Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 30.11.2011, Az.: L 3 U 138/10

Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung; Berücksichtigung eines Hausgartens als landwirtschaftliches Unternehmen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
30.11.2011
Aktenzeichen
L 3 U 138/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 36428
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2011:1130.L3U138.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 21.04.2010 - AZ: S 2 U 96/05

Redaktioneller Leitsatz

1. Hausgärten sind von ihrem Umfang her auf den häuslichen Bedarf ausgerichtete Kleingärten, dh. zB. Kräuter- und Gemüsegärten, die unmittelbar am oder um ein (Wohn-)Haus herum liegen oder sich in unmittelbarer Nähe dazu befinden.

2. Auch ein Garten, der größer als 2500 qm ist, kann ein (unversicherter) Hausgarten im Sinne des § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sein, wenn er nur in geringfügigem Umfang genutzt wird. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 21. April 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Klage- und des Berufungsverfahrens wird auf jeweils 325,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

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Streitig ist, ob die Klägerin beitragspflichtiges Mitglied in der beklagten Berufsgenossenschaft ist.

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Die Klägerin ist seit 1980 Eigentümerin eines 3.600 qm großen, mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Von der Gesamtfläche entfallen insgesamt 310 qm auf das Haus, einen Carport und einen Schuppen. Eine westlich am Haus gelegene Terrasse umfasst 80 qm, weitere 180 qm werden von gepflasterten Wegen zum und am Haus sowie von Stellplätzen eingenommen. 55 qm entfallen auf einen Teich, eine Sandkiste sowie auf ein Kinderhaus und eine Schaukel. Ein ostwärts gelegener Lärmschutzwall umfasst 360 qm, Ziergartenflächen am Teich, am Haus und an der Zuwegung sind insgesamt 50 qm groß. Schließlich gehört zum Grundstück eine 1.200 qm große Rasenfläche und eine 1.365 qm große mit Buschwerk und Bäumen bestandene Fläche. Am 16. Juni 2004 stürzte die Klägerin beim Rosenschneiden von einer Leiter und erlitt eine Gehirnerschütterung und eine Fraktur eines Brustwirbelkörpers. Die Krankenkasse der Klägerin meldete den Unfall unter dem 5. Juli 2004 im Rahmen des Erstattungsverfahrens nach § 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) der Beklagten, die diesen in der Folgezeit als Arbeitsunfall anerkannte.

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Mit Bescheid vom 6. September 2004 stellte die Beklagte ihre Zuständigkeit für den Haus- und Ziergarten der Klägerin ab dem 1. Januar 1999 fest. Für die Umlagejahre 1999, 2000, 2001, 2002, 2003 und 2004 ergingen Beitragsbescheide jeweils unter dem 10. November 2004 in Höhe von 31,85 bis 36,65 Euro. Die dagegen gerichteten Widersprüche vom 23. September 2004, 7. Dezember 2004 und 17. Mai 2005 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2005 zurück. Sowohl das Reichsversicherungsamt (RVA) als auch die Sozialgerichte hätten inübereinstimmender Rechtsprechung festgestellt, dass auf der Grundlage des§ 123 Abs 1 Nr 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Gärten, deren Grundfläche die Mindestgröße von 0,25 haüberstiegen, der Unfallversicherungspflicht unterlägen, weil zur Pflege und Instandhaltung zwingend unfallgefährdete Arbeiten notwendig seien, die eine Unterstellung unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlich machten. Aufgrund dieser Vorgaben sei die Frage der konkreten Nutzung des Grundstücks im Einzelfall nicht mehr zu diskutieren. Die Klägerin habe bereits selbst einen Unfall bei der Pflege des Gartengrundstücks erlitten. Dieser sei als Arbeitsunfall anerkannt worden. Aufgrund dessen habe sie bereits Leistungen in Höhe von insgesamt 879,30 Euro erhalten. Die Beiträge für die Jahre 1999 bis 2004 seien korrekt festgesetzt worden.

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Die Klägerin hat mit ihrer am 1. August 2005 bei dem Sozialgericht (SG) Lüneburg erhobenen Klage ihr Ziel, eine Aufhebung der Beitragspflicht in der Gesetzlichen Unfallversicherung zu erreichen, weiterverfolgt. Sie sei Hausfrau und nutze ihr Grundstück nur für Freizeitzwecke. Das gemähte Gras und die abgeschnittenen Rosen dienten nicht der Gewinnerzielung. Das gelegentliche Mähen des Rasens und das Beschneiden der Rosen stelle keine beitragspflichtige unternehmerische Tätigkeit dar. Die Beklagte habe sich nicht einmal die Mühe gemacht, Lage und Beschaffenheit des Grundstücks anzusehen. Weder sie, die Klägerin, noch ihr Ehemann bearbeiteten planmäßig den Boden, um Bodengewächse für den eigenen Verbrauch aufzuziehen und abzuernten; es werde auch kein Gemüsegarten unterhalten; ebenso wenig werde Obst angebaut. Soweit hin und wieder die Wiesenfläche gemäht werde, geschehe dies nicht, um den Ertrag, etwa für die Fütterung von Kaninchen, zu nutzen. Die Einbeziehung in die gesetzliche Unfallversicherung allein unter dem Kriterium der Grundstücksgröße sei nicht nur mit Blick auf Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) unverhältnismäßig, sondern willkürlich. Auch hier gelte, dass der Gesetzgeber seine Entscheidung, einen bestimmten Personenkreis der Beitragspflicht zu unterwerfen, in ein normatives Umfeld einzubetten habe, das die Gleichheit der Belastung (Art 3 Abs 1 GG) auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges gewährleiste. Dem § 123 SGB VII sei entsprechendes nicht zu entnehmen. Die Beklagte könne die Pflichtmitgliedschaft auch nicht damit begründen, dass der erlittene Unfall als Arbeitsunfall anerkannt und ihr bereits Leistungen gewährt worden seien.

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Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 21. April 2010 die Bescheide der Beklagten vom 6. September 2004, 10. November 2004 und 6. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2005 aufgehoben. Die Klägerin betreibe kein landwirtschaftliches Unternehmen. Ihr Grundstück sei ein Haus- und Ziergarten. In § 123 Abs 2 SGB VII sei ausdrücklich bestimmt, dass es sich bei solchen Gärten nicht um landwirtschaftliche Unternehmen handele. Die Auffassung der Beklagten, bei Haus- und Ziergärten sei ab einer Grundstücksgröße von 2.500 qm automatisch von einem landwirtschaftlichen/gärtnerischen Unternehmen auszugehen, finde im Gesetz keine Stütze. Eine solche Grenze sei in § 123 Abs 2 SGB VII nicht genannt. Eine entsprechende feste Obergrenze hinsichtlich einer Grundstücksgröße existiere im Bereich des SGB VII nicht und sei auch vom Bundessozialgericht (BSG) für die dem § 123 Abs 2 SGB VII vorangehende Vorschrift des § 778 Reichsversicherungsordnung (RVO) ausdrücklich offen gelassen worden. Es habe vielmehr darauf hingewiesen, dass sogar vom Reichsversicherungsamt (RVA) keine starre Grenze von 2.500 qm angenommen worden sei, sondern bei einer extrem geringen Bewirtschaftung gerade auch einer Überschreitung der Grenze in Betracht käme. Auch aus der Befreiungsvorschrift des § 5 SGB VII ergebe sich nichts Gegenteiliges. Aus der Vorschrift gehe lediglich hervor, dass für die Annahme eines landwirtschaftlichen/gärtnerischen Unternehmens eine Mindestgröße nicht existiere. Es könne jedoch nicht im Umkehrschluss davon ausgegangen werden, dass ein Grundstück, das eine Größe von 2.500 qm überschreite, automatisch ein landwirtschaftliches Unternehmen darstelle. § 5 SGB VII sei vielmehr erst dann anzuwenden, wenn feststehe, dass ein landwirtschaftliches Unternehmen mit der genannten Größe auch tatsächlich betrieben werde. Da die landwirtschaftliche Unfallversicherung keinen eigenständigen Unternehmensbegriff kenne, sei hier auf die in § 121 Abs 1 SGB VII genannte Definition zurückzugreifen. Zwar könnten auch Tätigkeiten als Unternehmen im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung angesehen werden, wenn diese planmäßig und mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeübt würden, für eine gewissen Dauer bestimmt und auf einen einheitlichen Zweck ausgerichtet seien. Da diese Definition jedoch grundsätzlich sämtliche Tätigkeiten, die zur Pflege eines auch noch so kleinen Gartens erforderlich seien, umfasse, wäre dies tatsächlich ein bis ins Kleinste reichendes, nahezu schrankenloses Einfallstor der landwirtschaftlichen Unfallversicherung in den außenberuflichen Lebensbereich des Privatbesitzes, der Freizeit- und Hobbybeschäftigung. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 123 Abs 2 SGB VII sei ein Haus- und Ziergarten vielmehr ausnahmsweise nur dann als landwirtschaftliches Unternehmen anzusehen, wenn er regelmäßig mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet werde oder dessen Erzeugnisse nicht hauptsächlich dem eigenen Haushalt dienten. Dies sei beim klägerischen Grundstück nicht der Fall. Weder finde eine Bewirtschaftung noch eine Vermarktung statt. Das gelegentliche Beschneiden der Blumen im Ziergarten und das gelegentliche Mähen des Rasens seien keine von der typischen Nutzung als Haus- und Ziergarten abweichende unternehmerische Tätigkeit.

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Die Beklagte hat gegen den am 29. April 2010 zugestellten Gerichtsbescheid am 10. Mai 2010 bei dem Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Nicht zuletzt das BSG habe in seiner Entscheidung vom 11. November 2003 - B 2 U 51/02 R - festgestellt, dass die Systematik der gesetzlichen Regelungen für die Annahme einer Versicherungspflicht solcher landwirtschaftlichen Unternehmen in der Gesetzlichen Unfallversicherung spreche, da der Gesetzgeber mangels ausdrücklich geregelter Ausnahmetatbestände auch Zwergbetriebe bzw Kleinstunternehmen endgültig in die Zwangsversicherung einbezogen habe. Hierfür spreche insbesondere, dass sowohl in der landwirtschaftlichen Rentenversicherung als auch in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung eine Mindestgröße als Tatbestandsvoraussetzung für die Annahme eines landwirtschaftlichen Unternehmens gesetzlich vorgeschrieben sei, bei deren Erreichen die Versicherungspflicht einsetze. Weiterhin sei zu beachten, dass der Gesetzgeber zum einen hinsichtlich des Be-griffs des "anderen Kleingartens" in § 123 Abs 2 Nr 2 SGB VII ausdrücklich auf die imBundeskleingartengesetz verwendete Definition verweise. Zum anderen habe er als Korrektiv zur Pflichtversicherung durch die Schaffung einer Befreiungsmöglichkeit von der Versicherungspflicht für Flächen bis zu einer Größe von 2.500 qm für bewirtschaftende Personen in § 5 SGB VII selbst nunmehr eine sachgerechte Bagatellgrenze eingerichtet, von der die Betroffenen auf Antrag Gebrauch machen könnten. Insgesamt unterlägen damit aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 123 SGB VII sämtliche Park- und Gartengrundstücke, deren Flächen 2.500 qm überstiegen, der Versicherungspflicht. Eine Überprüfung der konkreten Nutzung des jeweiligen Grundstücks habe aufgrund des eindeutigen gesetzgeberischen Willens zu unterbleiben. Die Regelung des § 123 SGB VII in Verbindung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung habe zur Festlegung der Versicherungspflichtgrenze von 2.500 qm bei privat genutzten Gartengrundstücken geführt. Ein landwirtschaftliches Unternehmen sei auch dann gegeben, wenn es nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werde. Vorliegend sei belegt, dass die Klägerin ihren Haus- und Ziergarten zur Freizeitgestaltung nutze, sodass dadurch eine landwirtschaftliche Tätigkeit gegeben sei. Gärten mit einer Mindestgröße von 2.500 qm unterlägen auch deshalb der Unfallversicherungspflicht, weil zur Pflege und Instandhaltung zwingend unfallgefährdende Arbeiten notwendig seien, die eine Unterstellung unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlich machten.

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Die Beklagte beantragt,

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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 21. April 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie ist weiterhin der Auffassung, dass Haus- und Ziergärten nicht als landwirtschaftliche Unternehmen oder Unternehmen der Gartenpflege gelten, wenn sie weder regelmäßig noch in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet werden und ihre Erzeugnisse hauptsächlich dem eigenen Haushalt dienten. Sie und ihr Ehemann bewohnten das Hausgrundstück in den Sommermonaten; die Wintermonate verbrächten sie in Spanien. Abgesehen vom Mähen des Rasens und Beschneiden der Rosensträucher am Haus während der Zeit der saisonalen Nutzung gäbe es keine weitere landwirtschaftliche oder gärtnerische Tätigkeit. Der zur Begründung der Gefährlichkeit und deshalb der Notwendigkeit der Unfallversicherungspflicht herangezogene Rosenstrauch, bei dessen Beschneiden sie seinerzeit von der Leiter gefallen sei, befände sich unmittelbar am Haus und ranke an diesem hoch. Für den Unfall habe die Größe des Grundstücks keine Bedeutung gehabt; der Unfall wäre auch passiert, wenn das Grundstück 500 qm groß gewesen wäre.

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Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Die SG hat zu Recht die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Unfallversicherung verneint.

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Der Rechtsstreit bezieht sich auf den Mitgliedschaftsfeststellungsbescheid vom 6. September 2004 und auf die Beitragsbescheide für die Jahre 1999 bis 2004. Diesbezüglich ist die Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Die auch im Übrigen zulässige Klage ist auch begründet.

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Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin unterfällt nicht als "landwirtschaftliche Unternehmerin" der Beitrags- und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Versicherung kraft Gesetzes unterliegen nach § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII Personen, die Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind, wenn für das Unternehmen eine landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist. Der Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmers wird in § 123 Abs 1 Nrn 1 - 8 SGB VII definiert. Von dem Begriff des "landwirtschaftlichen Unternehmens" sind nach § 123 Abs 2 SGB VII allerdings ausgeschlossen (1.) Haus- und Ziergärten, (2.) andere Kleingärten im Sinne desBundeskleingartengesetzes vom 28. Februar 1983 (BGBl I S 210), zuletzt geändert durch Art 5 des Gesetzes vom 21. September 1994 (BGBl I S 2538), es sei denn, sie werden regelmäßig oder in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet oder ihre Erzeugnisse dienen nicht hauptsächlich dem eigenen Haushalt.

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Nach der Rechtsprechung des BSG ist von einem weiten unfallversicherungsrechtlichen Begriff des "landwirtschaftlichen Unternehmens" auszugehen. So hat das BSG etwa in seinem Urteil vom 18. Januar 2011 (B 2 U 16/10 R - juris -) noch auf der Grundlage der Vorschriften der RVO - festgestellt, dass ein "landwirtschaftliches Unternehmen" nicht nur dann vorliegt, wenn der Unternehmer einen landwirtschaftlichen Betrieb oder eine landwirtschaftliche Einrichtung führt. Landwirtschaftlicher Unternehmer ist vielmehr auch, wer als Besitzer von Grundstücken (Eigentümer, Pächter, Nießbraucher oder sonstiger Nutzer) auf eigene Rechnung Tätigkeiten verrichtet oder verrichten lässt, die mit dem Boden in irgendeiner Weise wirtschaften. In der oa Entscheidung hat das BSG die Eigenschaft des "landwirtschaftlichen Unternehmers" mit der Begründung bejaht, dass das Grundstück gemäht wird, um nachteilige Einwirkungen auf Dritte zu vermeiden (BSG aaO., Rn 14, 22, in Abgrenzung zum Beschluss vom 25. Oktober 1989 - 2 BU 99/89). Bereits das Abmähen der auf dem Grundstück gewachsenen Pflanzen kann danach eine mit dem Boden wirtschaftende Tätigkeit sein. Zur Bodenbewirtschaftung zählt nicht nur die Bestellung des Bodens durch Säen oder Pflanzen und seine Bearbeitung durch zB Pflügen, Düngen oder Bewässern, sie umfasst vielmehr sämtliche Tätigkeiten, die dem Abschneiden von Bodengewächsen oder der Gewinnung von Bodenerzeugnissen dienen. Unerheblich ist, ob die Bodenerzeugnisse auf einer Aufzucht beruhen und zu welchem Zweck sie gewonnen werden. Auch das Mähen von Gras zur Heugewinnung ohne weitere Verwendung des Heus kann damit zu den landwirtschaftlichen Tätigkeiten gezählt werden.

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Dies lässt sich grundsätzlich auch auf die Rechtslage nach dem SGB VIIübertragen: Der Beklagten ist dahingehend zuzustimmen, dass das Regelungskonzept des § 123 SGB VII darauf abstellt, die betrieblichen Risiken der Landwirtschaft soweit wie möglich abzudecken. Die Vorschrift bestätigt, dass sich die landwirtschaftliche Unfallversicherung mangels zumindest begrifflicher Erläuterungen des landwirtschaftlichen Unternehmens auf sämtliche bodenbewirtschaftende Unternehmen erstrecken soll (vgl zu § 776 RVO BSG aaO. Rn 19).

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Allerdings ordnet die Vorschrift ausdrücklich eine Ausnahme für Haus-, Zier- und andere Kleingärten nach demBundeskleingartengesetz an, es sei denn, diese werden regelmäßig oder in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet oder ihre Erzeugnisse dienen nicht hauptsächlich dem eigenen Haushalt.

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Der Senat sieht hier den Ausnahmetatbestand des § 123 Abs 2 SGB VII als gegeben an und verneint deshalb die Unternehmereigenschaft der Klägerin.

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Offensichtlich ist zwar, dass es sich bei dem klägerischen Grundstück nicht um einen Kleingarten nach dem Bundeskleingartengesetz im Sinne der Nr 2 der Vorschrift handelt. § 3 Abs 1 Bundeskleingartengesetz bestimmt, dass ein Kleingarten nicht größer als 400 qm sein soll. Diese Grenze, die seit dem Inkrafttreten des SGB VII in § 123 Abs 2 SGB VII ausdrücklich auch für die Gesetzliche Unfallversicherung normiert ist, ist im vorliegenden Fall deutlich überschritten.

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Dem SG ist aber in seiner Einschätzung zu folgen, dass es sich bei dem Grundstück der Klägerin noch um einen "Haus- und Ziergarten" im Sinne von § 123 Abs 2 Nr 1 SGB VII handelt. Hausgärten sind von ihrem Umfang her auf den häuslichen Bedarf ausgerichtete Kleingärten, dh zB Kräuter- und Gemüsegärten, die unmittelbar am oder um ein (Wohn-)Haus herum liegen oder sich in unmittelbarer Nähe dazu befinden (Köhler in: Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 3. Aufl, § 123 Rn 37). Allein der Umstand, dass das klägerische Grundstück eine Fläche von 2.500 qm überschreitet, kann - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht zur Annahme von Versicherungspflicht führen. Anders als beim § 123 Abs 2 Nr 2 SGB VII ist hier eine entsprechende feste Obergrenze bezüglich der Grundstücksgröße weder gesetzlich im SGB VII geregelt noch kann diese anhand der Rechtsprechung des BSG ermittelt werden; das BSG hat diese Frage bislang ausdrücklich offen gelassen und auf die ständige Rechtsprechung des RVA verwiesen (vgl BSGE 64, 252 [BSG 31.01.1989 - 2 RU 30/88] = SozR 2200 § 778 Nr 2).

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Das RVA hat 2.500 qm als die Obergrenze von Haus- und Ziergärten angesehen, dabei aber gleichzeitig herausgestellt, dass dies kein starres Ausschlusskriterium ist. Die Grenze von 2.500 qm kann vielmehr im Einzelfall bei besonders intensiver Nutzung unter- bzw bei extrem geringer Bewirtschaftung überschritten werden (RVA EuM 21, 212; 50, 11). Dabei hat das RVA maßgeblich auf den Umfang des Arbeitsaufwands abgestellt, der mit der jeweiligen gärtnerischen Nutzung verbunden ist und für entscheidend gehalten, ob das Grundstück "seiner ganzen Behandlung nach" als Haus- und Ziergarten angesehen werden muss (EuM 50, 11, 12 f). Anhaltspunkte dafür, dass auch bei Grundstücksflächen über 2.500 qm noch ein Hausgarten angenommen werden kann, sind etwa dann gesehen worden, wenn größere Rasenflächen vorliegen, weil dies gerade seinen Grund darin haben könne, dass ein mit eigenen Kräften nicht mehr zu bewältigender Arbeitsaufwand vermieden werden soll (RVA aaO., S 12). Auch in ländlichen Gegenden soll die Grenze für einen Hausgarten unter besonderen Umständen höher gesetzt werden können (RVA aaO., S 13). Im Interesse einer sachgerechten Bewertung des Einzelfalls folgt der Senat diesen Grundsätzen, die auch in der aktuellen Rechtsprechung (vgl zB Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 26. Januar 2006 - L 1 U 76/04; Bayerisches LSG, Beschluss vom 16. Juli 2007 - L 18 B 191/07 U ER - juris) und im Schrifttum (Köhler aaO. mwN; Feddern in: jurisPK-SGB VII, § 123 Rn 74.1) als maßgeblich angesehen werden.

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Der Fall der Klägerin ist dadurch gekennzeichnet, dass auf den eigentlichen Gartenanteil ihres Grundstücks mit 2.565 qm (bei Einbeziehung des Teichs ca 2.600 qm) eine Fläche entfällt, die nur wenig über der Grenze von 2.500 qm liegt. Die gärtnerischen Arbeiten, die durchgeführt werden, beschränken sich auf das Beschneiden der am Haus befindlichen Rosenstöcke und das gelegentliche Mähen der Rasenfläche. Dagegen bleibt der mit Bäumen und Büschen bestandene Bereich unbearbeitet. Dies ist auf der Grundlage der glaubhaften Angaben der Klägerin festzustellen, die von der Beklagten nicht bestritten worden sind. Ungeachtet der knapp über 2.500 qm liegenden Fläche werden damit nur Tätigkeiten in geringfügigem Umfang verrichtet, wie sie für Haus- und Ziergärten typisch sind. Damit liegen keine Tätigkeiten vor, die eine Unterstellung unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung rechtfertigen.

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Dem SG ist auch dahingehend zu folgen, dass sich aus der Befreiungsvorschrift des § 5 SGB VII nichts Gegenteiliges ergibt. Danach werden auf Antrag Unternehmer landwirtschaftlicher Unternehmen im Sinne des§ 123 Abs 1 Nr 1 SGB VII bis zu einer Größe von 0,25 ha und ihre Ehegatten oder Lebenspartner unwiderruflich befreit. Wie bereits das SG zutreffend angeführt hat, findet die Befreiungsvorschrift erst Anwendung, wenn feststeht, dass ein landwirtschaftliches Unternehmen mit der genannten Größe auch tatsächlich betrieben wird. Nach § 123 Abs 2 SGB VII werden Haus- und Ziergärten und Kleingärten aber kraft Gesetzes vom Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmens ausgenommen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

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Der Senat hat gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG die Revision zugelassen. Es misst der Sache grundsätzliche Bedeutung zu, weil das BSG bisher offen gelassen hat, inwieweit die vom RVA postulierte Grenze von 2.500 qm weiter gilt.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 2 Gerichtskostengesetz (GKG).