Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.09.2018, Az.: 1 A 12180/17

Friedhof; Grabgestaltung; Grabmal; Stinkefinger; Zeigefinger

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
21.09.2018
Aktenzeichen
1 A 12180/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74220
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Friedhof ist keine Kunstausstellungsfläche. Ihm kommt nicht die Aufgabe zu, den Besuchern eine Auseinandersetzung mit den möglichen Bedeutungsgehalten eines i. S. d. offenen Kunstbegriffs interpretationsfähigen und -bedürftigen Werkes aufzudrängen bzw. sie zur geistig-intellektuellen Befassung mit der Wirkung verschiedener Kunstwerke gleichsam zu nötigen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung eines Antrags auf Genehmigung zur Aufstellung eines Grabmals.

Die am 4. September 2016 verstorbene Ehefrau des Klägers wurde auf dem B. im Stadtgebiet der Beklagten im Wahlgrab Nr. C. beigesetzt. Am 28. September 2017 stellte der Kläger einen Antrag auf Genehmigung zur Aufstellung eines Grabmals in Form eines handwerklich aus Sandstein hergestellten erhobenen Fingers auf einem Sockel mit einer Höhe von insgesamt 150 cm über dem Gelände. Die Skulptur wurde nach Darstellung des Klägers im Jahre 1977 vom Bildhauer und Steinmetz Eckart Grenzer anlässlich der Kunstausstellung "documenta 6" als eine von 100 Skulpturen erschaffen, welche er als Steinwald bezeichnete. Auf dem als Sockel ausgestalteten unteren Bereich der insgesamt ca. 180 cm hohen Skulptur mit den Abmessungen 14 cm x 14 cm befindet sich die Inschrift "Carpe diem". Die Skulptur ist derzeit im Garten des Klägers aufgestellt.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. November 2017 ab. Gemäß § 18 Abs. 2 der Friedhofssatzung der Beklagten - FS - müssten alle Grabmale der Würde des Ortes entsprechend gestaltet sein. Dies sei bei dem beantragten Grabmal in Form eines ca. 150 cm großen Fingers nicht der Fall.

Der Kläger hat am 6. Dezember 2017 Klage gegen den Ablehnungsbescheid erhoben. Eine genauere Definition des Begriffes der Würde des Ortes fehle. Vor allem fehle eine detaillierte Beschreibung, warum der Finger die Würde verletzen könne. Der mit der Inschrift "Carpe diem" gemeinte Appell, dass der Tag genossen und stets die positiven Seiten des Lebens betrachtet werden sollten, sei ein "Fingerzeig" gerade auch für die Besucher des Friedhofs. Der Kläger habe mit seiner Ehefrau über die Gestaltung der gemeinsamen Grabstätte gesprochen. Es entspreche dem Wunsch des Klägers und seiner Ehefrau, den Finger auf der Grabstätte zu errichten. Dessen Höhe lassen sich variabel gestalten, je nachdem wie tief der Sockel in der Erde verankert werde. In unmittelbarer Nähe der Grabstelle befinde sich ein älteres 183 cm hohes Grabmal. Freistehende Säulen würden seit der Antike als Grabmal oder als Inschriften- bzw. Grenzstein Verwendung finden. Die von der Beklagten angenommene Effekthascherei und aufdringliche Dominierung des Friedhofs könne nicht nachvollzogen werden. Die Vorstellungen Einzelner oder gar der Friedhofsbehörde, was würdevoll sei, sei nicht entscheidend. Bei der Geste des "Stinkefingers" würden neben dem gestreckten Mittelfinger auch noch ansatzweise der Zeige- und Ringfinger sowie der Handrücken mit dargestellt. Bei der Skulptur sei für jedermann ersichtlich, dass es sich um einen erhobenen, mahnenden Zeigefinger handele. Die Stele sei unbedingt mit dem Zitat "Carpe diem" zu verknüpfen, da nur beides gemeinsam das geschaffene Kunstwerk ergebe. Es sei geradezu ein Ausdruck von Würde.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. November 2017 zu verpflichten, die am 28. September 2017 beantragte Genehmigung zur Grabmalaufstellung zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf dem B. gäbe es zwar keine besonderen Gestaltungsvorschriften. Regelungen zur Gestaltung zwecks Sicherstellung einer ordnungsgemäßen und würdigen Bestattung seien aber zulässig. Dies schließe die Befugnis ein, vom Friedhof solche Gestaltungsformen fernzuhalten, die nach allgemeiner Anschauung der Würde des Ortes abträglich oder sonst geeignet seien, Ärgernis zu erregen oder die Benutzer in ihren Empfindungen ernsthaft zu stören. Dabei sei auf den "gebildeten Durchschnittsmenschen" abzustellen. Grabmale, die aufdringlich, effektheischend oder sonst objektiv geeignet wären, Ärgernis zu erregen, stünden einer würdigen Bestattung und einem ungestörten Totengedenken entgegen. Die Aufstellung des ausgestreckten Fingers sei zum einen wegen der Größe unzulässig. Auf dem B. seien überwiegend stehende Grabmale mit einer Höhe von 1 m und einer Breite von 1,20 m vorhanden. Das beantragte Grabmal würde den Friedhof aufdringlich und effektheischend dominieren. Zum anderen würde der ausgestreckte Finger Ärgernis erregen und das Totengedenken beeinträchtigen. Der gebildete Durchschnittsmensch empfinde den ausgestreckten Finger als ausgestreckten Mittelfinger, wobei diese Geste abwertend und verletzend gemeint und in Deutschland mit Strafe bedroht sei. Der Zusatz "Carpe diem" werde nicht wahrgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die nach dem Übertragungsbeschluss der Kammer vom 13. August 2018 der Einzelrichter entscheidet (§ 6 Abs. 1 VwGO), hat keinen Erfolg.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung der beantragten Genehmigung zur Aufstellung seiner von Eckart Grenzer geschaffenen Skulptur in Gestalt eines ausgestreckten Fingers als Grabmal auf dem Wahlgrab Nr. C., wie es für eine erfolgreiche Verpflichtungsklage erforderlich wäre (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vielmehr hat die Beklagte den Antrag in rechtlich nicht zu beanstandender Weise aufgrund des § 18 Abs. 2 FS abgelehnt.

Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 FS müssen alle Grabmale und gärtnerische Anlagen der Würde des Ortes entsprechend gestaltet sein. In § 18 Abs. 2 Satz 2 FS sind einzelne - vorliegend nicht einschlägige - konkrete Ausgestaltungen genannt, die nicht gestattet sind.

Jedenfalls bei § 18 Abs. 2 Satz 1 FS handelt es sich erkennbar nicht um eine von bestimmten ästhetischen Vorstellungen der Friedhofsgestaltung getragene besondere Gestaltungsvorschrift, die besonders rechtfertigungsbedürftig und nur bei Vorhalten einer Ausweichmöglichkeit als zulässig angesehen werden könnte (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 20.11.2007 - 7 BN 5/07 -, juris Rn. 7), sondern um eine allgemeine Gestaltungsvorschrift, die der Erreichung des Friedhofszwecks dient. Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG umfasst zwar den Wunsch naher Angehöriger eines Verstorbenen, des Toten nach eigenen Vorstellungen zu gedenken und hierzu auch Grabmale nach eigener Gestaltung zu errichten. Die Gestaltungsfreiheit der Friedhofsbenutzer findet ihre Grenzen aber von vornherein in solchen Gestaltungsvorschriften, die dem allgemeinen Zweck des Friedhofs dienen, eine würdige, die Totenandacht nicht störende Grabgestaltung zu gewährleisten (BVerwG, Urt. v. 13.05.2004 - 3 C 26/03 -, juris Rn. 12). Die genannte satzungsrechtliche Vorschrift ist zudem Ausdruck des Umstands, dass ein Friedhof nicht die Summe beziehungslos nebeneinanderliegender Einzelgrabstätten ist, sondern ein gemeinsamer Begräbnisplatz für eine Vielzahl von Toten. Die einzelne Grabstätte ist daher gemeinschaftsbezogen mit der Folge, dass das Recht auf individuelle Grabgestaltung nicht schrankenlos sein kann, sondern denjenigen Beschränkungen unterliegt, die sich aus diesem Gemeinschaftscharakter ergeben (vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 11. Aufl., Kap. 12 Rn. 6 f.). § 18 Abs. 2 Satz 1 FS spiegelt vor diesem rechtlichen Hintergrund trotz seiner gegenüber § 18 der Leitfassung des Deutschen Städtetages für eine Friedhofssatzung (Stand: 01.01.2016) kürzeren Fassung auch die dortigen Regelungsgedanken zur Gemeinschaftsbezogenheit wieder. In § 18 der Leitfassung heißt es, dass jede Grabstätte so zu gestalten und so an die Umgebung anzupassen ist, dass die Würde des Friedhofs in seinen einzelnen Teilen und in seiner Gesamtanlage gewahrt wird. Auch § 18 Abs. 2 Satz 1 FS stellt auf die Wahrung der "Würde des Ortes" ab. Aus dem Umstand, dass der Wortlaut der Satzung der Beklagten ein ausdrückliches Anpassungsgebot nicht enthält, kann nach Auffassung des Einzelrichters nicht abgeleitet werden, dass der Satzungsgeber auf die Gemeinschaftsbezogenheit gänzlich verzichten wollte, solange nur die konkreten Verbote des § 18 Abs. 2 Satz 2 FS Beachtung gefunden haben.

Das Recht auf individuelle Grabmalgestaltung beschränkende Regelungen sind als allgemeine Gestaltungsvorschriften zulässig, um vom Friedhof alles fernzuhalten, was die Benutzer durch unwürdige und aufdringliche Gestaltung in ihren Empfindungen ernsthaft verletzt oder stört oder der Würde des Ortes abträglich ist. Regelmäßig hängt es dabei von den Umständen des Einzelfalls ab, ob sich ein Grabmal in seine Umgebung einfügt oder ob es der Würde des Ortes abträglich ist. Maßgeblich ist dabei das aus der gedachten Mehrheit der Nutzungsberechtigten und sonstigen Friedhofsbesucher abgeleitete "Durchschnittsempfinden" eines für ästhetische Eindrücke offenen Betrachters (vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, a. a. O., Kap. 13 Rn. 41-43), also eines fiktiven typischen Durchschnittsbesuchers, der normal informiert, aufmerksam und verständig ist (ähnlich wie der "verständige Durchschnittsverbraucher" in anderen Rechtsbereichen, vgl. dazu etwa Nds. OVG, Urt. v. 03.02.2011 - 13 LC 92/09 -, juris Rn. 5 m. w. N.; zum Vorgehen bei dem erforderlichen "Hineinversetzen in einen Durchschnittsverbraucher" durch das Gericht: Nds. OVG, Urt. v. 30.06.2010 - 13 LB 9/08 -, juris Rn. 46). Einer würdigen Bestattung und einem ungestörten Totengedenken stehen nach der bisherigen Rechtsprechung etwa Grabmale entgegen, die aufdringlich, effektheischend oder sonst objektiv geeignet wären, Ärgernis zu erregen und den allgemeinen Friedhofszweck des Totengedenkens zu beeinträchtigen, ebenso unwürdige und wegen ihrer Übergröße störende Grabmale (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.06.2016 - 1 S 1243/15 -, juris Rn. 51 m. w. N.).

Gemessen an diesen Maßstäben kann die vom Kläger gewünschte Skulptur in Gestalt eines ausgestreckten Fingers nicht als die Würde des Ortes hinreichend wahrendes Grabmal angesehen werden. Die Skulptur würde sich nicht in die Umgebung des D. einfügen; zudem würde nach Einschätzung des Gerichts die Skulptur beim verständigen Durchschnittsbesucher zumindest Irritationen hervorrufen, wenn nicht gar Ärgernis erregen. Im Einzelnen:

Es kann offenbleiben, ob der Finger von einem verständigen und für ästhetische Eindrücke offenen Durchschnittsbetrachter die Assoziation mit einem als Beleidigung strafrechtlich relevanten ausgestreckten Mittelfinger - wie die Beklagte meint - oder lediglich mit einem erhobenen und mahnenden Zeigefinger - wie der Kläger meint - hervorrufen würde. Beide Assoziationen sind vorstellbar; der Einzelrichter hält die von der Beklagten hergestellte Assoziation zu einem beleidigenden "Stinkefinger" indessen nicht für die besonders naheliegende. Unter einem "Stinkefinger" wird laut Duden der hochgestreckte Mittelfinger verstanden, der einer Person - mit dem Handrücken auf sie zu - gezeigt wird, um auszudrücken, dass man sie verachtet, von ihr in Ruhe gelassen werden will (https://www.duden.de/rechtschreibung/Stinkefinger), was als Geste als Beleidigung nach § 185 StGB strafbar sein kann (Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 185 Rn. 13 m. w. N.). Bei einer strafrechtlichen Bewertung ist bei mehreren Möglichkeiten der Interpretation eines Werkes nicht ein denkbares fernliegendes Verständnis entscheidend, das es von vornherein dem Geltungsbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG entzieht und allein strafrechtlich relevant ist (vgl. zu Abbildungen: BVerfG, Beschl. v. 03.04.1990 - 1 BvR 680/86 -, juris Rn. 16; OLG Celle, Beschl. v. 27.10.2017 - 1 Ss 49/17 -, juris Rn. 16). Da der Skulptur erkennbare Elemente des Handrückens fehlen, kann jedenfalls nach gewisser Überlegung das Verständnis der Skulptur als "versteinerte Stinkefinger-Geste" im Sinne einer beabsichtigten Beleidigung nicht als naheliegend angesehen werden.

Auf eine strafrechtliche Bewertung kommt es indessen vorliegend ebenso wenig an, wie auf die subjektiven Vorstellungen des Klägers, der nach Überzeugung des Einzelrichters keinesfalls die Absicht hat, eine "versteinerte Stinkefinger-Geste" auf der Grabstätte aufzustellen. Maßgeblich ist vielmehr die Frage der durchschnittlichen Wirkung auf Dritte. Der Durchschnittsbetrachter wird zunächst einmal in Anbetracht der ungewöhnlichen Gestaltung irritiert sein. Letztlich wird er wohl eher den Schluss auf einen "erhobenen Zeigefinger" oder als weitere denkbare Variante im Kontext des Friedhofs auf einen "Fingerzeig gen Himmel" schließen, dies allerdings nach Einschätzung des Einzelrichters erst nach einer Betrachtung aus kürzerer Distanz - bei der der dann gerade keine Teile eines Handrückens erkennbar werden - und nach gewisser (von Wohlwollen getragener) Überlegung. Der Würde des Ortes ist nach Auffassung des Einzelrichters indessen bereits abträglich, dass den Nutzungsberechtigten anderer Grabstätten oder sonstigen Friedhofsbesuchern infolge der Aufstellung des Fingers überhaupt zugemutet würde, entsprechende Überlegungen und Erwägungen zum möglichen Bedeutungsgehalt des ausgestreckten Fingers anzustellen, dabei auch über einen "Stinkefinger" nachzudenken und ihn letztlich auszuschließen. Zwar ist ein Friedhof nicht der Ort, um unter Einengung der Gestaltungsfreiheit der Benutzer eine gehobene oder in eine bestimmte Richtung gelenkte Denkmal- und Kunstpflege zu betreiben (vgl. Gaedke, a. a. O., Kap. 13 Rn. 41). Ein Friedhof ist aber auch keine Kunstausstellungsfläche. Einem Friedhof kommt nicht die Aufgabe zu, den Besuchern eine Auseinandersetzung mit den möglichen Bedeutungsgehalten eines i. S. d. offenen Kunstbegriffs (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 07.03.1990 - 1 BvR 266/86 -, juris Rn. 45) interpretationsfähigen und -bedürftigen Werkes aufzudrängen bzw. sie zur geistig-intellektuellen Befassung mit der Wirkung verschiedener Kunstwerke gleichsam zu nötigen. Dies wäre bei Aufstellung des Fingers als Grabmal indessen die Folge, welcher auf dem Friedhof kaum übersehbar und zudem ein außergewöhnlicher Solitär wäre, welcher die Blicke auf sich und Fragen nach sich ziehen würde. Der eigentliche Friedhofszweck für die Nutzungsberechtigten und sonstigen Friedhofsbesucher, nämlich ein ungestörtes Totengedenken zu ermöglichen, wäre durch die aufgezwungene Befassung mit dem Finger als Grabmal und der Frage nach dessen Bedeutungsgehalt im Kontext einer Grabstätte beeinträchtigt.

Anders wäre dies nach Auffassung des Einzelrichters nur zu bewerten, wenn der herkömmliche Charakter des Waldriedhofs als Gemeinschaftsanlage bereits zuvor durch die Zulassung anderer außergewöhnlicher sowie interpretationsfähiger- und bedürftiger Grabmale "aufgeweicht" worden wäre. Dafür ist indessen nichts ersichtlich. Es geht der Beklagten vielmehr um die Bewahrung des Gesamteindrucks des Friedhofs in seiner althergebrachten Entwicklung, was rechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. dazu auch VG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.2013 - 23 K 7240/12 -, juris Rn. 50). Gerade der vorliegend in Rede stehende Friedhof weist ein konservativ-traditionelles Gepräge auf, was sich auf den von der Beklagten im Rahmen des Verhandlungstermins überreichten Fotos ohne weiteres erkennen lässt. Die Beklagte muss in Anbetracht dessen nicht zulassen, dass es zu einem "ersten Sündenfall" kommt, der dann möglicherweise weitere unübliche und irritierende Gestaltungswünsche nach sich zieht. Vielmehr darf sie darauf abstellen, dass offenbar bislang alle Nutzer dem Gemeinschaftscharakter durch Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten Rechnung getragen haben.

Relativiert würde die aus vorstehenden Erwägungen der Würde des Ortes abträgliche Wirkung des Fingers als Grabmal auch nicht etwa durch die bei der Betrachtung aus der Nähe erkennbare Inschrift "Carpe diem" auf dem Bereich des Sockels. Diese Inschrift nähme ein Besucher nämlich überhaupt erst dann zur Kenntnis, wenn infolge einer Betrachtung aus größerer Entfernung eine Irritation oder gar Verärgerung bereits entstanden wäre und er von der außergewöhnlichen Gestaltung des Grabmales "angelockt" worden wäre, um es näher zu betrachten und sich damit zu befassen. Die Befassung mit dem Sinngehalt der Inschrift selbst im Zusammenspiel mit der äußeren Gestalt der Skulptur wäre dann wiederum eine Auseinandersetzung mit möglichen Interpretationen eines Kunstwerks, bei der dann wohl von Gleichgültigkeit über Unverständnis und Befremden bis Zustimmung jedes Spektrum an Reaktionen denkbar ist. Auch wenn eine gedachte "Durchschnittsreaktion" spätestens dann wohl nicht mehr der Schluss auf einen "Stinkefinger" wäre, bliebe es bei einer zuvor aufgezwungenen Befassung, was bereits als solches dem ungestörten Totengedenken abträglich wäre. Es handelt sich beim Walfriedhof eben nicht um eine erweiterte Ausstellungsfläche der "documenta 6", welche die Beklagte als Friedhofsträger hinnehmen müsste. Daran ändert auch die Wendung "Carpe diem" nichts.

Zu einem anderen Ergebnis führt es auch nicht, wenn in Rechnung gestellt wird, dass die Skulptur nicht als alleiniges Grabmal errichtet werden soll, sondern neben einer liegenden Platte mit dem Namen und dem Geburts- und Sterbedatum der verstorbenen Ehefrau des Klägers. Die hinsichtlich ihrer Wirkung lediglich untergeordnete Platte würde angesichts der dominierenden Wirkung der Skulptur des "Grabmalensembles" die Irritationen bzw. die aufgezwungene Überlegung zum Bedeutungsgehalt des Fingers nicht beseitigen können.

Denkt man noch hinzu, dass ein Betrachter des Fingers möglicherweise die Entstehungsgeschichte der Skulptur in Erfahrung brächte und nach Eckart Grenzer recherchierte, würde er wohl zwangsläufig auf eines der bekannteren Werke des Bildhauers und Steinmetzes stoßen, nämlich die Skulptur am Strand von Dangast, welche die Eichel eines (erigierten) männlichen Gliedes auf einer Steinstele darstellt und in der künstlerischen Rezeption als Symbol für die Begegnung der Geschlechter und zugleich als Grenzstein zwischen dem weiblichen Meer und dem männlichen Land interpretiert wird (vgl. Wikipedia-Eintrag zu Eckart Grenzer). Es bedarf keiner näheren Ausführungen dazu, dass eine Erkenntnis über das weitere Schaffen Eckart Grenzers und insbesondere des Werkes in Dangast mit dessen sexueller Konnotation bzw. bewusster Provokation wohl schlechterdings nicht in der Lage wäre, aufgetretene Irritationen über den vom Kläger gewünschten Finger als Grabmal zu beseitigen. Deshalb wäre auch das Anbringen eines Schildes an der Skulptur, welches auf den Bildhauer und die Entstehungsgeschichte hinweist, nicht geeignet, die der Würde des Ortes abträgliche Wirkung zu beseitigen.

Es bedarf vor diesem Hintergrund keiner näheren Befassung mit der Frage, ob die Skulptur auch allein wegen der beantragten Höhe von 150 cm über dem Erdboden mit dem Gemeinschaftscharakter des D. nicht vereinbar wäre, wofür trotz des in der Nähe des klägerischen Wahlgrabes einzeln vorhandenen Grabmals mit einer Höhe von 185 cm auf einem offenbar seit dem Jahr 1913 fortgeführten Wahlgrab spricht, dass ansonsten alle jüngeren Grabmale wesentlich niedriger sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.