Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 03.11.2011, Az.: L 11 AL 130/11 B ER
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 03.11.2011
- Aktenzeichen
- L 11 AL 130/11 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 28130
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2011:1103.L11AL130.11B.ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Braunschweig - 29.09.2011 - AZ: S 7 AL 253/11 ER
Tenor:
Die Beschwerde gegen den die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 29. September 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) gemäß §§ 59 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die 1991 geborene und in E. lebende Antragstellerin begann zum 1. September 2011 eine Berufsausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel bei der F. G. GmbH, H ... Nachdem trotz Vorsprache bei der Antragsgegnerin zunächst keine Bewilligung von BAB erfolgt war, beantragte die Antragstellerin am 23. September 2011 beim Sozialgericht (SG) Braunschweig den Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet u.a. auf die Aushändigung eines BAB-Antragsformulars sowie auf vorläufige Gewährung von BAB in Höhe von 450,- Euro pro Monat.
Das SG lehnte den Eilantrag mit der Begründung ab, es sei nicht ersichtlich, dass der Antragsgegnerin die Bereitschaft fehle, über einen BAB-Antrag der Antragstellerin zu entscheiden. Dass die Antragstellerin einen entsprechenden Antrag gestellt habe, sei in den Verwaltungsakten vermerkt. Ebenso werde dort festgestellt, dass dem Grunde nach ein Anspruch bestehe. Für eine abschließende Entscheidung fehlten lediglich die erforderlichen Unterlagen. Insoweit sei zwar zwischen den Beteiligten streitig, ob die Antragstellerin die Antragsformulare zwischenzeitlich erhalten habe. Eine gerichtliche Regelung sei insoweit jedoch nicht erforderlich, da die Beteiligten problemlos selbst Abhilfe schaffen könnten (Beschluss vom 29. September 2011).
Gegen den der Antragstellerin am 1. Oktober 2011 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 2. Oktober 2011 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Beschwerde.
Nachdem die Antragsgegnerin mit Wirkung ab 1. September 2011 BAB in Höhe von 204,- Euro pro Monat bewilligt hat (Bescheid vom 13. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2011), wendet sich die Antragstellerin lediglich noch gegen die Höhe der gewährten BAB. Sie ist der Auffassung, dass ihr weitere 204,68 Euro (so: Schriftsatz der Antragstellerin an den erkennenden Senat vom 17. Oktober 2011) bzw. 204,64 Euro zuständen (so: Schriftsatz von Rechtsanwalt I. an die Antragsgegnerin vom 17. Oktober 2011).
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von weitergehenden BAB-Leistungen.
Nach § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist, insbesondere auch ein Eilbedürfnis vorliegt (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86b Abs 2 Satz 4 SGG).
Vorliegend besteht bereits kein Anordnungsanspruch. Die Antragsgegnerin hat nach derzeitigem Sach- und Streitstand die der Antragstellerin zustehende BAB fehlerfrei errechnet.
Die Antragsgegnerin hat im Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2011 unter Bezugnahme auf die einschlägigen Berechnungsvorschriften nach §§ 65 ff. SGB III sowie nach den dort in Bezug genommenen Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) die Berechnung des Leistungsbetrags eingehend, nachvollziehbar und im Ergebnis zutreffend dargelegt. Soweit die Antragstellerin monatliche Fahrkosten von 266,64 Euro (vgl. Schreiben von Rechtsanwalt I. vom 17. Oktober 2011) anstatt 189,23 Euro (vgl. zu diesem Betrag: Seite 3 des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2011) geltend macht, verkennt die Antragstellerin, dass der maßgebliche km-Satz 0,20 Euro beträgt (§ 67 Abs 2 Satz 1 SGB III i.V.m. § 5 Abs 1 Satz 2 Bundesreisekostengesetz - BRKG -) und nicht - wie die Antragstellerin meint - 0,30 Euro pro Kilometer (vgl. hierzu die diesbezügliche handschriftliche Anmerkung der Antragstellerin auf Seite 3 der von ihr zur Gerichtsakte gereichten Fotokopie des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2011, Bl. 61 Gerichtsakte). Ein erhöhter km-Satz von 0,30 Euro ist in § 5 Abs 2 BRKG geregelt (bei Vorliegen eines erheblichen dienstlichen Interesses an der Benutzung des Kraftwagens). Auf diese Norm verweist § 67 Abs 2 Satz 1 SGB III hingegen nicht. Die Antragsgegnerin ist von den Entfernungsangaben der Antragstellerin rechtsfehlerfrei abgewichen, weil sich nach dem Routenplaner Entfernungen zur Arbeitsstelle bzw. Berufsschule von lediglich 43,5 km ergeben. Die von der Antragstellerin stattdessen geltend gemachten Entfernungen von jeweils 50 km (vgl. Antrag vom 26. September 2011) sind somit nicht nachvollziehbar.
Ein höherer BAB-Leistungsbetrag lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Ausbildungsvergütung lediglich 488,- Euro netto beträgt (vgl. zu diesem Betrag: Schriftsatz von Rechtsanwalt I. vom 17. Oktober 2011). Schließlich ist die Antragsgegnerin in der Berechnung des BAB-Leistungsbetrags sogar von einem noch niedrigeren Nettobetrag ausgegangen (615,- Euro pro Monat brutto abzüglich des pauschalen Sozialversicherungsbetragssatzes nach § 21 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BAföG in Höhe von 21,3 Prozent = 484,01 Euro für die Zeit vom 1. September 2011 bis 31. August 2012). Zutreffend hat die Antragsgegnerin allerdings auch die höhere Ausbildungsvergütung für die Zeit vom 1. September 2012 bis 28. Februar 2013 sowie die im Jahre 2012 zu erwartenden Einmalzahlungen in die Berechnung des für den Bewilligungszeitraum maßgeblichen Einkommens einbezogen (vgl. zum maßgeblichen Zeitraum für die Berechnung des Einkommens im Förderzeitraum: §§ 71, 73 SGB III).
Die Antragsgegnerin hat ebenfalls zutreffend entschieden, dass die von der Antragstellerin zusätzlich geltend gemachten Freibeträge für auswärtige Unterbringung nicht berücksichtigt werden können. Diese Freibeträge setzen nämlich nach § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGB III voraus, dass die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushaltes der Eltern oder eines Elternteils möglich ist. Da jedoch sowohl die Antragstellerin als auch ihre Eltern in E. leben, begründet die Berufsausbildung in Braunschweig nicht die Notwendigkeit einer Unterbringung außerhalb des Elternhauses.
Andere Rechenfehler sind weder von der Antragstellerin geltend gemacht worden noch ersichtlich. Dementsprechend verweist der erkennende Senat wegen der weiteren Einzelheiten der Berechnung des BAB-Leistungsbetrags zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2011.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen, da der Beschwerde - wie bereits dargelegt - die hinreichende Erfolgsaussicht fehlt (vgl. zu dieser Voraussetzung: § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar (§ 177 SGG).