Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 18.08.2023, Az.: 1 B 1249/23
Anforderungen an medizinische Indikation; Dauerbehandlung mit medizinischem Cannabis; gelegentlicher Cannabiskonsum; Gutachtenanordnung
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 18.08.2023
- Aktenzeichen
- 1 B 1249/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 30621
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2023:0818.1B1249.23.00
Rechtsgrundlagen
- FeV § 11 Abs. 8
- FeV § 14 Abs. 1 Nr. 3
- FeV § 46
- VwGO § 80 Abs. 5
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Er ist am 9. Februar 1996 geboren und seit dem 2. Oktober 2014 in Besitz einer Fahrerlaubnis u.a. der Klasse B.
Am 6. Mai 2019 wurde der Antragsteller einer Drogenkontrolle im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen, wobei der durchgeführte Drogenvortest positiv auf den Wirkstoff THC verlief. In der dem Antragsteller entnommenen Blutprobe wies das kriminaltechnische Institut des Landeskriminalamts G. <1,0 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) sowie 10,4 ng/ml Nor-THC-Carbonsäure nach.
Bei einer am 5. Dezember 2022 durchgeführten Schwerpunktkontrolle bzgl. Alkohol und Drogen im Straßenverkehr wurde der Antragsteller als Führer eines Kraftfahrzeugs von Polizeibeamten des Polizeikommissariats H. kontrolliert. Der hierbei durchgeführte Drogenvortest (Urintest) reagierte positiv auf die Stoffgruppe THC. In dem hierzu angefertigten Polizeibericht vom 28. Dezember 2022 heißt es:
"Er habe in der Vergangenheit bereits einen Vorfall mit Drogen gehabt (Fahren unter Einfluss von Cannabis, Vgn.: I.). Aufgrund dessen habe er Angst, seinen Führerschein nochmals zu verlieren. Der letztmalige Konsum von Cannabis in unbekannter Menge habe am Freitag (Anmerkung: 02.12.2022) stattgefunden."[sic!]
Ausweislich der toxikologischen Untersuchung des Instituts für Rechtsmedizin der J. vom 23. Dezember 2022 wurde in der dem Antragsteller am 5. Dezember 2022 entnommenen Blutprobe 2,2 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC), 0,99 ng/ml 11-OH-Tetrahydrocannabinol sowie 133 ng/ml THC-Carbonsäure nachgewiesen.
Mit Schreiben vom 30. März 2023, zugestellt am 3. April 2023, forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, bis zum 30. Juni 2023 ein medizinisch-psychologisches Gutachten über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorzulegen. Das Gutachten sollte sich auf folgende Fragestellung beziehen:
"Ist zu erwarten, dass der Untersuchte auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von berauschenden Mitteln führen wird oder liegen als Folge unkontrollierten Konsums derartiger Stoffe Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen von Kraftfahrzeugen in Frage stellen?"
Zur Begründung bezog sich der Antragsgegner auf die Vorfälle vom 6. Mai 2019 sowie vom 5. Dezember 2022, bei denen der Antragsteller unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt habe. Wer regelmäßig Cannabis konsumiere, sei nach Anlage 4 Nr. 9.2.1 zu §§11,13 und 14 der FeV ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Ebenso sei nach Nr. 9.2.2 ungeeignet, wer gelegentlich Cannabis konsumiere und zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeuges nicht trennen könne. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen der Verkehrsmedizin sei ab einem festgestellten THC-Abbauwert von 100 ng/ml THC-COOH von gelegentlichem Cannabiskonsum auszugehen. Von fehlendem Trennungsvermögen sei auszugehen, wenn ein Fahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis geführt worden sei und der Wirkstoff THC mit mindestens 1,0 ng/ml im Blutserum nachgewiesen worden sei, was bei dem Antragsteller der Fall sei. Angesichts der erheblichen Gefahr, die durch einen ungeeigneten Kraftfahrer für den öffentlichen Straßenverkehr und alle Verkehrsteilnehmer bestehe, sei die Anordnung erforderlich und auch verhältnismäßig, da es kein gleich geeignetes, milderes Mittel gebe, die Eignungszweifel auszuräumen.
Der Antragsgegner übersandte eine Liste mit einer Auswahl von geeigneten Untersuchungsstellen und fügte dem Schreiben eine Einverständniserklärung zur Begutachtung bei, welche bis zum 30. April 2023 zurückzusenden sei. Im Übrigen wies der Antragsgegner darauf hin, dass der Antragsteller die Möglichkeit zur Akteneinsicht habe. Er wies weiter darauf hin, dass er gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen könne, wenn die Untersuchung verweigert oder das geforderte Gutachten nicht termingerecht beigebracht werde. Dies habe die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge. Der Antragsgegner setzte zugleich Kosten in Höhe von 28,13 Euro fest.
Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 13. April 2023 mitteilte, dass der Antragsteller Cannabispatient sei und Akteneinsicht in die Fahrerlaubnisakte beantragte, erklärte er nach erfolgter Akteneinsicht mit weiterem Schreiben vom 28. April 2023, dass bei dem Antragsteller aufgrund einer Bandscheibenschädigung eine Therapie mit Medizinalcannabis durchgeführt werde, was sich aus der ärztlichen Bescheinigung der K. GmbH vom 29. März 2023 ergebe. Der Dosierungsplan und der Cannabisausweis werde noch zur Akte gereicht. Es werde um Abänderung der Begutachtungsfrage gebeten, weil die Fragestellung in der Gutachtenanordnung vom 30. März 2023 aufgrund der Eigenschaft des Antragstellers als Cannabispatient fehlgehe.
Mit Email vom 12. Mai 2023 bat der Antragsgegner den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers um Übersendung des Dosierungsplans sowie des Cannabisausweises.
Unter dem 15. Juni 2023 teilte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers daraufhin mit, dass der Antragsteller bislang nicht über einen Dosierungsplan oder einen Cannabisausweis verfüge. Er, der Prozessbevollmächtigte, habe den Antragsteller aufgefordert, sich diese Unterlagen von seinem behandelnden Arzt ausstellen zu lassen. Jedenfalls gehe aus der bereits übersandten ärztlichen Bescheinigung hervor, dass der Antragsteller als Cannabispatient die gestellte Gutachterfrage nicht beantworten könne, sodass um Überprüfung und Abwendung der gutachterlichen Fragestellung gebeten werde.
Mit Schreiben vom 15. Juni 2023 teilte der Antragsgegner mit, dass weder von der Anordnung eine medizinisch-psychologische Untersuchung abgesehen werden könne noch eine Änderung der Fragestellung möglich sei. Ein ärztliches Gutachten nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 FeV komme auch deswegen nicht in Betracht, weil der Antragsteller weder einen Dosierungsplan noch einen Cannabisausweis besitze. Es sei von einem missbräuchlichen Cannabiskonsum zum Tatzeitpunkt auszugehen.
Mit Email vom 15. Juni 2023 widersprach der Prozessbevollmächtigte den Ausführungen des Antragsgegners und erklärte, dass unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller zum Tatzeitpunkt Cannabis missbräuchlich konsumiert habe, die formulierte Gutachterfrage falsch sei. Vielmehr müsse die Fragestellung lauten, ob zu erwarten sei, dass der Antragsteller die ärztlich verordnete Medikation (Medizinalcannabis) ausschließlich der ärztlichen Verordnung entsprechend einnehme und nicht missbräuchlich konsumiere sowie ob Einsicht in das Erfordernis der Therapietreue bestehe.
Unter dem 20. Juni 2023 sowie dem 27. Juni 2023 teilte der Antragsgegner mit, dass eine Änderung der Fragestellung nicht erfolgen werde, weil keine Nachweise über eine Verordnung von Medizinalcannabis oder ein Dosierungsplan oder ein Behandlungsplan zur geplanten Überwachung durch den behandelnden Arzt vorliege.
Mit Email vom 27. Juni 2023 verwies der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers auf die ärztliche Bescheinigung vom 29. März 2023, der zu entnehmen sei, dass der Antragsteller bereits seit Januar 2022 eine Therapie mit Cannabis erhalte. Der Cannabisausweis und der Dosierungsplan könnten nachgereicht werden. Der Antragsteller wolle nicht die Anordnung einer MPU selbst verhindern; es müsse lediglich eine Umstellung der Gutachterfrage erfolgen, die berücksichtige, dass er, der Antragsteller, seit 2022 Cannabispatient sei.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2023 gab der Antragsgegner dem Antragsteller vor dem Hintergrund der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Woche und wies darauf hin, dass die Möglichkeit des freiwilligen Verzichts auf die Fahrerlaubnis bestehe.
Mit Schreiben vom 6. Juli 2023 nahm der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass der Antragsteller zur Abgabe einer MPU bereit sei. Die Frage, ob er, der Antragsteller, unter dem Einfluss von THC zukünftig ein Kraftfahrzeug führen werde, sei aber schlicht mit "ja" zu beantworten, ohne dass dabei fahrerlaubnisrechtlich die Eignung deshalb in Frage zu stehen habe. Er sei bereits bei der Tat sowie auch nach wie vor Cannabispatient. Nachweise hierzu werde er zeitnahe vorlegen. Die Gutachterfrage sei rechtswidrig.
Der Antragsteller übersandte unter dem 17. Juli 2023 ein ärztliches Gutachten der K. GmbH vom 11. Juli 2023. Auf das Gutachten wird Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 19. Juli 2023, zugestellt am 21. Juli 2023, entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller erteilten Klassen (Ziffer I.) und ordnete die Pflicht zur Abgabe des Führerscheins an (Ziffer II.) Gleichzeitig ordnete er die sofortige Vollziehung der der Verfügung zu I. und II. an (Ziffer III.) und setzte Kosten in Höhe von 163,13 Euro fest (Ziffer IV.). Für den Fall der Nichtbefolgung der Anordnung zu II. drohte der Antragsgegner die Einziehung des Führerscheins im Wege des unmittelbaren Zwanges an (Ziffer V.). Wegen der Begründung wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Der Antragsteller gab seinen Führerschein ausweislich des Verwaltungsvorgangs bei dem Antragsgegner ab.
Gegen den Bescheid vom 19. Juli 2023 hat der Antragsteller am 26. Juli 2023 Klage (Az. L.) erhoben, über die noch nicht entschieden wurde, und zugleich den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen.
Der Antragsteller beantragt,
die sofortige Vollziehung der Verfügung des Antragsgegners vom 19. Juli 2023 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen eben diese Verfügung vom 19. Juli 2023 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Er tritt dem Antrag entgegen, wiederholt zur Begründung sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus:
Er, der Antragsgegner, habe sich gegen eine Änderung der Fragestellung entschieden, weil keine ausreichenden, geeigneten Unterlagen als Nachweis einer Cannabistherapie vorgelegt worden seien. Nach der ärztlichen Bescheinigung vom 29. März 2023 befinde sich der Antragsteller seit dem 14. Januar 2023 in ärztlicher ambulanter Behandlung. In dem weiteren ärztlichen Gutachten vom 11. Juli 2023 sei dem Antragsteller aufgegeben worden, der Behörde neben dem Gutachten auch Vorbefunde/Dokumentationen der zuvor behandelnden Ärzte und der erfolgten Therapien vorzulegen, was indes nicht geschehen sei. Es fehle die vollständige medizinische Indikation, d.h. der Nachweis, dass die Erkrankung oder Symptome dieser Erkrankung nicht mit den zur Verfügung stehenden klassischen therapeutischen Möglichkeiten ausreichend behandelbar sei. Es gebe keinerlei Nachweise, welche Behandlungsoptionen bislang erprobt worden seien und zu welchen Erfolgen oder Misserfolgen sie geführt hätten. Auch sei kein entsprechendes Btm-Rezept vorgelegt worden und auch ein Cannabisausweis fehle. Es entstehe daher der Eindruck, dass eine Cannabisverschreibung aus medizinischen Gründen angestrebt werde, um den missbräuchlichen Konsum zu legalisieren.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: L.) gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis im Bescheid vom 19. Juli 2023 wiederherzustellen, hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formal nicht zu beanstanden, da die nicht bloß formelhafte Begründung in dem angegriffenen Bescheid den in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normierten Anforderungen genügt. Der Antragsgegner ist unter Berücksichtigung und Abwägung der im konkreten Fall betroffenen Interessen, d.h. des privaten Aussetzungsinteresses des Antragstellers und des besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses, zu dem näher begründeten Ergebnis gelangt, dass das öffentliche Vollzugsinteresse als vorrangig anzusehen ist.
Auch im Übrigen besteht keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis im Bescheid des Antragsgegners vom 19. Juli 2023 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO wiederherzustellen.
Das Gericht entscheidet über den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage auf der Grundlage einer Abwägung der widerstreitenden Interessen. Das sind hier das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der behördlichen Verfügung einerseits und das Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung über seine Klage weiterhin Inhaber einer Fahrerlaubnis zu sein, andererseits. Dabei fallen die Erfolgsaussichten der erhobenen Klage entscheidend mit ins Gewicht. Ergibt die Einschätzung, dass diese voraussichtlich erfolgreich sein wird, überwiegt das private Aussetzungsinteresse, da an dem Vollzug eines voraussichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein überwiegendes öffentliches Vollzugsinteresse bestehen kann. Ergibt die Bewertung hingegen, dass die Klage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird, besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes, soweit ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse gegeben ist. Ist der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache offen, ist aufgrund einer umfassenden Abwägung zu ermitteln, wessen Interesse für die Dauer des Hauptsacheverfahrens der Vorrang einzuräumen ist.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze fällt die Interessenabwägung hier zulasten des Antragstellers aus. Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass die vom Antragsteller erhobene Klage (Az. L.) ohne Erfolg bleiben wird, da die Entziehung der Fahrerlaubnis aller Voraussicht nach rechtmäßig ist und keine subjektive Rechtsverletzung des Antragstellers vorliegt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.04.2019 - 3 C 13.17 -, juris Rn. 11). Hier ist daher auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der Entziehungsentscheidung vom 19. Juli 2023 abzustellen.
Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber der Fahrerlaubnis als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erwiesen hat. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Gemäß Nr. 9.2.2 i.V.m. der Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV ist ein Kraftfahrer, der gelegentlich Cannabis einnimmt, im Regelfall als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn er nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen kann. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten ohne ausreichenden Grund nicht fristgerecht bei, ist nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf dessen Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Untersuchung formell sowie materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.06.2005 - 3 C 25.04 -, juris Rn. 19).
Vorliegend durfte der Antragsgegner nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die fehlende Kraftfahreignung des Antragstellers schließen, nachdem dieser das von ihm geforderte Gutachten nicht vorgelegt hat. Dabei ist zu beachten, dass, soweit es für die Rechtmäßigkeit der Entziehungsentscheidung vom 19. Juli 2023 darauf ankommt, ob die vorausgegangene Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens zu Recht erfolgt ist, dies nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Ergehens zu beurteilen ist (BVwerG, Urt. v. 17.11.2016 - 3 C 20.15 -, BVerwGE 156, 293-305 -, juris Rn. 14), sodass hierfür auf den Zeitpunkt der Gutachtenanordnung vom 30. März 2023 abzustellen ist.
Die Gutachtenanordnung war formell und materiell rechtmäßig (hierzu unter 1.). Der Antragsgegner durfte sich auch auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV berufen (hierzu unter 2.).
1.
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtenanordnung am 30. März 2023 war diese formell rechtmäßig. Der Antragsgegner hat i.S.d. § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV die durch das Gutachten zu beantwortende Frage nach der Kraftfahreignung des Antragstellers unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 der FeV ordnungsgemäß festgelegt. Hierbei konnte der Antragsgegner zum o.g. maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtenanordnung auch keine Kenntnis von einem Medizinalcannabiskonsum des Antragstellers haben bzw. diesen bei Formulierung der Fragestellung berücksichtigen. Denn der Antragsteller hat erstmalig mit Schreiben vom 13. April 2023 bzw. vom 28. April 2023 - und damit zeitlich nach Erlass der Gutachtenanordnung vom 30. März 2023 - erklärt, dass er, der Antragsteller, Cannabispatient sei und hierzu die ärztliche Bescheinigung vom 29. März 2023 und später das ärztliche Gutachten vom 11. Juli 2023 vorgelegt. Hieraus ergibt sich, dass der Antragsteller seit dem 14. Januar 2023 und damit zeitlich nach dem 5. Dezember 2022, ärztlich verordnet Cannabis konsumiert. Des Weiteren hat der Antragsgegner auch die Gründe für die Zweifel an der Fahreignung den Vorgaben des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV entsprechend dargelegt, indem er auf die Vorfälle am 6. Mai 2019 sowie 5. Dezember 2022 abgestellt hat. Die Begutachtungsanordnung genügte auch den weiteren in § 11 Abs. 6 FeV normierten Anforderungen, insbesondere hat der Antragsgegner auf die Möglichkeit der Akteneinsicht hingewiesen und eine angemessene Frist zur Vorlage des Gutachtens bestimmt. Für den Fall, dass der Antragsteller die Begutachtung verweigert oder das Gutachten nicht fristgerecht vorlegt, hat der Antragsgegner zudem gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV auf die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV hingewiesen.
Die Begutachtungsanordnung war auch materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des §§ 14 Abs. 1 Satz 3 FeV, 46 Abs. 3 FeV lagen vor. In § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV ist geregelt, dass die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden kann, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Beim Antragsteller lag (zumindest) die gelegentliche Einnahme von Cannabis vor. Ein gelegentlicher Cannabiskonsum in diesem Sinne liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (BVerwG, Urt. v. 23.10.2014 - 3 C 3.13 -, juris; Pause-Münch in; Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 14 FeV (Stand 23.05.2022), Rn. 37). Nach dem toxikologischen Untersuchungsbericht der J. vom 23. Dezember 2022 wurde in der dem Antragsteller am 5. Dezember 2022 entnommenen Blutprobe ein THC-Carbonsäure (THC-COOH) -Wert oberhalb des Grenzwerts von 100 ng/ml, namentlich 133 ng/ml, sowie ein THC- Wert von 2,2 ng/ml im Blutserum nachgewiesen. Außerdem hatte der Antragsteller nachweislich bereits am 6. Mai 2019 Cannabis konsumiert, wobei die Konsumakte im Jahr 2022 und 2019 jedenfalls noch den notwendigen zeitlichen Zusammenhang aufweisen. Inwieweit in der Vergangenheit liegende Konsumakte noch als Grundlage für die Annahme eines gelegentlichen Konsums herangezogen werden können, beurteilt sich nach einer Einzelfallbetrachtung. Maßgeblich ist zum einen, ob bei Einbeziehung aller relevanter Umstände, insbesondere Art und Ausmaß des früheren Drogenkonsums, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne eines Gefahrenverdachts besteht, dass der Betroffene noch Cannabis einnimmt oder jedenfalls rückfallgefährdet ist. Zum anderen müsste sich, da das Merkmal der "Gelegentlichkeit" insoweit der Abgrenzung zum einmaligen (experimentellen) Probierkonsum dient, ein erneuter Konsum auch nach innerem Zusammenhang sowie unter zeitlichen Gesichtspunkten als Fortsetzung des früheren Konsummusters darstellen. Eine schematische Festlegung von Zeiträumen verbietet sich dabei (BayVGH, Beschl. v. 01.07.2022 - 1 CS 22.860 -, juris Rn. 18 m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen setzt der zeitliche Abstand zwischen den Konsumakten im Jahr 2019 und 2022 bei einer Gesamtbetrachtung keine relevante Zäsur (vgl. zu Konsumakten 2018 und 2021: BayVGH, Beschl. v. 01.07.2022 - 1 CS 22.860 -, juris Rn. 19). Zum einen legt der Übergang von illegalem Cannabiskonsum zum ärztlich verordneten Cannabiskonsum seit dem 14. Januar 2023 nahe, dass der Antragsteller (ggf. vor dem Hintergrund bestehender Schmerzen) Cannabis über längere Zeit konsumiert hat. Zum anderen hat nicht einmal der Antragsteller substantiiert behauptet, sich vom Cannabiskonsum seit 2019 gelöst zu haben.
Es lagen zudem auch Tatsachen vor, die Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen eines Kraftfahrzeuges begründeten. Derartige weitere Tatsachen, die Zweifel an der Fahreignung des Betroffenen begründen, auch Zusatztatsachen genannt, lassen sich bereits der Nr. 9.2.2. der Anlage 4 zu den §§ 11,13 und 14 FeV entnehmen (fehlendes Trennungsvermögen, Vorliegen eines Mischkonsums, Störung der Persönlichkeit und Kontrollverlust). Der Betroffene muss für die Bejahung seiner Fahreignung nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV Konsum und Fahren in einer Weise trennen, dass durch eine vorangegangene Einnahme von Cannabis eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften unter keinen Umständen eintreten kann. Im Hinblick auf die schwerwiegenden Gefahren, die von in ihrer Fahrsicherheit beeinträchtigten Kraftfahrzeugführern für Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer ausgehen können, ist es auch vor dem Hintergrund der staatlichen Pflicht, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten, geboten, solche Risiken soweit wie möglich auszuschließen. Dementsprechend wird das Trennungsgebot nicht erst dann verletzt, wenn mit Sicherheit eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit anzunehmen ist oder es zu einer signifikanten Erhöhung des Unfallrisikos kommt, sondern bereits dann, wenn die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht oder - negativ formuliert - eine solche Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden kann (BVerwG, Urt. v. 11.04.2019 - 3 C 14.17 -, juris Rn. 17). Abzustellen ist darauf, ab welcher Konzentration von THC im Blutserum eine verkehrssicherheitsrelevante Beeinträchtigung der Fahrsicherheit möglich oder nicht ausgeschlossen ist; insoweit handelt es sich um einen "Risikogrenzwert". Eine in diesem Sinne hinreichende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis, d.h. ein mangelndes Trennen zwischen dem (gelegentlichen) Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen, liegt bei einem THC-Wert ab 1,0 ng/ml im Blutserum vor (BVerwG, Urt. v. 11.04.2019 - 3 C 14.17 -, juris). So liegt auch hier der Fall. Denn aus dem toxikologischen Untersuchungsbericht vom 23. Dezember 2022 ergibt sich, dass der Antragsteller am 5. Dezember 2022 ein Kraftfahrzeug mit einem THC-Wert von 2,2 ng/ml im Blutserum geführt hat. Darin liegt ein Verstoß gegen das Trennungsgebot nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, der Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers begründet und die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV dazu ermächtigt, im Ermessenswege ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen (BVerwG, Urt. v. 11.04.2019 - 3 C 14.17 -, juris).
Der Antragsgegner hat das ihm bei der Begutachtungsanordnung nach §§ 46 Abs. 3, 14 Abs. 1 Satz 3 FeV eingeräumte Ermessen erkannt und in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Gegenteiliges macht auch der Antragsteller nicht geltend.
2.
Der Antragsgegner durfte auf der Grundlage des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV davon ausgehen, dass der Antragsteller zum Führen eines Kraftfahrzeuges nicht geeignet ist, insbesondere hat der Antragsteller seine Fahreignung zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entziehungsentscheidung vom 19. Juli 2023 nicht wiedererlangt. Erfolgt die ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis - wie hier - erst nach dem Verstoß gegen das Trennungsverbot in Ziffer 9.2.2. der Anlage 4 zur §§ 11, 13 und 14 FeV hat mithin der Betroffene den bisherigen - illegalen - Cannabiskonsum durch einen ärztlich verordneten Cannabiskonsum ersetzt, unterfällt der Betroffene den für die Dauerbehandlung mit Arzneimitteln geltenden Grundsätzen (VG Neustadt a.d. Weinstraße Urt. v. 10.5.2023 - 1 K 12/23, BeckRS 2023, 20475 Rn. 53). Damit die Dauerbehandlung mit Medizinalcannabis nicht zum Verlust der Fahreignung führt, setzt dies nach Nr. 9.4 und 9.6 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV voraus, dass die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet ist, das Medizinalcannabis zuverlässig nach der ärztlichen Verordnung eingenommen wird, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt, und nicht zu erwarten ist, dass der betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird (BayVGH Beschl. v. 01.07.2022 -11 CS 22.860 -, juris Rn. 21; BayVGH, Beschl. v. 30.03.2021 - 11 ZB 20.1138 -, juris Rn. 19; Pause-Münch in; Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 14 FeV (Stand 23.05.2022), Rn. 33 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Weder die von dem Antragsteller vorgelegte ärztliche Bescheinigung der K. GmbH vom 29. März 2023 noch das ärztliche Gutachten der K. GmbH vom 11. Juli 2023 ist geeignet, die durch seinen Cannabiskonsum hervorgerufenen Fahreignungszweifel auszuräumen bzw. eine medizinische Indikation zur Behandlung mit Medizinalcannabis nachzuweisen. Zu der Frage, wann eine Einnahme von Cannabis medizinisch indiziert ist, hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße in seinem Urteil vom 10. Mai 2023 ausgeführt:
"So ist eine Indikation zur Behandlung mit Betäubungsmitteln (vgl. dazu allgemein Bohnen/Schmidt in: BeckOK BtMG, 16. Edition, § 13 Rn. 22 ff.) nach Anlage III zu § 13 Abs. 1 BtMG - wie Cannabis - nur dann gegeben, wenn die Anwendung dieser Betäubungsmittel zur Erreichung des Therapiezieles unerlässlich ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 BtMG). Betäubungsmittel dürfen mithin immer nur die Ultima Ratio sein (siehe VGH BW, Beschlüsse vom 8. Juli 2021 - 13 S 1800/21 -, juris Rn. 19 und 16. Januar 2023 - 13 S 330/22 -, juris Rn. 8; BayVGH, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 11 CS 19.1535 -, juris Rn. 23; VG Würzburg, Urteil vom 1. Dezember 2021 - W 6 K 21.638 -, juris Rn. 44).
Diese Vorgaben ergeben sich für die Behandlung mit Medizinal-Cannabis auch aus § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V (vgl. die Begründung zum Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 6. März 2017, BT-Drs. 18/8965, Seite 13, nach der der verschreibende Arzt in rechtlicher Hinsicht insbesondere das Vorliegen der - auch schon nach geltender Rechtslage - für alle übrigen verschreibungspflichtigen Betäubungsmittel geltenden Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BtMG zu berücksichtigen hat). Nach dieser Vorschrift haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Ärzte unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann (vgl. VGH BW, Beschluss vom 16. Januar 2023 - 13 S 330/22 -, juris Rn. 8) und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegenden Symptome besteht."
Im Übrigen führt der Bayrische Verwaltungsgerichtshof hierzu in seinem Beschluss vom 1. Juli 2022 (11 CA 22.860 -, juris Rn. 22) aus:
"Dies setzt insbesondere voraus, dass der beabsichtigte Zweck auf andere Weise, wie eine Änderung der Lebensweise, physiotherapeutische, eine Psycho- oder Verhaltenstherapie oder die Anwendung nicht den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegender Arzneimittel, nicht erreicht werden kann."
Diese hohen Anforderungen erfüllt nach summarischer Prüfung weder die von dem Antragsteller vorlegte Bescheinigung der K. GmbH vom 29. März 2023 noch das Gutachten der M. vom 11. Juli 2023. In der ärztlichen Bescheinigung vom 29. März 2023 heißt es unter Diagnosen:
"M51.1 Lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie (G55.1*)"
Weiter heißt es in der Bescheinigung vom 29. März 2023 lediglich, dass sich der Antragsteller seit dem 14. Januar 2022 in ärztlicher ambulanter Behandlung befinde und dass aufgrund der genannten Diagnosen nach ausführlicher Anamnese und Befunderhebung eine Therapie mit medizinischem Cannabis durchgeführt werde. Insoweit ist anzumerken, dass diese Bescheinigung wohl das falsche Datum, nämlich den 14. Januar 2022 und nicht den 14. Januar 2023, benennen dürfte. Dies ergibt sich zum einen aus dem Umstand, dass die Bescheinigung (erst) vom 29. März 2023 stammt, sowie der Tatsache, dass das Gutachten vom 11. Juli 2023 nachvollziehbar als Datum der Erstvorstellung und Erstverschreibung von Cannabisbl. Tilray THC9 No. 2 (Warlock) den 14. Januar 2023 benennt (S. 2 d. Gutachtens v. 11. Juli 2023). Das Gutachten vom 11. Juli 2023 weist daneben weiter aus, dass der Antragsteller seit dem 16. März 2023 mit dem Wirkstoff Cannabis Flos (Handelsnahme 420 NATURAL 22/1 CA GG4 (Gorilla Glue) in Form von Inhalation mit medizinischen Verdampfer bei einer täglichen Dosis von 0,3g (2x 0,15g) ärztlich behandelt werde. Als Haupterkrankung(en) benennt das Gutachten M51.1 G Lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie, M54.4 Lumboischialgie sowie M54.5 Kreuzschmerz. Weiter heißt es u.a. in dem Gutachten:
"Schweregrad der Erkrankung:
Es ist eine medizinische Versorgung erforderlich, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine Verschlimmerung mit entsprechenden physischen und/oder psychischen Folgeerkrankungen sowie eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die zugrundeliegende Erkrankung zu erwarten ist. [vgl. Richtlinie "Chroniker-Richtlinie" Stand 17. November 2017]
(...)
Behandlungsoptionen die alternativ zur Verfügung stehen:
Zur Verfügung stehende Behandlungsoptionen haben sich als unzureichend wirksam erwiesen und gingen teilweise zusätzlich mit erheblichen unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen einher. Insgesamt war kein langfristig zufriedenstellender Therapieerfolg bei bestehender chronischer Erkrankung zu verzeichnen. Daher lehnt der Patient im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts weitere Therapieversuche mit chemischen Arzneimitteln trotz Aufklärung ab. Die nichtmedikamentösen Behandlungsoptionen sind ausgeschöpft."[sic!]
Sowohl in der ärztlichen Bescheinigung vom 29. März 2023 als auch in dem Gutachten vom 11. Juli 2023 wird - unabhängig von der unspezifischen Abstellung auf "lumbale und sonstige Bandscheibenschäden" - in keiner Weise ausgeführt, wie lange der Antragsteller an der beschriebenen Erkrankung leidet. Zu alternativen, konventionellen Behandlungsoptionen enthält das Gutachten (nur) einen Hinweis darauf, dass sich die zur Verfügung stehende Behandlungsoptionen als unzureichend wirksam erwiesen hätten und teilweise zusätzlich mit erheblichen unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen einhergegangen seien und der Antragsteller im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts weitere Therapieversuche im chemischen Arzneimitteln ablehne. Weil sich genau diese - textbausteinmäßig erscheinende - Formulierung bereits in anderen, ähnlich gelagerten Fällen in der Rechtsprechung finden lässt (BayVGH Beschl. v. 01.07.2022 - 11 CS 22.860 -, juris Rn. 22), stellt sich die Frage, ob es sich bei dem Gutachten der K. GmbH vom 11. Juli 2023 um ein Gefälligkeitsgutachten handelt. Im Übrigen wird mit der genannten Formulierung nicht einmal schlüssig behauptet, dass eine konventionelle Behandlung keinen Erfolg verspricht. Vorbefunde oder Dokumente zu vorhergehender Therapie wurden - trotz des ausdrücklichen Hinweises in dem Gutachten vom 11. Juli 2023 (vgl. S. 4) - nicht vorgelegt. Ferner stellt sich bei dem Antragsteller angesichts seiner Drogenvorgeschichte ohne Weiteres die Frage der zuverlässigen Einnahme des medizinischen Cannabis nach der ärztlichen Verordnung im Sinne einer Compliance bzw. Adhärenz. Wenn es in dem Gutachten vom 11. Juli 2023 heißt, "bei Einhaltung der verschriebenen Tagesdosis, des Zeitintervalls und durch die regelmäßige Rücksprache in den Folgesprechstunden bezüglich Verträglichkeit und eventuell unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen" bestünden aus ärztlicher Sicht keine grundsätzlichen Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, kommt dem von vornherein kein relevanter Erkenntniswert zu (vgl. zu genau dieser - ebenfalls textbausteinmäßigen - Formulierung im Gutachten: BayVGH Beschl. v. 01.07.2022 - 11 CS 22.860 -, juris Rn. 22).
Da der Antragsteller das angeforderte Gutachten nach alledem ohne ausreichenden Grund nicht fristgerecht vorgelegt hat, durfte der Antragsgegner nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV von der Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen.
Weil sich der Antragsteller vor diesem Hintergrund als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat, war ihm die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV zwingend zu entziehen. Ein Ermessen war dem Antragsgegner insoweit nicht eingeräumt.
An der sofortigen Vollziehbarkeit der Entziehungsentscheidung besteht im vorliegenden Fall auch ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse, welches das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers am Fortbestand seiner Fahrerlaubnis überwiegt. In Anbetracht des für die Sicherheit des Straßenverkehrs bestehenden erheblichen Gefährdungspotenzials, das von einem zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeigneten Fahrer ausgeht, kann es im Hinblick auf das Interesse an der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit nicht hingenommen werden, dass der Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorerst weiterhin als Führer von Kraftfahrzeugen am Straßenverkehr teilnimmt. Damit verbundene Beeinträchtigungen, ggf. auch für seine berufliche Tätigkeit, hat der Antragsteller hinzunehmen (vgl. dazu allgemein: BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 -, Rn. 47 ff., juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt auf der Grundlage von §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Ziffern 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkataloges der Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. der am 31. Mai / 1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen (NordÖR 2014, 11), wonach der Auffangstreitwert zugrunde zu legen und wegen der Vorläufigkeit des hiesigen Rechtsschutzverfahrens zu halbieren ist (5.000,00 Euro/2 = 2.500,00 Euro).