Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 14.09.2018, Az.: 7 B 1139/18

Ablaufhemmung; angemessene Frist; Bekanntgabe; Erlöschen; Festsetzungsfrist; irreführender Zusatz; Steuerberechtigter; Verjährung; Zerlegungsbescheid

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
14.09.2018
Aktenzeichen
7 B 1139/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74014
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 123.387,40 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, die ihren Geschäftssitz stets in D. (gehabt) hat, schloss im Jahre 2011 - seinerzeit noch firmierend als „FSG Automotive GmbH“ - als herrschendes Unternehmen mit der „E. GmbH“ - im Folgenden: „F. GmbH“ -, die ihren Sitz im Stadtgebiet der Antragsgegnerin hat, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Damit wurde ab dem Wirtschaftsjahr 2011 die gewerbesteuerliche Organschaft zwischen der Antragstellerin und der „F. GmbH“ wirksam. Infolgedessen ist die „F. GmbH“ ab dem Jahre 2011 als Betriebsstätte der Antragstellerin anzusehen, so dass die Antragsgegnerin für die Organgesellschaft im Wege der Zerlegung einen Anteil am Gewerbesteuermessbetrag des sogenannten Organkreises erhält. Zuständiges Finanzamt für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages und den Erlass des Zerlegungsbescheides war das Finanzamt G. /Sachsen.

Die Antragstellerin reichte am 21. Dezember 2012 ihre Gewerbesteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2011 bei dem Finanzamt G. ein. Dieses setzte mit Bescheid vom 24. Januar 2013 den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2011 auf 705.239,00 € fest und erließ am selben Tag den Zerlegungsbescheid für den Gewerbesteuermessbetrag für das besagte Jahr. In dem beigezogenen Verwaltungsvorgang des Finanzamtes G. findet sich (lediglich) jeweils eine Ausfertigung dieser Bescheide, wonach diese jeweils an die „Kanzlei H.“ adressiert wurden. Durch den Zerlegungsbescheid wurden der Antragsgegnerin 96.398,90 € als Messbetrag zugewiesen. Der Gewerbesteuermessbetragsbescheid und der Zerlegungsbescheid ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nachdem in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis zum 02. April 2015 - mit Unterbrechungen - für den Prüfungszeitraum 2009-2011 eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin durchgeführt worden war, hob das Finanzamt G. den Vorbehalt der Nachprüfung mit Bescheiden vom 17. Juni 2015 jeweils auf. Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages und die Aufteilung in dem Zerlegungsbescheid blieben unverändert. Die Antragsgegnerin erhielt - so ihr Vortrag - erstmals Kenntnis von dem Zerlegungsbescheid durch die E-Mail einer Mitarbeiterin der für die Antragstellerin tätigen Steuerberatungsgesellschaft vom 27. November 2017, der als Anlage der Zerlegungsbescheid beigefügt war.

Mit vorliegend angegriffenen Bescheiden vom 05. Dezember 2017, der genannten Steuerberatungsgesellschaft jeweils am Folgetag zugegangen, setzte die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin Gewerbesteuern für das Veranlagungsjahr 2011 in Höhe von 385.595,60 € und Nachforderungszinsen in Höhe von 107,954,00 € fest. Die Rechtsbehelfsbelehrung hierzu lautet jeweils:

„Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage erhoben werden. Die Klage ist beim Verwaltungsgericht Hannover, Leonhardtstraße 15, 30175 Hannover schriftlich, zur Niederschrift oder in der Form eines elektronischen Dokuments mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 Signaturgesetz (SigG) vom 16.05.2001 (BGBl. I S. 876), zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. III des Gesetzes vom 07.08.2013 (BGBl. I S. 3154) des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.“

Hiergegen legte die Antragstellerin über ihre Steuerberater mit Eingang bei der Antragsgegnerin am 05. Januar 2018 Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig, die sofortige Vollziehung der Bescheide auszusetzen. Zur Begründung ließ sie im Wesentlichen ausführen, es sei Festsetzungsverjährung eingetreten. Unter dem 24. Januar 2018 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur Abweisung des Widerspruchs wegen dessen Unzulässigkeit an. Über den Aussetzungsantrag hat die Antragsgegnerin bislang nicht entschieden.

Die Antragstellerin hat am 08. Februar 2018 Klage erhoben - 7 A 1136/18 - und sucht gleichzeitig um vorläufigen Rechtschutz nach. Zur Begründung führt sie aus, die Klage sei fristgemäß erhoben, weil wegen der Fehlerhaftigkeit der den angegriffenen Bescheiden jeweils beigefügten Rechtsbehelfsbelehrungen die Jahresfrist gelte. Die Rechtsbehelfsbelehrungen seien fehlerhaft, weil sie einen unzulässigen Verweis auf das Signaturgesetz, das mit Wirkung vom 29. Juli 2017 außer Kraft getreten sei, enthielten. Bei der Verwendung von Angaben, die nicht zwingend vorgeschrieben seien, müssten diese Angaben richtig, vollständig und unmissverständlich sein. Die Angaben zur Klageeinreichung auf elektronischem Wege seien unvollständig, weil sie keinen Hinweis auf die Form und den Kanal der Einreichung enthielten. Die Rechtsbehelfsbelehrungen seien irreführend, weil sie den Eindruck erweckten, dass die Klageeinreichung auf elektronischem Wege ebenfalls nur beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle möglich sei. Hilfsweise werde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Verschulden der lediglich als Hilfsperson tätig gewordenen Rechtsanwältin Haberecht, auf deren Verhalten zurückzuführen sei, dass nicht rechtzeitig Klage erhoben, sondern Widerspruch eingelegt worden sei, sei der Antragstellerin nicht zuzurechnen. Im Übrigen habe die Antragsgegnerin, für die offensichtlich gewesen sei, dass die Widerspruchseinlegung in Niedersachsen nicht zulässig sei, die Antragstellerin treuwidrig nicht auf diesen Umstand hingewiesen.

Der Gewerbesteueranspruch der Antragsgegnerin aus dem Jahre 2011 sei aufgrund der seit dem 22. Juni 2017 eingetretenen Verjährung gemäß § 47 Alt. 4 Abgabenordnung (AO) erloschen. Der Fristbeginn für die Verjährung der Festsetzung des streitigen Gewerbesteueranspruchs richte sich nach der Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO i.V.m. § 149 Abs. 1 Satz 1 AO, § 14a Gewerbesteuergesetz. Danach beginne die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht worden sei, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folge, in dem die Steuer entstanden sei. Die Antragstellerin habe die Steuererklärung für das Veranlagungsjahr 2011 im Dezember 2012 abgegeben. Die Festsetzungsfrist habe mithin am 01. Januar 2013 zu laufen begonnen. Der Gewerbesteueranspruch unterliege grundsätzlich der regelmäßigen Verjährungsfrist von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Ohne Berücksichtigung einer etwaigen Ablaufhemmung gemäß § 171 AO sei mit Ablauf des 31. Dezember 2016 Festsetzungsverjährung eingetreten. Hier sei der Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist für die Festsetzung der Gewerbesteuer auch nicht über § 171 Abs. 10 Satz 1 AO zu verlängern. Danach laufe die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides ab, soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Festsetzungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt - hier der Zerlegungsbescheid - bindend sei. Im vorliegenden Fall führe die besagte Zwei-Jahres-Frist nicht zu einer Verlängerung der allgemeinen Festsetzungsverjährung, weil sie bereits innerhalb der laufenden Festsetzungsfrist geendet sei. Der Zerlegungsbescheid des Finanzamtes G. vom 24. Januar 2013 gelte gemäß §§ 188 Abs. 1, 122 Abs. 2 Nr. 1 AO bei Übermittlung per Post am dritten Tage nach Aufgabe als bekannt gegeben. Dies wäre der 27. Januar 2013 gewesen, ein Sonntag. Nach § 108 Abs. 3 AO beginne die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags, hier am Montag, den 28. Januar 2013. Die Zwei-Jahres-Frist des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO sei damit am Mittwoch, den 28. Januar 2015 geendet. Die reguläre Festsetzungsverjährung ende jedoch erst zum 31. Dezember 2016. Damit liege der Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO deutlich vor dem Ablauf der regulären Festsetzungsverjährung und führe damit nicht zu einer Fristverlängerung. Für die Bestimmung der Zwei-Jahres-Frist des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO komme es allein auf die Bekanntgabe des Grundlagenbescheides gegenüber dem Steuerpflichtigen, mithin der Antragstellerin, an. Der Zeitpunkt des Zugangs der finanzverwaltungsinternen Mitteilung über den Grundlagenbescheid bei der für den Erlass des Folgebescheides zuständige Finanzbehörde sei gemäß §§ 185, 184 Abs. 3 AO für die Fristbestimmung unbeachtlich. Auch die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit den Bescheiden vom 17. Juni 2015 sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Die Aufhebung dieses Vorbehaltes rechtfertige, wenn damit zugleich eine Änderung der festgestellten Besteuerungsgrundlage nicht verbunden sei, keine Änderung des Folgebescheides nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Selbst wenn die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung bezüglich des Grundlagenbescheides dem Erlass eines geänderten Grundlagenbescheides gleichstünde, liege der Erlass der angegriffenen Bescheide am 05. Dezember 2017 dennoch außerhalb der Festsetzungsverjährung. In diesem Fall beginne die Zwei-Jahres-Frist des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO ebenfalls am dritten Tag nach Aufgabe des Zerlegungsbescheides bzw. am nächstfolgenden Werktag, mithin am Montag, den 22. Juni 2015, und ende demnach am Donnerstag, den 22. Juni 2017. Weiterhin laufe die Festsetzungsfrist für einen Folgebescheid nach § 171 Abs. 10 AO nicht ab, solange der Ablauf der Festsetzungsfrist des von der Bindungswirkung nicht erfassten Teils der Steuer aufgrund einer Außenprüfung gehemmt sei. Da sich hier die Betriebsprüfung auch auf den Bereich der Gewerbesteuer erstreckt habe, sei die Festsetzungsfrist für den Zerlegungsbescheid mit Beginn der Außenprüfung am 12. Juni 2013 nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt gewesen. In solchen Fällen laufe die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden seien (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO). Der im Zerlegungsbescheid enthaltene Vorbehalt der Nachprüfung sei nach Abschluss der Betriebsprüfung mit Bescheid vom 17. Juni 2015 aufgehoben worden, sodass die Unanfechtbarkeit mit Ablauf der Monatsfrist am 17. Juli 2015 und damit vor der regelmäßigen Verjährung am 31. Dezember 2016 eingetreten sei. Da der Gewerbesteueranspruch aus dem Jahr 2011 erloschen sei, erweise sich auch die Festsetzung der Zinsen nach § 233a AO als rechtswidrig.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer am 08.02.2018 erhobenen Klage - 7 A 1136/18 – anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie entgegnet, ihr Gewerbesteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2011 und ihr Zinsbescheid zur Gewerbesteuer für jenes Veranlagungsjahr seien bestandskräftig. Die Antragstellerin habe bei ihr keinen erfolglosen Aussetzungsantrag gestellt. Sie habe der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, den Widerspruch zurückzunehmen, bevor dieser als unzulässig zurückgewiesen worden wäre. Die der Antragstellerin hierzu eingeräumte Frist bis zum 09. Februar 2018 sei noch nicht verstrichen gewesen, als der vorliegende Antrag des vorläufigen Rechtsschutzes bei Gericht angebracht worden sei. Sie habe mit einer Entscheidung über den Aussetzungsantrag bis zum Ablauf der gesetzten Frist warten dürfen. Die Rechtsbehelfsbelehrungen seien zutreffend. Eine Belehrung über die Form des Rechtsbehelfs sei entbehrlich. Die Rechtsbehelfsbelehrungen seien auch nicht irreführend. Die festgesetzte Steuerforderung sei noch nicht verjährt. Ihr seien weder der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2011 vom 24. Januar 2013 noch der Bescheid für 2011 vom 17. Juni 2015 bekannt gegeben, sodass jedenfalls die Frist des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO noch nicht abgelaufen sei. Bei der Bekanntgabe des Zerlegungsbescheides handele es sich nicht um eine verwaltungsinterne Mitteilung. Dieses Verständnis ergebe sich auch aus dem Zweck der Vorschrift. Da sie, die Antragsgegnerin, eine der Adressaten des Grundlagenbescheides sei, habe noch keine Festsetzungsverjährung eintreten können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und des Finanzamtes G. Bezug genommen.

II.

Der teilweise unzulässige (I.) Antrag ist unbegründet (II.). Der Gewerbesteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 05. Dezember 2017 und der Zinsbescheid hierzu vom selben Tag dürften rechtmäßig sein.

I.

Der Antrag ist teilweise unzulässig.

1.

Der Antrag ist unzulässig, soweit die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz gegen den Zinsbescheid der Antragsgegnerin vom 05. Dezember 2017 begehrt. Einer Klage gegen die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) kommt kraft Gesetz aufschiebende Wirkung zu, weil solche Nachzahlungszinsen keine Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sind. Die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen dienen nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht vorrangig der Finanzierung öffentlicher Haushalte (vgl. Nds.OVG, Beschl. v. 08.07.2013 - 9 ME 110/12 -, juris Rn.1 = Nds. Rpfl. 2013, S. 380).

2.

Im Übrigen ist der Antrag zulässig, insbesondere ist er statthaft.

a.

Der Antrag ist nicht etwa unzulässig, weil die Anfechtungsklage verfristet erhoben ist. Die erkennende Kammer geht dabei jedenfalls mit Geltung für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes davon aus, dass sowohl dem Gewerbesteuer- als auch dem Zinsbescheid eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war und daher die Klageerhebung innerhalb eines Jahres nach Zustellung der am 06. Dezember 2017 zugestellten, angegriffenen Bescheide der Antragsgegnerin vom 05. Dezember 2017 rechtzeitig gewesen ist.

Gemäß § 58 Abs 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist. Eine Belehrung über das Formerfordernis des § 81 Abs. 1 VwGO, die Klage bei dem Gericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben, verlangt § 58 Abs. 1 VwGO nicht. Auch die vom Gesetz geforderte Belehrung "über den Rechtsbehelf" schließt eine Belehrung über das mit § 81 Abs. 1 VwGO aufgestellte Formerfordernis nicht ein. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht nur dann fehlerhaft, wenn sie die in § 58 Abs 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht enthält. Das trifft vielmehr auch dann zu, wenn ihr ein unrichtiger oder irreführender Zusatz beigefügt ist, der geeignet ist, beim Betroffenen einen Irrtum über die formellen und/oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf einzulegen bzw rechtzeitig einzulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.1978 - 6 C 77/78 -, juris Rn. 22f., m.w.N; BVerwG, Beschl. v. 03.03.2016 - 3 PKH 5/15 -, juris Rn. 6) Es kommt dabei nicht darauf an, ob der zu beanstandende Zusatz der Belehrung im konkreten Fall tatsächlich einen Irrtum hervorgerufen und dazu geführt hat, dass das Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig eingelegt worden ist. § 58 VwGO macht den Lauf der Fristen in allen Fällen von der Erteilung einer ordnungsgemäßen Belehrung abhängig, ohne Rücksicht darauf, ob den Betroffenen die Möglichkeit und die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Rechtsbehelfe tatsächlich unbekannt waren und ob das Fehlen oder die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung kausal für das Unterbleiben oder die Verspätung des Rechtsbehelfs war. Das dient der Rechtsmittelklarheit; indem § 58 VwGO seine Rechtsfolgen allein an die objektiv feststellbare Tatsache des Fehlens oder der Unrichtigkeit der Belehrung knüpft, gibt die Vorschrift sämtlichen Verfahrensbeteiligten gleiche und zudem sichere Kriterien für das Bestimmen der formellen Rechtskraft an die Hand (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.4.2009, 3 C 23/08, juris Rn. 17).

Die Formulierung in den Rechtsmittelbelehrungen, "Die Klage ist beim … schriftlich, zur Niederschrift oder in der Form eines elektronischen Dokuments mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 Signaturgesetz (SigG) vom …zu erheben", widerspricht dem Gesetz. Denn nach § 55a Abs. 1 VwGO können vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 (des § 55a VwGO) als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden; das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (Abs. 3).

Die Verweisung auf die qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 Signaturgesetz (SigG), das zum Zeitpunkt des Ergehens der angegriffenen Bescheide bereits außer Kraft getreten war, dürfte dem Betroffenen die Rechtsverfolgung in einer vom Gesetz nicht gewollten Weise erschweren. Es ist durchaus denkbar, dass ein Empfänger eines Gewerbesteuerbescheides von der Klageerhebung mittels elektronischer Signatur durch die insoweit fehlerhaften Ausführungen in der Rechtsbehelfsbelehrung abgehalten wird.

b.

Der Antrag ist statthaft. Die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind erfüllt. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO bestimmt, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO - also bei der hier in Streit stehenden Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten - nur zulässig ist‚ wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt gemäß § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO nur dann nicht, wenn die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat (Nr. 1) oder eine Vollstreckung droht (Nr. 2). Hier sind die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 VwGO gegeben. Ausschlaggebend für die Angemessenheit der Frist im Sinne von § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO sind die Umstände des Einzelfalls. Als Orientierungswert ist dabei auf die Monatsfrist des § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VwGO zurückzugreifen (vgl. NdsOVG‚, Beschl. v. 30.01.2008 - 1 ME 270/07 -, juris Rn. 6; BayVGH, Beschl. v. 05.03.2015 - 6 CS 15.369 -, juris Rn. 6ff.; SächsOVG‚ Beschl. v. 09.08.2002 - 5 BS 191/02 -, juris Rn. 8; Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner‚ VwGO‚ § 80 Rn. 348). Eine solche im Regelfall angemessene Zeitspanne von einem Monat hat die Antragstellerin abgewartet. Die Antragstellerin hat über ihre Steuerberater die Aussetzung der Vollziehung des angegriffenen Steuer- und Zinsbescheides mit bei der Antragsgegnerin am 05. Januar 2018 eingegangenem Schreiben beantragt und hat erst am 08. Februar 2018 bei dem erkennenden Gericht den vorliegenden Antrag angebracht. Die Antragsgegnerin hat keinen zureichenden Grund i.S.d. § 80 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 VwGO dafür genannt, den Aussetzungsantrag nicht innerhalb der Monatsfrist beschieden zu haben. Auch das Schreiben der Antragsgegnerin an die Steuerberater der Antragstellerin vom 24. Januar bezeichnet eine solchen Grund nicht. Mit ihm gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin (lediglich) Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig zu äußern. Auch im Übrigen sind Gründe, die vorliegend für eine Verlängerung der Entscheidungsfrist sprechen könnten, nicht ersichtlich.

II.

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Jedenfalls mit Geltung für das Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes geht die Kammer davon aus, dass der Gewerbesteueranspruch der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin für das Jahr 2011 nicht erloschen ist, weil der Anspruch nicht verjährt sein dürfte.

Gemäß § 47 AO erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (u. a.) insbesondere durch Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232 AO). Da nach § 185 AO auf die in den Steuergesetzen vorgesehene Zerlegung von Steuermessbeträgen die für die Steuermessbeträge geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, soweit in den folgenden Vorschriften der Abgabenordnung nichts anderes bestimmt ist - was hier nicht der Fall ist -, und nach § 184 Abs. 1 S. 3 AO bei der Festsetzung von Steuermessbeträgen durch Steuermessbescheide (§ 184 Abs. 1 S. 1 AO) die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß anzuwenden sind, greifen vorliegend die Vorschriften der Abgabenordnung über die Festsetzungsverjährung.

Die Frist für die Festsetzung der streitigen Gewerbesteuern begann am 01. Januar 2013 zu laufen. Gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuerklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem eine Steuerklärung eingereicht wird. Die Antragstellerin reichte die Erklärung zur Festsetzung des Steuermessbetrages und die Zerlegungserklärung, die nach §§ 14a, 28 GewStG, § 149 AO abzugeben sind, für das Jahr 2011 im Dezember 2012 bei dem Finanzamtes G. ein. Zwar ist in dem seitens dieses Finanzamtes vorgelegten Verwaltungsvorgang der Inhalt des Eingangsstempels auf den vom 20. Dezember 2012 datierenden Steuererklärungen geschwärzt. Das Finanzamt G. hat aber mit Schreiben vom 11. September 2018 mitgeteilt, dass die besagte Steuerklärung dort am Dezember 2012 eingegangen ist.

Der streitige Gewerbesteueranspruch dürfte nicht verjährt sein. Gemäß § 169 Abs. 1 S. 1 u. 3 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat (Nr. 1) oder bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird (Nr. 2). Die Festsetzungsfrist beträgt für Steuern und Steuervergütungen, die keine Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen oder Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind, vier Jahren (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO). Danach wäre hier die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des 31. Dezember 2016 eingetreten.

Dieser Verjährung dürfte jedoch eine Ablaufhemmung - durch die der Eintritt der Festsetzungsverjährung bis zum Wegfall des Hemmungstatbestandes hinausgeschoben wird, so dass es bei Wegfall innerhalb der regulären Festsetzungsfrist bei dieser bleibt (vgl. Rüsken in: Klein, AO, 13. Aufl., Rn. 1 zu § 171, m.w.N.) - gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 AO entgegenstehen. Gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 AO endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides, soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid). Bei der Erhebung von Gewerbesteueransprüchen ist ggf. der Zerlegungsbescheid der Grundlagenbescheid i.S.v. § 171 Abs. 10 AO (vgl. Rüsken in: Klein, a.a.O., Rn. 102 zu § 171, m.w.N.). Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages ist für die Gemeinde gemäß §§ 184 Abs. 1 Satz 4, 182 Abs. 1 Satz 1 AO bindend. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist unter Bekanntgabe i.S.d. § 171 Abs. 10 Satz 1 AO nicht lediglich diejenige an den Steuerpflichtigen zu verstehen (so aber: Rüsken in: Klein, a.a.O., Rn. 98 zu § 171), sondern die Bekanntgabe an alle Beteiligten (vgl. BFH, Urt. v. 27.03.1996 - I R 83/94 -, juris Rn. 12ff), zu denen hier auch die Antragsgegnerin zählt. Denn nach § 188 Abs. 1 AO ergeht über die Zerlegung ein schriftlicher Bescheid (Zerlegungsbescheid), der den Beteiligten bekannt zu geben ist, soweit sie betroffen sind. Gemäß § 186 Satz 1 AO sind am Zerlegungsverfahren der Steuerpflichtige und die Steuerberechtigten, denen ein Anteil an dem Steuermessbetrag zugeteilt worden ist - hier die Antragsgegnerin - oder die einen Anteil beanspruchen, beteiligt. § 186 AO verdrängt für das Zerlegungsverfahren als speziellere Vorschrift § 78 AO (vgl. Ratschow in: Klein, a.a.O., Rn. 1 zu § 186). Indem § 188 letzter Hs AO für die Bekanntgabe eine Betroffenheit voraussetzt, wird (lediglich) klargestellt, dass der Steuerpflichtige den vollständigen Zerlegungsbescheid und die Gemeinden grundsätzlich nur einen Auszug aus dem Zerlegungsbescheid mit den sie betreffenden Daten erhalten (Ratschow in: Klein, a.a.O., Rn. 1 zu § 188).

Die Festsetzungsfrist betreffend den streitigen Gewerbesteueranspruch der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin für das Jahr 2011 hatte danach zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der angegriffenen Bescheide vom 05. Dezember 2017 noch nicht geendet, weil deren Ablauf gehemmt war. Denn nach dem Inhalt der von der Antragsgegnerin und von dem Finanzamt G. vorgelegten Verwaltungsvorgänge sind weder der Zerlegungsbescheid des Finanzamtes G. noch dessen Messbescheid jeweils vom 24. Januar 2013 noch die Bescheide des Finanzamtes G. vom 17. Juni 2015, mit denen jeweils der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde, der Antragsgegnerin bekanntgegeben worden.

Daher kann offen bleiben, ob - wie die Antragstellerin meint - nicht maßgebend für den Beginn der Ablaufhemmung der Zeitpunkt ist, zu dem der Vorbehalt der Nachprüfung des Grundlagen-, hier des Zerlegungsbescheides, aufgehoben wird, obwohl eine sachliche Änderung des Grundlagenbescheides nicht erfolgt ist (so aber: Rüsken in: Klein, a.a.O., Rn. 97 zu § 171, m.w.N.).

Im Übrigen sind Rechtsfehler bei der angegriffenen Gewerbesteuerfestsetzung nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes -GKG-. Nach Nr. 1.5 und 3.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2/2013, S. 57-68 [www.bundesverwaltungsgericht.de]) hat das Gericht der Wertbemessung ¼ der streitigen Forderung (493.549,60 € : 4 = 123.387,40 €) zu Grunde gelegt.