Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 18.11.2020, Az.: 10 A 3988/19
Brand; Feuerwehr; Feuerwehrgebühren; grobe Fahrlässigkeit; Zurechnung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 18.11.2020
- Aktenzeichen
- 10 A 3988/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 71558
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 29 Abs 2 Nr 1 BrandSchG ND
- § 29 Abs 4 BrandSchG ND
- 6 Abs 2 SOG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Wer in einer Lagerhalle eine Dämmmatte anzündet und dadurch einen Großbrand verursacht, handelt grob fahrlässig.
Es ist davon auszugehen, dass ein 13-Jähriger die von Feuer und leicht entflammbaren Gegenständen ausgehenden Gefahren kennt und insoweit einsichtsfähig i. S. v. § 828 Abs. 2 BGB ist; dies gilt im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung seines sonderpädagogischen Förderbedarfs.
Die Mutter kann als sorgeberechtigtes Elternteil nach § 29 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 NBrandSchG i. V. m. § 6 Abs. 2 NPOG als Gebührenschuldnerin in Anspruch genommen werden. Es kommt dabei nicht darauf an, ob sie ihre Aufsichtspflicht verletzt hat.
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten wird aufgehoben, soweit darin gegen die Klägerin Gebühren von mehr als 36.284 Euro festgesetzt werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Gebühren für einen Brandeinsatz der Freiwilligen Feuerwehr der Beklagten. Sie ist alleinerziehende Mutter eines bei Klageerhebung dreizehnjährigen Jungen, der die Förderschule H. I. – Förderschule für Kinder und Jugendliche, die in ihrer geistigen Entwicklung Unterstützung benötigen – besucht.
Der Sohn der Klägerin spielte am 7. Juni 2019 gemeinsam mit einem damals elfjährigen Freund (der die 4. Klasse der Förderschule A-Stadt besuchte) auf einem brachliegenden Industriegelände im Stadtgebiet der Beklagten und verursachte dabei ein Schadfeuer größeren Ausmaßes. Die beiden Jungen wurden beim Verlassen des Industriegeländes am frühen Abend angetroffen und festgehalten, als der Brand gerade bemerkt worden war, und sind unmittelbar vor Ort befragt und am 11. bzw. 13. Juni 2019 in einer Polizeidienststelle vernommen worden.
Der Freund des Sohnes der Klägerin gab bei der Vernehmung am 11. Juni 2019 an, dass sie sich am Nachmittag getroffen hätten und er auf das Stadtfest habe gehen wollen. Der Sohn der Klägerin habe stattdessen auf das Industriegelände gehen wollen; da seien sie oft gewesen. Der Sohn der Klägerin sei derjenige von ihnen, der meistens bestimme, was gemacht würde. Er – der Sohn der Klägerin – habe ein Feuerzeug dabeigehabt, das aber nicht funktioniert habe. Darauf seien sie noch einmal bei ihm zu Hause vorbeigegangen, und er habe ein Feuerzeug von seiner Mutter genommen. Sie hätten auf dem Brachgelände erst in einem alten Auto gesessen und seien dann in eine Lagerhalle gegangen. Dort habe er – der Freund des Sohnes der Klägerin – eine Dämmmatte angezündet, die gleich zu brennen angefangen habe. Er habe das Feuer aber wieder auspusten können. Der Sohn der Klägerin habe ihn dann einen Langweiler genannt. Er habe kein Langweiler sein wollen und die Matte erneut angezündet und diese dann nicht mehr löschen können. Er habe versucht, das Feuer mit Stroh auszuschlagen, das sei aber schief gegangen. Sie seien in Panik geraten und weggelaufen.
Der Sohn der Klägerin gab in seiner Vernehmung am 13. Juni 2019 an, er habe sich mit seinem Freund getroffen, und sie hätten erstmal etwas zu essen geholt und gemeinsam gegessen. Dann seien sie noch einmal zu ihm nach Hause gegangen und hätten ein neues Feuerzeug geholt. Er habe auch eine Schachtel Zigaretten von seiner Mutter genommen und mit seinem Freund rauchen wollen. Sie hätten in einem alten Auto gesessen und geraucht, da habe sein Freund das Feuerzeug an sich genommen. Sie hätten sich bald gelangweilt und seien in die Lagerhalle gegangen und hätten die Dämmstoffmatten gefunden. Sein Freund habe sie angezündet, das Feuer aber gleich gelöscht. Er habe Langweiler zu ihm gesagt, weil er das Feuer wieder ausgemacht habe. Sein Freund habe gesagt „Lass lieber aus“, das Feuer aber gleichwohl wieder angezündet. Als das Feuer schnell größer geworden sei, hätten sie es nicht mehr unter Kontrolle bekommen. Sie hätten sich auch nicht getraut, die Matten aus der Halle zu ziehen, sondern seien weggelaufen.
Die Feuerwehr der Beklagten löste zur Bekämpfung des Brandes Stadtalarm aus und war mit sämtlichen Einsatzfahrzeugen und 100 Kräften über einen Zeitraum von drei bis dreizehn Stunden im Einsatz und wurde während dreieinhalb Stunden von der Freiwilligen Feuerwehr der Nachbargemeinde J. mit drei weiteren Fahrzeugen und zwölf Einsatzkräften unterstützt. Nachdem der Brand kurz vor Mitternacht unter Kontrolle war, blieben Einsatzkräfte über Nacht als Brandwache vor Ort, weil immer wieder Glutnester aufgeflammt waren. Am Morgen des 8. Juni 2019 wurde um 6.51 Uhr „Feuer aus“ gemeldet.
Nach der Pressemitteilung der Polizeiinspektion Hildesheim vom 8. Juni 2019 waren bei dem Einsatz sämtliche Ortsfeuerwehren und das Technische Hilfswerk vor Ort, dazu die Drehleiterwagen aus der Nachbargemeinde, sowie diverse Rettungswagen. Ein Fahrzeug der Feuerwehrtechnischen Zentrale brachte zusätzliche Atemschutzgeräte, ein weiteres Fahrzeug zusätzliche Schläuche zur Brandstelle. Da das Gebäude einsturzgefährdet war, konnte es nicht betreten werden. Für die Löscharbeiten mussten unter Einsatz einer Drehleiter Löcher in das Dach der Lagerhalle geschlagen werden. Des Weiteren hat ein Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen und starkem Wind die Löscharbeiten erschwert.
Mit Bescheid vom 29. August 2019 zog die Beklagte die Klägerin ohne vorherige Anhörung zu Gebühren für den Feuerwehreinsatz in Höhe von 38.258 Euro heran. Die Beklagte bringt dabei 1.974 Euro für Einsatzkräfte und -Fahrzeuge der Feuerwehr der Nachbargemeinde J. sowie eigene Kräfte mit 614 Personalstunden zu je 46 Euro (insgesamt 28.244 Euro) und neun Fahrzeuge mit insgesamt 53 Einsatzstunden (je Fahrzeug zwischen drei und 13 Einsatzstunden, insgesamt 8.040 Euro) in Ansatz.
Zur Begründung ist in dem Bescheid ausgeführt, dass der Einsatz als Brandeinsatz kostenpflichtig sei, weil er grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht worden sei. Die Klägerin habe gemäß § 832 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ihre elterliche Aufsichtspflicht für ihren Sohn verletzt und daher durch eigenes Verschulden das Entstehen des Brandes verursacht.
Der Vater des Jungen sowie die Eltern des anderen Kindes erhielten als Gesamtschuldner gleichlautende Bescheide.
Die Klägerin hat am 3. September 2019 Klage erhoben. Sie hält die Heranziehung schon für formell rechtswidrig, weil sie vor der Heranziehung nicht angehört worden sei. Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig, weil ihr kein Verstoß gegen die Aufsichtspflicht vorzuwerfen sei. Sie sei nicht verpflichtet, einen 13-jährigen Jungen rund um die Uhr zu bewachen. Die Beklagte könne deshalb auch aufgrund von § 29 des Niedersächsischen Gesetzes über den Brandschutz und die Hilfeleistung der Feuerwehr – Niedersächsischen Brandschutzgesetz (NBrandSchG) – keine Gebühren verlangen, weil Brandeinsätze nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit gebührenpflichtig seien. Weder eine vorsätzliche noch grob fahrlässige Verletzung der Aufsichtspflicht seien ihr persönlich vorzuwerfen. Ihr Sohn spiele seit mehreren Jahren unbeaufsichtigt mit seinem Freund im Freien und habe bisher nie einen entsprechenden Zwischenfall verursacht. Auch der Brand sei nicht grob fahrlässig, geschweige denn vorsätzlich verursacht worden. Nach den übereinstimmenden Aussagen der beiden Kinder habe nicht ihr Sohn das Feuer entzündet, sondern sein Freund. Dass ihr Sohn den Jungen einen Langweiler genannt habe, als er das Feuer zunächst wieder gelöscht habe, stelle keinen Tatbeitrag dar, der die Gebührenpflicht begründe. Der Beklagten sei bei der Auswahl des Gebührenschuldners ein Ermessen eröffnet, das sie ohne Berücksichtigung der Verursachungsbeiträge ausgeübt habe. Die Aufstellung der Kosten sei nicht nachvollziehbar und werde der Höhe nach bestritten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29. August 2019 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die Heranziehung der Klägerin zur Kostenerstattung. Die formell erforderliche Anhörung der Klägerin habe sie durch gesondertes Schreiben während des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt. In der Sache macht die Beklagte nunmehr geltend, dass die Heranziehung aufgrund der gemeindlichen Satzung über die Erhebung von Gebühren für Dienst- und Sachleistungen der Feuerwehr in Verbindung mit § 6 Abs. 2 Satz 1 des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (NPOG) erfolge. Die Klägerin sei insofern verschuldensunabhängig als Aufsichtsperson zur Entrichtung von Gebühren verpflichtet. Gebührenpflichtig sei nach § 29 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 NBrandSchG i. V. m. § 6 NPOG jeder, der durch sein Verhalten eine Gefahr hervorgerufen habe. Dafür genüge schon, dass der Sohn der Klägerin das Feuerzeug mitgebracht habe, mit dem der andere Junge die Dämmstoffe in Brand gesetzt habe. Er habe den Jungen außerdem angestiftet, das Feuer erneut zu entzünden. Die Klägerin hafte deshalb neben den Sorgeberechtigten des anderen Kindes als Gesamtschuldner. Der Sohn der Klägerin habe den Einsatz auch grob fahrlässig verursacht. Dafür sei nicht erforderlich, dass sich die Fahrlässigkeit oder auch der Vorsatz auf den Vollbrand der Lagerhalle gerichtet hätten; es genüge, dass die Ursache für den entstandenen Brand grob fahrlässig gesetzt worden sei. Das sei schon der Fall, weil die Jungen Gegenstände angezündet hätten und im Übrigen das Gelände fluchtartig verlassen hätten, ohne die Feuerwehr zu rufen oder die Mitarbeiter eines Handwerksbetriebs um Hilfe zu bitten, die sie nach eigenen Angaben bei ihrer Flucht von dem Gelände wahrgenommen hätten.
Die Klägerin erwidert, dass die Beklagte den Gebührenanspruch erstmals auf die Vorschriften des § 29 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 NBrandSchG i. V. m. § 6 NPOG stütze, während sie die Klägerin vorher aufgrund einer zivilrechtlichen Aufsichtspflichtverletzung in Anspruch genommen habe. Der Bescheid erhalte dadurch nachträglich eine grundlegend neue Gestalt, die seine ursprüngliche Rechtswidrigkeit nicht heile. Dem tritt die Beklagte wiederum entgegen.
Seitens der anderen als Gesamtschuldner herangezogenen Personen ist keine Klage erhoben worden. Zahlungen auf die Bescheide sind bislang nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die als Anfechtungsklage statthafte und auch sonst zulässige Klage ist (nur) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29. August 2019 ist (nur) rechtswidrig und verletzt die Rechte der Klägerin (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)), soweit darin mehr als 36.284 Euro festgesetzt werden, weil die Beklagte keinen über diese Summe hinausgehenden Gebührenanspruch gegen die Klägerin hat.
I. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Die Klägerin ist zwar entgegen § 1 Abs. 1 des Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) i. V. m. § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vor seinem Erlass nicht angehört worden. Dieser Fehler ist jedoch nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG unbeachtlich, weil die Beklagte die Anhörung nach unwidersprochenem Vorbringen während des gerichtlichen Verfahrens durch ein außergerichtliches Schreiben nachgeholt und sich im Übrigen auch mit dem Klagevorbringen der Klägerin eingehend auseinandergesetzt hat. Gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG kann die Anhörung bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
Der Bescheid genügt mit der beigefügten Kostenaufstellung auch den Anforderungen an eine hinreichend nachvollziehbare Begründung. Nach § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i. V. m. § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind nach § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Kostenaufstellung lässt die in Ansatz gebrachten Leistungen und den Rechenweg erkennen. Die tatsächlichen Grundlagen dieser Ansätze sind anhand der bei dem Verwaltungsvorgang befindlichen Einsatzberichte überprüfbar. Der Umstand, dass die entsprechenden Dokumente dem Bescheid nicht beigefügt waren, macht den Bescheid nicht rechtswidrig.
II. Soweit die Beklagte Gebühren für den Einsatz von Einsatzkräften und Fahrzeugen ihrer eigenen Ortsfeuerwehr erhebt, findet die Heranziehung der Klägerin eine Rechtsgrundlage in § 29 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a), Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 NBrandSchG i. V. m. § 6 Abs. 2 Satz 1 NPOG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung über die Erhebung von Gebühren für Dienst- und Sachleistung der Feuerwehr außerhalb der unentgeltlich zu erfüllenden Pflichtaufgaben der Beklagten vom 21. Juni 2017 (Feuerwehrgebührensatzung).
Nach § 29 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a) NBrandSchG können die Kommunen durch Satzung Gebühren für grundsätzlich nach § 29 Abs. 1 NBrandSchG gebührenfreie Brandeinsätze erheben, wenn diese durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln verursacht worden sind. Eine entsprechende Heranziehungsnorm hat die Beklagte in § 2 Abs. 1 Nr. 1 ihrer Feuerwehrgebührensatzung erlassen.
1. Die Heranziehung nach dieser Vorschrift ist der Beklagten nicht schon deshalb verwehrt, weil sie sich in dem angefochtenen Bescheid (auch) auf eine zivilrechtliche Anspruchsnorm zum Schadensersatz für Aufsichtspflichtverletzungen gestützt hat. Der Regelungsgehalt des Bescheides beschränkt sich auf die Festsetzung der Gebührenschuld, während die Angabe der Rechts- oder Anspruchsgrundlage als Element der Begründung ohne weiteres ausgetauscht oder ergänzt werden kann, solange der Bescheid dadurch nicht ein vollständig anderes Gepräge bekommt (BVerwG, Beschluss vom 5.2.1993 – 7 B 107.92 –, juris Rn. 4). Das ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil die Beklagte die Heranziehung von Anfang an auf § 29 NBrandSchG gestützt und § 832 BGB nicht als Anspruchsgrundlage angeführt hat. Vielmehr wandte sie die Vorschrift als Maßstab für den Vorwurf der (eigenen) Fahrlässigkeit der Klägerin als Ursachenbeitrag zur Entstehung des Brandes an. Die geänderte Begründung des Bescheides verändert damit den Bescheid nicht in seinem Wesen.
Mit dem Wechsel der Begründung wird auch nicht erstmals ein Ermessen eröffnet, das dem Bescheid ein anderes Gepräge geben könnte. Ein Ermessen hinsichtlich der Auswahl der Gebührenpflichtigen war der Beklagten bereits im Rahmen von § 29 NBrandSchG eröffnet. Dieses Ermessen hat sie zwar nicht ausführlich erörtert, aber offenbar erkannt und tatsächlich ausgeübt, indem sie die gleichzeitige Heranziehung aller in Frage kommenden Gesamtschuldner und deren Möglichkeit zum Binnenausgleich nach § 421 BGB mitgeteilt hat.
2. Der Feuerwehreinsatz war als Brandeinsatz abweichend von § 29 Abs. 1 NBrandSchG gebührenpflichtig, weil er durch grob fahrlässiges Handeln verursacht worden ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift genügt ein grob fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln, dass für den Feuerwehreinsatz in irgendeiner Weise ursächlich ist. Dafür reicht es aus, dass sich der Vorsatz oder die grobe Fahrlässigkeit auf ein wenigstens mögliches Schadfeuer erstrecken; dass Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit auch auf den nachgehenden Feuerwehreinsatz gerichtet sind, ist hingegen nicht erforderlich. Jedenfalls ein Vorsatz hinsichtlich des Feuers, aber auch jede Form von Fahrlässigkeit müssen bei der Person oder den Personen vorgelegen haben, deren Handeln für das Feuer ursächlich war. Dagegen gibt der Gesetzeswortlaut keinerlei Hinweis darauf, dass ein Verschulden auch und gerade bei der/dem späteren Kostenschuldner/in gelegen haben muss. Der Einwand der Klägerin, sie selbst habe den Feuerwehreinsatz weder unmittelbar noch mittelbar durch eine Verletzung ihrer Aufsichtspflicht verursacht, greift dementsprechend nicht durch. Für die Beurteilung des Verschuldens ist vielmehr (allein) das Handeln des Sohnes der Klägerin und seines Freundes zu betrachten.
Der Sohn der Klägerin hat den Brand in zurechenbarer Weise grob fahrlässig herbeigeführt. Bei der Frage der Zurechnungsfähigkeit und des Verschuldens, mit der ein Minderjähriger eine Handlung begangen hat, sind die Vorschriften der §§ 276, 828 BGB mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden. Nach § 828 Abs. 2 BGB ist derjenige, der das siebente, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Diese zur Zurechnungsfähigkeit führende Einsichtsfähigkeit ist zu bejahen, wenn der betreffende Jugendliche die geistige Entwicklung besitzt, imstande zu sein, das Unrecht seiner Handlung gegenüber den Mitmenschen zu erkennen und zugleich die Verpflichtung zu sehen, in irgendeiner Weise für die Folgen seiner Handlung selbst einstehen zu müssen (vgl. Reichold in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 828 Rn. 5). Es genügt das allgemeine Verständnis dafür, dass das Verhalten geeignet ist, Gefahren herbeizuführen. Es kommt also nicht darauf an, ob der Jugendliche eine bestimmte Vorstellung von der genauen Art seiner Verantwortlichkeit hat und die individuelle Steuerungsfähigkeit vorhanden ist, sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten (Reichold, a. a. O. m. w. N.).
Bei einem Kind im Alter des Sohnes der Klägerin (zum Zeitpunkt des Brandes 13 Jahre alt) ist davon auszugehen, dass er die von Feuer und leicht entflammbaren Gegenständen ausgehenden Gefahren kennt und sich auch demgemäß verhält (vgl. BGH, Urteil vom 28.2.1984 – VI ZR 132.82 –, juris: zur Einsichtsfähigkeit eines 10-jährigen, allerdings in der Entwicklung zurückgebliebenen und auf dem Stand eines 8-jährigen Kindes). Beim Sohn der Klägerin sind keine Anhaltspunkte ersichtlich oder vorgetragen, dass ihm diese grundsätzliche intellektuelle Einsichtsfähigkeit fehlte. Er hätte erkennen können und müssen, dass der Umgang mit einem Feuerzeug in einer Lagerhalle gefährlich werden kann. Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger sonderpädagogischer Förderung bedarf. Denn die Kenntnis, dass Feuer außerhalb geschlossener Feuerstätten außer Kontrolle geraten kann, und die darauf beruhende Erwartung, keine Gegenstände anzuzünden, die nicht dazu bestimmt sind, sind bei dem Sohn der Klägerin zu erwarten. Er hat in der polizeilichen Vernehmung keine besonderen Einschränkungen seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erkennen lassen. Er hat vielmehr erkannt und eingeräumt, dass „es großer Bockmist“ war.
Das Verhalten des Sohnes der Klägerin ist auch als fahrlässig im Sinne von § 276 Abs. 1 BGB zu qualifizieren. Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Bei der Prüfung der Fahrlässigkeit sind auch besondere Umstände eines spontan-emotionalen Vorgangs, wie er ganzen Altersgruppen von Jugendlichen eigen ist, zu berücksichtigen, so beispielsweise die Motorik des Spieltriebes, der Forschungs- und Erprobungsdrang, der Mangel an Disziplin, Rauflust, Impulsivität und Affektreaktionen. War unter solchen Umständen das schädigende Verhalten für den Minderjährigen typischerweise nicht vermeidbar und fehlt es deshalb an der personalen (subjektiven) Seite der Fahrlässigkeit, an der inneren Sorgfalt, dann liegt kein fahrlässiges Verhalten vor (BGH, a. a. O.). Gemessen hieran hat der Sohn der Klägerin fahrlässig gehandelt. Das Feuer entzündete sich nicht im Rahmen eines Spiels oder impulsiven Verhaltens. Vielmehr wurde die Dämmmatte bewusst mit dem Feuerzeug angezündet. Dass elf- bzw. dreizehnjährigen Kindern bzw. Jugendlichen bewusst ist, dass Feuer gefährlich ist und dass man nicht herumzündeln darf, wurde bereits dargelegt.
Das Verhalten des Sohnes der Klägerin ist schließlich auch als grob fahrlässig zu qualifizieren. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem, ungewöhnlich hohem Maße außer Acht lässt, wer einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und dasjenige unbeachtet lässt, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten müsste (vgl. Seichter in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 277 Rn. 6). Diese Voraussetzungen sieht die Kammer vorliegend als gegeben an: Nach Angaben des Sohnes der Klägerin und seines Freundes in der polizeilichen Vernehmung waren in der Lagerhalle mehrere Stoffmatten, Holz, Stroh und Gasflaschen gelagert. Nach dem erstmaligen Anzünden einer Matte hat diese sogleich angefangen zu brennen. Obwohl die beiden Jungen somit wussten, dass die Matte sofort Feuer fängt, und sich zahlreiche brennbare Materialien in der Halle befanden, hat es sie nicht davon abgehalten, die Matte erneut anzuzünden. Unabhängig davon, dass Kindern und Jugendlichen im Alter des Sohnes der Klägerin und seines Freundes ohnehin bewusst ist, dass Feuer gefährlich ist und das Zündeln mit einem Feuerzeug an einer Dämmmatte zu unkontrolliertem Feuer führen kann, galt dies vorliegend insbesondere, nachdem sie bereits beim ersten Anzünden der Matte erkannt hatten, dass diese umgehend Feuer fängt.
Der Sohn der Klägerin hat den Brandeinsatz auch i. S. v. § 29 Abs. 2 Nr. 1 a) NBrandSchG verursacht. Zwar hat sein 11-jähriger Freund die Dämmmatte mit dem Feuerzeug angezündet. Der Sohn der Klägerin hat jedoch bei wertender Betrachtung unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls ebenfalls eine Ursache für den Eintritt der Gefahr gesetzt. Das Handeln des Sohnes der Klägerin – dass er seiner Mutter heimlich ein Feuerzeug weggenommen, dieses seinem Freund überlassen und es ihm auch nicht wieder weggenommen hat, als er die Dämmstoffmatte das erste Mal angezündete, sondern ihn ausdrücklich ermuntert hat, die Matte wieder zu entzünden, obwohl der Junge selbst gesagt hatte, dass er das lieber lassen würde – sind so offensichtlich mitursächliche und an keiner Stelle rechtlich in irgendeiner Weise privilegierte Handlungen, dass er gemeinsam mit seinem Freund den Brandeinsatz verursacht hat.
3. Die Klägerin ist gemäß § 29 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 NBrandSchG Kostenschuldnerin. Danach ist zur Entrichtung von Gebühren und Auslagen verpflichtet, wer durch sein Verhalten den Einsatz erforderlich gemacht hat; § 6 NPOG gilt entsprechend.
Der Sohn der Klägerin hat durch sein Handeln den Einsatz – wie oben dargelegt – verursacht und damit erforderlich gemacht. Danach ist er selbst gebührenpflichtig. Da der Sohn zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vierzehn Jahre alt war, kann die Gebührenforderung gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 NPOG auch gegen die Person gerichtet werden, die zur Aufsicht über sie verpflichtet ist. Das ist hier u. a. die Klägerin als sorgeberechtigtes Elternteil. Anders als im Zivilrecht knüpft diese Verantwortlichkeit nicht an ein eigenes Verschulden der Aufsichtsperson an, sondern orientiert sich an einer effektiven Gefahrenabwehr und dem daraus folgenden Interesse, neben einer möglicherweise tatsächlich schwierigen Inanspruchnahme eines minderjährigen Störers den Zugriff auf einen handlungsfähigen Verantwortlichen zu erhalten.
Diese Vorschrift ist mit dieser Konsequenz des Zugriffs auf weitere Verantwortliche auch im Feuerwehrgebührenrecht anwendbar. Insoweit ist der Verweis in § 29 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 NBrandSchG nicht auf § 6 Abs. 1 NPOG beschränkt. Der Verweis auf die Norm in ihrer Gesamtheit ergibt nur Sinn, wenn damit auch für Verantwortliche nach § 6 Abs. 2 oder Abs. 3 NPOG die Kostenverantwortlichkeit begründet werden soll. Denn nur diese Sekundärebene ist Regelungsgegenstand des § 29 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 NBrandSchG; nur insofern ist auch noch relevant, gegen wen auf der Eingriffs- oder Primärebene Maßnahmen gerichtet werden konnten oder hätten gerichtet werden können. Die eigentliche Inanspruchnahme im Sinne von polizeilichen Maßnahmen gegen den Verantwortlichen ist zu diesem Zeitpunkt regelmäßig längst abgeschlossen oder hat jedenfalls begonnen und dauert an.
4. Der Bescheid erweist sich insofern als sachlich und rechnerisch richtig, als er keine Rechenfehler oder sonstige Unrichtigkeiten zuungunsten der Klägerin aufweist.
Die Beklagte bringt an (eigenem Personal) insgesamt 614 Personalstunden zu je 46 Euro in Rechnung, die von insgesamt 106 Personen geleistet worden sind. Dabei sind 31 Personen über jeweils drei Stunden im Einsatz gewesen, 38 Personen über fünf Stunden, 30 Personen für acht Stunden und sieben Personen über 13 Stunden.
Dieser Ansatz ist der Höhe nach rechnerisch nicht zu beanstanden. Die eingesetzten Kräfte sind in den Einsatzberichten der Ortswehren namentlich aufgeführt. Die Anzahl dieser Personen beträgt zwar nur 100 (von denen eine Person zudem nur als Bereitschaft im Feuerwehrhaus aufgeführt wird und drei Personen um 18.15 Uhr als verletzt gemeldet wurden); zudem sind die konkreten Zeiten des Ein- und Ausrückens bei vielen dieser Personen pauschal und wahrscheinlich unzutreffend dahingehend erfasst, dass der Einsatz bis 07.45 Uhr des Folgetags gedauert haben soll. Aus dem führenden Einsatzbericht der Ortsfeuerwehr A-Stadt der Beklagten ergeben sich jedoch die Zeitpunkte der Alarmierung der Wehren, die Zuordnung der Personen zu den Einsatzfahrzeugen (Ausnahme: OF K.) und die Zeitpunkte der Entlassung einzelner Wehren und Einsatzmittel aus dem Einsatz. Aus diesen Angaben lässt sich ein Einsatz von bis zu 617,5 Personalstunden herleiten.
Angesichts des Umfangs der Löscharbeiten, den zusätzlichen Hindernissen durch ein Unwetter mit Sturm und Hagel und des dadurch entstehenden imminenten Bedarfs, weitere Einsätze im Stadtgebiet zu fahren, ist auch nicht im Ansatz ersichtlich, dass die Beklagte Feuerwehrkräfte im Einsatz belassen hat, die nicht erforderlich waren. Das zeigen auch Einsatzmeldungen wie die Entlassung mehrerer Ortswehren mit Ausnahme der Trägerinnen und Träger persönlicher Atemschutzausrüstung, die an der Einsatzstelle weiterhin für erforderlich gehalten wurden.
Hinsichtlich der eingesetzten Fahrzeuge bringt die Beklagte insgesamt neun Fahrzeuge über insgesamt 53 Fahrzeugstunden mit Stundensätzen zwischen 70 und 200 Euro in Ansatz. Nach der Berechnung des Gerichts wären insgesamt bis zu 62 Fahrzeugstunden abrechenbar gewesen. Insgesamt sind danach zwar Abrundungen und der Verzicht auf den Ansatz einzelner Einsatzmittel zu erkennen; es ergibt sich jedoch kein zuungunsten der Klägerin überhöhter Ansatz von Personal oder Einsatzmitteln.
Im Übrigen hat die Klägerin konkrete Einwände gegen die Richtigkeit der Kostenansätze nicht erhoben. Das Gericht ist nicht gehalten, ohne nähere Anhaltspunkte eine eingehende Überprüfung vorzunehmen, sondern hat sich grundsätzlich auf die von den Beteiligten substantiiert vorzutragenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen zum zugrundenliegenden Kostenerstattungsbescheid zu beschränken.
III. Rechtswidrig ist die Heranziehung der Klägerin allerdings insoweit, als die Beklagte auch Einsatzkräfte und Fahrzeuge der Stadt J. bzw. an die Stadt J. geleisteten Kostenersatz im Umfang von 1.947 Euro in Ansatz bringt.
Eine Inanspruchnahme zu den Kosten der Nachbarschaftshilfe anderer Gemeinden ist zwar gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NBrandSchG grundsätzlich möglich. Auch die Feuerwehrgebührensatzung der Beklagten sieht in § 2 Abs. 2 eine solche Kostenerhebung vor, allerdings nur, soweit die Beklagte selbst Kostenersatz nach § 30 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG an die Nachbarschaftshilfe leistende Kommune zu leisten hat. Diese Ersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Stadt J. ist hier nicht gegeben, so dass auch keine Gebührenpflicht der Klägerin entstehen kann.
Nach § 30 Abs. 1 NBrandSchG ist die Nachbarschaftshilfe im Sinne von § 2 Abs. 2 NBrandSchG zwischen Gemeinden grundsätzlich unentgeltlich. Die ersuchende Gemeinde hat der Nachbarschaftshilfe leistenden Gemeinde allerdings die Kosten (nur) in derjenigen Höhe zu ersetzen, in der diese (Nachbarschaftshilfe leistende) Gemeinde für entgeltliche Einsätze in ihrem eigenen Gebiet nach § 29 NBrandSchG Gebühren und Auslagen hätte erheben können. Der Feuerwehreinsatz der Beklagten war als Brandeinsatz grundsätzlich aufgrund von § 29 Abs. 1 NBrandSchG kostenfrei. Nach § 29 Abs. 2 NBrandSchG können die Kommunen für derart kostenfreie Einsätze durch Satzung Gebühren erheben; dies setzt aber eine entsprechende Regelung durch Satzung voraus. Eine solche Regelung hat zwar die Beklagte in ihrer Feuerwehrgebührensatzung aufgenommen, nicht jedoch die Stadt J. in ihrer Satzung über Kostenersatz und Gebührenerhebung für Dienst- und Sachleistungen der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt J. (L.). Diese Satzung sieht in § 2 die Erhebung von Kostenersatz für entgeltliche Pflichtaufgaben vor, sie macht jedoch keinen Gebrauch von der Ermächtigung des § 29 Abs. 2 NBrandSchG, auch für unentgeltliche Pflichtaufgaben innerhalb der dort geregelten Ausnahmen Gebühren zu erheben.
Auch dass die Satzung der Stadt J. nach § 2 Buchst. c die Erhebung von „Kostenersatz für Nachbarschaftshilfe nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 NBrandSchG“ vorsieht, begründet keine Ersatzpflicht der Beklagten ihr gegenüber. Denn § 2 Abs. 2 NBrandSchG stellt keine gegenüber § 30 Abs. 1 NBrandSchG eigenständige Anspruchsnorm für den Kostenausgleich zwischen Gemeinden dar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO).