Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.10.2010, Az.: 5 V 304/10
Eine Qualifizierung von Zuwendungen von Wettbewerbspreisen einer Bezirkshandlung an selbstständige Berater/-innen als tauschähnliche Umsätze erscheint zweifelhaft
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 01.10.2010
- Aktenzeichen
- 5 V 304/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 36704
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2010:1001.5V304.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 69 Abs. 2 S. 2 FGO
- § 69 Abs. 3 S. 1 FGO
- § 164 Abs. 2 AO
Fundstellen
- Jurion-Abstract 2010, 228897 (Zusammenfassung)
- Jurion-Abstract 2010, 228896 (Zusammenfassung)
Amtlicher Leitsatz
Umsatzsteuer 2004 - 2006 (Aussetzung der Vollziehung)
Ernstlich zweifelhaft ist, ob Zuwendungen von Wettbewerbspreisen einer Bezirkshandlung an selbständige Berater/-innen als tauschähnliche Umsätze zu qualifizieren sind.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Ansatz von Umsätzen aus Zuwendungen von Wettbewerbspreisen an selbständige Beraterinnen als tauschähnliche Umsätze.
Die Antragstellerin betrieb in den Streitjahren als Handelsvertreterin eine Bezirkshandlung der T-GmbH im Rahmen eines Franchisevertrages. Sie erwarb Waren und verkaufte diese an Endkunden. Daneben wurden für die Bezirkshandlung selbständige Beraterinnen tätig, die für die Vermittlung von Umsätzen Provisionen erhielten.
Die T-GmbH führte für die Beraterinnen der Bezirkshandlung der Antragstellerin verkaufsfördernde Wettbewerbe durch. Die Bezirkvertretungen mussten sich an den Kosten der Wettbewerbspreise beteiligen, ohne Einfluss auf die Wettbewerbsbedingungen gehabt zu haben. Sie durften die Preise nicht zu anderen Zwecken verwenden. Die Preise waren ausschließlich zur Weiterleitung an erfolgreiche Beraterinnen bestimmt.
In ihren Umsatzsteuererklärungen 2004 bis 2006 ließ die Antragstellerin -anknüpfend an das Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein vom 16.02.2005, Az. 4 K 252/02- die Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen an die Beraterinnen und Gruppenberaterinnen hinsichtlich der zugewendeten Wettbewerbspreise außen vor.
Der Antragsgegner führte eine Außenprüfung durch, die den Zeitraum 2004 bis 2006 umfasste. Im Rahmen dieser Prüfung gelangte der Prüfer unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Erlöse der Antragstellerin zu 16% um tauschähnliche Umsätze aus Zuwendungen von Wettbewerbspreisen an selbständige Beraterinnen zu erhöhen seien, da diese im Rahmen eines Leistungsaustausches stattfänden. Die Gegenleistung bestünde in Form von Umsatzvermittlungen bzw. Rekrutierungen neuer Beraterinnen.
In gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheiden für 2004, 2005 und 2006 setzte der Antragsgegner sämtliche Prüfungsfeststellungen um und erhöhte u.a. die steuerpflichtigen Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 16% um die Zuwendungen von Wettbewerbspreisen an selbständige Beraterinnen in -unstreitiger- Höhe von:
Beträge in EUR (netto) | 2004 | 2005 | 2006 |
---|---|---|---|
Erlöse aus Wettbewerben | 15.896 | 22.808 | 21.283 |
Gegen diese Umsatzsteueränderungsbescheide 2004 bis 2006 legte die Antragstellerin im Hinblick auf die Anhängigkeit der Revisionsverfahren V R 6/09 und V R 7/09 beim Bundesfinanzhof -BFH- zu der Rechtsfrage, ob eine Bezirkshändlerin bei einem Heimvorführ-Vertriebssystem gegenüber ihren Beraterinnen durch Zuwendungen von Wettbewerbspreisen tauschähnliche Umsätze erbringe, Einsprüche ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der in den Umsatzsteueränderungsbescheiden 2004 bis 2006 festgesetzten Umsatzsteuerbeträge. Die übrigen Prüfungsfeststellungen griff sie nicht an.
Über die Einsprüche der Antragstellerin ist bisher nicht entschieden. Die Einspruchsverfahren ruhen im Hinblick auf die Revisionsverfahren beim BFH, Az. V R 6/09 und V R 7/09.
Die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner unter Berufung auf die Urteile des Finanzgerichts Münster vom 11.12.2008 (Az. 5 K 2537/08 U und 5 K 1252/03 U) mangels Bestehens ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheide für 2004, 2005 und 2006 ab.
Nunmehr begehrt die Antragstellerin die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung.
Die Antragstellerin vertritt die Ansicht, dass zwischen der Bezirkshandlung und den selbständigen Beraterinnen hinsichtlich der von der T-GmbH bestimmten Sachprämien kein Leistungsaustausch stattfände. Die Umsätze aus Zuwendungen von diesen Wettbewerbspreisen an selbständige Beraterinnen seien nicht der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen.
Die Antragstellerin beantragt,
die in den Umsatzsteuerbescheiden für 2004 bis 2006 festgesetzten Umsatzsteuerbeträge von der Vollziehung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner vertritt die Ansicht, den streitbefangenen Umsätzen läge sehr wohl ein Leistungsaustausch zugrunde und verweist im Wesentlichen auf die Urteile des FG Münster vom 11.12.2008, Az. 5 K 2537/08 U und 5 K 1252/03 U.
II.
Der Antrag ist überwiegend begründet.
1.
Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für 2004, 2005 und 2006 im Hinblick auf die Umsätze der Antragstellerin aus Zuwendungen von Wettbewerbspreisen an selbständige Beraterinnen mangels Vorliegens eindeutiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ernstlich zweifelhaft.
Nach dem Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein vom 16.02.2005, Az. 4 K 252/02 sind Umsätze aus der Auslobung von Sachprämien im Rahmen veranstalteter Wettbewerbe mangels Leistungsaustausches zwischen den Bezirkshandlungen und den selbständige Beraterinnen nicht als tauschähnliche Umsätze zu qualifizieren. Demgegenüber entschied das FG Münster in seinen Urteilen vom 11.12.2008, Az. 5 K 2537/08 U und 5 K 1252/03 U, dass eine Bezirkshändlerin gegenüber ihren selbständigen Beraterinnen durch Zuwendung von Wettbewerbspreisen sehr wohl tauschähnliche Umsätze im Rahmen eines Leistungsaustausches erbringe. Die Revisionsverfahren gegen die Urteile des FG Münster sind beim BFH aktuell unter den Aktenzeichen V R 6/09 und V R 7/09 anhängig.
Die Umsatzsteuerbescheide sind daher in folgender Höhe von der Vollziehung auszusetzen:
Beträge in EUR (netto) | 2004 | 2005 | 2006 |
---|---|---|---|
Erlöse aus Wettbewerben | 15.896 | 22.808 | 21.283 |
hierauf 16% USt | 2.543,36 | 3.649,28 | 3.405,28 |
Gegen die übrigen Prüfungsfeststellungen hat die Antragstellerin keine Einwendungen geltend gemacht.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.