Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 15.11.2017, Az.: 1 A 37/15

Betriebsprämie; Vertrauensschutz; Zahlungsansprüche

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
15.11.2017
Aktenzeichen
1 A 37/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54076
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Gemäß Artikel 137 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 gelten Zahlungsansprüche, die den Betriebsinhabern vor dem 1. Januar 2009 zugewiesen wurden, ab dem 1. Januar 2010 grundsätzlich als rechtmäßig und ordnungsgemäß. Diese Vorschrift schützt auch das Vertrauen des Anspruchsinhabers darauf, nicht mehr wegen zeitlich weit zurückliegender Sachverhalte mit einer Neuausgestaltung seiner Zahlungsansprüche rechnen zu müssen (EuGH, Urt. v. 2.7.2015 - C 684/13 - juris Rn. 78).

Aus dem Rechtsgedanken des Vertrauensschutzes des Artikel 137 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 73/2009 ergibt sich, dass für das Vorliegen einer Ausnahme nach Artikel 137 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 im Grundsatz die Behörde, die die Herabsetzung eines vor dem 1. Januar 2009 zugewiesenen Zahlungsanspruchs verfolgt, die materielle Beweislast hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes trägt.

Tatbestand:

Der Kläger bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb im Nebenerwerb mit einer Fläche von rund 19 ha. Er wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2014, durch den der Bescheid über die Festsetzung und Zuweisung von Zahlungsansprüchen nach der Betriebsprämienregelung 2005 vom 7. April 2006 aufgehoben und die Zahlungsansprüche neu festgesetzt wurden.

Mit Bescheid vom 7. April 2006 setzte die Beklagte im Ausgangsbescheid Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung des Schlags H. - Dauergrünland mit einer Größe von 0,91 ha - sowie der Schläge 6 und 60 - Ackerland mit einer Größe von 0,35 ha und Dauergrünland mit einer Größe von 0,36 ha - fest. Seit 2005 beantragte der Kläger jährlich die Auszahlung der Betriebsprämie unter anderem für diese Schläge. Die Beklagte setzte auf Grundlage der mit Bescheid vom 7. April 2006 festgesetzten Zahlungsansprüche für die jeweiligen Jahre Betriebsprämienansprüche unter Berücksichtigung der jeweils durch den Kläger aktivierten Flächen fest.

Am 18. August 2014 fand eine Vor-Ort-Kontrolle auf dem Betrieb des Klägers statt. Die Prüfer maßen Schlag H. mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 1,03 ha ein. Auf einem nördlichen Teil des Schlags H. stellten die Prüfer auf einer Teilfläche von 0,25 ha eine Nutzung mit Winterroggen fest. Eine weitere Teilfläche dieses Schlags von 0,5 ha war als Pferdeweide fest umzäunt. Die Schläge 6 und 60 wurden zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle von Pferden Dritter beweidet. Vor Ort teilte der Vater des Klägers, der Zeuge I. B., mit, dass hinsichtlich dieser Schläge Pensionsverträge zur Pferdebeweidung bestünden. Auf Aufforderung der Prüfer übersandte der Vater des Klägers der Beklagten die zugrunde liegenden Verträge. Ausweislich Ziffer 1 des jeweiligen Vertrags zur „Überlassung des Aufwuchses von Grünlandflächen“ überließ der Kläger den Aufwuchs der Grünfläche der jeweiligen Schläge den Pferdeeigentümern zur zeitweisen Nutzung. Der Vertrag hinsichtlich der Schläge J. und K. sah eine Überlassung an die Zeugen A. L. und M. N. in der Zeit vom 1. August 2008 bis zum 31. Juli 2011 mit nachfolgender Verlängerung um jeweils ein Jahr vor, soweit keine der Vertragsparteien eine Kündigung vornahm. Der Vertrag hinsichtlich eines Teils von 0,5 ha des Schlags 15 sah eine Überlassung an die Familie O. ab dem 1. Mai 2009 „nach Bedarf 10 Monate“ vor. Nach den Vertragsbedingungen war der jeweilige Nutzer berechtigt, den Aufwuchs nach Absprache zu mähen oder durch seine Pferde/Rinder abweiden zu lassen. Die Düngung sollte durch den Kläger, die weitere Pflege der Fläche durch den Kläger    oder nach dessen Weisung durch den Nutzer erfolgen. Auf Wunsch des Klägers sollte die Nutzung innerhalb eines Tages auch ohne Angaben von Gründen beendet werden können. Wegen der weiteren Vertragseinzelheiten wird auf die Verträge vom 1. August 2008 und vom 1. April 2009 (Bl. 344 f. der Beiakte A) verwiesen.

Ein bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg geführtes Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs aufgrund der Überlassung der Schläge an die Pferdeeigentümer wurde gemäß § 153a StPO gegen Zahlung eines Geldbetrages eingestellt.

Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2014, an den Kläger abgesandt am 8. Januar 2015, den Festsetzungsbescheid von Zahlungsansprüchen vom 7. April 2006 auf und setzte Anzahl und Wert der Zahlungsansprüche neu fest. Zur Begründung führte sie aus, aufgrund der bei der Vor-Ort-Kontrolle getroffenen Feststellungen sei davon auszugehen, dass die beantragten Flächen der Schläge J., K. und H. bereits seit 2005 nicht in der beantragten Größe hätten berücksichtigt werden dürfen. Für die Schläge J. und K. sei aufgrund der vorzunehmenden Kürzungen von einer zugrunde zu legenden Fläche von jeweils 0,00 ha statt der bisher berücksichtigten Flächen von 0,35 ha und 0,36 ha auszugehen, für die Fläche des Schlags H. sei statt bisher angenommener 0,91 ha eine Fläche von 0,54 ha als ermittelt anzusehen. Die daraus resultierenden Zahlungsansprüche seien deshalb in entsprechend geringerem Umfang festzusetzen.

Dagegen hat der Kläger am 9. Februar 2015 Klage erhoben. Zur Begründung der Klage gegen den Änderungsbescheid ergänzt und vertieft der Kläger im Wesentlichen seinen außergerichtlichen Vortrag: Die Annahme der Beklagten, er habe im Jahr 2005 fehlerhafte Flächengrößen angegeben, sei unzutreffend. Er habe erst nach Aufgabe seiner Milchvieh- und Rinderhaltung ab 2008 die Pferde der Zeuginnen P. O. und M. N. zur Beweidung der Flächen gegen ein monatliches Weidegeld in Pferdepension genommen. Die wesentlichen Arbeiten sowie die ordnungsgemäße Bewirtschaftung und Erhaltung der Grünfläche seien stets durch ihn erfolgt. Den Vertragsentwurf zur Überlassung des Aufwuchses von Grünflächen habe er von der Beklagten erhalten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, der Kläger habe von Beginn an Förderung für Flächen beantragt, die tatsächlich nicht durch ihn, sondern durch Dritte bewirtschaftet worden seien. Der Vater des Klägers, der Zeuge I. B., habe auf Nachfrage mitgeteilt, dass für den Schlag J. ein Vertrag zur Überlassung der Fläche gegen Zahlung eines Betrages mit der Pferdehalterin M. N. beziehungsweise dessen Lebensgefährten bestehe, und diese sich in der Regel eigenständig um anfallende Arbeiten, etwa die Mahd, Reparaturen, Heuernte etc. kümmere. Hinsichtlich des südöstlichen Teils des Schlags H., der sich als Pferdeweide bei der Vor-Ort-Kontrolle dargestellt habe, bestehe ebenfalls ein entsprechender Vertrag mit der Zeugin P. O.. Anfallende Arbeiten seien durch die Zeugin an Dritte vergeben und nicht durch den Kläger ausgeführt worden. Der vom Kläger verwandte Aufwuchs-Überlassungsvertrag sei lediglich zur kurzfristigen Nachnutzung der Flächen durch Dritte gedacht, sofern die Hauptnutzung beim Landwirt verbleibe; der Vertragsentwurf sei hingegen nicht für eine langfristige Überlassung von Flächen an Dritte vorgesehen. Hier stelle sich die Nutzung der überlassenen Flächen als Pacht dar. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die Flächen bereits seit dem Jahr 2005 zur Nutzung an Dritte überlassen habe und dessen ungeachtet für diese Flächen die Zuweisung von Zahlungsansprüchen beantragt habe. Daher sei der Festsetzungsbescheid vom 7. April 2006 entsprechend anzupassen. Dass diese Flächen bereits vor 2008 durch Dritte genutzt worden seien, ergebe sich bereits daraus, dass der Vater des Klägers gegenüber der Beklagten erklärt habe, die Schläge seien schon vor Abschluss der Überlassungsverträge verpachtet gewesen. Auch habe der Kläger dem Vorwurf von Verstößen bereits seit dem Jahr 2005 im Rahmen der Anhörung zum Vorwurf eines Subventionsbetruges nicht widersprochen. Im Übrigen ergebe sich Entsprechendes auch aus den polizeilichen Vernehmungen im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens.

Die Kammer hat Beweis erhoben über die Nutzung der Flächen der Schläge J., K. und H. in den Jahren 2005 bis 2013 durch Vernehmung der Zeugen P. O. und I. B.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2017 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in den Verfahren 1 A 37/15 und 1 A 131/15 sowie der jeweils beigezogenen Akten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg. Die statthafte, insbesondere fristgerechte Anfechtungsklage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2014 ist aufzuheben, weil er rechtswidrig ist und dadurch die Rechte des Klägers verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der formell rechtmäßige Bescheid ist in materieller Hinsicht rechtswidrig. Rechtsgrundlage für die Rücknahme einer Zuweisung von Zahlungsansprüchen ist § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (MOG) vom 24. Juni 2005 (BGBl I 2005, 1847) in der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung des Gesetzes zum Erlass und zur Änderung von Vorschriften zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften über Agrarzahlungen und deren Kontrollen in der Gemeinsamen Agrarpolitik vom 2. Dezember 2014 (BGBl. I S. 1928) in der durch Art. 80 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 vom 30. November 2009 (ABl. Nr. L 316, S. 65) in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 426/2014 vom 8. Mai 2013 (ABl. Nr. L 127, S. 17) modifizierten Fassung. Danach sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG zurückzunehmen, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, soweit ihrer Rücknahme kein nach Art. 80 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten entgegensteht. Der Anwendungsbereich des § 10 MOG ist eröffnet, da die Zuteilung von Zahlungsansprüchen nach der Betriebsprämienregelung eine Regelung über Direktzahlungen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 MOG darstellt. Allerdings liegen die Voraussetzungen von § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG nicht vor. Der Bescheid vom 7. April 2006 über die Festsetzung der Zahlungsansprüche gilt als rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der zugewiesenen Zahlungsansprüche für die Schläge 6, 60 und 15 haben nicht vorgelegen.

Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Zahlungsansprüchen nach dem erstmals für das Jahr 2005 geltenden System der Betriebsprämienregelung ist die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe, ABl. Nr. L 270, S. 1, - im Folgenden: Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 - mit den Durchführungsverordnungen der Kommission zur Betriebsprämienregelung in der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 vom 21. April 2004, ABl. Nr. L 141, S. 1, der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 vom 21. April 2004, ABl. Nr. L 141, S. 18, und nachfolgenden Modifizierungen dieser Durchführungsverordnungen. Die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 ist zwar zwischenzeitlich durch die Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003, ABl. Nr. L 30, S. 16 - im Folgenden: Verordnung (EG) Nr. 73/2009 -, ersetzt worden. Allerdings wird in Art. 146 Verordnung (EG) Nr. 73/2009 die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 aufgehoben, ohne - wie in anderen Prämienansprüche regelnden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts - den bisherigen Regelungen für bestimmte Wirtschaftsjahre weiterhin Geltung beizulegen. Gemäß Art. 137 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 in der zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides geltenden Fassung der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 994/2014 der Kommission vom 13. Mai 2014 (ABl. Nr. L 280, S. 1) gelten die Zahlungsansprüche, die den Betriebsinhabern vor dem 1. Januar 2009 zugewiesen wurden, ab dem 1. Januar 2010 grundsätzlich als rechtmäßig und ordnungsgemäß. Diese Regelung soll ausweislich des Erwägungsgrundes 49 dem Umstand Rechnung tragen, dass die Rückabwicklung irrtümlich geleisteter überhöhter Zuteilungen „in Anbetracht der Zeit, die seit der ersten Zuteilung der Zahlungsansprüche vergangen ist, zu unverhältnismäßigen rechtlichen und administrativen Zwängen für die Mitgliedstaaten führen“ würde. Daher soll „im Interesse der Rechtssicherheit“ die Gewährung dieser Zahlungen geregelt werden. Diese Vorschrift schützt auch das Vertrauen des Anspruchsinhabers darauf, nicht mehr wegen zeitlich weit zurückliegender Sachverhalte mit einer Neuausgestaltung seiner Zahlungsansprüche rechnen zu müssen (vgl. EuGH, Urt. v. 2.7.2015 - C 684/13 -, juris Rn. 78). Vor diesem Hintergrund sind die dem Kläger am 7. April 2006 und damit vor dem 1. Januar 2009 zugeteilten Zahlungsansprüche grundsätzlich auch von der Beklagten als rechtmäßig und ordnungsgemäß anzuerkennen.

Dem Vertrauensschutz des Klägers steht auch nicht Art. 137 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 entgegen. Danach findet Absatz 1 keine Anwendung auf Zahlungsansprüche, wenn diese den Betriebsinhabern auf der Grundlage von sachlich fehlerhaften Anträgen zugewiesen wurden. Hiervon ausgenommen sind Fälle, in denen der Fehler für den Betriebsinhaber nach vernünftiger Einschätzung nicht erkennbar war. Dass der Antrag des Klägers auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen sachlich fehlerhaft gewesen wäre, lässt sich nicht feststellen. Sachlich fehlerhaft ist ein Antrag insbesondere dann, wenn die für die Berechnung des Zahlungsanspruchs zugrunde gelegten Voraussetzungen tatsächlich nicht vorgelegen haben. Die Anzahl der einem Betriebsinhaber zugewiesenen Zahlungsansprüche richtet sich gemäß § 59 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 grundsätzlich nach der Hektarzahl, die der Betriebsinhaber im ersten Jahr der Anwendung der Betriebsprämienregelung gemäß Art. 44 Abs. 2 dieser Verordnung als beihilfefähige Fläche angemeldet hat. Nach Art. 44 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 ist eine „beihilfefähige Fläche“ jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, die als Ackerland oder Dauergrünland genutzt wird, ausgenommen die für Dauerkulturen, Wälder oder nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzten Flächen. Der Betrieb ist in Art. 2 Buchst. b dieser Verordnung definiert als die Gesamtheit der vom Betriebsinhaber verwalteten Produktionseinheiten, die sich im Gebiet eines Mitgliedstaats befinden. Nach Art. 44 Abs. 3 dieser Verordnung müssen die Parzellen, die der beihilfefähigen Fläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen, dem Betriebsinhaber für einen Zeitraum von mindestens zehn Monaten zur Verfügung stehen. Nach der konkretisierenden Definition des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 14.10.2010 - C 61/09 -, juris Rn. 65, 66) gehört eine Fläche dann zum Betrieb des Landwirtes, wenn dieser befugt ist, sie mit einer hinreichenden Selbständigkeit für seine landwirtschaftlichen Tätigkeiten, einschließlich der Erhaltung der Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand, zu nutzen. Darüber hinaus dürfen die streitigen Flächen in dieser Zeit nicht von einem Dritten landwirtschaftlich genutzt werden. Um zu verhindern, dass mehrere Landwirte geltend machen, dass die betreffenden Parzellen zu ihrem Betrieb gehören, ist es nämlich erforderlich, dass diese Flächen in dieser Zeit nicht im Sinne der Betriebsprämienregelung dem Betrieb anderer Landwirte zugeordnet werden können.

Die Kammer hat - auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme - nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Schläge J., K. und H. im maßgeblichen Antragsjahr 2005 nicht dem Betrieb des Klägers, sondern einer anderen Person zur Verfügung standen. Dass diese Schläge zur (dauernden) landwirtschaftlichen Nutzung anderen Personen überlassen wurden, ergibt sich zunächst nicht aus den Äußerungen des Zeugen I. B. gegenüber der Beklagten in dem Telefongespräch vom 18. September 2014 (vgl. Bl. 352 Beiakte A). Allein die Aussage, dass die Schläge J., K. und H. vor dem Abschluss der Überlassungsverträge im Jahr 2008 beziehungsweise 2009 an Pferdehalter verpachtet gewesen seien, lässt nicht den Schluss darauf zu, dass die Flächen im Jahr 2005 verpachtet waren. Der Zeuge I. B. hat im Rahmen des Telefongesprächs, auch nach dem Vortrag der Beklagten, diese Angabe nicht zeitlich präzisiert, insbesondere nicht eingeräumt, dass die Schläge bereits seit dem Jahr 2005 durch Dritte genutzt wurden. Eine entsprechende zeitliche Einordnung ergibt sich ebenso wenig aus den polizeilichen Vernehmungen im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Die Zeugin P. O. gab bei ihrer polizeilichen Vernehmung im Dezember 2014 an, seit etwa vier Jahren auf den Flächen des Klägers ihre Pferde weiden zu lassen. Dies lässt jedenfalls nicht den Schluss auf eine Beweidung bereits im Jahr 2005 zu. Die Zeugin M. N. äußerte gegenüber der Polizei, sie habe ihre Pferde im Jahr 2009 oder 2010 auf die Weide gebracht. Zu dieser Zeit habe der Zeuge A. L. die Fläche zunächst gepachtet. Der Zeuge A. L. gab gegenüber den vernehmenden Polizeibeamten an, einen Pachtvertrag im Jahr 2007 oder 2008 geschlossen zu haben, zunächst um landwirtschaftliches Gerät darauf abzustellen. Später seien dann die Pferde der Zeugin N. auf dieser Weide gehalten worden. Anhaltspunkte für eine Überlassung der betreffenden Flächen bereits im Jahr 2005 lassen sich diesen Aussagen nicht entnehmen. Dass der Kläger nach Darlegung der Beklagten dem Vorwurf eines Subventionsbetruges bereits seit dem Jahr 2005 im Rahmen seiner Anhörung zu diesem Vorwurf nicht ausdrücklich widersprochen habe, rechtfertigt entgegen der Annahme der Beklagten nicht den Rückschluss, dass diese Behauptung zutrifft. Überdies hat der Kläger diesem Vorwurf zudem auch im Rahmen des Subventionsbetrugsverfahrens durchaus widersprochen. Denn bereits mit Schreiben vom 7. Oktober 2014 hat er dort vorgetragen, dass nach der Aufgabe der Rinderhaltung die Grünlandflächen eigenverantwortlich bewirtschaftet worden seien. Schon aus der unmittelbaren Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben ergibt sich, dass der Kläger damit zum Ausdruck brachte, dass die streitgegenständlichen Flächen zunächst der Rinderhaltung gedient hätten und er sie nachfolgend als Grünlandflächen bewirtschaftet habe.

Es gibt ferner keinen allgemeinen Erfahrungssatz dahin, dass selbst im Falle einer den Überlassungsverträgen vorangegangenen Verpachtung der Fläche dieses Pachtverhältnis stets über mehrere Jahre angedauert hätte.

Schließlich hat auch die Beweisaufnahme im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung nicht ergeben, dass bereits im Jahr 2005 eine Beweidung der Flächen oder eine anderweitige Nutzung durch Dritte erfolgte. Die Zeugin P. O. hat im Wesentlichen in Übereinstimmung mit ihrer Aussage im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ausgeführt, dass sie die Weide erst ab dem Jahr 2009 genutzt habe. Auch der Zeuge I. B. hat eine Nutzung der Flächen durch Dritte bereits im Jahr 2005 nicht bestätigt. Er hat freimütig eingeräumt, keine Erinnerung zu haben, wie und durch wen diese Flächen im Jahr 2005 genutzt wurden. Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass die Zeugen ein gewisses Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens schon aufgrund ihrer Verbundenheit zum Kläger aufgrund der persönlichen Beziehungen haben, kann dahinstehen, ob die Angaben der Zeugen glaubhaft waren. Maßgeblich ist insofern allein, dass sich für die Kammer auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme keinerlei hinreichend konkrete Anhaltspunkte ergeben haben, aufgrund derer sie die Überzeugung hätte gewinnen können, dass die Schläge J., K. und H. bereits im Jahr 2005 durch Dritte und nicht durch den Kläger genutzt worden wären. Mithin lässt sich auch nicht feststellen, dass die Zahlungsansprüche dem Kläger aufgrund sachlich fehlerhafter Anträge im Sinne von Art. 137 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 73/2009 zugewiesen wurden.

Die Nichterweislichkeit der Nichtzugehörigkeit der Schläge J., K. und H. zum Betrieb des Klägers im Jahr 2005 und damit die Nichterweislichkeit einer sachlich fehlerhaften Antragstellung durch den Kläger geht zu Lasten der insofern beweisbelasteten Beklagten. Bereits aus dem Rechtsgedanken des Artikel 137 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009, der dem Grundsatz des Vertrauensschutzes dient, ergibt sich, dass die Regelung des Absatzes 2 als Ausnahme von der in Absatz 1 getroffenen Regelung zu sehen ist. Daraus folgt, dass für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Ausnahme nach Absatz 2 die Beklagte die materielle Beweislast (Feststellungslast) trägt. Dies deckt sich auch mit der im nationalen Recht vorgesehenen Beweislastverteilung. Gemäß § 11 MOG trägt, soweit europarechtliche Vorgaben nicht etwas anderes vorsehen, der Begünstigte die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des rechtlich erheblichen Vorteils nur bis zum Ablauf des vierten Jahres, das dem Kalenderjahr der Gewährung folgt. Diese Frist endete bereits mit Ablauf des Jahres 2010.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die durch den angefochtenen Bescheid vorgenommene Aufhebung des Festsetzungsbescheides vom 7. April 2006 und die durch Bescheid vom 18. Dezember 2014 vorgenommene Neufestsetzung der Zahlungsansprüche in materieller Hinsicht als rechtswidrig. Dadurch werden auch die Rechte des Klägers verletzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von einer Entscheidung eines in dieser Vorschrift genannten Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht.