Landgericht Aurich
Beschl. v. 21.06.2017, Az.: 4 S 46/17

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
21.06.2017
Aktenzeichen
4 S 46/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53685
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 10.02.2017 - AZ: 5 C 53/16

Tenor:

Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO wird darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Gründe

I.

Das angefochtene Urteil weist weder Rechtsfehler im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (BGH, NJW 2007, 2919 [BGH 25.04.2007 - VIII ZR 234/06]). Derartige vernünftige Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen sind vorliegend nicht ersichtlich.

Die Klägerin ist prozessführungsbefugt. Soweit die Klage auf Ansprüche gestützt wird, die den Wohnungseigentümern als Individualansprüche zustehen, wie hier der Abwehranspruch aus § 1004 BGB, ist die Prozessführungsbefugnis der Klägerin gegeben. Für solche Abwehransprüche besteht keine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG. Durch den Beschluss vom 20. November 2015 sind solche Ansprüche aber auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung übertragen worden (sog. Ansichziehen) (BGH, NJW 2010, 2801). Durch einen Beschluss, indem die Verwaltung zur gerichtlichen Durchsetzung eines vorher beschlossenen Vorgehens bezüglich eines Abwehranspruchs gem. § 1004 BGB beauftragt und bevollmächtigt wird, wird eine gekorene Ausübungsbefugnis des Verbands gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 2 BGB für die individuellen Ansprüche aus § 1004 BGB der Sondereigentümer begründet, auch wenn dieses im Beschluss nicht ausdrücklich ausgesprochen wird (BGH, NJW 2016, 53 [BGH 10.07.2015 - V ZR 169/14]). Durch den Beschluss vom 20. November 2015 wurde der Verwalter ermächtigt einen Anwalt mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung des Abwehranspruchs bezüglich Entfernung der Mülltonnenboxen zu beauftragen. Das gilt nach § 140 BGB selbst dann, wenn man den genannten Beschluss wegen fehlender Beschlusskompetenz für nichtig erachtet (BGH, NJW 2010, 2801 [BGH 18.06.2010 - V ZR 193/09]).

Die Klage ist auch begründet. Auf die Frage, ob der Beschluss zu TOP 3 nichtig bzw. ungültig ist, kommt es nicht an. Der Anspruch aus § 1004 BGB, 22 Abs. 1, 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG besteht unabhängig von einer Beschlussfassung schon kraft Gesetzes. Wenn eine Maßnahme nach § 22 Abs. 1 - 3 WEG weder durch Beschluss noch durch Vereinbarung legitimiert ist, besteht ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Beseitigung gem. 1004 Abs. 1 S. 1 BGB (Vandenhouten, in: Niedenführ, WEG, 11. Aufl. 2015, § 22 Rn. 186). Dieser Beseitigungsanspruch steht jedem einzelnen Wohnungseigentümer als Minderheitsrecht auch ohne Mehrheitsbeschluss zu (Merle, in: Bärmann, WEG, 12. Aufl. 2013, § 22 Rn. 313).

Es handelt sich bei vorgenommenen Pflasterung und der Aufstellung der Mülltonnenboxen um eine bauliche Veränderung nach § 22 WEG, da diese Maßnahme auf dem gemeinschaftlichen Eigentum erfolgte. Eine zustimmende Beschlussfassung zu dieser baulichen Maßnahme ist unstreitig nicht erfolgt.

Einer baulichen Maßnahme müssen gemäß § 22 Abs. 1 WEG alle Wohnungseigentümer zustimmen, denen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG erwächst. Nachteil ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung. Sie muss konkret und objektiv sein; entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGH, Urteil vom 07. Februar 2014 – V ZR 25/13 –, Rn. 11, juris).

Mit der Aufstellung der Mülltonnenabstellboxen hat die Beklagte Alleinbesitz an einem Teil der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Grünfläche begründet und insoweit die übrigen Wohnungseigentümer von dem ihnen grundsätzlich zustehenden Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums (§ 13 Abs. 2 WEG) ausgeschlossen. Dies läuft auf die Begründung eines Sondernutzungsrechts hinaus (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 19. Februar 1998 – 2Z BR 135/97 –, Rn. 8, juris). Dieses müssen die übrigen Wohnungseigentümer nicht über § 14 Nr. 1 WEG hinnehmen (Vandenhouten, in: Niedenführ, WEG, 11. Aufl. 2015, § 22 Rn. 100).

II.

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Auffassung der Kammer hält sich an die rechtlichen Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses. Die Kammer weist insoweit vorsorglich darauf hin, dass sich die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens im Falle einer Berufungsrücknahme auf die Hälfte ermäßigen (Nr. 1222 KV GKG).