Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.10.2010, Az.: 16 K 219/10

Verpachtung von Betriebsvorrichtungen bzgl. der Verpachtung eines Obstanbaubetriebes; Steuerfreiheit einer Grundstücksverpachtung einschließlich der sich darauf befindenden Obstbäume

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
08.10.2010
Aktenzeichen
16 K 219/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 28167
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2010:1008.16K219.10.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 12.05.2011 - AZ: V R 50/10

Fundstellen

  • DStR 2011, 8
  • DStRE 2011, 755
  • EFG 2011, 589-590
  • KÖSDI 2011, 17422
  • UStB 2011, 76

Umsatzsteuer 2004 - 2006

Steuerfreie Verpachtung eines Grundstücks mit aufstehenden Obstbäumen

Tatbestand

1

Der Kläger war mit einem gewerblichen Gartenpflegebetrieb und einem Obstanbaugebiet unternehmerisch tätig. Mit Vertrag vom 08.04.2001 verpachtete er die Grundstücke seines Obstanbaubetriebes einschließlich der aufstehenden Obstbäume mit Wirkung vom 01.07.2001 zu einem jährlichen Pachtpreis von 25.000 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf den Pachtvertrag vom 08.04.2001 verwiesen.

2

Der Kläger ging davon aus, dass es sich bei der Verpachtung des Obstanbaubetriebes um eine steuerfreie Grundstücksverpachtung gemäß § 4 Nr. 12a Umsatzsteuergesetz (UStG) handele. Abweichend hiervon vertrat der Beklagte nach einer Außenprüfung die Auffassung, dass es sich bei der Verpachtung der auf den Grundstücken aufstehenden Obstbäume um die Verpachtung von Betriebsvorrichtungen handele und der Pachtvertrag insofern in eine steuerfreie Grundstücksverpachtung und eine steuerpflichtige Verpachtung von Betriebsvorrichtungen aufzuteilen sei. Die Bemessungsgrundlage für die steuerpflichtige Verpachtung der Obstbäume ermittelte der Beklagte durch einen internen Gutachter für das Streitjahr i.H.v. 7.355 EUR (8.532 EUR brutto). Unter Abzug von Vorsteuerkorrekturen gemäß § 15 a UStG i.H.v. jährlich 200 EUR setzte der Beklagte die Umsatzsteuer entsprechend fest. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.

3

Der Kläger ist der Auffassung, bei der Verpachtung der Grundstücke einschließlich der aufstehenden Obstbäume handele es sich um eine steuerfreie Grundstücksverpachtung gemäß § 4 Nr. 12a UStG. Die Obstbäume seien keine Betriebsvorrichtung im Sinne von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG.

4

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuer 2004 bis 2006 um jeweils 976,80 EUR herabzusetzen.

5

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Der Beklagte ist unter Hinweis auf die BFH-Entscheidung vom 08.11.1995 (BStBl II 1996, 114 [BFH 08.11.1995 - XI R 63/94]) der Auffassung, dass es sich bei dem Obstbaumbestand um eine Betriebsvorrichtung im Sinne des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG in Verbindung mit § 68 Abs. 2 BewG handele.

Entscheidungsgründe

7

Die Klage ist begründet.

8

Gemäß § 4 Nr. 12 a UStG ist u.a. die Verpachtung von Grundstücken umsatzsteuerfrei. Nicht befreit ist die Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind (vgl. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG).

9

Bei der Verpachtung des Grundstücks handelt es sich einschließlich der aufstehenden Obstbäume um eine steuerfreie Grundstücksverpachtung gemäß § 4 Nr. 12 a UStG, da die aufstehenden Bäume keine Betriebsvorrichtung im Sinne des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG sind. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung, der auf "Maschinen und sonstige Vorrichtungen", die zu einer Betriebsanlage gehören, abstellt. Bei Obstbäumen handelt es sich zweifelsfrei nicht um Maschinen. Die Formulierung "sonstige Vorrichtungen" steht im Zusammenhang mit der konkreten Bestimmung Maschinen, so dass nach dem Wortlaut und dem Zusammenhang der Formulierung davon auszugehen ist, dass es sich bei sonstigen Vorrichtungen um in gleicher Weise wie Maschinen hergestellte technische Einrichtungen handeln müsste, die wie Maschinen dem auf dem Grundstück unterhaltenen Betrieb zu dienen bestimmt sind. Diese Begriffsbestimmung entspricht dem Wesen der Betriebsvorrichtung als einer in ihrer speziell auf den Gewerbebetrieb ausgerichtet bestehenden Funktion, die der einer Maschine ähnlich sein muss (vgl. Pahlke/Franz, GrEStG, 4. Aufl. 2010, § 2 Rdn 44, insbesondere Rdn 46 mit der zutreffenden Differenzierung zwischen bestimmten technischen Vorrichtungen und mit dem Boden verbundenen Pflanzen). Sie entspricht auch der ständigen Rechtsprechung, wonach der Begriff der Betriebsvorrichtung im Sinne des § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Bewertungsgesetzes - BewG - Gegenstände voraussetzt, bei denen zwischen der Betriebsvorrichtung und dem Betriebsablauf ein ähnlicher Zusammenhang bestehen muss wie er üblicherweise bei Maschinen gegeben ist (BFH, Urteil vom 05.09.2002 III R 8/99, BFHE 200, 164, BStBl II 2002, 877 ). Danach besteht das Wesen der Betriebsvorrichtungen in ihrer speziell auf den Gewerbebetrieb ausgerichteten maschinenähnlichen Funktion (vgl. auch Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 4 Nr. 12 Rdn. 37 i.V.m. § 4 Nr. 9 Rdn 9). Soweit der Gesetzgeber mit dem Wortlaut "andere Vorrichtungen" eine darüber hinaus gehende Bedeutung auch auf Pflanzen hätte erstrecken wollen, hätte dies bei der Satzstellung kenntlich gemacht werden müssen. Das Gericht schließt sich insofern der Begründung der Entscheidung des für Grunderwerbsteuer zuständigen 2. Senats des BFH (vgl. Urteil vom 01.02.1989 II R 240/85, BFHE 156, 254, BStBl II 1989, 518 ; vgl. hierzu kritisch Klenk, UVR 1989, 217) zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (RP) - GrEStG - (und der gleichlautenden Formulierung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983) an, nach der Rebstöcke nicht von dem Begriff "sonstige Vorrichtungen" erfasst werden (a.A. Gürsching/Stenger, BewG/ErbStG, § 68 Anm. 200).

10

Soweit der seinerzeit für die Umsatzsteuer zuständige XI. Senat des BFH mit Urteil vom 08.11.1995 (XI R 63/94, BFHE 179, 189, BStBl II 1996, 114 ) entschieden hat, dass die für die Grunderwerbsteuer ergangene Entscheidung des BFH für die Umsatzsteuer unbeachtlich sei, folgt das Gericht dem wegen der unterschiedlichen Sachverhalte nicht. In dem der Entscheidung des XI. Senats zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der BFH nicht über die begriffliche Zugehörigkeit eines Pflanzenbestandes zu Betriebsvorrichtungen entschieden, sondern darüber, dass Gegenstand einer Lieferung im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG auch ungetrennte Bodenerzeugnisse (konkret: Rebstöcke) sein können, unabhängig davon, dass es sich hierbei um wesentliche Bestandteile eines Grundstücks handelt. Maßgeblich war die umsatzsteuerrechtliche Abgrenzung des Grund und Bodens von damit verbundenen Bestandteilen als eigenständige Wirtschaftsgüter. Vor diesem Hintergrund kommt der BFH zu der Entscheidung, dass Rebanlagen in ihrer Gesamtheit einschließlich der Rebstöcke einen selbständig verkehrsfähigen und vom Grund und Boden zu unterscheidenden Liefergegenstand darstellen, an dem abweichend vom bürgerlichen Recht eigenständig Verfügungsmacht verschafft werden könne. Die Frage, ob es sich dabei um "sonstige Vorrichtungen" im Sinne des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG handelt, hat der BFH weder erörtert noch entschieden. Auf die Differenz der Fallgestaltung hinsichtlich der allerdings gleichlautenden Formulierung im GrEStG hat der BFH auch selbst ausdrücklich hingewiesen.

11

Die Umsatzsteuer war daher wie folgt festzusetzen:

Umsatzsteuer 2004 bisher41.948,28 EUR
abzüglich976,80 EUR
Umsatzsteuer 200439.000,00 EUR
Umsatzsteuer 2005 bisher37.760,79 EUR
abzüglich976,80 EUR
Umsatzsteuer 200536.800,00 EUR
Umsatzsteuer 2006 bisher45.471,64 EUR
Abzüglich976,80 EUR
Umsatzsteuer 200644.500,00 EUR
12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.

13

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

14

Das Gericht lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.