Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 08.11.2017, Az.: 4 A 381/16

Asylverfahrensrichtlinie; Belehrung; Empfangsbestätigung; Postzustellungsurkunde

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
08.11.2017
Aktenzeichen
4 A 381/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53997
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Fortsetzung seines Asylverfahrens, welches die Beklagte eingestellt hat.

Der Kläger stellte am 06.07.2015 einen Asylantrag. Zu einem Anhörungstermin, zu dem der Kläger von der Beklagten per Postzustellungsurkunde geladen worden ist, ist der Kläger nicht erschienen. Der Ladung war eine schriftliche Belehrung über die Konsequenzen eines Fortbleibens beigefügt. Mit dem Bescheid vom 02.09.2016 sprach die Beklagte aus, dass der Asylantrag wegen Nichtbetreibens des Verfahrens als zurückgenommen gelte und stelle das Asylverfahren nach § 33 Abs. 5 S. 1 AsylG ein. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG wurden von der Beklagten verneint. Mit Nr. 3 des Bescheides setzte die Beklagte dem Kläger eine Ausreisefrist von 1 Woche und drohte für den Fall der Nichtausreise dessen Abschiebung an (§§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 2 AsylG).

Hiergegen hat der Kläger vor dem VG Lüneburg am 15.09.2016 Klage erhoben.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 02.09.2016 (Az. E.) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten das Asylverfahren fortzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht war befugt nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden, weil die Beteiligten hierauf schriftlich verzichtet haben (Bl. 28, Generalverzicht der Beklagten Bl.41).

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen subjektiv öffentlichen Rechten auf Bescheidung seines Asylantrages bzw. auf Asyl-/Flüchtlingsanerkennung (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Soweit der Kläger auch beantragt hat, die Beklagte zu verpflichten, dass Asylverfahren fortzusetzen, geht dieser Antrag nach Aufhebung des Einstellungsbescheides ins Leere: Da das Verfahren nunmehr nicht mehr als zurückgenommen gilt, versteht es sich von selbst, dass die Beklagte das Verfahren fortzusetzen und in der Sache über den Asylantrag zu entscheiden hat.

Die Beklagte hat das Asylverfahren zu Unrecht wegen Nichtbetreibens nach §§ 33 Abs. 5 S. 1, Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AsylG eingestellt. Die Nichtbetreibensvermutung aus § 33 Abs. 2 S. 1 AsylG gilt nämlich nur dann, wenn der Ausländer auf die Folgen des Nichtbetreibens schriftlich gegen Empfangsbestätigung hingewiesen worden ist (§ 33 Abs. 4 AsylG).

Hieran mangelt es in zweierlei Hinsicht.

Zwar ist die am 03.08.2016 erfolgte schriftliche Ladung des Klägers zum Anhörungstermin (Bl. 55 des Verwaltungsvorgangs) mit einer inhaltlich korrekten Belehrung über die Konsequenzen des Nichtbetreibens versehen gewesen.

Die Belehrung ist jedoch allein in deutscher und nicht auch in der Landessprache des Klägers erfolgt. Nach Art. 12 Abs.1 Buchstabe a) der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 - Asylverfahrensrichtlinie - ist aber eine Übersetzung der Belehrung in einer dem Ausländer verständlichen Sprache erforderlich (so auch VG Lüneburg, Beschl. v. 23.06.2017, 6 B 57/17, veröffentlicht in JURIS; VG Lüneburg, Beschl. v. 31.08.2017, 4 B 54/17; VG Düsseldorf, Beschl. v. 13.04.2017, 12 L 1310/17.A, veröffentlicht in JURIS). Dem Verwaltungsvorgang ist nicht entnehmen, dass der Kläger der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, zumal vorangegangene Belehrungen stets auch in arabischer Sprache erfolgt waren.

Ferner ist dem Kläger die Belehrung mit der Ladung lediglich per Postzustellungsurkunde (Bl. 60 des Verwaltungsvorgangs) in der Weise übermittelt worden, dass die Ladung auf der Postfiliale niedergelegt und hierüber der Leiter der Flüchtlingsunterkunft benachrichtigt worden ist.

Diese Art der Übermittlung genügt dem notwendigen Hinweis gegen Empfangsbestätigung an den Ausländer nicht.

Die Zustellung gegen Empfangsbestätigung soll sicherstellen, dass dem Ausländer der Hinweis persönlich ausgehändigt wird. Die besondere Form der Belehrung ist gerade deshalb geboten, weil die gesetzliche unter rein formalen Gesichtspunkten fingierte Antragsrücknahme den Ausländer hart trifft. § 33 Abs. 4 AsylG lässt eine anderweite Zustellung, auf Grund der sich der Ausländer die Bekanntgabe unabhängig von der tatsächlichen Kenntnis zurechnen lassen muss, nicht zu (VG Lüneburg a.a.O.; VG München, Beschl. v. 21.07.2017, M 21 S 17.35568, veröffentlicht in JURIS).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.