Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.10.2010, Az.: 6 V 229/10

Außerbilanzielle Hinzurechnung einer Teilwertabschreibung nach dem Körperschaftsteuergesetzes (KStG); Aussetzung der Vollziehung von Körperschaftsteuerbescheiden wegen Vorliegen einer unbilligen Härte bzgl. der Vollziehung eines noch nicht bestandskräftigen angefochtenen Bescheides

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
20.10.2010
Aktenzeichen
6 V 229/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 28194
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2010:1020.6V229.10.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 19.04.2011 - AZ: I B 166/10

Fundstelle

  • EFG 2011, 567-569

Körperschaftsteuer 2002;

Gewerbesteuermessbetrag 2002 (Aussetzung der Vollziehung)

Anforderungen an eine außerbilanzielle Hinzurechnung einer Teilwertabschreibung nach § 8b Abs. 3 KStG

Tenor:

Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin abgelehnt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden, die aufgrund von Feststellungen einer Außenprüfung ergangen sind. Streitig ist die außerbilanzielle Hinzurechnung einer Teilwertabschreibung nach § 8b Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).

2

Die Antragstellerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Betrieb einer Kaffeerösterei und den Handel mit Kaffee, Tee und Kakao sowie sonstigen Nahrungs- und Genussmitteln bildet. Der Sitz der Antragstellerin befindet sich in X. Das Stammkapital betrug im Streitjahr 562.421,07 EUR (dies entspricht 1.100.000 DM). An dem Stammkapital waren beteiligt:

Beteiligtebis zum 22. Dezember 2002ab dem 23. Dezember 2002
A224.968,41 EUR73.283,44 EUR
B112.484,22 EUR185.767,69 EUR
C112.484,22 EUR190.885,72 EUR
D112.484,22 EUR112.484,22 EUR
3

Mit Vertrag vom xx.xx.xx (Urkundenrolle-Nr. 275/1999 des Notars E) erwarb die Antragstellerin von der Firma F AG Geschäftsanteile an der Firma G GmbH in Höhe von nominal 28.000 DM zu einem Kaufpreis von 5 Mio. DM. Als weitere Gegenleistung verpflichtete sich die Antragstellerin, einen Betrag i.H.v. 1 Mio. DM als Zuzahlung i.S. des § 272 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuches (HGB) an die G GmbH zu leisten. Unter Berücksichtigung der Notarskosten i.H.v. 18.249 DM aktivierte die Antragsstellerin die Beteiligung mit Anschaffungskosten von insgesamt 6.018.259 DM in den Bilanzen zum 31. Dezember 1999, 31. Dezember 2000 und 31. Dezember 2001. Die Antragstellerin erhielt in diesen Jahren und im Streitjahr keine Gewinnausschüttung aus ihrer Beteiligung an der G GmbH.

4

Am xx.xx 2002 beantragte der Geschäftsführer der G GmbH das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G GmbH zu eröffnen. Das Amtsgericht Hamburg eröffnete das Verfahren am xx.xx 2002.

5

Die Antragstellerin reichte die Körperschaftsteuererklärung 2002 und die Gewerbesteuererklärung 2002 am xx.xx 2004 beim Beklagten ein. In diesen Erklärungen erklärte die Antragstellerin einen Steuerbilanzverlust i.H.v. 6.723 EUR. Im Rahmen der Ermittlung dieses Steuerbilanzverlustes hatte die Antragstellerin den Beteiligungsansatz an der G GmbH aufgrund "des gestellten Insolvenzantrags der Beteiligungsgesellschaft ohne Aussicht auf Erzielung einer Quote" in voller Höhe außerplanmäßig abgeschrieben.

6

Der Beklagte setzte unter Ansatz der erklärten Angaben gegenüber der Klägerin die Körperschaftsteuer 2002 und den Gewerbesteuermessbetrag 2002 durch Bescheide fest, die jeweils vom xx.xx 2004 datierten. Die Bescheide ergingen dabei unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

7

In der Zeit vom xx.xx 2005 bis xx.xx 2005 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung X bei der Antragstellerin eine Außenprüfung durch, die u.a. die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer des Jahres 2002 umfasste. Dabei gelangte der mit der Außenprüfung beauftragte Betriebsprüfer zu der Ansicht, dass die von der Antragstellerin berücksichtigte Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der G GmbH i.H.v. 6.018.249 DM (dies entspricht 3.077.081,85 EUR) eine nicht zu berücksichtigende Gewinnminderung i.S. des § 8b Abs. 3 KStG darstelle und diese somit außerbilanziell dem Steuerbilanzgewinn hinzugerechnet werden müsse. Wegen der Einzelheiten der Feststellung wird auf Tz. 30 des Berichts über die Außenprüfung vom xx.xx 2005 Bezug genommen (Abschnitt "Bp-Bericht 1999 - 2003" der Akte Betriebsprüfung des Antragsgegners).

8

Der Antragsgegner folgte den Feststellungen des Betriebsprüfers und setzte die Körperschaftsteuer 2002 und den Gewerbesteuermessbetrag 2002 gegenüber der Antragsstellerin durch Bescheide, jeweils vom xx.xx 2006, in geänderter Höhe fest. Dabei berücksichtigte der Antragsgegner auch die außerbilanzielle Hinzurechnung nach § 8b Abs. 3 KStG i.H.v. 3.077.081 EUR und stützte die Bescheidänderungen auf § 164 Abs. 2 AO.

9

Gegen diese Bescheide legte die Antragstellerin form- und fristgerecht Einsprüche ein und beantragte beim Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide nach § 361 AO.

10

Nachdem der Antragsgegner zunächst mit Bescheid vom xx.xx 2006 die beantragte Aussetzung der Vollziehung der Bescheide gewährt hatte, widerrief er mit Bescheid vom xx.xx 2010 diese gewährte Aussetzung. Der von der Antragstellerin hiergegen erhobene Einspruch blieb erfolglos; der Antragsgegner wies diesen durch Einspruchsbescheid vom xx.xx 2010 als unbegründet zurück.

11

Ebenfalls blieb der Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2002 erfolglos; der Beklagte wies diesen ebenfalls durch Einspruchsbescheid vom xx.xx 2010 als unbegründet zurück. Das Einspruchsverfahren wegen der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2002 ist noch nicht beendet.

12

Die Antragstellerin hat am xx.xx 2010 Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2002 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom xx.xx 2010 erhoben und einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheids 2002 und des Gewerbesteuermessbetragsbescheides 2002 nach § 69 Abs. 2, 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bei Gericht gestellt.

13

Zur Begründung ihrer Klage und ihres Antrages äußert die Antragstellerin ihre Auffassung, die Regelung des § 8b Abs. 3 käme im Streitfall nicht zur Anwendung, da die Antragstellerin als Gesellschafterin der G GmbH aus dieser Beteiligung keinerlei Einnahmen erzielt habe. Dies sei jedoch ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für eine Hinzurechnung nach § 8b Abs. 3 KStG, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur gleichgelagerten Norm des § 3c Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ergäbe. In diesem Zusammenhang vertrete der BFH die Auffassung, die Verlustabzugsbeschränkung nach § 3c Abs. 2 EStG greife nicht Platz, wenn dem Steuerpflichtigen aus seiner Beteiligung keinerlei nach § 3 Nr. 40 EStG teilweise steuerbefreite Einnahmen zugeflossen seien. Mit der Regelung des § 3c Abs. 2 EStG - ebenso wie mit der Regelung des § 8b Abs. 3 KStG - habe der Gesetzgeber Gestaltungen vermeiden wollen, in denen in einzelnen Jahren gezielt Einnahmen erzielt werden, die steuerbefreit sind, während die Aufwendungen in anderen Jahren mangels steuerbarer Einnahmen abgezogen werden könnten. Eine solche Doppelvergünstigung drohe allerdings nicht, wenn feststehe, dass aus der Beteiligung keine Einnahmen erzielt worden seien und auch in Zukunft nicht erzielt werden könnten. Stattdessen führe die Anwendung der Normen in diesen Fällen zu einem Übermaß an Besteuerung, da ein betrieblicher Verlust - wie im Streitfall bei einer Teilwertabschreibung - ohne steuerliche Auswirkung bleibe. Insofern seien im Streitfall die Vollziehungsaussetzungen auch aufgrund einer unbilligen Härte geboten.

14

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Vollziehung des Bescheides über Körperschaftsteuer 2002 vom xx.xx 2006 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom xx.xx 2010 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage gegen den vorgenannten Steuerbescheid und die Vollziehung des Bescheids über den Gewerbesteuermessbetrag 2002 vom xx.xx 2006 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Einspruch gegen den vorgenannten Steuerbescheid auszusetzen.

15

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

16

Er äußert die Ansicht, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide nicht bestünden. Die Voraussetzungen einer außerbilanziellen Hinzurechnung der Teilwertabschreibung sei nach § 8b Abs. 3 KStG erfüllt. Denn im Gegensatz zu der Regelung des § 3c Abs. 2 EStG - der an Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anknüpfe - stelle der Gesetzeswortlaut in § 8b Abs. 3 KStG lediglich auf Gewinnminderungen im Zusammenhang mit den in § 8b Abs. 2 KStG genannten Anteilen ab. Für eine einschränkende Auslegung des § 8b Abs. 3 KStG bestehe kein Raum.

17

II.

Der Antrag ist unbegründet.

18

1.

Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

19

a)

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

20

Der Antragsgegner hat zu Recht bei der Einkommens- und Gewerbeertragsermittlung für das Streitjahr 2002 eine außerbilanzielle Hinzurechnung unter Hinweis auf die Teilwertabschreibung nach § 8b Abs. 3 KStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung (KStG n.F.) i.H.v. 3.077.081 EUR vorgenommen.

21

aa)

Gemäß § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG in der Fassung des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen vom 14. Juli 2000 (BGBl. I 2000, 1034, BStBl I 2000, 1192) blieben bei den dort genannten unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, die an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt waren, Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz. Voraussetzung hierfür war eine Mindestbeteiligungsquote von 10 v.H., was sich aus § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG a.F. (i.V.m. dem jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen sowie § 8b Abs. 5 KStG a.F. bzw. i.V.m. § 26 Abs. 2 und 3 KStG a.F.) ergab. Unter den gleichen Voraussetzungen ordnete § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG a.F. ein Abzugsverbot für Verluste aus der Veräußerung solcher Beteiligungen an. Gewinnminderungen aufgrund eines Ansatzes mit dem niedrigeren Teilwert (Teilwertabschreibung) erfasste dieses Abzugsverbot nicht.

22

Im Zuge der Systemumstellung vom Anrechnungsverfahren auf das sogenannte Halbeinkünfteverfahren durch das KStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes vom 23. Oktober 2000 (StSenkG; BGBl. I 2000, 1433) bzw. in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 1999 vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I 2000, 1850) bzw. in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz, BGBl. I 2001, 3858, KStG n.F.) wurden die vorgenannten Regelungen geändert. Gemäß § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG n.F. bleiben Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen an den dort genannten Körperschaften und Personenvereinigungen nunmehr unabhängig davon außer Ansatz, ob die Beteiligung an einer inländischen oder ausländischen Gesellschaft sowie in welcher Höhe sie besteht. § 8b Abs. 3 KStG n.F. (inzwischen § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003, BGBl. I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14) sieht korrespondierend hierzu ein Abzugsverbot für Gewinnminderungen vor, die im Zusammenhang mit einer solchen Beteiligung entstehen. Dieses Abzugsverbot greift ebenfalls unabhängig von einer Mindestbeteiligungsquote ein und erfasst außerdem jegliche die Substanz betreffende Gewinnminderungen und damit auch solche aufgrund einer Teilwertabschreibung (vgl. BFH-Urteil vom 22. April 2009 I R 57/06, BFH/NV 2009, 1460).

23

bb)

Unter Anwendung dieser gesetzlichen Regelung ist der Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Antragstellerin vorgenommene Teilwertabschreibung auf ihre Beteiligung an der G GmbH i.H.v. 3.077.081 EUR bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen ist.

24

Denn die Teilwertabschreibung bedeutet eine Gewinnminderung i.S. des § 8b Abs. 3 KStG n.F., die im Zusammenhang mit "dem in Absatz 2 genannten Anteil stehen", da die Anteile der Antragstellerin an der G GmbH Anteile an einer Körperschaft i.S. des § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG n.F. darstellen, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG gehören. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

25

cc)

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin erfordert die Anwendung des § 8b Abs. 3 KStG n.F. - im Sinne eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals - nicht, dass der Steuerpflichtige aus der Beteiligung steuerfreie Einnahmen i.S. des § 8b Abs. 1 KStG n.F. erzielt habe.

26

Für eine solche Auslegung finden sich im Wortlaut des § 8b Abs. 3 KStG n.F. keine Anknüpfungspunkte. Denn während die von der Antragstellerin zur Argumentation herangezogene gesetzliche Regelung der § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG auf einen wirtschaftlichen Zusammenhang "mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen" und damit teilweise steuerbefreiten Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen abstellt, fordert § 8b Abs. 3 KStG n.F. nach seinem Wortlaut lediglich einen Zusammenhang zu Anteilen i.S. des § 8b Abs. 2 KStG n.F., ohne auf steuerbefreite Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen Bezug zu nehmen.

27

Insofern führt auch die Berücksichtigung der von der Antragstellerin angeführte Rechtsprechung des BFH zur Anwendbarkeit des § 3c Abs. 2 EStG (BFH-Urteile vom 24. Juni 2009 IX R 42/08, BStBl II 2010, 220; vom 14. Juli 2009 IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399; BFH-Beschluss vom 18. März 2010 IX B 227/09, BStBl II 2010, 627) nicht zu einem anderen Ergebnis, da der BFH zur Begründung seiner Entscheidung, § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG sei nur anwendbar, wenn (teilweise) steuerbefreite Einnahmen erzielt worden seien, ausdrücklich den Wortlaut des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG heranzieht (grundlegend: BFH-Urteil vom 24. Juni 2009 IX R 42/08, a.a.O.). Vielmehr erkennt auch der BFH die Unterschiede im Ansatz der Normen § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG, der Einnahmen erfordert, und § 8b Abs. 2 KStG n.F., der auf Gewinne abstellt (BFH-Beschluss vom 18. März 2010 IX B 227/09, a.a.O.).

28

Zudem ist aus den Gesetzesmaterialien ersichtlich, dass die Anwendung des § 8b Abs. 3 KStG n.F. nicht dadurch bedingt werden sollte, dass zuvor der Steuerpflichtige steuerbefreite Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen erzielt haben müsse. Denn nach der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum StSenkG (Drucksache des Deutschen Bundestags - BT-Drucks - vom 4. Juli 2000 14/3760, 7) regte der Vermittlungs-ausschuss an, in § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG die Steuerfreiheit von Anteilsveräußerungen an eine Behaltefrist von einem Jahr zu knüpfen, während gleichzeitig als § 8b Abs. 3 Satz 2 KStG folgender Satz angefügt werden sollte:

"Das gilt auch für Gewinnminderungen durch den Ansatz des niedrigeren Teilwerts innerhalb der Behaltefrist im Sinne des Absatzes 2."

29

Hieraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 8b Abs. 3 KStG auch Teilwertabschreibungen auf Anteile, die erst seit kurzem zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtige gehören, und unabhängig von steuerfreien Betriebsvermögensmehrungen und Einnahmen i.S. der § 8b Abs. 1 und 2 KStG erfassen wollte.

30

Diese Regelungen wurden zunächst mit dem StSenkG vom 23. Oktober 2000 beschlossen, mit dem Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 1999 vom 20. Dezember 2000 wieder fallengelassen. Letzteres beruhte aber nicht auf einem Willen des Gesetzgebers zur Änderung des Anwendungsbereichs des § 8b Abs. 3 KStG. Die Steuerfreiheit bei Anteilsveräußerungen nach § 8b Abs. 2 KStG wurde durch Streichung der Behaltefrist erweitert, gleichzeitig durch Abs. 7 die Steuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen, die für den kurzfristigen Eigenhandel von Banken und Finanzdienstleistern vorgesehen sind, eingeführt; der Anwendungsbereich des § 8b Abs. 3 KStG blieb dabei unverändert (vgl. den Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagegesetzes 1999 vom 16. November 2000; BT-Drucks 14/4626, 3, 7).

31

Auch die Berücksichtigung des Zwecks der Regelung des § 8b Abs. 3 KStG n.F. führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG n.F. dient der Verhinderung körperschaftsteuerlicher Doppel- und Mehrfachbelastung und geht dabei davon aus, dass die Bezüge mit entsprechender Körperschaftsteuer vorbelastet sind. Dies gilt auch für die Anteilsveräußerung nach § 8b Abs. 2 KStG n.F., da die Veräußerung einer Beteiligung einer Totalausschüttung wirtschaftlich gleichkommt (Entwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen des StSenkG vom 15. Februar 2000, BT-Drucks 14/2683, 96). Diese Vorbelastung wird dabei regelungsimmanent unterstellt, ohne dass sie Gegenstand des jeweiligen Tatbestands wäre (vgl. Gosch, KStG, 2. Auflage 2009, § 8b Rdnr. 2). Im Gegenzug schafft die Beschränkung des Abzugs von Gewinnminderungen eine Regelungssymmetrie zu den steuerfreien Gewinnen und ist somit steuersystematisch korrekt (vgl. Gosch, a.a.O., § 8b Rdnr. 261). Der Umstand, dass bei diesen regelungsimmanenten Unterstellungen des Gesetzgebers auch Gewinnminderungen unberücksichtigt bleiben können, bei denen eine ungerechtfertigte doppelte Berücksichtigung nicht droht, ist aufgrund der Intention des Gesetzgebers für eine einfache und transparente und wenig missbrauchsanfällige Struktur der Unternehmensbesteuerung (vgl. Entwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen des StSenkG vom 15. Februar 2000, BT-Drucks 14/2683, 93, 94) hinzunehmen. Dieser Umstand kann eine Ergänzung des Tatbestands des § 8b Abs. 3 KStG n.F. - über den Wortlaut der Norm hinaus - um weitere tatbestandliche Voraussetzungen und damit eine Verkleinerung seines Anwendungsbereichs nicht rechtfertigen.

32

b)

Ebenso wenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines - noch nicht bestandskräftigen - Steuerbescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wieder gutzumachen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 24. März 1994 IV S 1/94, BStBl II 1994, 398).

33

Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich, noch hat sie die Antragstellerin substantiiert vorgetragen. Im Übrigen sind im Rahmen der Prüfung der Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 3. Dezember 1998 III S 11/98, BFH/NV 1999, 826). Eine Aussetzung der Vollziehung ist nur vertretbar, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen (Koch in Gräber, FGO, 7. Auflage 2010, § 69 Rdnr. 107). Solche Zweifel sind im vorliegenden Fall aufgrund des Wortlauts des § 8b Abs. 3 KStG n.F. nicht gegeben.

34

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

35

3.

Die Beschwerde wird gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen, da eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist.