Landgericht Aurich
Urt. v. 16.02.2017, Az.: 1 O 711/16
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 16.02.2017
- Aktenzeichen
- 1 O 711/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53667
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG - 25.10.2017 - AZ: 8 U 27/17
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits sowie des selbständigen Beweisverfahrens 1 OH 17/14 trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 69.750,37 € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus der Lieferung eines Pflanzensubstrats der Sorte SMIX Basilikum.
Der Kläger betreibt einen Gartenbaubetrieb, spezialisiert auf Kräuter, z. B. Basilikum sowie Blatt- und Balkonpflanzen. Gegenstand des Unternehmens der Beklagten ist ausweislich des Handelsregisterauszugs die Förderung des Absatzes von F.-Produkten und der Vertrieb von F.-Produkten oder ähnlichen Erzeugnissen, der Verkauf von sonstigen Torf- und Humusprodukten aller Art, der Handel mit Artikeln des Gartenbedarfs und damit verwandter Produkte sowie der Handel mit sonstigen Produkten in diesem Zusammenhang. Vor der Lieferung erfolgt ein Besuch eines Vertreters der Beklagten und die Zusammensetzung des Produkts wird nach den Wünschen des Kunden (u. a. anzubauende Pflanzen) besprochen.
Am 26. Januar 2014 lieferte die Beklagte, nach einer Besprechung mit dem Mitarbeiter O. der Beklagten, an den Kläger 26 Europaletten des Substrates SMIX Basilikum. Hersteller dieses Produktes war die Streitverkündete. Der Kläger setzte dieses Produkt zur Aufzucht von Pflanzen ein. Ende März/Anfang April 2014 bemerkte der Kläger, dass sich bei einigen Pflanzen keine Wurzeln bildeten und dass diese gelbe Blätter hatten. Durchgeführte Proben ergaben einen Befund des Stoffes Glyphosat. Am 14. April 2014 sperrte die Gartenbauzentrale P. wegen der Verunreinigung mit Glyphosat den Betrieb des Klägers vom Vertrieb. Mit Schreiben vom 17. April 2014 forderten die Bevollmächtigten des Klägers die Beklagte auf ihre Haftung anzuerkennen, was die Beklagte mit Schreiben vom 23. April 2014 zurückgewiesen hat.
Der Kläger behauptet, dass das von der Beklagten gelieferte Substrat Rückstände von Glyphosat enthalten habe. In seinem Betrieb werde das glyphosathaltige Mittel „R. u.“ oder ein anderes Herbizid nicht verwendet, sodass Ursache nur das gelieferte Substrat sein könne. Ihm sei ein Erlösausfall von 65.915,85 € entstanden. Die eingesparten Kulturkosten würden 7.479,48 € betragen. Zusätzliche Kosten würden entstehen für den Neukauf der Platten i. H. v. 5.760 €, der Entsorgung von 2.327,52 € sowie der Analysekosten von 3.226,48 €.
Die Klägerin meint, dass die Beklagte aufgrund der Veröffentlichungen auf der Homepage nicht nur als Verkäufer, sondern vielmehr als Herstellerin gelte.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 69.750,37 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 24.04.2016, spätestens ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.403,21 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, bei Übergabe habe noch keine Kontaminierung mit Glyphosat vorgelegen. Diese sei erst im Betrieb des Klägers erfolgt. Dieses ergebe sich daraus, dass bei keinem anderen Kunden eine Verunreinigung mit Herbizid aufgetreten sei sowie sich in der Rückstellprobe keine Verunreinigung durch Glyphosat gezeigt habe. Bei den Mischvorgängen im Werk hätten unterschiedlich starke Belastungen, wie vorliegend festgestellt, mit Glyphosat nicht auftreten können. Darüber hinaus hafte sie als Vertriebsgesellschaft nicht für Fehler des Produkts.
Das Landgericht Aurich hat unter dem Aktenzeichen 1 OH 17/14 ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt. Hierbei hat das Landgericht ein Sachverständigengutachten der Sachverständigen Dipl.-Ing. agr. (Gartenbau) Dr. A. K.-B. eingeholt. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sachverständigengutachten vom 18. November 2014, das Ergänzungsgutachten vom 19. März 2015 sowie die mündliche Anhörung vom 01. Dezember 2015.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadenersatz gegen die Beklagte zu.
1. Produkthaftungsgesetz
Ein Anspruch gem. § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHG besteht nicht. Die beschädigten Pflanzen sind gem. § 1 Abs. 1 S. 2 ProdG nicht vom Schutzbereich des ProdHG umfasst. Im Falle einer Sachbeschädigung besteht eine Ersatzpflicht nämlich nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wurde und diese ihrer Art gewöhnlich für den privaten Ge- und Verbrauch bestimmt ist und hierzu vom Geschädigten hauptsächlich verwendet worden ist. Hier dienen die angebauten Pflanzen dem Verkauf und damit dem geschäftlichen Betrieb des Klägers.
Es ist auch keine analoge Anwendung, wie vom Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung angesprochen, geboten. Es fehlt insoweit bereits an der planwidrigen Regelungslücke. Es ist expliziter gesetzgeberischer Wille, dass nur Sachen für den privaten Ge- und Verbrauch geschützt werden sollen. Ansonsten hätte der Gesetzgeber eine entsprechende Einschränkung nicht vorgenommen.
2. Haftung nach Kaufrecht
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 433 Abs. 1 S. 2, 434 Abs. 1, 2, 437 Nr. 3, 280 BGB zu.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das gelieferte Substrat im Zeitpunkt der Übergabe (§ 446 BGB) mangelhaft war, indem das gelieferte Substrat bereits mit Glyphosat verunreinigt war. Die Beklagte trifft an der angeblich mangelhaften Lieferung nämlich kein Verschulden (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).
Die im Interesse eines angemessenen Interessenausgleichs gebotene Haftungsbegrenzung wird durch das Erfordernis des Vertretenmüssens (§ 280 Abs.1 Satz 2 BGB) sichergestellt. Gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ist Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch, dass der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hat, wobei ihn die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen trifft, aus denen sich ergibt, dass er den Schadenseintritt nicht zu vertreten hat. Im Kaufvertragsverhältnis geht es dabei um die Frage, ob der Verkäufer erkannt hat oder erkennen musste, dass die verkaufte Ware mangelbehaftet ist (OLG Frankfurt, Urteil vom 26. November 2009 – 26 U 29/08). Die Beklagte beruft sich darauf, dass sie die angebliche Verunreinigung des gelieferten Rohstoffs mit Glyphosat nicht habe erkennen können, da das Produkt direkt vom Werk des Streitverkündeten an den Kläger geliefert worden ist. Sie meint, zu eingehenden Untersuchungen rechtlich nicht verpflichtet gewesen zu sein. Die Ansicht der Beklagten trifft zu.
An den Entlastungsbeweis des Schuldners dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Der Schuldner hat sich entlastet, wenn er beweist, dass er alle ihm obliegende Sorgfalt beobachtet hat (Palandt/Heinrichs, § 280 Rdn. 40). Wie weit die Sorgfaltspflichten eines Verkäufers gehen, der selbst Hersteller ist, ist im Einzelfall problematisch. Hier ist nach der mündlichen Verhandlung unstreitig, dass die Beklagte nicht selber Herstellerin ist, sondern vielmehr die Streitverkündete.
Die Beklagte ist nicht - wie vom Kläger vertreten - als Hersteller des gelieferten Substrats zu behandeln, weil der Kläger beim Kauf den Eindruck hatte, die Ware werde von dieser hergestellt. Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger weder ausdrücklich noch konkludent erklärt, sie produziere den Rohstoff selbst. Auch der Aufdruck "F." auf der Ware besagte dies nicht. Hierbei handelte es sich nur um die Kennzeichnung des Produkts mit der von der Beklagten verwendeten Marke, die nicht etwa offen legt, wer die Ware hergestellt hat (so auch: OLG Frankfurt, Urteil vom 26. November 2009 – 26 U 29/08 –, Rn. 34, juris). Auch aus dem vom Kläger vorgelegten Internetauftritt der Beklagten bzw. der Vertriebsform durch Vertreter ergibt sich nichts anderes. Dass zunächst ein Vertreterbesuch erfolgt und eine Besprechung der Produktzusammensetzung erfolgt lässt nicht darauf schließen, dass die Beklagte das Produkt selber herstellt. Vielmehr besteht objektiv die Wahrscheinlichkeit, dass eine Vertriebsgesellschaft die Kundenwünsche an den Hersteller des Produkts weitergibt und dann nur noch, wie vorliegend, als Zwischenhändler zwischen Hersteller und Kunden auftritt. Gleiches gilt für den vom Kläger zitierten Satz auf der Homepage: „Beste Ausgangsstoffe und hochwertige Zusätze bilden dabei die Basis um ein Substrat herzustellen, das absolut passgenau den Ansprüchen der jeweiligen Kultur und dem Wunsch unseres Kunden entspricht.“ Auch das Vorhandensein eines modern eingerichteten Zentrallabors und eines Versuchsgewächshauses lassen nicht auf die Herstellereigenschaft schließen. Hier können nämlich bestimmten Produktzusammensetzungen erforscht werden, die dann bei den jeweiligen Produzenten in Auftrag gegeben werden.
Auch aus der Passage: „Alle Ausgangsstoffe und Zusätze, die zur Substratherstellung in unseren norddeutschen und baltischen Werken benötigen werden, durchlaufen umfangreiche Anwendungstest“ ergibt sich nicht, dass diese gegenüber dem Kläger den Eindruck erweckt hat, dass sie Hersteller des Produkts sei. So hat der Klägervertreter im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben, dass der Kläger und er vom Internetauftritt zum ersten Mal im Rahmen der Erstellung der Replik Kenntnis genommen haben. Daher hat der Internetauftritt vor dem Kauf bei dem Kläger gar nicht den Eindruck erwecken können, dass die Beklagte selber Herstellerin ist. Im Übrigen erklärt der Internetauftritt auch nicht objektiv, dass die Beklagte selber Herstellerin ist. Aus der Bezeichnung „unseren norddeutschen und baltischen Werken“ geht nur hervor, dass die Beklagte in diesen Werken produzieren lässt, jedoch nicht, dass sie die Werke selber betreibt. Vielfach lässt eine Vertriebsgesellschaft die Produkte von einer anderen Gesellschaft herstellen. Gerade in der heutigen Zeit ist bekannt, dass große Unternehmen arbeitsteilig arbeiten und jedes Werk eine eigene Gesellschaft (Rechtspersönlichkeit) ist, die nur unter dem Dach einer Muttergesellschaft zusammengefasst werden.
Die Beklagte ist ferner nicht deshalb wie ein Hersteller zu behandeln mit der Folge, dass sie dieselbe Untersuchungspflicht wie die Herstellerin trifft, weil es sich um eine Weiterlieferung ohne Nennung des eigentlichen Herstellers und der Vertrieb unter ihrem Namen, ihrer Marke und ihrem Vertriebssystem handelt. Es ist zwar unübersehbar, dass es für eine Käuferpartei im Falle eines mehrstufigen Handelssystems kaum möglich ist, Schadensersatzansprüche zu erheben, weil den Letztverkäufer mangels Herstellereigenschaft nur geringe Untersuchungspflichten treffen und er daher in aller Regel nicht fahrlässig handelt. Gegenüber dem Hersteller fehlt es demgegenüber an einem Vertragsverhältnis mit dem Käufer, um Ansprüche nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB zu begründen. Die rechtlich privilegierte Lage des Händlers beruht darauf, dass er sich auf die Sorgfalt seiner Vorlieferanten verlassen lassen muss, zumal ihm selbst regelmäßig die Kenntnisse und Einrichtungen fehlen, um die Kaufsache eingehend untersuchen zu können. Es mag auch sein, dass durch eine arbeitsteilige Organisation von Herstellung und Vertrieb eine Verschuldenshaftung des Verkäufers gerade eingeschränkt werden soll. Dies ist jedoch hinzunehmen, da sich der Käufer durch entsprechende Garantien des Verkäufers absichern kann. Selbst bei Namensgleichheit mit der Herstellerin trifft die Vertriebsgesellschaft keine eigene Prüfungspflicht (OLG Frankfurt, Urteil vom 26. November 2009 – 26 U 29/08 –, Rn. 43, juris). Dies ist dadurch begründet, dass der Verkehr aus diesem Umstand auf nichts anderes schließen kann als auf eine konzernmäßige Verbundenheit der namensgleichen Unternehmen, nicht jedoch auf die Herstellereigenschaft.
Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) verlangt von dem Verkäufer regelmäßig keine Untersuchung der Kaufsache; der Verkäufer muss sich auch nicht das Verschulden seiner Lieferanten nach § 278 BGB zurechnen lassen (BGH, Urt. v.15. Juli 2008, VIII ZR 211/07, NJW 2008, 2837). Höhere Anforderungen ergeben sich nur, wenn der Verkäufer eine Garantie übernommen hat (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn er Anhaltspunkte für die Mangelhaftigkeit der Sache hat oder wenn sonst besondere Umstände vorliegen, die eine höhere Sorgfalt gebieten (BGH, Urteil vom 19. Juni 2009 – V ZR 93/08 –, BGHZ 181, 317-328, Rn. 19). Eine Garantie hat die Beklagte nicht übernommen. Bei der Bescheinigung vom 09. September 2013 (Bl. 91 d. A.) kann dahingestellt bleiben, ob es sich um eine Garantieerklärung handelt. Bei dem dort genannten „Perchlorat“ handelt es sich um einen anderen Inhaltsstoff als Glyphosat. Es ist weder vorgetragen oder ersichtlich, dass die Beklagte Anhaltspunkte für die Mangelhaftigkeit der Sache hatte. Besondere Umstände für eine Untersuchungspflicht liegen z. B. vor, wenn es sich um ein besonders hochwertiges oder fehleranfälliges Produkt handelt oder der Händler besondere Sachkunde in Anspruch genommen hat (OLG Frankfurt, Urteil vom 26. November 2009 – 26 U 29/08). Das gelieferte Substrat ist weder besonders hochwertig noch besonders fehleranfällig. Die besondere Sachkunde ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte der Streitverkündeten die Zusammensetzung nach den Vorgaben des Beklagten vorgibt.
3. Nebenansprüche
Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf die Nebenforderungen.
4. Nebenentscheidung
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.