Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 28.09.2018, Az.: 10 B 5872/18

Abschiebungsandrohung; Ausreisefrist; einwöchige Ausreisefrist; Ghana; inlandsbezogenes Abschiebungshindernis; offensichtlich unbegründet; Rücknahme; Rücknahme des Asylantrags; Rücknahme des Asylantrags nach Entscheidung des Bundesamts; sicherer Herkunftsstaat

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
28.09.2018
Aktenzeichen
10 B 5872/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74004
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Androhung der Abschiebung nach Ghana oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat.

Die Antragstellerin ist nach eigenen Angaben ghanaische Staatsangehörige. Sie reiste ebenfalls eigenen Angaben zufolge am 18. Mai 2017 aus Italien kommend auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 9. Januar 2018 einen förmlichen Asylantrag. In der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Antragsgegnerin gab die Antragstellerin an, dass sie Ghana aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe. Sie habe den Lebensunterhalt für sich und ihren Sohn, den sie bei seiner Großmutter zurückgelassen habe, mit dem An- und Verkauf von Schmuck sichergestellt. Der Markt, auf dem sie ihre Sachen verkauft habe, sei von den Behörden geschlossen worden. Danach habe sie keine Möglichkeit mehr gesehen, ihre Sachen zu verkaufen. Als ihre Ersparnisse aufgebraucht gewesen seien, habe sie nicht mehr gewusst, was sie hätte in Ghana tun sollen. Die Wirtschaft in ihrem Herkunftsland sei sehr schlecht, die Leute litten Armut. Sie sei schwanger.

Mit Bescheid vom 28. August 2018 lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) als auch den Antrag auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab. Ferner wurden Abschiebungshindernisse verneint (Nr. 4), die Antragstellerin wurde zur Ausreise binnen einer Woche aufgefordert und ihr die Abschiebung nach Ghana oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreiseverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG befristete die Antragsgegnerin auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 6).

Die Antragstellerin hat am 6. September 2018 rechtzeitig Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist – 10 A 5871/18 – und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt sie aus, dass sie den Antrag auf internationalen Schutz zurücknehme, weil der Vater ihres Kindes deutscher Staatsangehöriger sei und sie ein Aufenthaltsrecht beanspruchen könne, sobald die Geburt ihres Kindes beurkundet sei. Die erforderlichen Urkunden habe sie aus Ghana beschafft und dem Standesamt bereits vorgelegt. Sie bitte darum, das Verfahren bis zur Ausstellung der Geburtsurkunde ihres Sohnes auszusetzen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 6. September 2018 – 10 A 5871/18 – gegen den Bescheid vom 28. August 2018 anzuordnen, soweit ihr darin die Abschiebung angedroht wird.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Die Entscheidung ergeht aufgrund von § 76 Abs. 4 AsylG durch den Berichterstatter als Einzelrichter.

1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere gemäß § 75 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, soweit sich die Klage gegen die unter Nummer 5 des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Androhung der Abschiebung der Antragstellerin nach Ghana oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat richtet, und fristgerecht gestellt worden.

Die Antragstellerin hat den Antrag zwar durch eine Betreuerin des Deutschen Roten Kreuzes erheben lassen, die nicht gem. § 67 VwGO vertretungsbefugt ist. Auch die Prozesshandlungen einer nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und damit die rechtzeitige Antragstellung am 6. September 2018 sind jedoch gem. § 67 Abs. 3 Satz 2 VwGO bis zur Zurückweisung der Bevollmächtigten wirksam.

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts der Antragstellerin im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge.

a. Für die Beurteilung des Gerichts maßgebend ist dabei § 36 Abs. 4 AsylG, wonach die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen (Satz 1), wobei Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt bleiben, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Satz 2). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist auch im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 AsylG.

Ernstliche Zweifel in vorgenannten Sinn liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 –, juris). Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Anknüpfungspunkt der gerichtlichen Überlegungen zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann (vgl. BVerfG vom 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 –, juris). Darüber hinaus hat das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen ist und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, zu prüfen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in § 36 AsylG nicht unmittelbar zu entnehmen, jedoch gebietet Art. 103 Abs. 1 GG deren Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 – a. a. O. –, Rn. 172; Beschluss vom 10.7.1997 – 2 BvR 1291/96 –, juris).

b. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Bundesamtes, der Ablehnung des Antrags als offensichtlich unbegründet und der darauf gestützten Abschiebungsandrohung keine ernstlichen Zweifel.

aa. Der Asylantrag war schon nach § 29 a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, weil die Antragstellerin aus Ghana stammt dieser Staat als sicherer Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 GG eingestuft ist und die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht hat, dass ihr abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG droht.

Zugleich ist der Antrag gem. § 30 Abs. 2 AsylG offensichtlich unbegründet, weil schon nach dem Vorbringen der Antragstellerin offensichtlich ist, dass sie sich nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen im Bundesgebiet aufhält. Die Antragstellerin hat insoweit selbst angegeben, Ghana aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben, weil ihr Straßenhandel kein Geld mehr abgeworfen habe und die wirtschaftliche Lage insgesamt schlecht sei. Im Einzelnen folgt das Gericht der Begründung des angefochtenen Bescheides und nimmt auf diesen Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).

bb. Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hat die Antragstellerin weder geltend gemacht noch sind sie sonst ersichtlich.

Soweit sie sich darauf beruft, dass ihr am 30. März 2018 geborenes Kind von seinem Vater die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe und im Hinblick darauf die Abschiebung im Lichte von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zur Wahrung der Familieneinheit auszusetzen sei, macht sie inlandsbezogene Abschiebungshindernisse geltend. Solche Hindernisse kann die Antragstellerin nicht dem Bundesamt entgegenhalten, sondern nur gegenüber der Ausländerbehörde geltend machen, die sie beim Vollzug der Abschiebung zu prüfen haben wird.

cc. Schließlich ist auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Abschiebungsandrohung selbst rechtmäßig ergangen ist.

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlässt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn die Ausländerin nicht als Asylberechtigte anerkannt wird, ihr nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird und kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und die Ausländerin keinen Aufenthaltstitel besitzt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragstellerin ihr Schutzgesuch nach der Entscheidung des Bundesamts zurückgenommen hat. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist auch bei einer Einstellung des Verfahrens aufgrund einer Rücknahme des Asylantrages berechtigt, eine Abschiebungsandrohung zu erlassen. Der Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 AsylG erfasst auch die Fälle, in denen es einer Sachentscheidung wegen der Rücknahme des Antrags grundsätzlich nicht mehr bedarf, da § 32 AsylG keine die Anwendung des § 34 AsylG ausschließende Spezialvorschrift darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 – BVerwG 10 C 27.08 –, juris).

Auch auf die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Ausreise binnen einer Woche wirkt sich die Rücknahme des Asylantrags nicht aus. Denn die Ausreisefrist bemisst sich, wenn der Antrag nicht im Sinne von § 38 Abs. 2 AsylG vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen wird, nach der ergangenen Sachentscheidung (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 12.5.2016 – 5 A 4509/15 –, juris; Müller, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, Rn. 5 zu § 38 AsylG; Pietsch, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 19. Edition Rn. 6 zu § 38). Das ist hier weiter die Wochenfrist gem. § 36 Abs. 1 AsylG, nachdem der Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Da die Antragstellerin gem. § 38 Abs. 2 AsylG auch dann binnen einer Woche hätte ausreisen müssen, wenn sie ihr Schutzgesuch noch vor der Entscheidung des Bundesamts zurückgenommen hätte, begründet die vor Rücknahme ergangene Entscheidung für sie im Übrigen keine eigenständige Beschwer.

Schließlich steht der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung auch nicht entgegen, dass nach § 38 Abs. 3 AsylG im Falle der Rücknahme des Asylantrages zur freiwilligen Ausreise bis zu drei Monaten eingeräumt werden kann, weil die Antragstellerin bisher keine freiwillige Ausreise in Aussicht gestellt hat.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 80 AsylG).