Landgericht Aurich
Urt. v. 15.09.2017, Az.: 4 S 57/17

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
15.09.2017
Aktenzeichen
4 S 57/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53656
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 14.03.2017 - AZ: 5 C 396/16

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 14. März 2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Norden, Az. 5 C 396/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das erstinstanzliche Urteil sowie dieses Urteil der Kammer sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Rahmen der Berufung noch über behauptete Rückstände für Investitionskosten.

Die Klägerin ist Betreiberin eines Alten- und Pflegeheims. Die Beklagte ist Bewohnerin. Diese war im Jahre 2014 nicht mehr geschäftsfähig und wurde zu diesem Zeitpunkt von dem am 1. Juli 2017 verstorbenen Ehemann H. A. aufgrund einer Altersvorsorgevollmacht vom 13. Februar 2001 vertreten. Mit Wirkung vom 16. Oktober 2013 schlossen die Parteien einen Wohn- und Betreuungsvertrag, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird.

Mit Schreiben vom 26. Juni 2014 kündigte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Steigerung der Investitionskosten ab dem 1. August 2014 an. Danach sollten die monatlich zu zahlenden Investitionskosten von 258,27 € auf 672,28 € steigen. Zum Ende des Schreibens führte die Klägerin aus: „Bei den oben genannten Entgelten handelt es sich um Planwerte. Die tatsächliche Erhöhung der Investitionskosten und der Beginn wird Ihnen in den nächsten Wochen ebenfalls schriftlich mitgeteilt.“

Mit Schreiben vom 19. August 2014 gab die Klägerin die geplante Steigerung der Investitionskosten ab 1. September 2014 bekannt. In diesem Schreiben wird u. a. ausgeführt: „Bezug nehmend auf unser Schreiben vom Juni 2014 möchten wir Ihnen rechtzeitig gemäß § 9 Abs. 2 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) die Änderungen der Investitionskosten für das Altenwohnzentrum mitteilen.“ Konkret wurde mitgeteilt, dass der bisherige Investsatz von monatlich 258,27 € sich ab den 1. September 2014 auf 672,28 € erhöht. Das Schreiben endete mit folgendem Satz: „Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist deshalb nicht unterschrieben.“

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 erklärte die Beklagte, vertreten durch den Betreuer, gegenüber der Klägerin, dass sie mit in der geltend gemachten Erhöhung der Investitionskosten nicht einverstanden sei.

In der 1. Instanz hat die Klägerin noch beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zu der mit Schreiben vom 19. August 2014 angekündigten Erhöhung des Investitionskostenanteils des Heimentgeltes von 258,27 € auf 627,28 € (Differenz 414,01 €) ab dem 1. Oktober 2014 zu erteilen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.825,72 € (Stand 2. September 2016 - Offene Postenliste der Klägerin) nebst 4,17 % Zinsen per anno ab Zustellung des Mahnbescheides zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte der Erhöhung des Entgelts nicht zugestimmt habe und die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erteilung dieser Zustimmung habe. Diese sei jedoch erforderlich. Eine ausdrückliche Zustimmung zur Erhöhung des Entgeltes sei nicht erteilt worden. Auch liege keine konkludente Zustimmung zu Erhöhung vor. Der Zeitablauf von 4 Monaten bis zur Erklärung des Widerspruchs gegen die Erhöhung sei nicht ausreichend, um eine konkludente Zustimmung anzunehmen. Auch ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zur Erhöhung des Entgeltes aus § 9 Abs. 1 WBVG liege nicht vor. Die strengen Maßstäbe zur Darlegung der Erhöhung der Investitionskosten habe die Klägerin nicht eingehalten.

Die Kammer nimmt im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin. Sie meint, erstmalig seit 2016 verlange der Bundesgerichtshof eine Zustimmung des Heimbewohners. Dies habe zur Folge, dass die Zustimmung des Verbrauchers und die Entgeltanpassung nicht durch einseitige Erklärung herbeizuführen seien. Jedoch sei eine konkludente Zustimmung durch Zahlung des erhöhten Entgelts oder Verstreichenlassen der Kündigungsfrist nach § 11 Abs. 1 S. 2 WBVG möglich. Hier habe die Beklagte die Sonderkündigungsfrist aus § 11 Abs. 1 S. 2 WBVG verstreichen lassen und somit ihre konkludente Zustimmung erteilt. Sie meint, dass ein echtes Formerfordernis im Sinne des § 126 BGB nicht gegeben sei. § 9 WBVG habe den Zweck die Heimbewohner über mögliche Kostensteigerungen zu informieren. Die Schriftform sei lediglich dazu da, dass der Absender - die Heimleitung - eindeutig erkennbar sei.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Amtsgerichts Norden vom 14. März 2017 - Az.: 5 C 396/16 - aufzuheben;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.825,72 € (Stand 2. September 2016 - Offene Postenliste der Klägerin) nebst 4,17 % Zinsen per anno ab Zustellung des Mahnbescheides zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wendet ein, dass das Schreiben vom 19. August 2014 nicht der Schriftform des § 126 BGB genüge.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 513 Abs. 1; 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen im Ergebnis eine andere Entscheidung.

Die Klägerin kann von der Beklagten kein erhöhtes Entgelt gem. § 9 Abs. 1 WBVG verlangen, da kein wirksames Erhöhungsverlangen gem. § 9 Abs. 2 WBVG vorliegt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Erhöhungsverlangen vom 19. August 2014 ist wegen Formmangels gem. § 125 BGB nichtig ist oder die vom Vertrag abweichende Vereinbarung gem. § 6 Abs. 2 WBVG unwirksam ist. Gem. § 9 Abs. 1 S. 1 WBVG kann der Unternehmer, hier die Klägerin, eine Erhöhung des Entgelts, hier der Investitionskosten, verlangen, wenn sich die bisherige Berechnungsgrundlage verändert. Gem. § 9 Abs. 2 WBVG hat der Unternehmer dem Verbraucher die beabsichtigte Erhöhung des Entgelts schriftlich mitzuteilen und zu begründen. Aus der Mitteilung muss der Zeitpunkt hervorgehen, zu dem der Unternehmer die Erhöhung des Entgelts verlangt. Das Gesetz macht zur Voraussetzung, dass der Unternehmer dem Verbraucher die beabsichtigte Erhöhung des Entgeltes schriftlich mitteilt und begründet. Die das Erhöhungsverlangen zum Ausdruck bringende schriftliche Mitteilung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung und stellt ein Angebot zur Änderung des Wohn- und Betreuungsvertrages dar (Bregger in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 9 WBVG, Rn. 14). Die Mitteilung und die sie enthaltene Erklärung müssen schriftlich erfolgen (Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl. 2016, § 9 WBVG Rn. 3; Bregger in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 9 WBVG, Rn. 19). Die Voraussetzungen des § 126 BGB sind nicht nur bei der Begründung des Vertragsverhältnisses, sondern auch bei jeder Vertragsänderung, insbesondere in den Fällen der §§ 8, 9 WBVG, zum Schutze des Verbrauchers einzuhalten (Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl. 2016, § 6 WBVG Rn. 2; Bregger in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 6 WBVG, Rn. 7). Nach § 126 BGB, muss die Urkunde vom Aussteller eigenhändig unterschrieben werden oder mittels notariell beglaubigten Handzeichen unterzeichnet werden, wenn das Gesetz die schriftliche Form vorschreibt. Eine Unterschrift unter dem Erhöhungsverlangen vom 19. August 2014 fehlt mit der Folge, dass die Schriftform des § 126 BGB nicht eingehalten wurde.

Das Schreiben vom 26. Juni 2014 stellt kein Erhöhungsverlangen im Sinne des § 9 WBVG dar. Da das Schreiben damit endet, dass die tatsächliche Erhöhung in den nächsten Wochen schriftlich mitgeteilt wird, wird deutlich, dass es sich um die Ankündigung eines Erhöhungsverlangens im Sinne des § 9 WBVG, jedoch nicht um das Angebot auf Erhöhung des Entgelts handelt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10; 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache besitzt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).