Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 30.11.2020, Az.: 12 A 2799/18

Baugenehmigung; Enger Zusammenhang; gemeinsame bauliche oder betriebliche Einrichtungen; Hähnchenmaststall; Kumulierende Vorhaben; UVP-Pflicht

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
30.11.2020
Aktenzeichen
12 A 2799/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71968
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

§ 10 Abs. 4 Satz 3 UVPG ist im Lichte der Zielsetzungen der UVP-Richtlinie weit auszulegen, um eine nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unzulässige Umgehung der Regelungsziele der UVP-RL durch eine Aufsplitterung von Projekten zu verhindern.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Hähnchenmaststalls im Außenbereich.

Sie ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bestehend aus dem Landwirt {C.}{D.} und seiner Mutter, der im Jahr 1935 geborenen {E.}{D.}. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 24. Juni 2016 ist Zweck der Gesellschaft die gemeinschaftliche Errichtung und der Betrieb eines Hähnchenmaststalls. Beide Gesellschafter bringen ihre Arbeitskraft in die Gesellschaft ein, {E.}{D.} zusätzlich einen Betrag von 5.000 EUR, {C.}{D.} zusätzlich das in {F.} gelegene Grundstück Gemarkung {G.}, Flur {H.}, Flurstück {I.}, auf dem der Stall errichtet und betrieben werden soll. {E.}{D.} hat die alleinige Geschäftsführungsbefugnis inne und ist mit 52 % am Gewinn beteiligt, {C.}{D.} mit 48 %. Sitz der Gesellschaft ist {J.} in {F.}, eine im Eigentum von {C.}{D.} stehende Hofstelle und Wohnanschrift von {E.}{D.}, die hier ein Altenteilsrecht innehat. Die Gesellschaft ist auf unbestimmte Zeit geschlossen und ordentlich kündbar mit einer Frist von sechs Monaten, erstmalig zum 30. September 2022.

Eine weitere von {C.} und {E.}{D.} betriebene Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die {D.} GbR, erhielt auf ihren Antrag vom 13. Januar 2014 am 19. Mai 2014 eine Baugenehmigung für die Erweiterung ihres mit Bescheid vom 6. März 2002 genehmigten Hähnchenmaststalles von 19.932 Mastgeflügelplätzen auf 29.500 Mastgeflügelplätze auf dem angrenzenden Flurstück {K.} (vormals Flurstück {L.}). Nach deren Gesellschaftsvertrag vom 20. Dezember 2013 ist Zweck der Gesellschaft die Errichtung und Vermietung eines Stalles auf dem Grundstück Gemarkung {G.}, Flur {H.}, Flurstück {L.}. Hierbei leistet {C.}{D.} eine Bareinlage von 5.000 EUR und {E.}{D.} eine Bareinlage von 500 EUR, und {C.}{D.} bringt einen Teil seiner Arbeitskraft in die Gesellschaft ein. {C.}{D.} hat die alleinige Geschäftsführungsbefugnis inne und ist mit 95 % am Gewinn beteiligt, {E.}{D.} mit 5 %. Sitz der Gesellschaft ist ebenfalls {J.} in {F.}, damals noch Wohnanschrift beider Gesellschafter. Die Gesellschaft ist auf unbestimmte Zeit geschlossen und ordentlich kündbar mit einer Frist von sechs Monaten, erstmalig zum 31. Dezember 2015.

Am 11. März 2015 erklärte Herr {D.} in einem Gespräch gegenüber dem Beklagten, dass er einen weiteren Stall mit weniger als 30.000 Masthähnchen südlich des vorhandenen Stalls bauen wolle. Am 17. September 2015 führte Herr {D.} ein weiteres Gespräch mit dem Beklagten zu den bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen eines weiteren Hähnchenmaststalls.

Das Flurstück {L.} der Flur {H.} der Gemarkung {G.} stand ab März 2011 im Eigentum von Herrn {D.}. Die Flurstücke {I.} und {K.} entstanden im Zuge einer Teilung dieses Flurstücks im Mai 2016.

Mit Antrag vom 9. Februar 2016, eingegangen bei dem Beklagten am 6. Juli 2016, beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für einen Hähnchenstall mit 29.500 bzw. 29.900 Mastgeflügelplätzen mit drei Futtersilos und einer Sammelgrube auf dem Flurstück {I.}, Flur {H.}, Gemarkung {G.}. In der Betriebsbeschreibung des Bauantrags wird in der Rubrik „Arbeitskräfte“ ausgeführt, dass einzige Arbeitskraft der Bauherr und Betriebsleiter sei, der eine Ausbildung als Landwirt habe; es gebe weder Arbeitnehmer noch mithelfende Familienangehörige. Ausstallen, Reinigung und Desinfektion würden fremd vergeben.

Der Flecken {F.} erteilte sein gemeindliches Einvernehmen am 23. August 2016.

Mit Schreiben vom 20. Oktober und 10. November 2016 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass insbesondere durch die räumliche Nähe, das identische Wirtschaftskonzept und die Betreiberidentität von einer gemeinsamen Anlage mit 59.000 Mastgeflügelplätzen auszugehen und deshalb ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen sei. Die Bauakte werde daher vom Fachdienst Immissionsschutz weiterbearbeitet.

Mit Schreiben vom 28. November 2016 teilte die {D.} GbR dem Beklagten mit, dass sie ihren Sitz verlegt habe; dieser befinde sich nunmehr unter der Anschrift {M.}, der neuen Wohnanschrift von Herrn {D.}.

Die Klägerin machte unter Vorlage eines Schreibens ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 15. Dezember 2016 geltend, das Verfahren sei als Baugenehmigungsverfahren fortzuführen. Zwischen beiden Anlagen bestehe kein enger Zusammenhang. Die Anlagen befänden sich nicht auf demselben Betriebs- oder Baugelände, sondern auf unterschiedlichen Flurstücken, die im Alleineigentum des jeweiligen Mehrheitsgesellschafters stünden. Zwar sei aufgrund des geringen räumlichen Abstands von Wirkungsüberschneidungen auszugehen; die Anlagen hätten jedoch keinerlei funktionalen und wirtschaftlichen Bezug zueinander; das Nebeneinander sei eine reine Zufälligkeit. Die Anlagen seien nicht durch gemeinsame betriebliche oder bauliche Einrichtungen miteinander verbunden und verfügten über eine eigenständige Erschließung, eine eigenständige Versorgung mit Strom, Wasser und Gas und eine eigenständige Löschwasserversorgung. Der anfallende Wirtschaftsdünger und das Reinigungswasser würden nicht auf gemeinsamen Flächen aufgebracht. Die Betriebsleiter seien unter unterschiedlichen Adressen wohnhaft. Es liege auch keine Betreiberidentität vor, weil Herr und Frau {D.} ihre jeweilige Anlage unabhängig vom jeweils anderen betreiben würden.

Mit Schreiben vom 15. Februar 2017 teilte die Klägerin dem Beklagten weiter mit, dass {C.}{D.} mit Grundstücksübergabevertrag vom 2. Februar 2017 das Flurstück {I.} auf {E.}{D.} übertragen habe. Anfang März 2017 wurde {E.}{D.} als Eigentümerin des Flurstücks {I.} im Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 31. März 2017 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Ablehnung des Bauantrags an und erklärte, eine Zulassung als privilegiertes Vorhaben im Außenbereich aufgrund des allein in Betracht kommenden § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB scheide aus, weil es sich um ein kumulierendes Vorhaben handele, das einer Pflicht zur Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) unterliege. Beide Anlagen lägen auf demselben Betriebs- oder Baugelände und seien mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden.

Mit Schreiben vom 3. Juli 2017 machte die Klägerin geltend, dass die Voraussetzungen einer Kumulation der Bestands- und der Neuanlage nicht gegeben seien. Die bestehende Hähnchenmastanlage und die zur Genehmigung gestellte Anlage lägen nicht auf demselben Betriebsgrundstück und seien auch nicht mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden. Die Stallanlagen lägen rein zufällig nebeneinander; sie würden von unterschiedlichen Betreibern geführt, die unterschiedliche Geschäftsadressen hätten. Auch auf Betriebsleiterebene seien unterschiedliche Personen für die jeweiligen Anlagen verantwortlich, nämlich für die Klägerin {E.}{D.} und für die {D.} GbR {C.}{D.}. Die Betriebsleiter entschieden eigenständig und ohne Rücksprache miteinander über die jeweilige Betriebsführung und über die wirtschaftlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Betrieb; Absprachen fänden nicht statt. Gemeinsame Betriebsräume gebe es nicht. Die Betriebe seien nicht nur wirtschaftlich und steuerrechtlich völlig getrennt, sie verfügten auch nicht über gemeinsame Betriebseinrichtungen. Daher scheide eine Addition der Tierplatzzahlen und eine Überschreitung der Schwellenwerte nach der Anlage 1 zum UVPG aus und das Verfahren sei als Baugenehmigungsverfahren fortzuführen.

Mit Bescheid vom 2. Oktober 2017 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung ab und führte zur Begründung aus: Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Das Baugrundstück liege im Außenbereich und sei aufgrund der Größe von lediglich 9.600 m² nicht geeignet, eine für die Anwendbarkeit von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ausreichende eigene Futtergrundlage nachzuweisen. Das Vorhaben sei auch nicht wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zulässig. Es handele sich nämlich um die Errichtung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht unterfalle und die einer Pflicht zur Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung nach dem UVPG unterliege. Das Vorhaben kumuliere mit dem auf dem Flurstück {K.} vorhandenen Vorhaben, so dass von 59.000 Tierplätzen und einer Pflicht zur allgemeinen Vorprüfung gemäß der Anlage 1 zum UVPG auszugehen sei. Es handele sich um Anlagen derselben Art, nämlich Geflügelmastanlagen, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände lägen und mit gemeinsamen betrieblichen und baulichen Einrichtungen verbunden seien. Zwischen den Hähnchenmastställen bestehe lediglich ein Abstand von 25 bis 40 m, so dass sich die Umweltauswirkungen der beiden Anlagen zweifelsfrei überschnitten. Es könne auch nicht von einem zufälligen Nebeneinander der Anlagen ausgegangen werden. Die Flurstücke {I.} und {K.} seien gezielt und parallel zur Vorbereitung der Bauantragsstellung durch Teilung des Flurstücks {L.} im Mai 2016 entstanden. Erst nach Stellung des Bauantrags sei {E.}{D.} Eigentümerin des Flurstücks {I.} geworden. Das planvolle Zusammenwirken der beiden Gesellschafter zeige sich auch darin, dass sie den Bauantrag und diverse Bauvorlagen gemeinsam unterschrieben hätten. In der Folge habe sich außerdem regelmäßig Herr {D.} und nicht die alleinige Geschäftsführerin der Klägerin an den Beklagten gewandt, um sich um den Bauantrag und dessen Vervollständigung zu kümmern. Laut Antragsunterlagen würden nur das Ausstallen, die Reinigung und die Desinfektion der Ställe fremd vergeben, und es sei ein Abnahmevertrag für Wirtschaftsdünger geschlossen worden. Damit seien zum Beispiel das Einstreuen der Ställe, das Warten der Stalleinrichtung, das Herrichten des Stalles zur Aufstallung, die Annahme des Futters, die Sicherstellung des täglichen Fütterns und Tränkens sowie die tägliche Tierkontrolle und die Überwachung des Tierwohls durch die beiden Gesellschafter vorzunehmen. {C.}{D.} habe nach den Gesellschaftsverträgen in beide Gesellschaften seine Arbeitskraft einzubringen. Daraus sei zu schließen, dass er in beiden Ställen die täglich anfallenden Arbeiten ausführe, zumal {E.}{D.} im Jahr 1935 geboren sei. Durch den Einsatz desselben Personals und die räumliche Nähe der beiden Ställe entstehe eine seuchenhygienische Einheit; bei einem Seuchenfall in der einen Anlage sei auch der Tierbestand der anderen Anlage zu keulen. Aus seuchenhygienischer Sicht seien die Betriebsabläufe aufeinander abzustimmen, um einen hohen Keimdruck zwischen den beiden Ställen zu vermeiden. Daher seien beispielsweise ein gleichzeitiges Aufstallen mit Küken von demselben Lieferanten und ein möglichst zeitgleiches Ausstallen der Tiere erforderlich. Werkzeuge und Geräte für Wartungs- und Reparaturarbeiten sowie Maschinen und Geräte für das Einstreuen der Ställe stellten gemeinsame Betriebseinrichtungen dar. Bei den Hähnchenmastställen befänden sich keine Räumlichkeiten, die groß genug seien, um Werkzeuge, Maschinen und Geräte unterzubringen, und es sei unwahrscheinlich, dass diese doppelt vorgehalten würden. Es sei davon auszugehen, dass sich die auf Herrn {D.} angemeldeten landwirtschaftlichen Fahrzeuge (drei Ackerschlepper, eine Zugmaschine und ein Viehtransporter) auf der Hofstelle {J.} befänden. Die Hofstelle stehe im Eigentum von {C.}{D.}, sei Sitz der Klägerin und Wohnsitz von {E.}{D.}, die dort ein Altenteilsrecht innehabe. Damit spreche eine Vielzahl von Indizien und Fakten für eine Kumulation.

Die Klägerin erhob am 26. Oktober 2017 gegen den ablehnenden Bescheid Widerspruch und führte zur Begründung aus: Eine Kumulation liege nicht vor. {E.}{D.} sei Betriebsleiterin und Vorhabenträgerin der zur Genehmigung gestellten Anlage. Daran ändere es nichts, dass sie Aufgaben gegenüber dem Beklagten an ihren Sohn delegiere. Die Klägerin werde im Falle der Betriebsaufnahme durch eine Mitarbeiterin, nämlich {N.}{D.}, wohnhaft {O.} in {F.}, unterstützt. Diese solle folgende Aufgaben übernehmen: Einstreuen der Ställe, Herrichten des Stalles zur Aufstallung, Sicherstellung des täglichen Fütterns und Tränkens, tägliche Tierkontrolle und Überwachung des Tierwohls. Die Wartung der Stalleinrichtung (z.B. des Lüftungscomputers) erfolge durch die jeweilige Fachfirma, die die Stalleinrichtungsgegenstände einbaue. Die Anlieferung des Futters erfolge so, dass der Futtermittellieferant das Futter in das aufgestellte Futtersilo einblase und ein Rückstellmuster und den Lieferschein zurücklasse. Eine „Annahme“ des Futters durch eine anwesende Person erfolge nicht. Gemeinsame Werkzeuge, Geräte und Maschinen der beiden Gesellschaften gebe es nicht.

Mit Bescheid vom 5. April 2018 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 2. Oktober 2017 zurück und führte zur Begründung aus: Das Vorhaben unterliege wegen der Kumulation mit dem bestehenden Hähnchenmaststall einer Prüfungspflicht nach dem UVPG und sei daher planungsrechtlich unzulässig. Herr {D.} sei nach dem Gesellschaftsvertrag nicht befugt, die Klägerin zu vertreten. Soweit nunmehr vorgetragen werde, dass seine Mutter ihm Aufgaben delegiere, führe dieser Vortrag zu der Überzeugung, dass die vorgelegten Gesellschaftsverträge nicht geeignet seien, eine Trennung zwischen den Betreibern nachzuweisen bzw. sicherzustellen. Angesichts der planvollen Schritte zur Umgehung einer Kumulation könne von einem zufälligen Zusammentreffen der Vorhaben nicht ausgegangen werden; vielmehr lasse sich hieraus ein koordiniertes Vorgehen hinreichend sicher ableiten. Der Abschluss selbständiger, voneinander unabhängiger Vereinbarungen, z.B. die Bewirtschaftung betreffend, sei nicht nachgewiesen worden. Insbesondere sei nicht nachgewiesen worden, dass die täglichen Arbeiten durch Mitarbeiter der Klägerin bzw. Dritte wahrgenommen würden.

Am 16. April 2018 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung vertieft sie ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Eine seuchenhygienische Einheit bestehe nicht. Gemeinsames Personal werde in den Anlagen nicht eingesetzt, und jede Anlage verfüge über eine eigene Hygieneschleuse. Es würden keine gemeinsamen betrieblichen Einrichtungen wie Büroräume, Werkzeuge, Geräte oder Maschinen genutzt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 2. Oktober 2017 und des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2018 zu verpflichten, ihr die am 6. Juli 2016 beantragte Baugenehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Maststalls mit drei Futtersilos und einer Sammelgrube auf dem Flurstück {I.}, Flur {H.}, Gemarkung {G.}, zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und wiederholt und vertieft seine Begründung zur Kumulation der beiden Vorhaben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Hähnchenmaststalls. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 2. Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn die Baumaßnahme, soweit sie genehmigungsbedürftig ist und soweit eine Prüfung erforderlich ist, dem öffentlichen Baurecht entspricht. Das Vorhaben der Klägerin entspricht nicht dem öffentlichen Baurecht. Es erweist sich nach dem aufgrund seiner Lage im Außenbereich einschlägigen Maßstab des § 35 BauGB als planungsrechtlich unzulässig, weil es nicht zu den privilegierten Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB gehört und als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt.

Da es sich bei dem Vorhaben unstreitig um eine Tierhaltungsanlage ohne eigene Futtergrundlage handelt, scheidet eine Privilegierung der Anlage als einem landwirtschaftlichen Betrieb dienend im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB von vornherein aus.

Auch eine Privilegierung des Vorhabens nach der im Übrigen allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ist nicht gegeben. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ist ein Vorhaben im Außenbereich nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVPG unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind.

Das streitgegenständliche Vorhaben ist nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zulässig, weil es sich um die Errichtung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung handelt, die dem Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung nach dem UVPG unterliegt.

Das Vorhaben unterliegt einer Pflicht zur Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung nach dem UVPG. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB stellt dabei hinsichtlich der Anknüpfung an eine etwaige UVP-rechtliche (Vor-)Prüfungspflicht eine dynamische Verweisung dar. Die in der Vorschrift enthaltene Definition des "engen Zusammenhangs" kumulierender Vorhaben hat keine regelnde Funktion (VG Münster, Urt. v. 7.12.2017 – 2 K 1930/16 –, juris Rn. 27-32).

Nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 UVPG ist bei einer nachträglichen Kumulation für den Fall, dass für das frühere Vorhaben eine Zulassungsentscheidung getroffen worden ist und keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, für das hinzutretende kumulierende Vorhaben die allgemeine Vorprüfung durchzuführen, wenn die kumulierenden Vorhaben zusammen die Prüfwerte für die allgemeine Vorprüfung erstmals oder erneut erreichen oder überschreiten.

Zwar bleibt das streitgegenständliche Vorhaben mit 29.500 bzw. 29.900 Mastgeflügelplätzen isoliert betrachtet unterhalb des Schwellenwertes von 40.000 Plätzen für die Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung nach Nummer 7.3.2 der Anlage 1 zum UVPG. Das Vorhaben kumuliert allerdings mit dem auf dem Flurstück {K.} vorhandenen und 29.500 Plätze bietenden Hähnchenmaststall der {D.} GbR, so dass von insgesamt mindestens 59.000 Tierplätzen auszugehen ist und eine Pflicht zur allgemeinen Vorprüfung nach Nummer 7.3.2 der Anlage 1 zum UVPG besteht.

Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 UVPG liegen kumulierende Vorhaben vor, wenn mehrere Vorhaben derselben Art von einem oder mehreren Vorhabenträgern durchgeführt werden und in einem engen Zusammenhang stehen. Um Vorhaben derselben Art handelt es sich insbesondere dann, wenn diese in der Liste „UVP-pflichtige Vorhaben“ (Anlage 1 UVPG) einer Vorhabenart derselben Ordnungsnummer angehören (vgl. BT-Drs. 18/11499, S. 82). Ein enger Zusammenhang liegt gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 UVPG vor, wenn sich der Einwirkungsbereich der Vorhaben überschneidet (Nr. 1) und die Vorhaben funktional und wirtschaftlich aufeinander bezogen sind (Nr. 2). Technische und sonstige Anlagen müssen nach § 10 Abs. 4 Satz 3 UVPG zusätzlich mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sein.

Die vorgenannten Voraussetzungen einer Kumulation liegen vor.

Es handelt sich um Vorhaben derselben Art, denn beide Vorhaben betreffen die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Intensivhaltung oder -aufzucht von Mastgeflügel nach Nummer 7.3 der Anlage 1 zum UVPG.

Die Vorhaben stehen auch in einem engen Zusammenhang.

Dass sich der Einwirkungsbereich der Vorhaben im Sinne von § 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 UVPG überschneidet, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und ergibt sich auch unproblematisch aus der unmittelbaren räumlichen Nähe der beiden Anlagen.

Die Vorhaben sind auch funktional und wirtschaftlich aufeinander bezogen im Sinne von § 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 UVPG.

Das von dem Bundesverwaltungsgericht zu § 3b Abs. 2 UVPG a.F. entwickelte Erfordernis eines funktionalen und wirtschaftlichen Bezugs der Vorhaben zueinander (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2015 – 4 C 7/14 –, juris Rn. 18, und Urt. v. 18.6.2015 – 4 C 4/14 –, juris Rn. 25-26) hat der Gesetzgeber in die Neuregelung des § 10 Abs. 4 UVPG als Tatbestandsvoraussetzung aufgenommen. In der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 18/11499, S. 83) wird dazu Folgendes ausgeführt:

„Dieses Merkmal knüpft an den Hinweis im „Irland-Urteil“ des EuGH an, wonach eine Umgehung der UVP-Pflicht durch Aufsplitterung von Vorhaben vermieden werden muss. Eine solche Aufsplitterung setzt voraus, dass sich ein Ensemble mehrerer benachbarter kleinerer Vorhaben bei wertender Betrachtung als Einheit darstellt und damit für die Frage der Notwendigkeit einer UVP einem Einzelvorhaben derselben Größe oder Leistung gleichsteht. Die Vergleichbarkeit mit einem entsprechend großen UVP-pflichtigen Vorhaben derselben Art ist nur dann gegeben, wenn die Vorhaben nicht beziehungslos und gleichsam zufällig nebeneinander verwirklicht werden, sondern funktional und wirtschaftlich aufeinander bezogen sind. Dieser Zusammenhang kann z. B. in einem gemeinsamen betrieblichen oder wirtschaftlichen Zweck liegen und etwa darin zum Ausdruck kommen, dass der oder die Vorhabenträger ihr Vorgehen durch ineinandergreifende Betriebsabläufe oder in sonstiger Weise planvoll und koordiniert durchführen.“

Gemessen hieran sind die Vorhaben funktional und wirtschaftlich aufeinander bezogen im Sinne von § 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 UVPG. Ein planvolles und koordinierendes Vorgehen der Vorhabenträger, aufgrund dessen von einem zufälligen Zusammentreffen der Vorhaben nicht mehr gesprochen werden kann, ist schon darin zu sehen, dass dieselben natürlichen Personen, nämlich {C.} und {E.}{D.}, die Errichtung und den Betrieb beider Hähnchenmastställe planvoll gemeinsam beschlossen haben. Dem steht die Tatsache, dass es sich bei den Betreiberinnen der Ställe formal gesehen um unterschiedliche Rechtssubjekte, nämlich zwei verschiedene Gesellschaften bürgerlichen Rechts, handelt, die durch unterschiedliche Geschäftsführer(innen) vertreten werden, nicht entgegen. Denn die Entscheidung über die Errichtung der beiden Hähnchenmastställe haben {C.} und {E.}{D.} als Gesellschafter der Klägerin bzw. der {D.} GbR gemeinsam getroffen. Diese haben bereits in den Gesellschaftsverträgen die Errichtung der Hähnchenmastställe auf den Flurstücken {L.} und {I.} als jeweiligen Zweck der Gesellschaft bestimmt. Beide Vorhaben sind daher auf Willensentschlüsse derselben natürlichen Personen zurückzuführen, so dass schon aus diesem Grund ein zufälliges Zusammentreffen der beiden Vorhaben ausscheidet. Dass für das jeweilige Vorhaben eine eigene Gesellschaft gegründet worden ist und die Geschäftsführung der Klägerin Frau {D.} und diejenige der {D.} GbR Herrn {D.} obliegt, ändert nichts an diesem Befund. Die jeweilige Geschäftsführung ist angesichts des jeweils gesellschaftsvertraglich definierten Gesellschaftszwecks insbesondere nicht befugt, über die Errichtung und den Betrieb des jeweiligen Hähnchenmaststalls eigenständig zu entscheiden. Diese Entscheidung ist nämlich als Gesellschaftszweck bereits zentraler Bestandteil des Gesellschaftsvertrags, und Entscheidungen über den Gegenstand und die Änderung des Gesellschaftszwecks obliegen als sogenanntes Grundlagengeschäft allen Gesellschaftern gemeinsam und stehen nicht zur Disposition der Geschäftsführung (MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, BGB § 709 Rn. 10-11; BeckOK BGB/Schöne, 55. Ed. 1.5.2020, BGB § 709 Rn. 17; BeckOGK/Geibel, 1.12.2019, BGB § 709 Rn. 7; Jauernig/Stürner, 17. Aufl. 2018, BGB §§ 709-713 Rn. 7; NK-BGB/Thomas Heidel, 3. Aufl. 2016, BGB § 709 Rn. 27-28). Der Vortrag der Klägerin, dass die Vorhaben beziehungslos und gleichsam zufällig nebeneinanderstehen, ist nicht nur lebensfremd, sondern wird auch durch die dargelegten gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen widerlegt.

Auch die spezielle Voraussetzung des engen Zusammenhangs bei technischen und sonstigen Anlagen nach § 10 Abs. 4 Satz 3 UVPG ist erfüllt. Die Vorhaben der Klägerin und der {D.} GbR sind mit gemeinsamen betrieblichen Einrichtungen verbunden.

Nach der Gesetzesbegründung sind gemeinsame betriebliche oder bauliche Einrichtungen beispielsweise technische oder bauliche Anlagen, Grundstücke oder ein gemeinsamer Maschinen- oder Gerätepark, die nicht nur einem der beteiligten Vorhaben dienen, sondern zur Durchführung aller beteiligten Vorhaben eingesetzt werden. Gemeinsame betriebliche Einrichtungen liegen z.B. vor, wenn zwei Anlagen zur Metalloberflächenbehandlung im selben Industriepark liegen und Stoffe zur Oberflächenbehandlung aus einer gemeinsamen Produktion beziehen, mit der sie über Produktleitungen verbunden sind. Gleiches gilt, wenn mehrere Anlagen zur Intensivtierhaltung von Hennen zur Lagerung des Futters dasselbe Silo nutzen. Öffentliche Infrastruktureinrichtungen wie das öffentliche Kanalnetz sind dagegen keine gemeinsamen Einrichtungen (vgl. BT-Drs. 18/11499, S. 83-84). Soweit die zur Auslegung des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV ergangene Rechtsprechung eine Verbindung der Anlagen „mit gemeinsamen Betriebseinrichtungen“ nur unter relativ engen Voraussetzungen zulässt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.11.1999 – 7 M 4274/99 –, juris Rn. 8; Landmann/Rohmer UmweltR/Hansmann/Röckinghausen, 91. EL September 2019, 4. BImSchV § 1 Rn. 27), lässt sich diese nicht auf § 10 Abs. 4 Satz 3 UVPG übertragen. Die aktuelle Rechtsprechung zu § 10 Abs. 4 Satz 3 UVPG zeigt vielmehr, dass unter gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen nicht nur solche Einrichtungen gemeint sind, die für den technischen Betrieb der Anlage Bedeutung haben (so Nds. OVG, Beschl. v. 30.11.1999 – 7 M 4274/99 –, juris Rn. 8 zu § 1 Abs. 3 der 4. BImschV), sondern auch sonstige Einrichtungen (vgl. Arnold, NVwZ 2017, 497, 499). In der Rechtsprechung sind z.B. Trinkwasserleitungen (BVerwG, Urt. v. 18.6.2015 – 4 C 4/14 –, juris Rn. 26), eine Eigenbedarfstankstelle (BVerwG, Urt. v. 17.12.2015 – 4 C 7/14 –, juris Rn. 22), eine Löschwasserzisterne (OVG NRW, Urt. v. 16.3.2016 – 8 A 1576/14 –, juris Rn. 51, und 8 A 1577/15 –, juris Rn. 46), ein Stromverteilkasten (OVG NRW, Urt. v. 16.3.2016 – 8 A 1576/14 –, juris Rn. 51-52, und 8 A 1577/15 –, juris Rn. 46), eine Lagerfläche für Wirtschaftsdünger bzw. eine gemeinsame Reststoffverwertung (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 8.9.2015 – OVG 11 S 22.15 –, juris Rn. 44) oder ein Betriebsleiterwohnhaus (VG Münster, Urt. v. 7.12.2017 – 2 K 1930/16 –, juris Rn. 50-63; OVG NRW, Beschl. v. 16.3.2020 – 10 A 360/18 –, juris Rn. 44) als gemeinsame bauliche oder betriebliche Einrichtungen anerkannt worden.

Dabei ist es allerdings europarechtlich nicht unbedenklich, dass mehrere Vorhaben derselben Art, die zwar nicht einzeln, aber zusammen betrachtet die im nationalen Recht festgelegten Schwellenwerte (deutlich) überschreiten und – wie hier – die Voraussetzungen nach § 10 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 UVPG erfüllen, gemäß § 10 Abs. 4 Satz 3 UVPG einer Umweltverträglichkeitsprüfung dennoch nur dann unterliegen sollen, wenn die Vorhaben zusätzlich noch mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind (diese Bedenken wohl teilend OVG NRW, Urt. v. 17.6.2014 – 2 A 1434/13 –, juris Rn. 74 ff.; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, UVPG, 90. EL 2019, § 3b Rn. 29; vgl. auch die Empfehlung der Bundesratsausschüsse vom 21.3.2017, BR-Drs. 164/1/17, S. 13-14; a.A. BVerwG, Urt. v. 18.6.2015 – 4 C 4/14 –, juris Rn. 25; VG Münster, Urt. v. 11.4.2019 – 2 K 6781/17 –, juris Rn. 72; VG Schleswig-Holstein, Urt. v. 6.12.2017 – 8 A 38/15 –, juris Rn. 42).

Zwar benennen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 3 i.V.m. dem Anhang III der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der Fassung der Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten – im Folgenden: UVP-RL – die Kumulierung mit anderen bestehenden und/oder genehmigten Projekten und Tätigkeiten nur als ein Kriterium neben anderen weiteren relevanten Auswahlkriterien, so dass die Kumulierung einer Relativierung – auch im Hinblick auf den Projektbezug der Richtlinie (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. a UVP-RL) – grundsätzlich zugänglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.6.2015 – 4 C 4/14 –, juris Rn. 25).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof ergibt sich allerdings aus der UVP-RL nicht nur die Verpflichtung, die Kumulation als ein Kriterium des Anhangs III UVP-RL zu „berücksichtigen“. Vielmehr hat der Europäische Gerichtshof im Hinblick auf die Schwellenwerte und Auswahlkriterien betont, dass der Wertungsspielraum der Mitgliedsstaaten, in dessen Rahmen sie bestimmen können, ob ein in Anhang II genanntes Projekt, wie z.B. eine Anlage zur Intensivtierhaltung (Anhang II Nr. 1 e UVP-RL), einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss, durch die in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie festgelegte Pflicht begrenzt wird, die Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen zu unterziehen. Es sei nicht Zweck der in Art. 4 Abs. 3 UVP-RL genannten Kriterien und/oder Schwellenwerte, bestimmte Klassen der in Anhang II aufgeführten Projekte von vornherein insgesamt von einer Prüfungspflicht auszunehmen (EuGH, Urt. v. 21.3.2013 – C-244/12 –, juris Rn. 22; Urt. v. 25.7.2008 – C-142/07 –, juris Rn. 33, 38, 44; Urt. v. 28.2.2008 – C-2/07 –, juris Rn. 27, 37; Urt. v. 21.9.1999 – C-392/96 –, juris Rn. 73-75; Urt. v. 24.10.1996 – C-72/95 –, juris Rn. 50-53). Im Hinblick auf den Projektbezug der Richtlinie ergibt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass das in Erwägungsgrund 7 und Art. 2 Abs. 1 UVP-RL zum Ausdruck kommende Regelungsziel der Richtlinie, bestimmte Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen zu unterziehen, nicht durch die Aufsplitterung von Projekten umgangen werden darf (EuGH, Urt. v. 21.3.2013 – C-244/12 –, juris Rn. 37; Urt. v. 17.3.2011 – C-275/09 –, juris Rn. 36; Urt. v. 25.7.2008 – C-142/07 –, juris Rn. 44; Urt. v. 28.2.2008 – C-2/07 –, juris Rn. 27; Urt. v. 21.9.1999 – C-392/96 –, juris Rn. 76). Der Europäische Gerichtshof hat beispielsweise ausdrücklich entschieden, dass das Zusammenwirken des im irischen Recht vorgesehenen Schwellenwertes für Erstaufforstungen von 70 ha in drei Jahren und einer Kumulationsregelung nur für den Fall einer Identität der Projektträger unzureichend war, um eine Umgehung der Regelungsziele der UVP-RL durch Aufsplitterung von Projekten zu vermeiden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.9.1999 – C-392/96 –, juris Rn. 25, 79).

Angesichts dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es jedenfalls zweifelhaft, ob die Bundesrepublik Deutschland ihren von der UVP-RL eingeräumten Ermessensspielraum nicht überschritten hat. Im Hinblick auf die Schwellenwerte und Auswahlkriterien nach dem Anhang III der UVP-RL hat der deutsche Gesetzgeber zu erkennen gegeben, bei Überschreitung der von ihm in der Anlage 1 zum UVPG festgesetzten Schwellenwerte von der Möglichkeit erheblicher Auswirkungen auf die Umwelt auszugehen. Im Hinblick auf den Projektbezug der Richtlinie ist eine wirksame Verhinderung der Umgehung der UVP-Pflicht durch Aufsplitterung von Projekten jedenfalls in Frage gestellt, wenn das nationale Recht eine Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben derselben Art, deren Einwirkungsbereich sich überschneidet, die gemeinsam die festgelegten Schwellenwerte überschreiten und die auf einem planvollen und koordinierten Vorgehen des/der Vorhabenträger(s) beruhen, allein deshalb nicht vorsieht, weil diese nicht über gemeinsame bauliche oder betriebliche Einrichtungen wie beispielsweise einen Löschwasserbrunnen, einen Stromverteilerkasten, eine Trinkwasserleitung, ein Futtersilo oder eine Lagerfläche verfügen, zumal es sich hierbei um Einrichtungen handelt, die in geeigneten Fällen ohne allzu großen Aufwand auch separat für jedes Einzelvorhaben errichtet werden können, um eine Kumulation zu vermeiden (vgl. z.B. VG Münster, Urt. v. 11.4.2019 – 2 K 6781/17 –, juris Rn. 58-64). Letztlich eröffnet § 10 Abs. 4 Satz 3 UVPG durch das Erfordernis gemeinsamer baulicher oder betrieblicher Einrichtungen damit möglicherweise einen Weg, die im nationalen Recht festgelegten Schwellenwerte durch Aufsplitterung von Projekten zu umgehen, so dass in der Praxis alle Projekte einer bestimmten Art – nämlich auf mehrere Anlagen aufgeteilte Vorhaben, die nicht mit gemeinsamen baulichen oder betrieblichen Einrichtungen verbunden sind – von vornherein von der Pflicht zur Untersuchung ihrer Auswirkungen ausgenommen sind, ohne dass davon ausgegangen werden kann, dass bei ihnen nicht mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist.

Allerdings kommt im vorliegenden Verfahren mangels Entscheidungserheblichkeit nach Art. 267 Abs. 2 AEUV eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht in Betracht.

Das Gericht ist angesichts der vorangegangen Ausführungen der Auffassung, dass die Tatbestandsvoraussetzung einer Verbindung der Anlagen mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen nach § 10 Abs. 4 Satz 3 UVPG jedenfalls im Lichte der Zielsetzungen der UVP-RL weit auszulegen ist, um eine nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unzulässige Umgehung der Regelungsziele der UVP-RL durch eine Aufsplitterung von Projekten zu verhindern (so auch Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, UVPG, 90. EL 2019, § 3b Rn. 29). Im Rahmen der hiernach gebotenen weiten Auslegung kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine Verbindung der streitgegenständlichen Hähnchenmastställe mit gemeinsamen betrieblichen Einrichtungen vorliegt.

Eine gemeinsame betriebliche Einrichtung der beiden Hähnchenmastställe sind bereits die Grundstücke, auf denen sich der Stall der {D.} GbR befindet und auf dem der Stall der Klägerin errichtet werden soll. Grundstücke werden in der Gesetzesbegründung ausdrücklich als Beispiel für eine gemeinsame betriebliche oder bauliche Einrichtung angeführt. Um ein unzulässiges Unterlaufen der Schwellenwerte durch Umgehungsgestaltungen zu verhindern, kommt es hinsichtlich der Frage, ob eine gemeinsame Einrichtung der Vorhaben vorliegt, nicht auf eine rein formal-rechtliche, sondern auf eine wertende Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls an. Die Vornahme einer wertenden Betrachtung entspricht ausweislich der Gesetzesbegründung dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, soweit es dort heißt, dass eine unzulässige Aufsplitterung von Vorhaben zur Umgehung der UVP-Pflicht vorliege, wenn sich ein Ensemble mehrerer benachbarter kleinerer Vorhaben bei wertender Betrachtung als Einheit darstelle und damit für die Frage der Notwendigkeit einer UVP einem Einzelvorhaben derselben Größe oder Leistung gleichstehe (vgl. BT-Drs. 18/11499, S. 83; Hervorhebung durch das Gericht). Zwar finden sich diese Ausführungen im Rahmen der Gesetzesbegründung zu § 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 UVPG; es ist aber nicht ersichtlich, weshalb sie – gerade angesichts des europarechtlichen Bezuges – nicht auch im Rahmen der Auslegung von § 10 Abs. 4 Satz 3 UVPG Geltung beanspruchen sollen (vgl. auch VG Münster, Urt. v. 7.12.2017 – 2 K 1930/16 –, juris Rn. 63).

Gemessen daran stellen sich die Flurstücke {I.} und {K.} bei wertender Betrachtung als gemeinsame betriebliche Einrichtung der beiden Hähnchenmastställe dar. Insoweit ist festzustellen, dass das Flurstück {L.} der Flur {H.} der Gemarkung {G.}, das ab März 2011 im Eigentum von {C.}{D.} stand und auf dem der Stall der {D.} GbR errichtet worden ist, auch der Klägerin für ihren Stall zur Verfügung gestellt worden ist und damit für beide Ställe als Bebauungsfläche eine unmittelbare betriebliche Bedeutung hat. Die Tatsache, dass das Flurstück {L.} durch die im Zuge der Vorbereitung des Bauantrags erfolgte Grundstücksteilung in zwei Flurstücke aufgeteilt worden ist, so dass nunmehr – formal betrachtet – zwei Grundstücke vorliegen, ein Grundstück für den Stall der {D.} GbR (Flurstück {K.}) und ein Grundstück für den Stall der Klägerin (Flurstück {I.}), steht der Annahme einer gemeinsamen betrieblichen Einrichtung nicht entgegen. Denn es bleibt auch insoweit bei dem Befund, dass das ursprünglich nur einem Vorhaben dienende Grundstück (Flurstück {L.}) durch ein planvolles und koordiniertes Vorgehen nunmehr auch dem zweiten Vorhaben dient. Bei wertender Betrachtung stellen sich die Flurstücke {I.} und {K.} als einheitliches Grundstück und damit als gemeinsame betriebliche Einrichtung dar, weil sie bis Mai 2016 ein Flurstück darstellten, weiterhin im Eigentum der Gesellschafter der Klägerin und der {D.} GbR stehen und damit „in Familienbesitz“ sind und das Flurstück {L.} allein anlässlich der Vorbereitung des streitgegenständlichen Vorhabens geteilt worden ist. Angesichts des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs der Flurstücksteilung zur Bauantragsstellung stellt sich die Grundstücksteilung als künstliche „Aufsplitterung“ zur Umgehung der UVP-Pflicht dar. Dass auch die Gesellschafter der Klägerin und der {D.} GbR – wohl vor dem Hintergrund ihrer familiären Verbundenheit – der formalrechtlichen Situation des Grundstücks wenig Bedeutung beimessen, zeigt sich auch daran, dass {C.}{D.} das Flurstück {I.} der Klägerin entgegen der Regelung in § 4 des Gesellschaftsvertrags nicht zur Nutzung überlassen, sondern an {E.}{D.} übereignet hat, ohne dass der Gesellschaftsvertrag insoweit in irgendeiner Form abgeändert worden wäre. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Klägerin noch im November 2016 in Aussicht genommen hatte, auf dem Flurstück {K.} der {D.} GbR eine Blühfläche als Ausgleichsmaßnahme herzustellen. Auch diese Umstände sprechen dafür, bei wertender Betrachtung von einem einheitlichen Grundstück und damit von einer gemeinsamen betrieblichen Einrichtung der Vorhaben auszugehen.

Eine weitere gemeinsame betriebliche Einrichtung stellt die personelle Ausstattung der Anlagen dar. Neben der sachlich-materiellen Ausstattung stellt auch die personelle Ausstattung eines Betriebs eine betriebliche Einrichtung im Sinne von § 10 Abs. 4 Satz 3 UVPG dar (vgl. OVG NRW, Urt. v. 17.6.2014 – 2 A 1434/13 –, juris Rn. 91 zur Steuerung zweier – technisch offensichtlich nicht verbundener – Abluftanlagen durch dieselbe Person). Herr {D.} hat nach den vorgelegten Gesellschaftsverträgen sowohl in die {D.} GbR als auch in die Klägerin seine Arbeitskraft einzubringen, so dass beide Vorhabenträgerinnen insoweit über eine gemeinsame personelle Ausstattung und damit auch über eine gemeinsame betriebliche Einrichtung verfügen. Gemeinsame betriebliche Einrichtungen sind im Übrigen auch immaterielle Betriebsmittel (vgl. zu diesem Begriff BAG, Urt. v. 9.2.1994 – 2 AZR 781/93 –, juris Rn. 16-17) wie das Know-How, die Geschäftsbeziehungen und die Branchenkenntnisse von Herrn {D.} als Landwirt, von denen beide Vorhaben profitieren können.

Ob sich die nur wenige hundert Meter Luftlinie von den Vorhaben entfernt liegende Hofstelle unter der Anschrift {J.} als gemeinsame bauliche Einrichtung der Vorhaben darstellt, kann angesichts des Vorgesagten offenbleiben (vgl. zur Nützlichkeit einer baulichen Einrichtung in unmittelbarer Nähe zu den Vorhaben VG Münster, Urt. v. 7.12.2017 – 2 K 1930/16 –, juris Rn. 50-63; bestätigt durch OVG NRW, Beschl. v. 16.3.2020 – 10 A 360/18 –, juris Rn. 44). Ebenso kann dahinstehen, ob die Behauptung der Klägerin, dass keinerlei sächliche Betriebsmittel gemeinsam genutzt würden, lebensfremd und damit unglaubhaft ist (so wohl in einem vergleichbaren Fall OVG NRW, Urt. v. 17.6.2014 – 2 A 1434/13 –, juris Rn. 91).

Kommt danach eine Zulassung als privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB nicht in Betracht, kann das Vorhaben auch nicht nach § 35 Abs. 2 BauGB als sonstiges Vorhaben zugelassen werden. Als sonstiges Außenbereichsvorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB) beeinträchtigt das Vorhabender Klägerin als gewerblicher Tierhaltungsbetrieb jedenfalls deshalb öffentliche Belange,weil es den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widerspricht, der das Baugrundstückals Fläche für die Landwirtschaft ausweist (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.