Landgericht Aurich
Beschl. v. 24.07.2017, Az.: 4 S 49/17
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 24.07.2017
- Aktenzeichen
- 4 S 49/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 53791
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 10.02.2017 - AZ: 5 C 532/15
Gründe
I.
Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO wird darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Das angefochtene Urteil weist weder Rechtsfehler im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (BGH, NJW 2007, 2919 [BGH 25.04.2007 - VIII ZR 234/06]). Derartige vernünftige Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen sind vorliegend nicht ersichtlich.
Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Wohnungseigentümer ihre Unterlassungsansprüche aus § 1004 BGB auf die Beklagte übergeleitet haben. Für Abwehransprüche gem. § 1004 BGB besteht keine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG. Durch den Beschluss vom 20. November 2015 sind aber solche Ansprüche auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung übertragen worden (sog. Ansichziehen) (BGH, NJW 2010, 2801 [BGH 18.06.2010 - V ZR 193/09]). Durch einen Beschluss, indem die Verwaltung zur gerichtlichen Durchsetzung eines vorher beschlossenen Vorgehens bezüglich eines Abwehranspruchs gem. § 1004 BGB beauftragt und bevollmächtigt wird, wird im Zweifel eine gekorene Ausübungsbefugnis des Verbands gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 2 BGB für die individuellen Ansprüche aus § 1004 BGB der Sondereigentümer begründet, auch wenn dieses im Beschluss nicht ausdrücklich ausgesprochen wird (BGH, NJW 2016, 53 [BGH 10.07.2015 - V ZR 169/14]). Der BGH begründet diese Auslegung in der zuvor genannten Entscheidung damit, dass es eine Beschlusskompetenz nur für die Vergemeinschaftung der Individualansprüche gibt und die Wohnungseigentümer im Zweifel einen wirksamen Beschluss fassen wollen. Nach diesen Grundsätzen wurden durch den Beschluss vom 20. November 2015 die individuellen Abwehransprüche der Wohnungseigentümer bezüglich der Entfernung der Mülltonnenboxen auf die Wohnungseigentümergemeinschaft übertragen und die Verwaltung beauftragt, zur Durchsetzung der Ansprüche im Rahmen der gekorenen Ausübungsbefugnis einen Anwalt mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung des Abwehranspruchs zu beauftragen.
Auch ist der Beschluss zu TOP 3 der Wohnungseigentümerversammlung vom 20. November 2015 nicht wegen Fehlens der Beschlusskompetenz nichtig. Der Beklagten ist es zwar verwehrt, im Beschlusswege der Klägerin Leistungspflichten aufzuerlegen. Eine Leistungspflicht kann gegen den Willen des Schuldner nicht durch einen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer konstitutiv begründet werden und es ist den anderen Wohnungseigentümern verwehrt, außerhalb der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten der Klägerin Leistungspflichten aufzuerlegen (BGH, Urt. v. 15.01.2010 - V ZR 72/09 -; Urt. v. 18.06.2010 - V ZR 193/09 -, juris Rn. 10 m.w.N.). Insoweit können die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss lediglich festlegen, ob und in welchem Umfang ein ihrer Meinung nach bestehender Anspruch gerichtlich geltend gemacht und ggf. durchgesetzt werden soll (BGH, Urt. v. 18.06.2010 - V ZR 193/09 -, juris Rn. 11). Sie könnten allenfalls vorbereitend eine mehrheitsfähige Entscheidung herbeiführen, gegen die Klägerin ggf. gerichtlich vorzugehen.
Um einen solchen vorbereitenden Beschluss handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Beschluss jedoch. Entscheidend bei der Beurteilung ist, ob der Beschluss eine Aussage zu dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs auf Beseitigung bzw. Unterlassung enthält oder dies dem gerichtlichen Verfahren gegen den betroffenen Wohnungseigentümer überlässt. Unzulässig ist ein Beschluss, der die Schaffung einer (selbständigen) Anspruchsgrundlage zum Ziel hat (vgl. BGH, ZMR 2013, 288). Nach ständiger Rechtsprechung sind Beschlüsse nach den für eine Grundbucheintragung geltenden Regeln objektiv-normativ auszulegen. Maßgebend sind der sich aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung ergebende Wortlaut des Beschlusses und der Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung des Wortlauts ergibt (Spielbauer/Then, WEG, 2. Auflage, § 23, Rdnr. 26). Dabei ist davon auszugehen, dass die Wohnungseigentümer regelmäßig im Rahmen ihrer rechtlichen Befugnisse handeln wollen. Deshalb ist im Zweifel davon auszugehen, dass ein nicht eindeutiger Beschluss nicht eine konstitutive Begründung einer Sonderpflicht, sondern lediglich eine Androhung gerichtlicher Maßnahmen zum Gegenstand hat (Bärmann/Merle, WEG, § 22 Rn. 318). Hier ist der Beschluss als Androhung gerichtlicher Maßnahmen zu verstehen, da die Klägerin zunächst aufgefordert werden sollte, die Müllboxen und die Pflasterung zu entfernen. Im Falle der Nichtbefolgung sollte ein Fachanwalt mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung der Abwehransprüche beauftragt werden. Eine Aussage über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs enthält der Beschluss nicht, sondern überlässt die Beurteilung dem gerichtlichen Verfahren.
II.
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Auffassung der Kammer hält sich an die rechtlichen Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses. Die Kammer weist insoweit vorsorglich darauf hin, dass sich die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens im Falle einer Berufungsrücknahme auf die Hälfte ermäßigen (Nr. 1222 KV GKG).