochtenen Bescheide uneingeschränkt folgt und sie ihrer Entscheidung zugrundelegt.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

48

Gründe für die Zulassung der Berufung liegen gemäß § 124 a VwGO nicht vor.